Bundesfinanzhof, Urteil vom 02.12.2020, Az. II R 5/19

2. Senat | REWIS RS 2020, 3684

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sachaufklärungspflicht des FG bei Ermittlung des Anteilswerts einer nicht börsennotierten Kapitalgesellschaft


Leitsatz

1. Für die Ermittlung des gemeinen Werts von Anteilen an einer nicht börsennotierten Kapitalgesellschaft hat allein der Steuerpflichtige die Wahl zwischen einem individuellen Ertragswertverfahren nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG und der Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens nach §§ 199 ff. BewG.

2. Kann sich das FG auf Grundlage der Wertermittlung des Steuerpflichtigen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG keine ausreichende Überzeugung von dem gemeinen Wert des Anteils bilden, hat es von Amts wegen geeignete Maßnahmen zur Sachaufklärung zu ergreifen, um den gemeinen Wert zu ermitteln. Die Wertermittlung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren stellt keine Auffangmethode dar.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 12.12.2018 - 4 K 108/18 F aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Ehefrau und Erbin des Erblassers, der am 01.01.2011 verstarb.

2

Der Erblasser war mit einem Geschäftsanteil von circa 17 % Gesellschafter einer GmbH, die insbesondere Kapitalvermögen für Anleger verwaltete. Weitere Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH waren u.a. der [X.] Todestag des Erblassers [X.] sowie [X.] Aufgrund von [X.] hatten die Gesellschafter [X.] und C Sondergewinnbezugsrechte, sodass dem Erblasser im Ergebnis nur etwa 15 % des Gewinns der GmbH zustand.

3

Im [X.] an eine Außenprüfung stellte der [X.]eklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) mit einem der Klägerin gegenüber ergangenen [X.]escheid über die gesonderte Feststellung des Werts des Anteils an einer Kapitalgesellschaft auf den 01.01.2011 für Zwecke der Erbschaftsteuer (Feststellungsbescheid) vom 08.10.2015 im vereinfachten Ertragswertverfahren den Wert der GmbH auf den 01.01.2011 mit ... € und den Wert des Anteils des Erblassers mit ... € fest.

4

Ihren Einspruch begründete die Klägerin damit, dass die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führe. Sie übersandte eine gutachterliche Stellungnahme eines Wirtschaftsprüfers vom 01.03.2016, in der der Wert des Anteils des Erblassers an der GmbH mit ... € beziffert wird. Der Unternehmenswert wird darin unter Anwendung des Ertragswertverfahrens entsprechend den "Grundsätzen zur Durchführung von Unternehmensbewertungen" des [X.] ([X.] S 1) durch Abzinsung der künftigen finanziellen Überschüsse ermittelt. Der Wirtschaftsprüfer weist darauf hin, dass es sich nicht um ein vollständiges Unternehmensbewertungsgutachten nach [X.] S 1 handele. Für eine solche [X.]egutachtung seien Unterlagen und Informationen über die GmbH (u.a. [X.]ranchen- und Wettbewerbsanalysen, vertiefende Plausibilitätsbeurteilungen) erforderlich, welche die Klägerin als Minderheitsgesellschafterin aber selbst unter Ausnutzung aller ihr aus dem Gesellschaftsrecht eingeräumten Auskunftsrechte nicht beschaffen könne. Die Ertragsprognose basiere im Wesentlichen auf den historischen [X.], die angepasst worden seien. Konkret erstellte [X.] hätten nicht zur Verfügung gestanden. Außerdem werde in der Ertragsprognose berücksichtigt, dass die GmbH wegen ihrer hohen Personenbezogenheit auf [X.] nur noch zeitlich begrenzt finanzielle Überschüsse erwirtschaften werde. Schließlich sei bei Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes im Rahmen des [X.] ein [X.]etafaktor von 1,3 angesetzt worden.

5

Das [X.] wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 11.12.2017 als unbegründet zurück.

6

Die Klage vor dem [X.] ([X.]) hatte teilweise Erfolg. Das [X.] war der Ansicht, die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens führe im Streitfall nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen. Das [X.] habe lediglich zu Unrecht die den Gesellschaftern zustehenden Sondergewinnbezugsrechte nicht berücksichtigt. Die von der Klägerin vorgelegte gutachterliche Stellungnahme des Wirtschaftsprüfers lasse hingegen keine weitere Herabsetzung des Werts zu. Sie verstoße gegen das [X.] und sei daher nicht verwertbar. Das Urteil ist in Entscheidungen der [X.]e (E[X.]) 2019, 406 veröffentlicht.

7

Mit ihrer Revision macht die Klägerin eine Verletzung von § 11 Abs. 2 des [X.]ewertungsgesetzes ([X.]ewG) und § 199 Abs. 1 [X.]ewG sowie einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 der [X.]sordnung --[X.]O--) und gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) wegen Nichtberücksichtigung der gutachterlichen Stellungnahme geltend.

8

Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und den Feststellungsbescheid vom 08.10.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.12.2017 dahingehend zu ändern, dass der Wert des Anteils des Erblassers an der GmbH auf den 01.01.2011 mit ... € festgestellt wird.

9

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet abzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O).

Das [X.] ist zu Unrecht von einem Vorrang der Wertermittlung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren gemäß §§ 199 ff. [X.] ausgegangen. Es hat seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung dadurch verletzt, dass es die in Form der gutachterlichen Stellungnahme eingereichte Wertermittlung weder beachtet noch unter [X.]erücksichtigung der Ertragsaussichten nach § 11 Abs. 2 Satz 2 [X.] ergänzt und angepasst hat.

1. Nicht an der [X.]örse notierte Anteile an Kapitalgesellschaften --wie die Geschäftsanteile einer GmbH-- sind gemäß § 12 Abs. 2 des [X.] ([X.]) im Wege einer gesonderten Feststellung nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] nach Maßgabe des § 157 Abs. 4 [X.] und § 11 Abs. 2 [X.] unter [X.]erücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse zum [X.]ewertungsstichtag mit dem gemeinen Wert zu bewerten.

Liegen zeitnahe Verkäufe, aus denen der gemeine Wert abgeleitet werden könnte, nicht vor, so ist der gemeine Wert unter [X.]erücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode zu ermitteln; dabei ist die Methode anzuwenden, die ein Erwerber der [X.]emessung des Kaufpreises zugrunde legen würde (§ 11 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Der Substanzwert darf nicht unterschritten werden (§ 11 Abs. 2 Satz 3 [X.]). Nach § 11 Abs. 2 Satz 4 [X.] sind die §§ 199 bis 203 [X.] zu berücksichtigen.

a) Die Ermittlung des Werts der [X.]eteiligung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 [X.] kann durch eine individuelle Unternehmensbewertung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen erfolgen, insbesondere durch eine solche nach [X.] S 1 (vgl. Urteil des [X.] --[X.]FH-- vom 12.06.2019 - X R 38/17, [X.], 182, [X.], 518, Rz 66, m.w.[X.]).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Anteilsbewertung ist der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m. § 11 [X.]), d.h. bei Erwerben von Todes wegen regelmäßig der Tod des Erblassers (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.]). Zwar ist das Ertragswertverfahren nach [X.] S 1 zukunftsbezogen ausgestaltet und umfasst als Prognosebetrachtung insbesondere die leistungs- und finanzwirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens unter [X.]erücksichtigung der erwarteten Markt- und Umweltentwicklungen. Maßgebend ist jedoch der Wert am [X.]ewertungsstichtag und damit auch die Prognosebeurteilungen auf diesen [X.]ewertungsstichtag (vgl. [X.]FH-Urteil in [X.], 182, [X.], 518, Rz 72). Auch unter [X.]erücksichtigung des Stichtagsprinzips können Verhältnisse und Gegebenheiten berücksichtigt werden, die im [X.]ewertungszeitpunkt zwar noch nicht eingetreten, aber so hinreichend konkretisiert sind, dass mit ihnen zu diesem Zeitpunkt objektiv als Tatsachen zu rechnen ist (vgl. auch Senatsurteile vom 02.10.1991 - II R 153/88, [X.], 372, [X.] 1992, 274, unter [X.]; vom 12.01.2011 - II R 38/09, [X.], 765, Rz 15, m.w.[X.], und vom 16.05.2013 - II R 4/11, [X.], 1223, Rz 15).

b) Ist der gemeine Wert von nicht notierten Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zu ermitteln, kann gemäß § 11 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 199 Abs. 1 [X.] anstelle eines individuellen Ertragswertverfahrens auch das vereinfachte Ertragswertverfahren gemäß §§ 200 ff. [X.] angewendet werden, wenn dieses nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt.

aa) Die Vorschriften in [X.]ezug auf das vereinfachte Ertragswertverfahren nach § 199 [X.] gewähren allein dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zur Anwendung dieser Methode. Hiervon geht auch die Finanzverwaltung ausdrücklich aus (vgl. auch [X.] 4 Satz 1 der [X.] 2019 [X.] vom 16.12.2019, [X.], Sondernr. 1/2019, 2; [X.], Der [X.], 77, 78, m.w.[X.]). Entscheidet sich der Steuerpflichtige gegen das vereinfachte Ertragswertverfahren durch Vorlage eines unter [X.]eachtung des [X.] S 1 erstellten individuellen Gutachtens, können die §§ 199 ff. [X.] auch nicht nach Art eines Auffangtatbestandes der [X.]ewertung, zu der das [X.] gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 [X.]O i.V.m. § 162 der Abgabenordnung ([X.]) verpflichtet ist, zugrunde gelegt werden. Das gilt selbst dann, wenn der Unternehmenswert nach Maßgabe von § 11 Abs. 2 Satz 2 [X.] bislang unzureichend ermittelt worden ist.

bb) Der Steuerpflichtige, der eine Wertermittlung unter [X.]erücksichtigung der Ertragsaussichten (z.[X.]. nach [X.] S 1) vornimmt, ist nicht verpflichtet, gesondert darzulegen, dass die von ihm gewählte Methode grundsätzlich gegenüber anderen anerkannten [X.]ewertungsmethoden oder dem vereinfachten Ertragswertverfahren vorzugswürdig ist. Grund hierfür ist die Erkenntnis, dass üblicherweise zumindest bei [X.]eteiligungen an großen Gesellschaften die Ertragswertmethode angewandt wird, weil sie von der Frage ausgeht, welches Kapital ein angedachter Investor einsetzen würde, um aus seinem Investment eine angemessene Rendite zu erzielen.

Anderes gilt nach der Gesetzesbegründung ([X.] 4/08, [X.]) nur, wenn der Steuerpflichtige umgekehrt den Anteilswert mittels einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode (z.[X.]. vergleichsorientierte Methoden und Multiplikatorenmethoden) ermitteln will.

cc) Ein Vorrang bzw. eine (widerlegbare) Vermutung der Richtigkeit für einen mittels des vereinfachten Ertragswertverfahrens nach §§ 200 ff. [X.] ermittelten Wert besteht nicht. Die Finanzverwaltung geht vielmehr selbst davon aus, dass die im vereinfachten Ertragswertverfahren vorgesehenen Typisierungen dazu führen können, dass der in diesem Verfahren ermittelte Wert höher oder niedriger als der gemeine Wert ist ([X.] 3 Satz 1 ErbStR 2019) und sieht vor, dass die [X.]ewertung nach allgemeinen Grundsätzen vorzunehmen ist, wenn die Voraussetzungen für die [X.]ewertung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren nicht vorliegen (vgl. [X.] 4 Sätze 6 und 7 ErbStR 2019).

dd) Grundsätzlich spricht für ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen auch die Zielsetzung des Gesetzgebers, wonach das vereinfachte Ertragswertverfahren die Möglichkeit bieten soll, ohne hohen Ermittlungsaufwand oder Kosten für einen Gutachter einen objektivierten Unternehmens- bzw. Anteilswert auf der Grundlage der Ertragsaussichten nach § 11 Abs. 2 Satz 2 [X.] zu ermitteln. Nur in dem Fall, in dem das vereinfachte Ertragswertverfahren zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt, soll sich der Unternehmens- bzw. Anteilsinhaber nicht auf dieses Verfahren berufen können und die Finanzverwaltung die Möglichkeit haben können, die Anwendung des Verfahrens abzulehnen ([X.]TDrucks 16/11107, S. 22).

2. Das [X.] hat den Sachverhalt auch in [X.]ewertungsfragen von Amts wegen zu erforschen (§ 76 Abs. 1 [X.]O).

a) Der Steuerpflichtige kann ein Sachverständigengutachten außergerichtlich einholen und in das finanzgerichtliche Verfahren als urkundlich belegten [X.]eteiligtenvortrag einbringen. Ein solches Gutachten bindet das [X.] zwar nicht. Allerdings wird es vom [X.] seiner Entscheidung unter der Voraussetzung zugrunde gelegt werden, dass der Senat von der Ordnungsmäßigkeit des Gutachtens überzeugt ist und auch keiner der [X.]eteiligten substantiierte Einwendungen gegen die Richtigkeit erhebt ([X.]FH-Urteil in [X.], 182, [X.], 518, Rz 67, m.w.[X.]; vgl. auch Senatsurteil vom 05.12.2019 - II R 9/18, [X.], 380, [X.] 2021, 135, Rz 13, und [X.] vom 28.04.2020 - IX [X.] 9/20, [X.], 904, Rz 5).

b) Zur Ordnungsmäßigkeit des Gutachtens gehören sowohl dessen methodische Qualität als auch eine zutreffende Erhebung und Dokumentation der [X.]egutachtungsgrundlagen. Der Gutachter muss aus den festgestellten Fakten seine Schlussfolgerungen ziehen und diese zusammen mit den von ihm für richtig erkannten Annahmen im Gutachten dokumentieren (Senatsurteil vom 24.10.2017 - II R 40/15, [X.], 80, [X.], 21, Rz 13 und 21, betreffend ein Gutachten zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts nach § 138 Abs. 4 [X.]; Senatsbeschluss vom 12.06.2020 - II [X.] 46/19, [X.], 1273, Rz 8, betreffend ein Gutachten zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts nach § 198 [X.]). Diese Anforderungen gelten auch für ein Gutachten zur Ermittlung des gemeinen Werts von Anteilen an nichtbörsennotierten Kapitalgesellschaften gemäß § 11 Abs. 2 Sätze 1 und 2 [X.].

c) [X.]esteht Streit über die Richtigkeit der Methodik eines Gutachtens zur Ermittlung des gemeinen Werts von Anteilen an nichtbörsennotierten Kapitalgesellschaften gemäß § 11 Abs. 2 Sätze 1 und 2 [X.] oder streiten sich die [X.]eteiligten über den Ansatz einzelner [X.]erechnungsparameter eines ansonsten methodisch beanstandungsfreien Gutachtens, bedarf dies der Sachaufklärung durch das [X.] gemäß § 76 Abs. 1 [X.]O (vgl. [X.]FH-Urteil in [X.], 182, [X.], 518, Rz 67).

Entspricht das Gutachten nicht in jeder Hinsicht den zu stellenden Anforderungen, berechtigt dies jedoch das [X.] nicht ohne Weiteres dazu, das Gutachten insgesamt unberücksichtigt zu lassen (vgl. Senatsurteil vom [X.] - II R 25/09, [X.], 72, [X.] 2011, 203, Rz 18, m.w.[X.]). Etwaige Lücken im Gutachten können vom [X.] selbst geschlossen werden, wenn und soweit dies ohne Sachverständige im üblichen Rahmen einer [X.]eweiswürdigung möglich ist. Sind nach Auffassung des [X.] einzelne Parameter eines zur Ermittlung des gemeinen Werts des Anteils nach der Methodik gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 [X.] durch den Steuerpflichtigen vorgelegten Gutachtens nicht plausibel, muss das [X.] von Amts wegen entweder die beanstandeten Lücken schließen oder dem Steuerpflichtigen die entsprechende Nachbesserung des Gutachtens aufgeben.

Erachtet das Gericht indes das Gutachten für ungenügend, kann es gemäß § 412 Abs. 1 der Zivilprozessordnung, der über § 82 [X.]O auch für das finanzgerichtliche Verfahren gilt, eine neue [X.]egutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen ([X.] vom 21.06.2010 - VII [X.] 247/09, [X.], 2113, Rz 7). Hiervon absehen kann das [X.] nur dann, wenn es ausnahmsweise selbst über die nötige Sachkunde verfügt und diese in den Entscheidungsgründen darlegt ([X.]FH-Urteile vom 15.03.2018 - VI R 8/16, [X.], 122, [X.] 2018, 550, Rz 49, und in [X.], 182, [X.], 518, Rz 68; [X.] vom 05.10.2018 - IX [X.] 48/18, [X.], 39, Rz 4; jeweils m.w.[X.]).

d) Die Verpflichtung des [X.] zur Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen gilt --anders als bei der Nachweispflicht des Steuerpflichtigen gemäß § 198 [X.]-- auch dann, wenn der Steuerpflichtige sein Wahlrecht, den gemeinen Wert im vereinfachten Ertragswertverfahren zu ermitteln, nicht ausgeübt hat. Legt der Steuerpflichtige stattdessen ein Gutachten nach den Grundsätzen des § 11 Abs. 2 Sätze 1 und 2 [X.] vor, können weder das [X.] noch das [X.] ohne Weiteres dem vereinfachten Ertragswertverfahren den Vorrang einräumen.

3. Das [X.] ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Es hat das Recht der Klägerin, den gemeinen Wert des Anteils an der GmbH durch das Ertragswertverfahren nach [X.] S 1 zu ermitteln, nicht hinreichend beachtet. Die gutachterliche Stellungnahme vom 01.03.2016 kann der Wertermittlung als Ausgangspunkt zugrunde gelegt werden. Nicht entscheidungserheblich ist, dass es sich dabei aufgrund fehlender Unterlagen nicht um ein vollständiges Unternehmensbewertungsgutachten handelt. Diesbezüglich geht das [X.] selbst davon aus, dass der Wert der gutachterlichen Stellung lediglich geringer, nicht jedoch vollständig ohne Aussagekraft ist. Es weist zudem zutreffend darauf hin, dass nach [X.] S 1 bei Fehlen von Unterlagen --wie im Streitfall der [X.] aufgrund einer Vergangenheitsanalyse eine Ertragsprognose erstellt werden soll. Diese hat der Wirtschaftsprüfer auch tatsächlich vorgelegt. Das [X.] hätte deswegen entweder der Klägerin die Möglichkeit geben müssen, die --bzgl. der sonstigen Parameter, z.[X.]. der historischen Ertragslage der GmbH, nicht beanstandete-- gutachterliche Stellungnahme in den durch das [X.] kritisierten Punkten nachzubessern und zu ergänzen, oder selbst ein neues Gutachten in Auftrag geben müssen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben.

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Das [X.] hat --aus seiner Sicht zu [X.] nicht alle erforderlichen Feststellungen getroffen, um auf Grundlage der gutachterlichen Stellungnahme den gemeinen Wert des Anteils an der GmbH nach § 11 Abs. 2 Satz 2 [X.] zu ermitteln. [X.]eispielsweise hat es noch keine Feststellungen getroffen, ob der angesetzte [X.]etafaktor gerechtfertigt ist. Entsprechende Feststellungen wird das [X.] im zweiten Rechtsgang nachzuholen und den gemeinen Wert des Anteils nach der Methodik des § 11 Abs. 2 Satz 2 [X.] zu ermitteln haben.

5. Für den zweiten Rechtsgang wird ohne Rechtsbindung auf Folgendes hingewiesen:

a) Die gutachterliche Stellungnahme bezieht sich grundsätzlich auf den 01.01.2011 als Stichtag und [X.]ewertungszeitpunkt. Dies geht bereits aus der entsprechenden Formulierung auf S. 2 der Stellungnahme hervor.

b) Die (evtl. abschmelzende) [X.]erücksichtigung der Abhängigkeit der Ertragskraft der GmbH von ihrem bisherigen Geschäftsführer [X.] (vgl. [X.] S 1, [X.]. 40, 154 und 162 f.; vgl. auch [X.], Urteil vom 11.07.2012 - 8 U 192/08, juris, Rz 53 und 60) ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, soweit mit dessen Ausscheiden am Stichtag 01.01.2011 bereits konkret zu rechnen war.

c) Die [X.]ehandlung der disquotalen Gewinnverteilung ist nach den durch die gewählte und anerkannte [X.]ewertungsmethode gesetzten Maßstäben zu beurteilen.

6. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 5/19

02.12.2020

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 12. Dezember 2018, Az: 4 K 108/18 F, Urteil

§ 162 AO, § 76 Abs 1 FGO, § 11 Abs 2 BewG 1991 vom 24.12.2008, § 198 S 2 BewG 1991 vom 24.12.2008, § 199 Abs 2 BewG 1991 vom 24.12.2008, § 200 BewG 1991 vom 24.12.2008, § 412 Abs 1 ZPO, § 96 Abs 1 S 1 Halbs 1 FGO, § 82 FGO, § 138 Abs 4 S 1 BewG 1991 vom 13.12.2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 02.12.2020, Az. II R 5/19 (REWIS RS 2020, 3684)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3684

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

II R 1/18 (Bundesfinanzhof)

Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines Grundstücks


II R 9/18 (Bundesfinanzhof)

Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch Sachverständigengutachten


X R 17/20 (Bundesfinanzhof)

Bewertung eines GmbH-Anteils mit stark disquotal ausgestalteten Rechten; Vertrauensschutz hinsichtlich der Bewertung von Sachzuwendungen


II R 7/18 (Bundesfinanzhof)

Immobilienwertnachweis durch Gutachten


II R 43/17 (Bundesfinanzhof)

Bestimmung des Werts eines Anteils an einer Personengesellschaft für Zwecke der Erbschaftsteuer


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.