Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.07.2021, Az. I ZR 123/20

1. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 3878

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Gegenstand

Irreführende geschäftliche Handlung im Internet: Unzutreffende Behauptung einer Rechtsanwältin über ihre derzeitige Mitgliedschaft in der Vorstandsabteilung für Vermittlungen einer Rechtsanwaltskammer; Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der geschäftlichen Relevanz des beanstandeten Verhaltens; Bestreiten einer zu einem früheren Zeitpunkt bestandenen Mitgliedschaft mit Nichtwissen - Vorstandsabteilung


Leitsatz

Vorstandsabteilung

1. Die im Internetauftritt einer Rechtsanwältin enthaltene unzutreffende Behauptung, derzeit Mitglied der Vorstandsabteilung für Vermittlungen einer Rechtsanwaltskammer zu sein, ist eine irreführende geschäftliche Handlung, die auch dann im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, wenn in der Vergangenheit eine solche Mitgliedschaft bestanden hat.

2. Tatsächliche Umstände, die gegen eine geschäftliche Relevanz des als Irreführung beanstandeten Verhaltens im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG sprechen, liegen in der Darlegungs- und Beweislast der auf Unterlassung in Anspruch genommenen Partei.

3. Eine Rechtsanwaltsgesellschaft, die gegen eine Rechtsanwältin wegen der als unzutreffend beanstandeten Behauptung einer derzeitigen Mitgliedschaft in der Vorstandsabteilung für Vermittlungen einer Rechtsanwaltskammer Klage erhoben hat, kann den Vortrag der Beklagten, zu einem früheren Zeitpunkt Mitglied dieser Vorstandsabteilung gewesen zu sein, gemäß § 138 Abs. 4 ZPO wirksam mit Nichtwissen bestreiten.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Kammergerichts - 5. Zivilsenat - vom 30. Juni 2020 aufgehoben.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des [X.] - Kammer für Handelssachen 101 - vom 17. Juni 2019 abgeändert.

Die Beklagte wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des [X.] im Zusammenhang mit dem Anbieten von [X.] gegenüber Verbrauchern die Angabe zu machen, sie sei Mitglied der [X.] (Vermittlungen) der [X.], wenn dies tatsächlich nicht der Fall ist.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin Kosten für das anwaltliche [X.] in Höhe von 1.336,90 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Januar 2019 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin und die Beklagte bieten [X.] an. Ein Teil der Gesellschafter der Klägerin war im Jahr 2014 für mehrere Monate mit der Beklagten zur gemeinsamen Berufsausübung zusammengeschlossen. Die Parteien führten seit Mitte 2015 unter umgekehrtem Rubrum eine wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzung vor dem [X.] und dem [X.], die jedenfalls im Zeitpunkt des vorliegenden erstinstanzlichen Rechtsstreits noch andauerte.

2

Auf der von der Beklagten betriebenen Internetseite [X.].       .de war am 29. Mai 2018 auf der Unterseite "Anwälte" und der Rubrik "[X.]  " und dort unter der Überschrift "Besondere Aktivitäten" aufgeführt:

Mitglied der [X.] (Vermittlungen) der [X.].

3

Die Beklagte war seit 2012 nicht mehr Mitglied der [X.] der [X.].

4

Nach vorgerichtlicher Abmahnung erwirkte die Klägerin gegen die Beklagte wegen des vorliegend streitgegenständlichen Verhaltens am 14. Juni 2018 eine einstweilige Verfügung des [X.], die der Beklagten am 19. Juni 2018 zugestellt wurde. Mit Anwaltsschreiben vom 4. Juli 2018 forderte die Klägerin die Beklagte zur Abgabe einer Abschlusserklärung auf.

5

Die Klägerin hält die angegriffene Angabe für eine unlautere irreführende Angabe.

6

Sie hat beantragt,

1. der Beklagten unter Androhung im einzelnen bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des [X.] im Zusammenhang mit dem Anbieten von [X.] gegenüber Verbrauchern die Angabe zu machen, die Antragsgegnerin sei Mitglied der [X.] (Vermittlungen) der [X.], wenn dies tatsächlich nicht der Fall ist.

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Kosten für das anwaltliche [X.] in Höhe von 1.336,90 € nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12. Januar 2019 zu zahlen.

7

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

8

I. Das Berufungsgericht hat die mit der Klage geltend gemachten Unterlassungs- und Kostenersatzansprüche für unbegründet gehalten und hierzu ausgeführt:

9

Die von der Klägerin beanstandete Angabe im Internetauftritt der [X.] sei keine unlautere geschäftliche Handlung. Zwar sei die Angabe irreführend, da sie von den angesprochenen Verkehrskreisen dahingehend verstanden werde, die Beklagte gehöre gegenwärtig der [X.] an, wohingegen die Beklagte diesem Gremium am [X.] (29. Mai 2018) nicht mehr angehört habe. Diese Irreführung sei aber aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Aus den gleichen Gründen fehle es an einer spürbaren Beeinträchtigung von Verbraucherinteressen im Sinne des § 3a UWG in Verbindung mit einem Verstoß gegen das Verbot unsachlicher Werbung gemäß § 43b BRAO.

II. Die Revision hat Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß den § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG nicht verneint werden. Deshalb hat auch die Abweisung des auf Zahlung der Kosten des [X.]s gerichteten Antrags keinen Bestand.

1. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die angegriffene Angabe über die Mitgliedschaft der [X.] in der [X.] (Vermittlungen) der [X.] sei eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, die eine zur Täuschung geeignete Angabe über den Umfang von Mitgliedschaften der [X.] im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG darstelle, nimmt die Revision als ihr günstig hin. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die angegriffene Angabe sei nicht - wie nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG für die Einordnung als unlautere irreführende geschäftliche Handlung erforderlich - geeignet, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, hat allerdings keinen Bestand.

a) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die beworbene Mitgliedschaft in der [X.] (Vermittlungen) der [X.] berühre eine Tätigkeit, die für einen Rechtssuchenden in der Regel nicht von Interesse sei, weil es dabei um Vermittlung in Streitigkeiten nicht zwischen Mandanten und deren Gegnern, sondern zwischen Rechtsanwälten oder Rechtsanwälten und ihren eigenen Mandanten gehe. Zudem sei die Beklagte in der Vergangenheit tatsächlich Mitglied in der genannten [X.] gewesen. Dies habe die Beklagte durch Vorlage der Mitteilungen der [X.] vom Januar 2011 substantiiert und detailreich vorgetragen. Demgegenüber sei das Bestreiten der Klägerin substanzlos und daher unbeachtlich. Die Klägerin, eine in [X.] ansässige Rechtsanwaltsgesellschaft, habe ungeachtet eines gerichtlichen Hinweises keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass und warum die Verlautbarung der [X.] unzutreffend sein könne. Sie habe auch nicht vorgetragen, sich bei ihrer Rechtsanwaltskammer hinsichtlich einer vormaligen Mitgliedschaft der [X.] erkundigt zu haben. Der Erhebung der von beiden [X.]en angebotenen Zeugenbeweise habe es deshalb nicht bedurft.

Stehe mithin fest, dass die Beklagte immerhin früher einmal Mitglied der genannten [X.] gewesen sei, spreche dies gegen die geschäftliche Relevanz der Irreführung. Wenn es einem Verbraucher als potentiellen Mandanten überhaupt darauf ankommen sollte, dass ein zu beauftragender Rechtsanwalt in diese [X.] berufen worden sei, sei dies im Falle der [X.] insoweit zutreffend, als sie in der Vergangenheit diesem Gremium angehört habe. Es erscheine nahezu ausgeschlossen, dass es einem potentiellen Mandanten auch auf die gegenwärtige [X.] ankommen könne. Soweit auch Rechtsanwälte durch die Angabe angesprochen würden, sei ihre Irreführung schon vom Unterlassungsantrag nicht erfasst. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

b) Bei der Prüfung der Relevanzklausel des § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG kommt es auf die Vorstellung des verständigen und [X.] aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers an. Erforderlich ist, dass die betroffene Angabe geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über marktrelevante Umstände hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen ([X.], Urteil vom 28. April 2016 - [X.], [X.], 1073 Rn. 27 = [X.], 1228 - Geo-Targeting; Urteil vom 24. Januar 2019 - [X.], [X.], 631 Rn. 67 = [X.], 736 - Das beste Netz, jeweils mwN). Die vom Tatgericht vorgenommene Würdigung des Verkehrsverständnisses ist in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob ihr ein zutreffender rechtlicher Maßstab zugrunde liegt, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt sind und kein Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegt (vgl. [X.], Urteil vom 21. September 2017 - [X.], [X.], 320 Rn. 18 = [X.], 328 - Festzins Plus, mwN).

c) Das Berufungsgericht ist bei der Würdigung des [X.]vortrags rechtsfehlerhaft vorgegangen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin die von der [X.] behauptete frühere Mitgliedschaft in der [X.] der [X.] gemäß § 138 Abs. 4 ZPO wirksam mit Nichtwissen bestritten, so dass das Berufungsgericht den aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Vortrag der [X.] zu einer früher bestehenden Mitgliedschaft in der [X.] nicht ohne Beweisaufnahme zugrunde legen durfte.

aa) Das Berufungsgericht hat der Klägerin zur Last gelegt, das substantiierte Vorbringen der [X.] zur Mitgliedschaft in der genannten [X.] nicht substantiiert bestritten zu haben. Die Nachfrage bei der Rechtsanwaltskammer hat das Berufungsgericht als unzureichend angesehen, weil die Klägerin sich mit der Mitteilung des Links zur aktuellen Abteilungsübersicht zufriedengegeben und nicht weiter nachgefragt hatte, ob der Auszug aus dem Mitteilungsblatt zutreffend sei.

bb) Damit hat das Berufungsgericht der Klägerin zu Unrecht eine gesteigerte Behauptungslast auferlegt.

(1) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass Umstände, die gegen eine geschäftliche Relevanz des beanstandeten Verhaltens sprechen, in der Darlegungs- und Beweislast der [X.] liegen, mithin auch die vom Berufungsgericht insoweit - wenn auch im Ergebnis zu Unrecht (dazu Rn. 36 f.) - als maßgeblich erachtete frühere Mitgliedschaft der [X.] in der [X.].

Die Beklagte hat ihrer Darlegungslast mit der Behauptung ihrer früheren Mitgliedschaft in dieser [X.] genügt. Die Klägerin hat diese Behauptung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wirksam mit Nichtwissen bestritten.

(2) Nach den Regeln der gestuften Darlegungslast, die an die Vorschrift des § 138 Abs. 2 ZPO anknüpfen, wonach sich jede [X.] über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären hat, hängen die Anforderungen an die Substantiierungslast des [X.] zunächst davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner vorgetragen hat. In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung der [X.] (hier der [X.]) das einfache Bestreiten des Gegners (hier der Klägerin). Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete [X.] ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen (vgl. [X.], Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 36 mwN; [X.]/[X.], ZPO, 33. Aufl., § 138 ZPO Rn. 8a). Die nicht darlegungsbelastete [X.] kann sich also nicht auf ein substanzloses Bestreiten zurückziehen, wenn ihr nach Lage der Dinge ein substantiiertes Bestreiten möglich ist.

Demgegenüber ermöglicht § 138 Abs. 4 ZPO einer [X.], sich zu Tatsachen, die weder eigene Handlungen der [X.] noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind, mit Nichtwissen zu erklären. Auf diese Weise kann die [X.] die Beweisbedürftigkeit einer ihr unbekannten Tatsache herstellen, die möglicherweise wahr ist und deshalb unter Beachtung der Wahrheitspflicht gemäß § 138 Abs. 1 ZPO nicht (als unwahr) bestritten werden darf (vgl. [X.].ZPO/[X.], 6. Aufl., § 138 Rn. 31).

Den eigenen Handlungen oder Wahrnehmungen im Sinne des § 138 Abs. 4 ZPO sind Vorgänge im eigenen Geschäfts- und Verantwortungsbereich gleichgestellt. Die [X.] hat eine Erkundigungspflicht, sofern die maßgebenden Tatsachen Personen bekannt sind, die in ihrem Unternehmensbereich oder unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden sind. Dies hat zur Folge, dass eine Erklärung mit Nichtwissen unzulässig ist, wenn und soweit diese Informationspflicht besteht (vgl. [X.], Urteil vom 10. Oktober 1994 - [X.], [X.], 130, 131 [juris Rn. 20]; Urteil vom 7. Oktober 1998 - [X.], NJW 1999, 53, 54 [juris Rn. 14]; Urteil vom 2. Juli 2009 - [X.], NJW-RR 2009, 1666 Rn. 16; Beschluss vom 28. März 2019 - [X.], [X.], 617 Rn. 19).

Darf sich eine [X.] gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen erklären, so kommt die Annahme einer Verpflichtung zum substantiierten Bestreiten nicht in Betracht. [X.] diese [X.] gleichwohl den Versuch, ihr Bestreiten näher zu begründen, führt das auch dann nicht zur Unbeachtlichkeit ihrer Erklärung mit Nichtwissen, wenn sie dabei eine Behauptung ins Blaue hinein aufstellt ([X.], Beschluss vom 29. November 2018 - [X.], [X.], 242 Rn. 10).

(3) Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen lassen sich im Streitfall zugunsten der Klägerin die Voraussetzungen des § 138 Abs. 4 ZPO hinsichtlich der früheren Mitgliedschaft der [X.] in der bezeichneten [X.] nicht verneinen. Die frühere Mitgliedschaft der [X.] in der genannten [X.] stellt nicht nur keine eigene Handlung der Klägerin oder ihrer Mitglieder dar, sondern war auch nicht Gegenstand deren eigener Wahrnehmung.

Die etwaige Zugehörigkeit der Mitglieder der Klägerin zur [X.] rechtfertigt nicht die Annahme, die frühere Mitgliedschaft der [X.] in einer [X.] der [X.] falle in den [X.] der Mitglieder der Klägerin. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Mitglieder einer berufsständischen Selbstverwaltungskörperschaft Kenntnis davon haben, wie Gremien der Körperschaft in der Vergangenheit personell besetzt waren.

Soweit sich aus dem Umstand, dass einige Mitglieder der [X.] mit der [X.] für mehrere Monate zur gemeinsamen Berufsausübung verbunden waren, hinsichtlich der Kenntnis vom zurückliegenden berufsständischen Engagement der [X.] Anderes ergeben könnte, fehlt es ebenfalls an entsprechenden Feststellungen des Berufungsgerichts.

Eine Erkundigungspflicht der Klägerin kommt allenfalls hinsichtlich des Bereichs ihres eigenen Unternehmens, also mit Blick auf die bei ihr tätigen Rechtsanwälte in Betracht, nicht aber hinsichtlich der [X.]. Bei der Rechtsanwaltskammer handelt es sich nicht um eine Stelle, die im Unternehmensbereich der Klägerin oder unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden ist. Das Berufungsgericht durfte folglich der Klägerin nicht zur Last legen, keine weiteren Erkundigungen bei der Rechtsanwaltskammer eingeholt zu haben.

(4) Die erst- und zweitinstanzliche Erklärung der Klägerin, die frühere Mitgliedschaft der [X.] in der [X.] zu bestreiten, ist als Erklärung mit Nichtwissen im Sinne des § 138 Abs. 4 ZPO auszulegen. Bestreitet eine [X.] eine erkennbar außerhalb des Bereichs ihrer eigenen Wahrnehmung liegende Tatsache, so ist dies als Erklärung mit Nichtwissen im Sinne des § 138 Abs. 4 ZPO zu werten (vgl. [X.]/[X.] aaO § 138 Rn. 13).

d) Die Würdigung des Berufungsgerichts hat auch dann keinen Bestand, wenn die Behauptung der [X.] zu ihrer früheren Mitgliedschaft in der [X.] als richtig unterstellt wird. Die Beurteilung des Berufungsgerichts ist widersprüchlich und erfahrungswidrig.

aa) Das Berufungsgericht hat sich durch Bezugnahme auf das Urteil des [X.] dessen Beurteilung zu Eigen gemacht, dass Aktivitäten von Rechtsanwälten außerhalb der eigentlichen Rechtsberatung und Prozessvertretung, insbesondere Mitgliedschaften, die ein hohes Maß an Engagement und Leistungsbereitschaft erkennen lassen, für die Marktentscheidung des Verbrauchers bedeutsam sind.

Hiermit ist es nicht vereinbar, die mit der angegriffenen Angabe behauptete Tätigkeit in der [X.] (Vermittlungen) der [X.] gleichwohl nicht als für die Verbraucherentscheidung relevant anzusehen. Denn diese Art der ehrenamtlichen Tätigkeit in einer berufsständischen Einrichtung zählt zu den außerhalb der Rechtsberatung entfalteten anwaltlichen Aktivitäten, die ein hohes Maß an Engagement und Leistungsbereitschaft erkennen lassen.

bb) Die Würdigung des Berufungsgerichts ist erfahrungswidrig, soweit darin der Angabe über die Mitgliedschaft in einer [X.] der Rechtsanwaltskammer, die für die Vermittlung von Streitigkeiten zwischen Rechtsanwälten oder Rechtsanwälten und ihren Mandanten zuständig ist, generell die geschäftliche Relevanz abgesprochen wird. Gleichermaßen erfahrungswidrig ist die vom Berufungsgericht in Bezug genommene Würdigung des [X.], die Berufung in eine [X.] sei kein besonderer Vertrauensbeweis und vermittele auch nicht den Eindruck besonderer Integrität, Verantwortungsbereitschaft und Kompetenz, weil sie nicht auf einer Wahl beruhe.

Es verhält sich vielmehr so, dass eine Angabe der streitgegenständlichen Art in der anwaltlichen Werbung durchaus Eindruck auf den Rechtsrat suchenden Verbraucher macht, weil mit ihr nicht nur die Botschaft transportiert wird, dass die werbende Rechtsanwältin für würdig befunden worden ist, in einer [X.] mitzuwirken, sondern sie auch über Erfahrungen in der Streitschlichtung im Umgang mit Rechtsanwälten verfügt. Diese Umstände stellen wirksame Argumente bei der anwaltlichen Mandantengewinnung dar, ohne dass es insoweit darauf ankommt, ob die Aufnahme in die [X.] von einer Wahl oder einer Berufung abhängt.

cc) Die Würdigung des Berufungsgerichts ist auch insoweit erfahrungswidrig, als es gemeint hat, dem Verbraucher komme es, wenn eine aktuelle Mitgliedschaft behauptet werde, nicht auf eine aktuelle Mitgliedschaft an, sondern er begnüge sich auch mit einer in der Vergangenheit liegenden.

Gerade die Behauptung einer andauernden Mitgliedschaft in der [X.] (Vermittlungen) der [X.] entfaltet werbliche Wirkung, weil die mit dieser Angabe verknüpfte inhaltliche Botschaft der Vertrauenswürdigkeit und Streitschlichtungskompetenz (dazu vorstehend Rn. 35) als gegenwärtig gegeben dargestellt wird.

III. Auf die Revision der Klägerin ist das angegriffene Urteil daher aufzuheben. Hierbei hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

1. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts, insbesondere des unstreitigen Umstands, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der angegriffenen Angabe nicht Mitglied der [X.] (Vermittlungen) der [X.] war, ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG begründet. Die unzutreffende Behauptung des derzeitigen Bestehens einer solchen Mitgliedschaft ist eine irreführende geschäftliche Handlung, die auch dann geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, wenn in der Vergangenheit eine solche Mitgliedschaft bestanden hat.

2. Auf der Grundlage des feststehenden Sachverhalts ist der Klägerin auch der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der für das [X.] aufgewandten Kosten in Höhe von 1.336,90 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Januar 2019 zuzusprechen. Hinsichtlich der überschießend geltend gemachten Zinshöhe ist die Klage abzuweisen.

a) Die Kosten eines [X.]s, mit dem der Gläubiger eines Unterlassungsanspruchs dem Schuldner nach dem im [X.] erfolgten Erlass einer einstweiligen Verfügung Gelegenheit gibt, die Einleitung eines Hauptsacheverfahrens durch Abgabe einer Abschlusserklärung abzuwenden, sind nach den §§ 677, 683, 670 BGB ersatzfähig, wenn der Gläubiger dem Schuldner zuvor eine zweiwöchige Wartefrist gewährt hat, um die Abschlusserklärung unaufgefordert von sich aus abgeben zu können (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 22. Januar 2015 - [X.], [X.], 822 Rn. 21 = [X.], 979 - Kosten für [X.] II; Urteil vom 30. März 2017 - [X.], [X.], 1160 Rn. 57 = [X.], 1337 - [X.], jeweils mwN; Teplitzky/[X.], Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., [X.]. 43 Rn. 31). Für das [X.] fällt regelmäßig eine 1,3-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 [X.] an ([X.], [X.], 822 Rn. 34 - Kosten für [X.] II).

b) Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen vor. Die Klägerin hat das [X.] nach dem Erlass der einstweiligen Verfügung unter Beachtung der zweiwöchigen Wartefrist versandt. Somit ist die von der Klägerin auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 37.500 € berechnete 1,3-fache Geschäftsgebühr nach § 13 Abs. 1 [X.] aF in Verbindung mit Nr. 2300 [X.] in Höhe von 1.316,90 € angefallen. Zuzüglich der Post- und Telekommunikationspauschale von 20 € ergibt sich mithin die geltend gemachte Zahlungsforderung in Höhe von 1.336,90 €.

c) Verzugszinsen schuldet die Beklagte ab dem Eintritt der Rechtshängigkeit am 11. Januar 2019 gemäß § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB nur in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, nicht jedoch in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 288 Abs. 2 BGB.

Unter Entgeltforderungen im Sinne von § 288 Abs. 2 BGB sind nur solche Forderungen zu verstehen, die auf Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für die vom Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung gerichtet sind, wozu Ansprüche aus [X.] und Ansprüche auf Erstattung von Abmahnkosten nicht zählen (vgl. [X.], Urteil vom 21. April 2010 - [X.], NJW 2010, 1872 Rn. 23; Urteil vom 17. November 2014 - [X.], [X.], 187 Rn. 27 = [X.], 198 - Zuwiderhandlung während der [X.]; Beschluss vom 8. Dezember 2016 - [X.], [X.], 240 Rn. 12).

Bei der auf Erstattung der Kosten für ein [X.] gerichteten Forderung handelt es sich gleichfalls nicht um eine Entgeltforderung im Sinne von § 288 Abs. 2 BGB.

3. [X.] beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Koch     

      

Feddersen     

      

Pohl   

      

Schmaltz     

      

Wille     

      

Meta

I ZR 123/20

22.07.2021

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 30. Juni 2020, Az: 5 U 74/19

§ 138 Abs 1 ZPO, § 138 Abs 2 ZPO, § 138 Abs 4 ZPO, § 3 Abs 1 UWG, § 5 Abs 1 S 1 UWG, § 5 Abs 1 S 2 Nr 3 UWG, § 8 Abs 1 S 1 UWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.07.2021, Az. I ZR 123/20 (REWIS RS 2021, 3878)

Papier­fundstellen: NJW 2021, 3464 GRUR 2021, 1422 MDR 2021, 1543-1544 REWIS RS 2021, 3878 WM 2022, 2085 REWIS RS 2021, 3878

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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