Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 09.02.2023, Az. I ZR 61/22

1. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 2649

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Gegenstand

Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten für Abschlussschreiben - Kosten für Abschlussschreiben III


Leitsatz

Kosten für Abschlussschreiben III

Den Schuldner einer einstweiligen (Beschluss-)Verfügung trifft gegenüber dem Gläubiger mit Ablauf der Wartefrist von im Regelfall zwei Wochen, die der Gläubiger vor der Versendung eines Abschlussschreibens einzuhalten hat, eine Aufklärungspflicht über den Entschluss zur Erhebung eines Widerspruchs gegen die einstweilige (Beschluss-)Verfügung. Wird der pflichtwidrig unterlassene Hinweis des Schuldners adäquat kausal für die Kosten eines - objektiv nicht mehr erforderlichen - Abschlussschreibens des Gläubigers, kann das einen Schadensersatzanspruch des Gläubigers nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB auslösen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 17. März 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich des Klageantrags Ziffer 2 zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin mahnte die Beklagte wegen fünf behaupteter Wettbewerbsverstöße ab und setzte ihr eine Frist zur Abgabe einer Unterlassungserklärung. Nachdem die Beklagte innerhalb der Frist nicht reagierte, beantragte die Klägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung, die das [X.] mit Beschluss vom 23. August 2018 erließ.

2

Gegen den ihr am 3. September 2018 zugestellten Beschluss erhob die Beklagte mit Schriftsatz vom 17. September 2018 Widerspruch. Am 24. September 2018 verfügte die Vorsitzende Richterin die Übersendung einer Abschrift dieses Schriftsatzes an die Klägerin. Die Geschäftsstelle vermerkte am 4. Oktober 2018 die Erledigung dieser Verfügung. Die beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingegangene Abschrift des Schriftsatzes wurde mit einem Posteingangsstempel vom 9. Oktober 2018 versehen. Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe an diesem Tag Kenntnis von dem Widerspruch erhalten; die Beklagte hat behauptet, dies sei bereits zuvor am 26. September 2018 erfolgt.

3

Mit anwaltlichem Schreiben vom 8. Oktober 2018 forderte die Klägerin die Beklagte auf, bis zum 30. Oktober 2018 zu der einstweiligen Verfügung eine Abschlusserklärung abzugeben.

4

Auf den Widerspruch der Beklagten erließ das [X.] ein die einstweilige Verfügung bestätigendes Urteil. Ihre hiergegen gerichtete Berufung nahm die Beklagte nach einem Hinweis des Berufungsgerichts zurück.

5

Vorliegend nimmt die Klägerin die Beklagte auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten für das Abmahnschreiben in Höhe von 749,34 € (Klageantrag Ziffer 1) sowie für das [X.] in Höhe von 1.822,96 € (Klageantrag Ziffer 2), jeweils nebst Zinsen, in Anspruch. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht der Klägerin lediglich einen Anspruch auf Freistellung von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen.

6

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, soweit ihr darin ein Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten für das [X.] in Höhe von 1.822,96 € nebst Zinsen zugesprochen worden war. Die ordnungsgemäß geladene Beklagte ist im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht nicht vertreten gewesen. Die Klägerin hat beantragt, über ihr Rechtsmittel durch Versäumnisurteil zu entscheiden.

Entscheidungsgründe

7

A. Das Berufungsgericht hat den auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten für das [X.] gerichteten Antrag als unbegründet erachtet.

8

Es hat angenommen, ein solcher Erstattungsanspruch stehe der Klägerin nicht als Aufwendungsersatzanspruch nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag zu. Die Beauftragung des Rechtsanwalts der Klägerin zur Erstellung des [X.]s habe nicht dem maßgeblichen objektiven Interesse der [X.]n entsprochen, weil die [X.] im [X.]punkt der Absendung des [X.]s Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung erhoben gehabt habe. Es könne dahinstehen, ob die Klägerin schon Kenntnis von dem Widerspruch gehabt habe, denn das [X.] habe im [X.]punkt von Abgabe und Zugang bei der [X.]n auch nicht dem Willen der [X.]n entsprochen. Diese habe durch den bereits erhobenen Widerspruch objektiv dokumentiert, dass sie nicht bereit sei, die einstweilige Verfügung hinzunehmen. Der wirkliche Wille des [X.]n müsse zwar nach außen ausdrücklich oder konkludent hervortreten. Der Wille müsse aber weder gegenüber dem Geschäftsführer kundgegeben werden, noch müsse der Geschäftsführer Kenntnis davon haben.

9

Ein Erstattungsanspruch bestehe auch nicht als Schadensersatzanspruch. Ebenso wie die Kosten einer Abmahnung seien die Kosten eines [X.]s nicht vom Schutzzweck des Schadensersatzanspruchs erfasst. Während der Schadensersatz einen Ausgleich für bereits erlittene Nachteile gewähre, zielten die Abmahnung und das [X.] in erster Linie auf die Verhinderung zukünftiger wettbewerbswidriger Handlungen.

B. Über die Revision ist, da die [X.] trotz ordnungsgemäßer Ladung in der [X.] nicht vertreten gewesen ist, auf den Antrag der Klägerin durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil ist jedoch keine Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 19. Mai 2022 - [X.], [X.], 1163 [juris Rn. 10] = WRP 2022, 977 - Grundpreisangabe im [X.], mwN).

C. Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit dieses hinsichtlich des Klageantrags Ziffer 2 zum Nachteil der Klägerin erkannt hat.

I. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz ihrer außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten für das [X.] nicht abgelehnt werden.

1. Allerdings wendet sich die Revision vergeblich gegen die Annahme des Berufungsgerichts, ein Ersatzanspruch für die Kosten des [X.]s stehe der Klägerin nicht als Aufwendungsersatzanspruch nach den Grundsätzen der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683 Satz 1, § 670 [X.] zu.

a) Wer ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein, hat das Geschäft so zu führen, wie das Interesse des [X.]n mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es erfordert (§ 677 [X.]). Eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag liegt vor, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des [X.]n entspricht (§ 683 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]). Der [X.] ist dem Geschäftsführer in diesem Fall zum Ersatz der Aufwendungen verpflichtet, die dieser zum Zweck der Ausführung des Geschäfts macht und den Umständen nach für erforderlich halten darf (§ 683 Satz 1 Halbsatz 2, § 670 [X.]).

Vorrangig kommt es auf den ausdrücklich oder konkludent geäußerten wirklichen Willen des [X.]n an. Hat dieser seinen Willen nicht geäußert, ist sein mutmaßlicher Wille maßgeblich; dieser ist deckungsgleich mit seinem (objektiven) Interesse, soweit keine anderweitigen Anhaltspunkte vorliegen (vgl. [X.], Urteil vom 11. März 2016 - [X.], NJW 2016, 2407 [juris Rn. 12]; Urteil vom 17. Dezember 2020 - I ZR 228/19, [X.], 714 [juris Rn. 55] = WRP 2021, 633 - [X.], jeweils mwN).

b) Ein Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 Satz 1, § 670 [X.] kommt für das [X.] grundsätzlich in Betracht (vgl. [X.], Urteil vom 4. Februar 2010 - [X.], [X.], 1038 [juris Rn. 26] = WRP 2010, 1169 - Kosten für [X.] I; Urteil vom 22. Januar 2015 - [X.], [X.], 822 [juris Rn. 14] = WRP 2015, 979 - Kosten für [X.] II). Eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag liegt nach den genannten Grundsätzen jedoch nur dann vor, wenn die im [X.] enthaltene Aufforderung an den Schuldner, die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anzuerkennen und auf die Rechte aus §§ 924, 926 und 927 ZPO zu verzichten, objektiv dem Interesse und subjektiv dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Schuldners entspricht.

Der Senat hat bereits entschieden, dass ein kostenauslösendes [X.] nur dann erforderlich ist und dem mutmaßlichen Willen des Schuldners entspricht, wenn der Gläubiger dem Schuldner angemessene [X.] gewährt hat, um die Abschlusserklärung unaufgefordert von sich aus abgeben zu können. Hierbei ist eine Wartefrist von zwei Wochen, gerechnet ab der Zustellung der einstweiligen Verfügung, im Regelfall geboten und ausreichend. Diese Grundsätze gelten sowohl für eine durch Beschluss (vgl. [X.], Urteil vom 30. März 2017 - [X.], [X.], 1160 [juris Rn. 57] = WRP 2017, 1337 - [X.]) als auch für eine durch Urteil erlassene oder nach Widerspruch bestätigte einstweilige Verfügung (vgl. [X.], [X.], 822 [[X.]. 17 bis 21] - Kosten für [X.] II).

c) Im Streitfall lag die Übernahme des Geschäfts durch die Beauftragung des am 8. Oktober 2018 versandten [X.]s der Klägerin bereits nicht im (objektiven) Interesse der [X.]n, weil diese mit Schreiben vom 17. September 2018 und damit während noch laufender Wartefrist bereits Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung des [X.] erhoben hatte.

aa) Die Übernahme einer Geschäftsführung entspricht im Sinne von § 683 Satz 1 [X.] dem Interesse des [X.]n, wenn sie ihm objektiv vorteilhaft und nützlich ist (vgl. [X.], NJW 2016, 2407 [juris Rn. 8] mwN). Maßgeblich ist die konkrete Situation des [X.]n (vgl. [X.]/[X.], [X.] [2020], § 683 Rn. 5; [X.]/Dornis, [X.], 16. Aufl., § 683 Rn. 7; BeckOK.[X.]/[X.], 63. Edition [Stand 1. August 2022], § 683 Rn. 3; MünchKomm.[X.]/[X.], 9. Aufl., § 683 Rn. 9; BeckOGK.[X.]/[X.], Stand 1. September 2022, § 683 Rn. 7; für den Fall der Mehrfachabmahnung vgl. [X.], Urteil vom17. Januar 2002 - I ZR 241/99, [X.]Z 149, 371 [juris Rn. 18] - Missbräuchliche Mehrfachabmahnung).

bb) Ein [X.] ist für den Schuldner objektiv vorteilhaft und nützlich, wenn es ihm die Gelegenheit zur endgültigen Beilegung des Rechtsstreits durch Abgabe einer Abschlusserklärung eröffnet, wodurch ein unter Umständen kostenintensives Hauptsacheverfahren vermieden werden kann. Hat der Schuldner indes schon Widerspruch gegen die Beschlussverfügung erhoben oder Berufung gegen die Urteilsverfügung eingelegt, hat er sich bereits dafür entschieden, die einstweilige Verfügung nicht als endgültige Regelung zu akzeptieren. Die Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung ist für ihn dann nicht mehr von Nutzen.

d) Darüber hinaus entspricht die Beauftragung eines [X.]s in diesem Fall auch nicht dem wirklichen Willen des Schuldners, den er durch die Erhebung des Widerspruchs oder die Einlegung der Berufung geäußert hat.

e) Entspricht die Übernahme der Geschäftsführung durch die Klägerin - wie im Streitfall - weder dem Interesse noch dem wirklichen Willen der [X.]n als [X.]in, scheidet eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag aus. Auf die von der Revision aufgeworfene Frage, ob der wirkliche Wille der [X.]n der Klägerin bekannt oder für sie erkennbar war, kommt es daher nicht entscheidend an. Entgegen der Auffassung der Revision hat der [X.] die Kenntnis oder Erkennbarkeit eines der Geschäftsführung entgegenstehenden Willens des [X.]n nur vereinzelt als ergänzende Begründung herangezogen (vgl. [X.], Urteil vom 25. Mai 1983 - [X.], [X.], 679 [juris Rn. 11]; Beschluss vom 27. November 2014 - [X.], NJW 2015, 1020 [juris Rn. 8]; Urteil vom 2. April 1998 - [X.], [X.]Z 138, 281 [juris Rn. 29]), aber nicht zur Voraussetzung für einen Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs erhoben. Soweit sich aus der Senatsentscheidung [X.] anderes ergeben sollte (vgl. [X.], [X.], 1160 [juris Rn. 58]), hält der Senat daran nicht fest.

2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die [X.] aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 [X.] wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht indes nicht verneint werden.

a) In der Rechtsprechung des [X.]s ist anerkannt, dass berechtigte Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb eine - durch die Abmahnung oder auch durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung konkretisierte - wettbewerbsrechtliche Sonderbeziehung eigener Art begründen, die in besonderem Maße durch Treu und Glauben und das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme bestimmt wird. Daraus können sich abhängig von den konkreten Umständen Pflichten zur Aufklärung ergeben, insbesondere wenn dem anderen Teil als Folge des Verhaltens des Verletzers Kostenschäden drohen, die durch die Aufklärung unschwer zu vermeiden sind (vgl. [X.], [X.], 714 [juris Rn. 40] - [X.], mwN).

aa) Bei dem [X.] handelt es sich um ein in der Praxis gebräuchliches und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkanntes Instrument. Daher muss ein im Verfahren der einstweiligen Verfügung unterlegener Schuldner damit rechnen, dass der Gläubiger seinem Rechtsanwalt unmittelbar nach Ablauf der Wartefrist den Auftrag erteilt, ein [X.] zu versenden. Der Schuldner muss hierbei berücksichtigen, dass ein Gebührenanspruch des Rechtsanwalts des Gläubigers bereits mit dessen erster Tätigkeit für die Ausführung dieses Auftrags entsteht (vgl. [X.], Urteil vom 7. März 2019 - [X.], NJW 2019, 1870 [juris Rn. 9]).

Vor diesem Hintergrund trifft den Schuldner während des Laufs der Wartefrist zwar noch keine Aufklärungspflicht. Mit Ablauf der Wartefrist muss er dem Gläubiger aber mitteilen, dass er sich zur Erhebung eines Widerspruchs entschlossen oder sogar schon Widerspruch erhoben hat. Insbesondere darf er sich nicht darauf verlassen, dass das Gericht dem Gläubiger den Widerspruch zur Kenntnis bringt. Die damit einhergehende Verzögerung kann er unschwer vermeiden, indem er dem Gläubiger seinen Schriftsatz von Anwalt zu Anwalt zustellt oder vorab zur Kenntnis übermittelt. Wird der Widerspruch nicht unmittelbar erhoben, nachdem der Schuldner seinen dahingehenden Entschluss gefasst hat, kann er sogar gehalten sein, den Gläubiger schon vorab zu informieren.

bb) Wird der pflichtwidrig unterlassene Hinweis adäquat kausal für die durch das objektiv nicht erforderliche [X.] verursachten Kosten, kann das einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 [X.] auslösen. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s hat der Schädiger allerdings nur solche Rechtsverfolgungskosten zu ersetzen, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig gewesen sind (vgl. nur [X.], Urteil vom 22. März 2018 - I ZR 265/16, [X.], 914 [juris Rn. 16] = WRP 2018, 1087 - [X.] I).

b) Ein solcher Schadensersatzanspruch der Klägerin kommt im Streitfall in Betracht. Die [X.] hat ihren Entschluss, Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung zu erheben, spätestens am 17. September 2018, dem Tag der Erhebung des Widerspruchs, gefasst. Das [X.] hat sich keine Überzeugung davon verschaffen können, dass der Vortrag der [X.]n, die Klägerin habe am 26. September 2018 Kenntnis von dem Widerspruch gehabt, zutrifft. Die Klägerin hat vorgebracht, diese Kenntnis erst am 9. Oktober 2018 erlangt zu haben. Aus Sicht der Klägerin war die Beauftragung des am 8. Oktober 2018 versandten [X.]s nach Ablauf der am 17. September 2018 endenden Wartefrist erforderlich und zweckmäßig, wenn sie zum [X.]punkt der Beauftragung noch keine Kenntnis vom Widerspruch der [X.]n hatte.

3. Der Streitfall erfordert weiterhin keine Entscheidung, ob Rechtsverfolgungskosten, insbesondere die Kosten einer berechtigten Abmahnung oder eines berechtigten [X.]s, als nach § 9 Abs. 1 UWG ersatzfähiger Schaden anzusehen sind (zur Abmahnung im Wettbewerbsrecht vgl. [X.], Urteil vom 23. November 2006 - I ZR 276/03, [X.], 631 [juris Rn. 19 bis 21] = WRP 2007, 783 - [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], 41. Aufl., UWG § 9 Rn. 1.29 mwN; zur Abmahnung im Urheberrecht vgl. [X.], Urteil vom 1. September 2022 - [X.], [X.], 1819 [juris Rn. 11] = WRP 2023, 65 - [X.] II; zum Markenrecht vgl., allerdings ohne nähere Begründung, [X.], [X.], 1160 [juris Rn. 59] - [X.]).

4. Die von der Revision befürwortete entsprechende Anwendung des Aufwendungsersatzanspruchs für die Kosten einer berechtigten Abmahnung nach § 13 Abs. 3 UWG (§ 12 Abs. 1 Satz 2 UWG aF) auf die Kosten eines berechtigten [X.]s kommt nicht in Betracht, weil es insoweit bereits einer Regelungslücke fehlt (vgl. [X.], [X.], 822 [juris Rn. 14] - Kosten für [X.] II).

II. Danach ist das angegriffene Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als das Berufungsgericht hinsichtlich des Klageantrags Ziffer 2 zum Nachteil der Klägerin erkannt hat. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

1. Dem Senat ist eine eigene Sachentscheidung verwehrt. § 563 Abs. 3 ZPO, wonach das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden hat, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach Letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, greift nicht ein, wenn das Sachverhältnis bisher nur vom erstinstanzlichen Gericht festgestellt worden ist und das Berufungsgericht noch nicht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO geprüft hat, ob konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des erstinstanzlichen Gerichts begründen. Diese Prüfung kann nicht vom Revisionsgericht vorgenommen werden, weil die Ermittlung oder Verneinung konkreter Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen ihrerseits eine neue Tatsachenfeststellung darstellen kann und damit in die Zuständigkeit des Tatgerichts fällt (vgl. [X.], Urteil vom 30. Oktober 2007 - [X.], [X.], 576 [juris Rn. 27]). So liegt es im Streitfall. Das [X.] hat sich keine Überzeugung davon verschaffen können, dass der Vortrag der [X.]n, die Klägerin habe am 26. September 2018 Kenntnis von dem Widerspruch gehabt, zutrifft. Auf Feststellungen zu der zwischen den Parteien streitigen Frage der Kenntniserlangung ist es nach dem Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts aber nicht angekommen, so dass es die Feststellung des [X.] nicht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO überprüft hat.

2. Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Die Klägerin hat mit dem Vortrag, sie habe das [X.] nach Ablauf der Wartefrist in Unkenntnis des Widerspruchs der [X.]n versandt, ihrer Darlegungslast für eine [X.] nach § 280 Abs. 1 Satz 1, § 241 Abs. 2 [X.] zunächst genügt. Es obliegt der [X.]n vorzutragen, sie habe ihre Aufklärungspflicht erfüllt oder eine Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht zu vertreten. Sollte sich der Vortrag der [X.]n, die Klägerin habe bereits am 26. September 2018 Kenntnis von dem Widerspruch erlangt, als zutreffend erweisen, wäre die Aufklärungspflicht der [X.]n damit entfallen. Es käme dann auf die - von der Klägerin [X.] - [X.]punkte der Beauftragung des [X.]s und der ersten Tätigkeit ihres Rechtsanwalts an.

b) Soweit die vom Berufungsgericht zu treffenden Feststellungen einen Schadensersatzanspruch der Klägerin dem Grunde nach rechtfertigen sollten, wird das Berufungsgericht die Berechtigung des [X.]s hinsichtlich sämtlicher fünf Streitgegenstände zu prüfen haben.

aa) Richtet sich die Höhe der Kosten für das [X.] nach dem Gegenstandswert, sind die Kosten eines nur teilweise berechtigten [X.]s nur zu ersetzen, soweit das [X.] berechtigt war. Dabei ist die Höhe des [X.] nach dem Verhältnis des Gegenstandswerts des berechtigten Teils des [X.]s zum Gegenstandswert des gesamten [X.]s zu bestimmen (zur Abmahnung vgl. [X.], Urteil vom 14. Januar 2016 - [X.], [X.], 516 [juris Rn. 45] = WRP 2016, 581 - Wir helfen im Trauerfall; Urteil vom 31. Oktober 2018 - [X.], [X.], 82 [juris Rn. 38] = WRP 2019, 68 - Jogginghosen, jeweils mwN). Soweit der Senatsentscheidung [X.] insoweit Gegenteiliges zu entnehmen sein sollte (vgl. [X.], [X.], 1160 [juris Rn. 60]; dies verneinend [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., [X.]. 60 Rn. 53; kritisch [X.], WRP, 2020, 1237 Rn. 28 bis 31), hält der Senat daran nicht fest.

bb) Vorliegend hat das [X.] - bereits bei der Prüfung der im Revisionsverfahren nicht mehr gegenständlichen Abmahnkosten - lediglich eine der fünf angegriffenen Handlungen, die jeweils eigene Streitgegenstände darstellen, als wettbewerbswidrig festgestellt.

c) Hinsichtlich der Höhe eines etwaigen Schadensersatzanspruchs wird zu berücksichtigen sein, dass das [X.] im Regelfall zwar eine 1,3-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst (vgl. [X.], [X.], 822 [juris Rn. 33 bis 35] - Kosten für [X.] II). Nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls kommt aber auch ein Schreiben einfacher Art nach Nr. 2302 VV RVG in Betracht (vgl. [X.], [X.], 1038 [juris Rn. 32] - Kosten für [X.] I).

d) Ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin ist auf Zahlung und nicht lediglich auf Freistellung gerichtet.

aa) § 250 Satz 2 [X.] eröffnet dem Gläubiger eines Befreiungsanspruchs die Möglichkeit, zu einem Anspruch auf Geldersatz zu gelangen, wenn er dem [X.] erfolglos eine Frist mit Ablehnungsandrohung setzt. Ein Befreiungsanspruch kann sich zudem nach Maßgabe der § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 und 2 [X.] in einen Zahlungsanspruch umwandeln. Der beklagte Schädiger kann die Erfüllung des Anspruchs auch durch sein Verhalten im Prozess im Sinne des § 281 Abs. 2 [X.] ernsthaft und endgültig verweigern (vgl. [X.], Urteil vom 9. Juli 2015 - [X.], [X.], 1021 [juris Rn. 34] = WRP 2015, 1214 - Kopfhörer-Kennzeichnung, mwN), wobei es hierfür genügt, dass er - wie vorliegend die [X.] - die eigene Haftung bereits dem Grund nach negiert (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juni 1986 - [X.], [X.], 1115 [juris Rn. 28]).

bb) Unerheblich ist hierbei die Erwägung des Berufungsgerichts im Zusammenhang mit dem Antrag der Klägerin auf Erstattung ihrer Abmahnkosten, die [X.] habe die Zahlung verweigern dürfen, weil die Klägerin entgegen ihrem schriftsätzlichen Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erstmals vorgetragen habe, sie habe die Honoraransprüche ihres Rechtsanwalts noch nicht beglichen. Die Richtigstellung des Vortrags der Klägerin betrifft lediglich Tatsachen, auf die es nach dem Vorstehenden aus Rechtsgründen nicht ankommt. Auch nach dieser Richtigstellung hat die [X.] nicht lediglich beanstandet, der [X.] sei auf Zahlung statt auf Freistellung gerichtet, sondern den Anspruch weiterhin dem Grund nach in Abrede gestellt.

e) Zinsen auf einen etwaigen Zahlungsanspruch kann die Klägerin allerdings erst ab dem [X.]punkt verlangen, zu dem die [X.] die Erfüllung des Anspruchs ernsthaft und endgültig verweigert hat (vgl. [X.], [X.], 1021 [juris Rn. 34] - Kopfhörer-Kennzeichnung).

D. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 2 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem/einer beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt/Rechtsanwältin binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils bei dem [X.], [X.], durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Koch     

      

Löffler     

      

Schwonke

      

Schmaltz     

      

Odörfer     

      

Meta

I ZR 61/22

09.02.2023

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Düsseldorf, 17. März 2022, Az: I-20 U 243/20

§ 241 Abs 2 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 670 BGB, § 677 BGB, § 683 S 1 BGB, § 13 Abs 3 UWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 09.02.2023, Az. I ZR 61/22 (REWIS RS 2023, 2649)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2649

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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