Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.03.2024, Az. II ZB 4/23

2. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 1863

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Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des [X.] vom 2. Februar 2023 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um die Gültigkeit von auf Gesellschafterversammlungen der R.     Gruppe GmbH & Co. KG Anfang 2020 mit Stimmen der [X.] gefassten Beschlüssen, mit denen der Abschluss von [X.] der Betriebsuntergesellschaft der Kommanditgesellschaft mit den [X.] genehmigt wurde. Der Kläger und die Beklagte zu 1 sind Kommanditisten der Kommanditgesellschaft. Deren weitere Kommanditistin war die während des zweiten Rechtszugs verstorbene Beklagte zu 2, die von dem Kläger beerbt worden ist. Hinsichtlich ihres Kommanditanteils hat die Erblasserin Dauertestamentsvollstreckung angeordnet, die im Gesellschaftsvertrag der Kommanditgesellschaft zugelassen war.

2

Das Berufungsgericht hat den Rechtsstreit auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der [X.] zu 2 ausgesetzt, soweit sich die Klage gegen diese gerichtet hat. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

3

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Fall 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat das Verfahren gegen die Beklagte zu 2 zu Recht gemäß § 246 Abs. 1 ZPO ausgesetzt.

4

1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Aussetzungsentscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

5

Der antragsgemäßen Aussetzung des Rechtsstreits stehe nicht das Verbot des Insichprozesses infolge der Beerbung der [X.] zu 2 durch den Kläger entgegen, da der Kommanditanteil der Testamentsvollstreckung unterliege. Demzufolge sei der Testamentsvollstrecker zur Aufnahme des Verfahrens berufen. Bei der Erbfolge in einen Kommanditanteil sei Testamentsvollstreckung uneingeschränkt möglich, sofern sie, wie im Streitfall, im Gesellschaftsvertrag zugelassen sei. Dies gelte auch dann, wenn der Erbe bereits Gesellschafter sei. Zwar sei die Beteiligung eines Gesellschafters an einer Personengesellschaft notwendig eine einheitliche. Von diesem Grundsatz müsse bei Testamentsvollstreckung allerdings aus praktischen Bedürfnissen eine Ausnahme gemacht werden.

6

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht die Beerbung der [X.] zu 2 durch den Kläger und der Grundsatz der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft der Aussetzung nicht entgegen. Ein im Wege der Sonderrechtsnachfolge übergegangener Kommanditanteil unterliegt auch dann der Dauertestamentsvollstreckung, wenn der Erbe bereits Gesellschafter ist.

7

a) Die gesellschaftsvertraglich zugelassene Anordnung der Testamentsvollstreckung durch die Erblasserin verhindert die uneingeschränkte [X.] der [X.] zu 2 mit dem des [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 14. Mai 1986 - [X.], [X.]Z 98, 48, 57; Beschluss vom 10. Januar 1996 - [X.], NJW 1996, 1284, 1285 f.).

8

aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Testamentsvollstreckung sich auf einen Kommanditanteil beziehen kann. Das entspricht, sofern die übrigen Gesellschafter einverstanden sind oder, wie hier, der Gesellschaftsvertrag es vorsieht, der Rechtsprechung des [X.] ([X.], Beschluss vom 3. Juli 1989 - [X.], [X.]Z 108, 187, 191 ff.; Beschluss vom 14. Februar 2012 - [X.], [X.], 623 Rn. 14, 18).

9

[X.]) Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 3. Juli 1989 ([X.], [X.]Z 108, 187, 199) offengelassen, wie sich die Anordnung von Dauertestamentsvollstreckung auswirkt, wenn der Erbe bereits vor dem Erbfall Gesellschafter war und ob insoweit an einer früheren Entscheidung ([X.], Urteil vom 11. April 1957 - [X.], [X.]Z 24, 106, 113) festzuhalten ist, wonach die damit zwangsläufig verbundene Aufspaltung des einheitlichen Gesellschaftsanteils aus Rechtsgründen nicht möglich sei. Auf die zeitlich nachfolgende Anfrage des [X.] hat der Senat mitgeteilt, dass auch nach seiner Rechtsprechung eine Testamentsvollstreckung bezüglich des ererbten Anteils an einer Personengesellschaft nicht schlechthin ausgeschlossen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Januar 1996 - [X.], NJW 1996, 1284, 1286).

Mit der h.M. im Schrifttum (etwa [X.] [X.]/[X.], Stand 1.1.2024, § 177 Rn. 6; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 177 Rn. 21; von [X.] in [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 177 Rn. 21; [X.] in Henssler/[X.], [X.], 5. Aufl., § 177 [X.] Rn. 9; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 177 Rn. 7; [X.] in [X.]/Horn/[X.], [X.], 3. Aufl., § 177 [X.] Rn. 14; [X.]/[X.], 9. Aufl., § 2205 Rn. 44; MünchKomm[X.]/[X.]/[X.], 5. Aufl., § 177 Rn. 24; [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 177 Rn. 18; [X.] in Röhricht/[X.] von Westphalen/[X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., § 177 Rn. 12; [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 177 Rn. 29; [X.] in Bengel/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 5 Rn. 210b; [X.], [X.], 4. Aufl., § 45 I 2. b) [X.]), [X.]); Weidlich, [X.], 1993, 98 ff.; [X.], NJW 1994, 5, 8; [X.], Festschrift [X.], 2000, 395, 414 ff.; [X.][X.], [X.], 43. Aufl. § 131 Rn. 26) ist der der Testamentsvollstreckung unterliegende Gesellschaftsanteil als abspaltbares Sondervermögen anzusehen. Der das Recht der Personengesellschaften beherrschende Grundsatz der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft ([X.], Urteil vom 11. April 1957 - [X.], [X.]Z 24, 106, 108; Urteil vom 10. Juni 1963 - [X.], [X.], 989; Urteil vom 20. April 1972 - [X.], [X.]Z 58, 316, 318; Urteil vom 22. Mai 1989 - [X.], [X.] 1052, 1054) steht dem nicht entgegen, weil sich der der Testamentsvollstreckung unterliegende Gesellschaftsanteil angesichts der materiell-rechtlichen Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers über die im Gesellschaftsanteil verkörperten Rechte nicht uneingeschränkt mit einem bereits zuvor gehaltenen Gesellschaftsanteil des Erben vereinigt ([X.] [X.] 167 [2003], 103, 115; Wertenbruch in [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 105 Rn. 81 ff.).

Die Gegenauffassung muss im Übrigen zu unpraktikablen "Ersatzkonstruktionen" greifen, um den Erblasserwillen durchzusetzen. So soll der Kommanditisten-Erbe nach Anteilsvereinigung kraft konkludenter Auflage (§§ 1940, 2192 ff. [X.]) verpflichtet sein, den ererbten Anteil treuhänderisch an den Testamentsvollstrecker abzutreten (vgl. [X.], NJW 1990, 73, 77 [X.]). Es kann auf sich beruhen, ob eine solche Auslegung der letztwilligen Verfügung im Einzelfall möglich ist (§ 2084 [X.]). Sie ist jedenfalls nicht schon aufgrund der Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung zwangsläufig (vgl. [X.], Urteil vom 11. April 1957 - [X.], [X.]Z 24, 106, 113 f.).

b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde umfasst die Testamentsvollstreckung auch den verfahrensgegenständlichen Beschlussmängelstreit.

aa) Hat ein Erblasser - wie hier - hinsichtlich einer Beteiligung an einer Gesellschaft unbeschränkte Testamentsvollstreckung angeordnet, sind die Erben grundsätzlich gemäß § 2205 Satz 1, § 2211 [X.] von der Ausübung der [X.] ausgeschlossen. Die den Gesellschaftsanteil betreffenden Verwaltungs- und Vermögensrechte werden allesamt von dem Testamentsvollstrecker ausgeübt, der hierbei an den Willen der Erben nicht gebunden ist und in seinen Kompetenzen lediglich durch die Verbote der unentgeltlichen Verfügung nach § 2205 Satz 3 [X.] und der Begründung einer persönlichen Haftung der Erben (vgl. § 2206 [X.]) sowie durch seine generelle Pflichtenstellung gegenüber den Erben eingeschränkt ist (vgl. [X.], Urteil vom 2. Oktober 1957 - [X.], [X.]Z 25, 275, 279 f.; Beschluss vom 3. Juli 1989 - [X.], [X.]Z 108, 187, 189 f.; Beschluss vom 14. Februar 2012 - [X.], [X.], 623 Rn. 18; Urteil vom 13. Mai 2014 - [X.]/12, [X.]Z 201, 216 Rn. 14). Die klageweise Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von [X.] obliegt deshalb ebenfalls dem Testamentsvollstrecker (§ 2212 [X.]), es sei denn, dass der Testamentsvollstrecker selbst unzulässigerweise anstelle der Erben mitgestimmt hat und insoweit seine Verwaltungsbefugnis beschränkt ist ([X.], Urteil vom 12. Juni 1989 - [X.], [X.]Z 108, 21, 23 f.; Urteil vom 13. Mai 2014 - [X.]/12, [X.]Z 201, 216 Rn. 14). [X.] gilt für die Verteidigung gegen die klageweise Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit eines Gesellschafterbeschlusses.

[X.]) Eine andere Beurteilung ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht aufgrund des Inkrafttretens des [X.] des Personengesellschaftsrechts vom 10. August 2021 ([X.]l. I S. 3436 - [X.]) und insbesondere von § 711a [X.] veranlasst. Mit § 711a [X.] wollte der Gesetzgeber im Wesentlichen nur die in § 717 [X.] a.F. enthaltenen Regelungen übernehmen (Begr. BReg, BT-Drucks. 19/27635, [X.] f.). Die in § 711a [X.] geregelte eingeschränkte Übertragbarkeit von Gesellschafterrechten trägt zur Beantwortung der vorgelagerten Frage der Spaltung der Mitgliedschaft in einen originären und einen der Testamentsvollstreckung unterliegenden Gesellschaftsanteil nichts bei. Innerhalb des letztgenannten Anteils unterliegt der Testamentsvollstrecker gemäß § 105 Abs. 3, § 161 Abs. 2 [X.] den Beschränkungen des § 711a [X.].

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Im Aussetzungsverfahren ergeht keine Kostenentscheidung, weil es Teil der Hauptsache ist. Das durch die Aussetzungsentscheidung ausgelöste Rechtsbeschwerdeverfahren stellt ebenfalls nur einen Bestandteil des Hauptverfahrens dar (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Dezember 2005 - [X.], NJW-RR 2006, 1289 Rn. 12; Beschluss vom 15. Juni 2021 - [X.]/20, [X.] 2021, 1514 Rn. 77). Die Kosten des [X.], die durch eine Aussetzungsentscheidung ausgelöst werden, bilden einen Teil der Kosten des Rechtsstreits, die unabhängig vom Ausgang des [X.] die nach §§ 91 ff. ZPO in der Sache unterliegende Partei zu tragen hat ([X.], Beschluss vom 9. März 2021 - [X.], [X.], 740 Rn. 23; Beschluss vom 15. Juni 2021 - [X.]/20, [X.] 2021, 1514 Rn. 77; [X.]. [X.]).

[X.]     

      

B. Grüneberg     

      

V. Sander

      

von [X.]     

      

Adams     

      

Meta

II ZB 4/23

12.03.2024

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Köln, 2. Februar 2023, Az: I-4 U 16/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.03.2024, Az. II ZB 4/23 (REWIS RS 2024, 1863)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1863


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 4 U 16/22

Oberlandesgericht Köln, 4 U 16/22, 02.02.2023.


Az. II ZB 4/23

Bundesgerichtshof, II ZB 4/23, 12.03.2024.


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