Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.02.2015, Az. 5 AZR 481/13

5. Senat | REWIS RS 2015, 14975

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Gegenstand

Kleine dynamische Bezugnahmeklausel - Tarifsukzession - ergänzende Vertragsauslegung - Regelungskompetenz der Betriebsparteien


Leitsatz

1. Eine Vergütungsabrede, mit der eine Vergütung "nach" einer bestimmten Vergütungsgruppe des BAT oder "in Anlehnung" an eine solche vereinbart wurde, ist durch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst lückenhaft geworden.

2. Die nachträgliche Regelungslücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zum Zeitpunkt der Tarifsukzession zu schließen. Das danach ermittelte Entgelt mindert sich allein wegen der späteren Verlängerung der Regelarbeitszeit im öffentlichen Dienst nicht.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 21. November 2012 - 2 Sa 1224/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Tarifentgelterhöhungen.

2

Der 1957 geborene Kläger ist seit dem 1. Jan[X.]r 1988 bei der [X.], die nicht tarifgebunden und deren [X.]ehrheitsgesellschafterin die Stadt [X.] ist, als kaufmännischer [X.]itarbeiter beschäftigt. Die Beklagte betreibt die [X.]alle [X.] und führt im Interesse der Stadt [X.] und der Gemeinden des [X.] Veranstaltungen aller Art - darunter auch Feste, [X.]ärkte, Ausstellungen und [X.]essen - im eigenen und fremden Namen durch.

3

Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Formulararbeitsvertrag vom 9. Dezember 1987, der [X.]. regelt:

        

„§ 3   

        

[X.]err L erhält eine Vergütung nach [X.] IV a.

        

§ 4     

        

Die vertragsschließenden Parteien sind sich darüber einig, daß sich sowohl alle übrigen Rechte als auch die Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis nach den Bestimmungen der für die [X.] gültigen Betriebsvereinbarung richten, die somit Grundlage dieses Arbeitsvertrages ist.“

4

In einer Betriebsvereinbarung vom 8. Febr[X.]r 2001 (im Folgenden [X.]) heißt es auszugsweise:

        

„§ 2   

        

Anwendung von Tarifverträgen

        
        

(1)     

Soweit in dieser Vereinbarung keine besonderen Regelungen getroffen sind, werden Bestimmungen der Tarifverträge [X.] und B[X.]T-G in der Fassung vom 01.08.2000 sowie [X.] in der Fassung vom 01.01.1995 auf die Beschäftigungsverhältnisse wie folgt angewandt:

        
                 

A. [X.]itarbeiter/innen im Verwaltungs- und gewerblich-technischen Bereich:

        
                 

a)    

Angestellte ([X.])

        
                 

Der § 4 (Arbeitsvertrag, Nebenabreden), § 5 (Probezeit), § 7 (Ärztliche Untersuchung), § 8 (Allgemeine Pflichten), § 9 (Schweigepflicht), § 10 (Belohnungen und Geschenke), § 11 (Nebentätigkeit), § 13 (Personalakten), § 14 ([X.]aftung), § 18 (Arbeitsversäumnis), § 37 (Krankenbezüge), § 38 (Forderungsübergang bei [X.]), § 40 (Beihilfen), § 41 (Sterbegeld), § 42 (Reisekostenvergütung), §§ 47 - 52 (Urlaub, Sonderurlaub, Arbeitsbefreiung), §§ 53 - 61 (Beendigung des Arbeitsverhältnisses), (§ 53 Abs. 3 findet keine Anwendung), §§ 62 - 64 (Übergangsgeld) und § 70 (Ausschlußfristen des [X.]angestellten-Tarifvertrages ([X.])).

        
                 

…       

                 
        

§ 3     

        

Regelmäßige Arbeitszeit

        

(1)     

Für die Arbeitszeit der [X.]itarbeiter/innen im Verwaltungs- und gewerblich-technischen Bereich gelten die §§ 15 bis 16 a [X.] bzw. die §§ 14 und 15 B[X.]T-G in der Fassung vom [X.]“

5

Die Beklagte zahlte dem Kläger bis September 2005 Vergütung nach VergGr. IVa [X.] bzw. - nach [X.] - nach VergGr. III [X.]. Dabei vollzog sie die Steigerung der Vergütung nach [X.] und die Tariferhöhungen nach, den [X.] Nr. 35 zum [X.] allerdings zwei [X.]onate später als tariflich vorgesehen. Außerdem erhält der Kläger eine jährliche Sonderzahlung in [X.]öhe von 80 % des durchschnittlichen Entgelts der [X.]onate Juli bis September. Nach der Tarifsukzession im öffentlichen Dienst des [X.] und der [X.] zum 1. Oktober 2005 ordnete die Beklagte den Kläger der [X.] 11/Stufe 6 [X.] zu. Er erhält seither - unter Einreihung in eine dem Vergleichsentgelt entsprechenden individuellen Endstufe (§ 6 Abs. 4 Satz 1 [X.]) - ein Bruttomonatsgehalt von 3.961,66 Euro. Die nach der Tarifsukzession vereinbarten Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst der [X.] gab die Beklagte nicht mehr weiter.

6

In einem Schreiben vom 21. Febr[X.]r 2007 teilte die Geschäftsführerin der [X.] den Beschäftigten mit:

        

„Betriebsvereinbarung

        

[X.] und [X.]erren,

        

anlässlich des Inkrafttretens des TVöD auf [X.] sowie auf [X.]ebene am 01.10.2005 sowie anlässlich des Inkrafttretens des Tarifvertrages der Länder in [X.] am 01.11.2006 hatte ich angestrebt, die zwischen [X.] und dem Betriebsrat der [X.] bestehende Betriebsvereinbarung vom [X.] in gemeinsamen Verhandlungen mit dem Betriebsrat zu überarbeiten und auf die neuen tariflichen Bestimmungen anzupassen. In der Vorbereitung dieser Anpassungsmaßnahmen habe ich [X.] juristisch beraten lassen. Dabei wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass die vor meiner Amtszeit mit dem Betriebsrat geschlossene Betriebsvereinbarung wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam ist. …

        

Ich möchte daher ausdrücklich darauf aufmerksam machen, dass die [X.] Gmb[X.] sich an die Betriebsvereinbarung ab sofort nicht mehr gebunden sieht. Sie wird lediglich einstweilen, namentlich bis zur Bekanntgabe einer neuen Regelung, angewendet. Dies geschieht allerdings ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und ohne Bindungswirkung für die Zukunft und ausschließlich für die Übergangszeit bis zur Bekanntgabe dessen, was zukünftig für den Inhalt der Arbeitsverhältnisse gelten soll.

        

…“    

7

Daraufhin wandte sich der Betriebsrat mit Schreiben vom 10. [X.]ärz 2007 an die Belegschaft wie folgt:

        

„Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

        

wir nehmen Bezug auf das Schreiben von Frau Dr. P vom 21.02.2007. Darin geht die Geschäftsleitung davon aus, dass die am [X.] geschlossene Betriebsvereinbarung unwirksam sei. Gleichzeitig wird mitgeteilt, dass sich die [X.] Gmb[X.] ab sofort nicht mehr an diese Vereinbarung gebunden sieht.

        

Wir als Betriebsrat der [X.] haben in dieser Angelegenheit ebenfalls eine Rechtsauskunft eingeholt. [X.]ier die wichtigsten Aussagen:

        

1.    

Unsere Betriebsvereinbarung vom [X.] ist weiterhin wirksam.

        

2.    

In unseren Arbeitsverträgen wird regelmäßig auf unsere Betriebsvereinbarung verwiesen. Selbst bei unterstellter Unwirksamkeit bleiben die darin enthaltenen Regelungen rechtsverbindlicher Bestandteil unserer Arbeitsverträge.

        

…“    

        

8

[X.]it Schreiben vom 27. September 2010 beantragte der Kläger bei der [X.] erfolglos, die „Ergebnisse der Tarifeinigung“ vom 27. Febr[X.]r 2010 auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden.

9

[X.]it der am 29. Dezember 2010 eingereichten Klage hat der Kläger die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst der [X.] in den Jahren 2008 bis 2010 sowie entsprechend erhöhte Jahressonderzahlungen verlangt. Er hat geltend gemacht, § 3 Arbeitsvertrag enthalte eine dynamische Inbezugnahme der Tarifentgelte, die auch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst umfasse. Ausschlussfristen habe er nicht einhalten müssen. Die [X.] sei nach § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam. Es sei zudem rechtsmissbräuchlich, wenn sich die Beklagte auf eine Ausschlussfrist in einer von ihr selbst für unwirksam gehaltenen Betriebsvereinbarung berufe.

Der Kläger hat zuletzt - nach [X.] im Übrigen - sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.123,04 Euro brutto nebst Zinsen in [X.]öhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.195,84 Euro seit dem 1. Jan[X.]r 2009, aus weiteren 3.644,67 Euro seit dem 1. Jan[X.]r 2010 und aus weiteren 4.282,53 Euro seit dem 1. Jan[X.]r 2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die vertragliche Vergütungsabrede enthalte keine dynamische Inbezugnahme des [X.]. Zumindest sei ein entsprechendes Entgelt anteilig der Erhöhung der [X.] im kommunalen öffentlichen Dienst [X.]s von 38,5 auf 39 Stunden ab Juli 2008 zu kürzen. Zudem seien mögliche Ansprüche des Klägers nach § 70 [X.] bzw. § 37 [X.] wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung verfallen. Die entsprechende Regelung der [X.] gölte trotz deren Unwirksamkeit individ[X.]lrechtlich fort.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. [X.]it der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.] ist unbegründet. Das [X.] hat die Berufung der [X.] gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist begründet.

I. Die Parteien haben im Arbeitsvertrag vom 9. Dezember 1987 eine dynamische Vergütung vereinbart, die auch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst umfasst. Das ergibt die - ergänzende - Auslegung des § 3 Arbeitsvertrag, wonach der Kläger eine Vergütung „nach [X.] a“ erhält.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist die pauschale Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf tarifliche Vergütungsbestimmungen ohne Nennung fester Beträge und ohne Angabe einer konkret nach Datum festgelegten Fassung des in Bezug genommenen Tarifvertrags dynamisch zu verstehen, es sei denn, eindeutige Hinweise sprechen für eine statische Bezugnahme (vgl. [X.] 21. August 2013 - 5 [X.] - Rn. 23 mwN). Hiervon ausgehend haben die Parteien mit § 3 Arbeitsvertrag die Vergütung zeitlich dynamisch, orientiert an der in Bezug genommenen tariflichen Vergütungsgruppe gestaltet, denn an Hinweisen auf eine statische Bezugnahme fehlt es. Das bestätigt die tatsächliche Handhabung der [X.], die unstreitig bis zur Tarifsukzession im öffentlichen Dienst die dortigen Tariferhöhungen weitergegeben und sogar tarifliche ([X.] und [X.] nachvollzogen hat.

2. Die Vergütung des [X.] richtet sich seit dem 1. Oktober 2005 nach dem [X.] und dem [X.]. Das ergibt eine ergänzende Vertragsauslegung.

a) Der Wortlaut des § 3 Arbeitsvertrag trägt eine Erstreckung auf den [X.] nicht. Dieser ist nicht identisch mit dem [X.]. Ein Zusatz, dass auch die den „[X.] ersetzenden Tarifverträge“ Anwendung finden sollen, fehlt. § 3 Arbeitsvertrag ist damit zeit-, nicht jedoch inhaltsdynamisch ausgestaltet (vgl. [X.] 16. Dezember 2009 - 5 [X.] - Rn. 15 f.).

b) Durch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst ist jedoch nachträglich eine Regelungslücke entstanden, die im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen ist. Da es sich bei § 3 Arbeitsvertrag nach der vom [X.] in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des [X.] (vgl. zB [X.] 15. Mai 2013 - 10 [X.] - Rn. 17 mwN) vorgenommenen rechtlichen Wertung, die von der Revision nicht angegriffen wird, um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB) handelt, ist zu fragen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach [X.] und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unvollständigkeit ihrer Regelung bekannt gewesen wäre ([X.] 16. Dezember 2009 - 5 [X.] - Rn. 18 ff., seither st. Rspr.).

Dabei ergibt sich aus der dynamischen Ausgestaltung der Vergütungsregelung zum einen der Wille der Parteien, die Vergütung nicht in einer bestimmten Höhe bis zu einer Vertragsänderung festzuschreiben, sondern sie - dynamisch - an der jeweiligen Höhe der Vergütung der Angestellten im öffentlichen Dienst auszurichten. Deshalb hätten die Parteien [X.] für den Fall einer Tarifsukzession das dem in der [X.] benannten tariflichen Regelungswerk nachfolgende tarifliche Regelungswerk als Bezugsobjekt der Vergütung vereinbart, weil ein „Einfrieren“ der Vergütung auf den Zeitpunkt der Tarifsukzession nicht ihren Interessen entsprach.

Zum anderen haben sich die Parteien mit der dynamischen Ausgestaltung der Vergütung für die Zukunft insoweit der [X.] der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes anvertraut. Die mit der Tarifsukzession verbundene Änderung der [X.] wirkt nicht anders auf die [X.] ein als eine (tiefgreifende) inhaltliche Änderung des in der [X.] benannten Tarifvertrags. Mit dem Nachvollziehen der Tarifsukzession auf [X.] werden die Parteien nicht anders gestellt, als sie stünden, wenn die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes den [X.] reformiert und ihm einen neuen Inhalt gegeben hätten.

c) Wegen der Aufspaltung der bis zum 30. September 2005 gleichlautenden Regelungen für die Angestellten des öffentlichen Dienstes bei [X.], [X.] und [X.] ist durch ergänzende Vertragsauslegung weiter zu bestimmen, welche Nachfolgeregelung für die Vergütung des [X.] nach § 3 Arbeitsvertrag maßgebend sein soll. Es ist zu fragen, welches der dem [X.] nachfolgenden [X.] die Parteien in Bezug genommen hätten, wenn sie eine Tarifsukzession bedacht hätten. Dies ist der [X.] in der im Bereich der [X.] ([X.]) geltenden Fassung, weil die Beklagte aufgrund ihrer Mehrheitsgesellschafterin und ihren Aufgaben am ehesten dem öffentlichen Dienst der [X.] zuzurechnen ist. Dementsprechend hat die Beklagte, die nach den Feststellungen des [X.]s Mitglied im [X.] werden könnte, selbst eine Überleitung in die Entgeltgruppen des [X.] nach dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts vom 13. September 2005 ([X.]) vorgenommen.

3. Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger Anspruch auf die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst der [X.] der Jahre 2008 bis 2010. Ebenso ist die von der [X.] gewährte jährliche Sonderzahlung, die sich am durchschnittlichen Entgelt der Monate Juli bis September orientiert, entsprechend zu berechnen. Dabei ist die Höhe der geltend gemachten Differenzvergütung nach der von der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellung des [X.]s in der Berufungsinstanz unstreitig geworden.

II. Die Vergütung des [X.] ist nicht wegen der zum 1. Juli 2008 erfolgten Erhöhung der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst der [X.] von 38,5 auf 39 Wochenstunden zu reduzieren.

1. Nach der Rechtsprechung des [X.]s kann sich eine rechnerische Korrektur zum Tabellenentgelt dadurch ergeben, dass sich vertragliche Sonderregelungen, die vor der Tarifsukzession vereinbart wurden, auf die Bestimmung des [X.] zum 1. Oktober 2005 auswirken ([X.] 17. November 2011 - 5 [X.] - Rn. 22). Darum geht es aber im Streitfall nicht. Vielmehr zielt der Einwand der [X.] darauf ab, das Ergebnis der zum Zeitpunkt der Tarifsukzession im öffentlichen Dienst vorzunehmenden ergänzenden Auslegung der [X.] nachträglich wegen einer erst nach der Tarifsukzession erfolgten Arbeitszeitverlängerung im öffentlichen Dienst der [X.] zu korrigieren. Dafür fehlt die Rechtsgrundlage.

Die Parteien haben im Arbeitsvertrag weder eine ausdrückliche Vereinbarung über die Dauer der Arbeitszeit getroffen noch die im öffentlichen Dienst geltende Arbeitszeit dynamisch in Bezug genommen. Es ist deshalb anzunehmen, dass sie - nachdem Anhaltspunkte dafür fehlen, es sei eine der Arbeitszeit enthobene Arbeitspflicht gewollt gewesen - die [X.] Arbeitszeit vereinbarten. Dies entspricht dem [X.] verständiger und redlicher Vertragspartner ([X.] 15. Mai 2013 - 10 [X.] - Rn. 18 ff.). Die [X.] Arbeitszeit betrug vor, bei und nach der Tarifsukzession 38,5 Wochenstunden, die die Beklagte auch unstreitig ihren Dienstplänen zugrunde legte. Insoweit hielt die Beklagte im Streitzeitraum - unbeschadet der möglichen Unwirksamkeit - an § 3 Abs. 1 BV mit seiner statischen Bezugnahme auf die am 1. August 2000 im öffentlichen Dienst der [X.] geltenden durchschnittlichen Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden (§ 15 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.]) fest. Der Kläger hat deshalb weiterhin Anspruch auf die Vergütung einer Vollzeitkraft (vgl. [X.] 21. August 2013 - 5 [X.] - Rn. 45). Im Übrigen betrug zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Tarifsukzession auch für Vollzeitbeschäftigte im öffentlichen Dienst der [X.] die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im [X.] unverändert 38,5 Wochenstunden, § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b [X.] aF. Erst mit § 4 Nr. 4 des Änderungs-TV Nr. 2 vom 31. März 2008 wurde mit Wirkung vom 1. Juli 2008 die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im Bereich der [X.] allgemein auf 39 Wochenstunden erhöht (vgl. zur Entstehungsgeschichte Sponer/Steinherr Stand Februar 2015 § 6 [X.] [X.]. 1).

2. Von der für den Zeitpunkt der Tarifsukzession im öffentlichen Dienst vorzunehmenden ergänzenden Auslegung der [X.] zu trennen ist die Frage, ob die Beklagte berechtigt (gewesen) wäre, die Arbeitszeitverlängerung im Bereich des öffentlichen Dienstes der [X.] nachzuvollziehen. Das braucht der [X.] nicht zu entscheiden. Denn unstreitig hat die Beklagte es im gesamten Streitzeitraum nicht unternommen, die [X.] Arbeitszeit auf 39 Wochenstunden zu verlängern. Solches erfolgte entgegen der Auffassung des [X.]s auch nicht über § 3 Arbeitsvertrag. Diese Klausel bezieht sich nur auf die Vergütung, kann aber nicht andere Tarifbestimmungen des öffentlichen Dienstes zur Anwendung bringen. Denn die Beklagte als Klauselstellerin wollte gerade keine allgemeine Bezugnahme auf die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, sondern deren - partielle - Anwendung durch Betriebsvereinbarung regeln. Diese - ihre Wirksamkeit unterstellt - enthält lediglich eine statische Bezugnahme auf die Arbeitszeitbestimmungen des [X.] und des [X.] in der am 1. August 2000 geltenden Fassung, nicht jedoch auf solche des [X.]. Weil arbeitsvertraglich die [X.] Arbeitszeit vereinbart ist, kommt auch eine ergänzende Vertragsauslegung zur Dauer der Arbeitszeit nicht in Betracht. Es fehlt an einer Regelungslücke.

III. Die streitgegenständlichen Forderungen sind nicht verfallen. Der Kläger musste weder die Ausschlussfrist des § 37 [X.] noch die des § 70 [X.] beachten.

1. § 37 [X.] findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Denn es besteht weder eine beiderseitige [X.] (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG), noch ist die tarifliche Ausschlussfristenregelung arbeitsvertraglich vereinbart oder in Bezug genommen. Auch über § 77 Abs. 4 Satz 1 [X.] ist § 37 [X.] nicht anwendbar. § 2 Abs. 1 BV nimmt lediglich statisch auf § 70 [X.] in der am 1. August 2008 geltenden Fassung Bezug und kann sich deshalb nicht auf § 37 [X.] erstrecken. Zudem wäre eine dynamische Bezugnahme auf tarifliche Regelungen in einer Betriebsvereinbarung unwirksam ([X.] 23. Juni 1992 - 1 [X.] - zu [X.] 1 der Gründe, [X.]E 70, 356; 28. März 2007 - 10 [X.] 719/05 - Rn. 34 f.; [X.] 27. Aufl. § 77 Rn. 24; [X.] in [X.] [X.] 14. Aufl. § 77 Rn. 35 - jeweils mwN).

2. Der Kläger war nicht gehalten, die Ausschlussfrist des § 70 [X.] in der am 1. August 2000 geltenden Fassung zu beachten.

a) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich der Kläger gegenüber der ihn belastenden Regelung einer Ausschlussfrist durch Betriebsvereinbarung nach dem Günstigkeitsprinzip auf das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung berufen könnte (zum Günstigkeitsprinzip als Kollisionsregel: vgl. [X.] 14. Januar 2014 - 1 [X.] - Rn. 21 mwN; [X.] 2014, 336, 338) oder sich der Arbeitsvertrag der Parteien über die Klausel des § 4 als betriebsvereinbarungsoffen erweist mit der Folge, dass er hinsichtlich der Geltung von Ausschlussfristen der Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich ist (vgl. [X.] 5. März 2013 - 1 [X.] 417/12 - Rn. 60). Denn jedenfalls ist § 2 Abs. 1 BV, soweit er § 70 [X.] in der am 1. August 2000 geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung bringen will, unwirksam, § 77 Abs. 3 Satz 1 [X.].

b) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] haben die Betriebsparteien grundsätzlich eine umfassende Kompetenz zur Regelung von materiellen und formellen Arbeitsbedingungen. Sie können durch (freiwillige) Betriebsvereinbarungen Regelungen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen treffen ([X.] 5. März 2013 - 1 [X.] 417/12 - Rn. 23 mwN; Linsenmaier RdA 2014, 336, 337). Dazu gehören auch Regelungen über Ausschlussfristen ([X.] 9. April 1991 - 1 [X.] 406/90 - zu II 2 der Gründe, [X.]E 67, 377), die die Betriebsparteien nicht selbst formulieren oder aus einem Tarifvertrag abschreiben müssen. Sie verzichten nicht auf ihr Recht und ihre Pflicht, die Arbeitsbedingungen inhaltlich zu gestalten, wenn sie statisch auf einen bestimmten Tarifvertrag verweisen und damit dessen Regelung gleichsam als eigene übernehmen ([X.] 23. Juni 1992 - 1 [X.] - zu [X.] 2 b der Gründe, [X.]E 70, 356).

Die Regelungskompetenz der Betriebsparteien ist jedoch begrenzt durch § 77 Abs. 3 Satz 1 [X.], der der Sicherung und Stärkung der Tarifautonomie dient ([X.], vgl. nur [X.] 2014, 336, 337 mwN). Materielle und formelle Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können - sofern es sich nicht um Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87 [X.] handelt - nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dabei hängt die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 [X.] nicht von der [X.] des Arbeitgebers ab ([X.], vgl. nur [X.] 22. März 2005 - 1 [X.] [X.] 2 c ee (1) der Gründe, [X.]E 114, 162; [X.] 27. Aufl. § 77 Rn. 78; [X.]/Preis [X.]. § 77 Rn. 66 f. - jeweils mwN zum Streitstand im Schrifttum). Es reicht aus, dass der fragliche Betrieb der betreffenden Branche angehört.

c) Nach nicht angegriffener Feststellung des [X.]s könnte die Beklagte aufgrund der mehrheitlichen Beteiligung der Stadt M Mitglied im [X.] werden. Deshalb ist anzunehmen, dass der Betrieb der [X.] dem öffentlichen Dienst der [X.] zuzurechnen ist. Dort sind seit Jahrzehnten Ausschlussfristen tariflich geregelt, für Angestellte zunächst in § 70 [X.], nach der Tarifsukzession in § 37 [X.]. § 2 Abs. 1 BV verstößt deshalb zumindest hinsichtlich der Ausschlussfristenregelung gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 [X.] und ist unwirksam. Davon geht auch die Revision aus.

3. Die Geltung der Ausschlussfristenregelung des § 70 [X.] in der Fassung vom 1. August 2008 lässt sich weder über eine Umdeutung der - zumindest insoweit - unwirksamen Betriebsvereinbarung begründen noch aus § 4 Arbeitsvertrag herleiten.

a) Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt nach § 140 BGB das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde. Weil eine Betriebsvereinbarung ihrer Rechtsnatur nach ein privatrechtlicher kollektiver Normenvertrag ist (vgl. [X.] 13. Februar 2007 - 1 [X.] 184/06 - Rn. 37, [X.]E 121, 168; [X.] 27. Aufl. § 77 Rn. 13; [X.]/Preis [X.]. § 77 Rn. 7 - jeweils mwN), wird eine Umdeutung der rechtsgeschäftlichen Erklärung des Arbeitgebers, der sich in einer unwirksamen Betriebsvereinbarung zu einer Leistung an die Arbeitnehmer verpflichtet hat, in Betracht gezogen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, der Arbeitgeber habe sich unabhängig von der Betriebsvereinbarung auf jeden Fall verpflichten wollen, seinen Arbeitnehmern die darin vorgesehenen Leistungen zu gewähren ([X.] 23. August 1989 - 5 [X.] 391/88 - zu [X.] der Gründe; 29. Oktober 2002 - 1 [X.] 573/01 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 103, 187; [X.] 27. Aufl. § 77 Rn. 104 ff. - jeweils mwN). Im Streitfall geht es aber nicht um eine durch Betriebsvereinbarung begründete Leistung des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer, sondern um eine „Ersetzung“ der - gescheiterten - normativen Verpflichtung (§ 77 Abs. 4 Satz 1 [X.]) der Arbeitnehmer, für die Verhinderung des Untergangs von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis eine tarifliche Ausschlussfristenregelung zu beachten. Für eine individualrechtliche Verpflichtung der nicht als Vertragspartner an einer Betriebsvereinbarung beteiligten Arbeitnehmer fehlt aber den Betriebsparteien die Kompetenz.

b) Ob § 4 Arbeitsvertrag nur wiederholt, was sich normativ aus § 77 Abs. 4 Satz 1 [X.] ergibt, oder als Allgemeine Geschäftsbedingung die in Bezug genommenen Betriebsvereinbarungen im Sinne einer eigenständigen Regelung arbeitsvertraglich vereinbart werden, braucht der [X.] nicht zu entscheiden. Denn nach der Klausel sollen Grundlage des Arbeitsvertrags ausdrücklich nur die „gültigen“ Betriebsvereinbarungen sein, nicht jedoch die unwirksamen. Damit fehlt es an einer auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Ausschlussfristenregelung. Die Vereinbarung einer tariflichen Vergütung kann ohne (allgemeine) Bezugnahmeklausel eine tarifliche Ausschlussfristenregelung nicht zur Anwendung bringen.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Dombrowsky    

        

    Zorn    

                 

Meta

5 AZR 481/13

25.02.2015

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Münster, 5. Juli 2011, Az: 3 Ca 2549/10, Urteil

§ 37 TVöD, § 70 BAT, § 77 Abs 3 S 1 BetrVG, § 133 BGB, § 157 BGB, § 87 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.02.2015, Az. 5 AZR 481/13 (REWIS RS 2015, 14975)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14975

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