Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.02.2016, Az. AnwZ (Brfg) 62/15

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2016, 15681

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Gegenstand

Verwaltungsrechtliche Anwaltssache: Zulässigkeit der Feststellungklage eines Rechtsanwalts nach Einleitung eines anwaltsrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Verletzung von anwaltlichen Berufspflichten


Tenor

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes [X.] vom 23. Oktober 2015 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 4.750 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die [X.]eklagte forderte den Kläger nach Erhalt einer Mitteilung der [X.] mit Schreiben vom 23. Januar 2015 auf, durch Vorlage einer [X.]escheinigung seines Versicherers nachzuweisen, dass Versicherungsschutz gemäß § 51 [X.] bestehe. Mit Schreiben vom 9. Februar 2015 bestätigte die [X.], dass das [X.]eitragskonto des Klägers ausgeglichen sei, jedoch für den Zeitraum vom 13. Oktober 2014 bis 29. Januar 2015 eine [X.] bestehe. Daraufhin forderte die [X.]eklagte den Kläger auf, bis zum 23. Februar 2015 den Nachweis zu erbringen, dass die vorgenannte [X.] geschlossen sei. Mit Schreiben vom 2. April 2015 bestätigte die [X.], dass die [X.] nicht mehr bestehe.

2

Die Generalstaatsanwaltschaft D.       leitete auf den Antrag der [X.]eklagten vom 12. August 2015 ein anwaltsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Verdachts der Verletzung der [X.]erufspflichten aus §§ 43, 51 [X.] ein.

3

Der Kläger hat gegen die [X.]eklagte Klage erhoben, zuletzt mit dem Antrag festzustellen, dass für den Zeitraum vom 13. Oktober 2014 bis 29. Januar 2015 keine Lücke im Versicherungsschutz seiner anwaltlichen [X.]erufshaftpflichtversicherung bestanden habe und kein Verstoß gegen § 51 [X.] vorliege. Der [X.] hat die Klage als unzulässig verworfen, da es an einem Feststellungsinteresse des Klägers fehle. Der Kläger beantragt die Zulassung der [X.]erufung gegen das Urteil des [X.]s.

II.

4

Der Antrag ist nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.

5

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.

6

Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird ([X.], NJW 2009, 3642; [X.], [X.]eschluss vom 29. Juni 2011 - [X.] ([X.]) 11/10, [X.]Z 190, 187 Rn. 3; vgl. ferner [X.], NVwZ-RR 2004, 542, 543; Schmidt-Räntsch in [X.]/Wolf/Göcken, Anwaltliches [X.]erufsrecht, 2. Aufl., § 112e [X.] Rn. 77).

7

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Der [X.] hat zu Recht ein Feststellungsinteresse des Klägers verneint. Feststellungsanträge sind im Verfahren der Anwaltsgerichtsbarkeit nach Änderung des Verfahrensrechts zum 1. September 2009 und mit Wegfall der §§ 39 ff., 223 [X.] nicht mehr grundsätzlich unzulässig (vgl. zur früheren Rechtslage Senat, [X.]eschluss vom 6. November 2000 - [X.] ([X.]) 3/00, NJW 2001, 1572, 1573 mwN). Die Zulässigkeit einer Feststellungsklage erfordert jedoch nach § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 43 Abs. 1 VwGO, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der von ihm begehrten Feststellung hat. Ein solches Interesse schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art ein (vgl. nur [X.], NJW 1996, 2046, 2048; [X.]/[X.], VwGO, 21. Aufl., § 43 Rn. 23).

8

Der [X.] hat ein Feststellungsinteresse des Klägers im Hinblick auf die Einleitung des Verfahrens durch die Generalstaatsanwaltschaft, in dem sich der Kläger einlassen und seine Rechte wahren könne, verneint. Demgegenüber vertritt der Kläger die Auffassung, das anwaltsrechtliche Ermittlungsverfahren sei nicht geeignet, eine erschöpfende Regelung zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens zu der streitigen Frage des [X.]estehens oder Nichtbestehens einer [X.] im Zeitraum vom 13. Oktober 2014 bis 29. Januar 2015 herbeizuführen. Es gebe auch keinen rechtskräftigen [X.]escheid, in dem diese Frage und damit die Frage des Verstoßes gegen § 51 [X.] bereits entschieden worden sei.

9

Damit hat der Kläger ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO nicht dargetan.

a) Die vorgenannte [X.] und der mit ihr einhergehende Verstoß gegen § 51 [X.] ist zwischen den Parteien ausschließlich im Rahmen der Wahrnehmung der dem Vorstand der [X.]eklagten nach § 73 Abs. 2 Nr. 4 [X.] obliegenden Aufgaben der [X.]erufsaufsicht und der Handhabung des [X.]s von [X.]edeutung. Dementsprechend könnte ein Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung allenfalls im Rahmen des von der [X.]eklagten eingeleiteten [X.] bestehen. Zwar darf der Vorstand der [X.]eklagten nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 [X.] keine Rüge mehr erteilen, wenn das anwaltsgerichtliche Verfahren eingeleitet ist. Das [X.] erlischt durch diese Einleitung und lebt auch nicht mehr auf, wenn das anwaltsgerichtliche Verfahren eingestellt oder der [X.]eschuldigte freigesprochen wird ([X.] in [X.]/Wolf/Göcken, Anwaltliches [X.]erufsrecht, 2. Aufl., § 74 [X.] Rn. 20). Indes ist vorliegend noch nicht gemäß § 121 [X.] ein anwaltsgerichtliches Verfahren eingeleitet worden. Es ist vielmehr denkbar, dass die Generalstaatsanwaltschaft beim Anwaltsgericht keine Anschuldigungsschrift einreicht, sondern das Verfahren an den Vorstand der [X.]eklagten zur Entscheidung zurückgibt (vgl. [X.] aaO Rn. 19). Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass das Aufsichtsverfahren von der [X.]eklagten fortgeführt wird.

b) Ein berechtigtes Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung wird hierdurch jedoch nicht begründet. Denn er kann seine von dem Aufsichtsverfahren betroffenen Rechte in vollem Umfang innerhalb dieses Verfahrens wahren. Einer gesonderten Feststellung mit dem von ihm begehrten Inhalt bedarf es hierzu nicht. Zwar kann ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO im Hinblick auf zu erwartende Sanktionen gegeben sein (vgl. [X.] in Henssler/Prütting, [X.], 4. Aufl., § 112c Rn. 12; [X.]/[X.], VwGO, 21. Aufl., § 43 Rn. 23 mwN; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]ier, VwGO, § 43 [Stand: Oktober 2008] Rn. 34). Dies ist etwa anzunehmen, wenn es dem [X.]etroffenen im Einzelfall nicht zuzumuten ist, sich auf sein Risiko berufsrechtlich relevant in einer bestimmten Weise zu verhalten und die Klärung der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens in einem ihm wegen dieses Verhaltens drohenden nachfolgenden Disziplinar- oder Strafverfahren abzuwarten (vgl. hierzu [X.], NJW 1976, 1224, 1226; [X.], Urteil vom 13. Januar 1969 - [X.] 86.64, juris Rn. 19; [X.]E 89, 327, 331: "Damokles-Rechtsprechung").

Eine derartige Situation liegt jedoch nicht vor. Gegenstand des zwischen den Parteien bestehenden Streits ist die Frage, ob im Zeitraum vom 13. Oktober 2014 bis 29. Januar 2015 eine [X.] bestanden und der Kläger deshalb gegen § 51 [X.] verstoßen hat. [X.]etroffen ist damit ausschließlich ein in der Vergangenheit liegender, abgeschlossener Sachverhalt. Der Kläger unterliegt nicht dem Risiko und der Unsicherheit, unter dem "[X.]" der berufsrechtlichen Sanktionierung ein Verhalten zu beginnen oder fortzusetzen, das möglicherweise von der [X.]eklagten als berufsrechtswidrig bewertet und gerügt werden wird. Er kann, da der berufsrechtlich relevante Sachverhalt bereits abgeschlossen ist, sein Verhalten auch nicht mehr an dem Ergebnis eines Feststellungsrechtsstreits ausrichten und damit eine - ihm gegebenenfalls nicht zumutbare - Verhaltensunsicherheit beseitigen. Vielmehr kann er seine Rechte in vollem Umfang in dem von der [X.]eklagten eingeleiteten Aufsichtsverfahren beziehungsweise in einem gegen eine etwaige aufsichtsrechtliche Maßnahme der [X.]eklagten geführten [X.] wahren. Ein Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung ist vor diesem Hintergrund nicht gegeben.

2. Aus den vorgenannten Gründen hat die Rechtssache weder eine grundsätzliche [X.]edeutung noch weist sie besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 2, 3 VwGO). Der Sachverhalt ist übersichtlich; die Rechtslage ist eindeutig und nicht klärungsbedürftig.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert wird in Übereinstimmung mit der Festsetzung durch den [X.] und den Angaben des Klägers gemäß § 194 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 52 Abs. 1 GKG auf 4.750 € festgesetzt.

Kayser                           [X.]ünger                           Remmert

                  Quaas                            [X.]

Meta

AnwZ (Brfg) 62/15

24.02.2016

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Hamm, 23. Oktober 2015, Az: 1 AGH 28/15, Urteil

§ 43 BRAO, § 51 BRAO, § 73 Abs 2 S 1 BRAO, § 73 Abs 2 Nr 4 BRAO, § 112c Abs 1 S 1 BRAO, § 43 Abs 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.02.2016, Az. AnwZ (Brfg) 62/15 (REWIS RS 2016, 15681)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 15681

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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