Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.12.2022, Az. 1 B 73/22

1. Senat | REWIS RS 2022, 8922

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Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des [X.] für das [X.] vom 2. September 2022 wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die [X.]eschwerde, mit der eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht wird, ist unzulässig, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

2

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen [X.]edeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist oder aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 1. April 2014 - 1 [X.] 1.14 - juris Rn. 2 und vom 10. März 2015 - 1 [X.] 7.15 - juris Rn. 3).

3

Für die Zulassung der Revision reicht, anders als für die Zulassung der [X.]erufung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO oder § 78 Abs. 3 Nr. 1 [X.] ([X.]VerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 46.84 - [X.]VerwGE 70, 24 <26>), eine Tatsachenfrage von grundsätzlicher [X.]edeutung nicht aus. Die Klärungsbedürftigkeit muss vielmehr in [X.]ezug auf den anzuwendenden rechtlichen Maßstab, nicht die richterliche Tatsachenwürdigung und -bewertung bestehen; auch der Umstand, dass das Ergebnis der zur Feststellung und Würdigung des [X.] berufenen Instanzgerichte für eine Vielzahl von Verfahren von [X.]edeutung ist, lässt für sich allein eine Zulassung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu.

4

2. Nach diesen Grundsätzen ist eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache schon nicht dargelegt.

5

Die [X.]eschwerde wirft als der Klärung bedürftige Frage auf,

"ob der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens in [X.]ezug auf [X.] erschüttert ist und [X.] in den Mitgliedstaat [X.] grundsätzlich gegen Art. 3, 4 [X.] (gemeint: Art. 3 [X.], Art. 4 [X.]) verstoßen".

6

Die Frage ist bereits deshalb nicht entscheidungserheblich, weil es sich bei dem Kläger um einen in [X.] anerkannten Schutzberechtigten handelt und die angedrohte Abschiebung dorthin keine "[X.]" darstellt.

7

Im Übrigen wird mit dieser Frage, deren (vermeintliche) Klärungsbedürftigkeit mit dem Hinweis auf die Situation für anerkannte Flüchtlinge in [X.], insbesondere mit Defiziten bei der Möglichkeit der Teilnahme an einem Integrationskurs, dem Zugang zu einer Wohnung und der Integration im Arbeitsmarkt begründet wird, eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache nicht dargelegt. Die aufgeworfene Frage betrifft der Sache nach allein die tatsächlichen Feststellungen zu der aktuellen Lage von anerkannten Flüchtlingen in [X.] und deren [X.]ewertung durch das Oberverwaltungsgericht. Sie zielt mithin auf der tatrichterlichen Würdigung vorbehaltene Tatsachenfragen. Verfahrensfehler werden insoweit weder ausdrücklich noch sinngemäß geltend gemacht.

8

Die abstrakten Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung im Asylverfahren sind - auch bezüglich der Frage, ob einem Schutzberechtigten im Zielstaat der Abschiebung mit Art. 4 der [X.] ([X.]) unvereinbare Lebensbedingungen drohen - im Übrigen in der Rechtsprechung geklärt. Das [X.]undesamt und das Verwaltungsgericht haben insoweit alle für die [X.]eurteilung des Vorliegens einer unmenschlichen oder erniedrigenden [X.]ehandlung relevanten Lebensbedingungen im Zielstaat der Abschiebung zu ermitteln und zu würdigen (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 8. August 2018 - 1 [X.] 25.18 - [X.]uchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. [X.] Nr. 58 Rn. 16). Dafür ist unter anderem auch von [X.]edeutung, ob der rückkehrende Ausländer eine Unterkunft finden kann und ob er seine elementarsten [X.]edürfnisse durch eigene Arbeit oder Sozialleistungen decken kann. Dabei muss die fachgerichtliche [X.]eurteilung von möglicherweise gegen Art. 4 [X.] und Art. 3 [X.] verstoßenden Aufnahmebedingungen - jedenfalls dann, wenn diese ernstlich zweifelhaft sind - auf einer hinreichend verlässlichen, auch ihrem Umfang nachzureichenden tatsächlichen Grundlage beruhen (vgl. [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 10. Oktober 2019 - 2 [X.]vR 1380/19 - juris Rn. 15). Auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ist das Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung befasst ist, mit der ein neuer Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde, in dem Fall, dass es über Angaben verfügt, die der Antragsteller vorgelegt hat, um das Vorliegen eines solchen Risikos in dem bereits [X.] Mitgliedstaat nachzuweisen, verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten [X.] der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen (vgl. [X.], Urteil vom 19. März 2019 - [X.]/17 u. a. [[X.]:[X.]:[X.]], [X.] u. a. - juris Rn. 88).

9

Einer weitergehenden grundsätzlichen Klärung sind die allgemeinen Anforderungen an die gerichtliche Sachverhaltsaufklärung nicht zugänglich. Die [X.]eschwerde wendet sich insoweit vielmehr im Gewand der Grundsatzrüge gegen die Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung des Gerichts. Damit kann sie die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nicht erreichen.

3. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § [X.] [X.] nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Meta

1 B 73/22

19.12.2022

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 2. September 2022, Az: 11 A 1727/21.A, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.12.2022, Az. 1 B 73/22 (REWIS RS 2022, 8922)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8922

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2 BvR 1380/19

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