Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.05.2020, Az. 10 B 1/20

10. Senat | REWIS RS 2020, 3931

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Gegenstand

Verwaltungsrechtsweg bei Informationszugangsanspruch gegenüber juristischer Person des Privatrechts


Leitsatz

Für eine Rechtsstreitigkeit über einen auf das Hamburgische Transparenzgesetz gestützten Informationszugangsanspruch gegen eine juristische Person des Privatrechts ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wenn diese im Hinblick darauf in Anspruch genommen wird, dass sie nach § 2 Abs. 3 Halbs. 2 HmbTG als Behörde gilt.

Tenor

Die weitere Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des [X.] vom 20. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I

1

Der Kläger begehrt, gestützt auf das Hamburgische Transparenzgesetz ([X.]), Zugang zu Informationen betreffend [X.]efunduntersuchungen sowie restauratorische Arbeiten im Foyer des [X.] der [X.], einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

2

Auf die Rüge der [X.], die sich auf eine zivilrechtliche Natur der Streitigkeit beruft, hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Die [X.]eschwerde der [X.] hat das [X.] zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom [X.] zugelassene weitere [X.]eschwerde.

II

3

Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 [X.], § 152 Abs. 1 und § 173 Satz 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige weitere [X.]eschwerde ist unbegründet. Für eine Rechtsstreitigkeit über einen auf das Hamburgische Transparenzgesetz vom 19. Juni 2012 - [X.] - (HmbGV[X.]l. [X.]), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 19. Dezember 2019 (HmbGV[X.]l. [X.]), gestützten [X.] gegen eine juristische Person des Privatrechts ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wenn dieser im Hinblick darauf in Anspruch genommen wird, dass sie nach § 2 Abs. 3 Halbs. 2 [X.] als [X.]ehörde gilt.

4

1. Eine einzelgesetzliche Zuweisung (so genannte "aufdrängende Sonderzuweisung") von Rechtsstreitigkeiten um [X.] nach dem [X.], die gegen privatrechtlich organisierte informationspflichtige Stellen gerichtet sind, an die Verwaltungsgerichte besteht nicht. Das [X.] hat überzeugend dargelegt, dass die landesrechtliche Regelung des § 14 Abs. 7 [X.] ("Vorschriften über den Rechtsschutz nach der Verwaltungsgerichtsordnung bleiben unberührt") keine Rechtswegzuweisung darstellt. Der [X.] wollte eine solche Regelung auch nicht treffen (vgl. [X.]. 21/17907, [X.]). Anders als hinsichtlich von Streitigkeiten um Ansprüche auf Zugang zu Umweltinformationen nach landesrechtlichen Vorschriften, die gegen privatrechtlich organisierte informationspflichtige Stellen gerichtet sind (vgl. hierzu § 6 Abs. 5 [X.]), fehlt es hinsichtlich von Ansprüchen, die - wie hier - auf die allgemeinen Informationsfreiheits- bzw. Transparenzgesetze der Länder gestützt werden, an einer bundesgesetzlichen Ermächtigung zur landesrechtlichen Rechtswegzuweisung an die Verwaltungsgerichte (§ 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 15. Oktober 2012 - 7 [X.] - [X.] 310 § 40 VwGO Nr. 307 Rn. 10).

5

2. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Maßgeblich ist hiernach, ob die Geltendmachung eines auf das Hamburgische Transparenzgesetz gestützten [X.]es gegenüber der privatrechtlich organisierten [X.] eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit darstellt.

6

Ob eine Streitigkeit [X.]r oder öffentlich-rechtlicher Art ist, beurteilt sich nach der Rechtsnatur der Rechtsnormen, die das Rechtsverhältnis prägen, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird. [X.]ürgerliches Recht ist Jedermannsrecht. Öffentlich-rechtlicher Natur sind demgegenüber diejenigen Rechtsnormen, welche einen Träger öffentlicher Gewalt gerade als solchen berechtigen oder verpflichten, die also einen öffentlichen Verwaltungsträger zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben mit besonderen [X.]efugnissen ausstatten oder besonderen Regeln unterwerfen (stRspr; vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 21. November 2016 - 10 AV 1.16 - [X.]VerwGE 156, 320 Rn. 5 und vom 12. März 2018 - 10 [X.] - [X.]VerwGE 161, 255 Rn. 7; [X.], [X.]eschluss vom 10. Juli 1989 - 1/88 - [X.], 284 <287>).

7

Nach diesen Grundsätzen ist der mit der Klage geltend gemachte [X.] öffentlich-rechtlicher Natur. Der Kläger nimmt die als Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisierte [X.]eklagte auf der Grundlage des [X.]es in Anspruch. Das Hamburgische Transparenzgesetz dient ausweislich seines § 1 Abs. 1 dem Zweck, die [X.] Meinungs- und Willensbildung zu fördern und eine Kontrolle des staatlichen Handelns zu ermöglichen. Zu diesem Zweck verleiht § 1 Abs. 2 [X.] jeder Person einen Anspruch auf Zugang zu allen amtlichen Informationen auskunftspflichtiger Stellen. [X.] sind alle [X.]ehörden (§ 2 Abs. 5 [X.]). [X.]ehörden im Sinne des Gesetzes sind hierbei alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (§ 2 Abs. 3 Halbs. 1 [X.] i.V.m. § 1 Abs. 2 HmbVwVfG). Als [X.]ehörden im Sinne des [X.]es gelten darüber hinaus jedoch auch natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen und dabei der Kontrolle der [X.] unterliegen (§ 2 Abs. 3 Halbs. 2 [X.]).

8

Die genannten, das verfahrensgegenständliche Rechtsverhältnis prägenden Rechtsnormen unterwerfen auch Privatrechtssubjekte, sofern und soweit diese öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen und dabei öffentlicher Kontrolle unterliegen, besonderen, spezifisch für [X.]ehörden geltenden [X.], deren als öffentlich zu qualifizierender Zweck es ist, die [X.] Meinungs- und Willensbildung zu fördern und eine Kontrolle des staatlichen Handelns zu ermöglichen. Die gesetzlichen Regelungen verpflichten die betroffenen Privatrechtssubjekte hierbei nicht als Jedermann und knüpfen nicht an deren Teilnahme am allgemeinen Rechtsverkehr an, sondern begründen eine - von privatautonom radizierten Rechtsverhältnissen unabhängige - spezifische Pflichtenstellung, die derjenigen von [X.]ehörden als Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (vgl. § 1 Abs. 2 HmbVwVfG), entspricht. Ob die Voraussetzungen für diese Gleichstellung vorliegen, ob das in Anspruch genommene Privatrechtssubjekt mit anderen Worten öffentliche Aufgaben wahrnimmt oder öffentliche Dienstleistungen erbringt und dabei staatlicher Kontrolle unterliegt, ist Frage der [X.]egründetheit der Klage. Der öffentlich-rechtliche [X.]harakter von gegen [X.]ehörden gerichteten, auf die Informationsfreiheitsgesetze von [X.] und Ländern gestützten [X.]n unterliegt keinem Zweifel (vgl. nur [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 20. September 2012 - 7 [X.] 5.12 - [X.] 404 [X.] Nr. 9 Rn. 3 und vom 21. November 2016 - 10 AV 1.16 - [X.]VerwGE 156, 320 Rn. 10 m.w.[X.]; [X.], [X.], 2. Aufl. 2016, § 9 Rn. 77 m.w.[X.]).

9

Eine zivilrechtliche Natur der Streitigkeit lässt sich auch aus der von der [X.] in [X.]ezug genommenen Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.]es, des [X.]esgerichtshofs und des [X.]esverwaltungsgerichts nicht ableiten ([X.], [X.]eschluss vom 10. April 1986 - 1.85 - [X.]VerwGE 74, 368 <370>; [X.], Urteil vom 16. März 2017 - [X.] - NJW 2017, 3153 und [X.]eschluss vom 7. Dezember 1999 - [X.] - NJW 2000, 1042; [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 6. März 1990 - 7 [X.] 120.89 - [X.] 310 § 40 VwGO Nr. 244 und vom 30. Mai 2006 - 3 [X.] 78.05 - [X.] 310 § 40 VwGO Nr. 295). Der zu ganz unterschiedlichen Sachverhalten ergangenen Rechtsprechung liegt insbesondere kein allgemeiner, auf alle denkbaren Sachverhaltskonstellationen anwendbarer Rechtssatz zugrunde, wonach die Inanspruchnahme von [X.] außer im Falle der [X.]eleihung stets als bürgerlich-rechtlich zu qualifizieren wäre. Maßgeblicher [X.]ezugspunkt der Prüfung, ob es sich bei einer Streitigkeit um eine öffentlich-rechtliche oder eine [X.] handelt, ist nicht die öffentlich-rechtliche oder zivilrechtliche Verfasstheit der [X.]eteiligten eines Rechtsverhältnisses, sondern - wie dargelegt - der übergeordnete Gesichtspunkt der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der [X.] hergeleitet wird ([X.], [X.]eschlüsse vom 10. April 1986 - 1.85 - [X.]VerwGE 74, 368 <370> und vom 10. Juli 1989 - 1/88 - [X.], 284 <287>, jeweils m.w.[X.]). Dies stellt den seitens der [X.] hervorgehobenen Umstand, dass die Tätigkeit von natürlichen Personen oder juristischen Personen des Privatrechts regelmäßig dem Privatrecht - und damit der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte - unterfällt, nicht in Frage (vgl. hierzu etwa [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 6. März 1990 - 7 [X.] 120.89 - [X.] 310 § 40 VwGO Nr. 244 S. 28 f. m.w.[X.]).

Anlass zu einer Vorlage nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des [X.]es - [X.] - i.d.F. der [X.]ekanntmachung vom 19. Juni 1968 ([X.]G[X.]l. [X.] 661), zuletzt geändert durch Art. 144 der Verordnung vom 31. August 2015 ([X.]G[X.]l. [X.] 1474), ergibt sich auch aus der zitierten jüngeren Rechtsprechung des [X.]esgerichtshofs ([X.], Urteil vom 16. März 2017 - [X.] - juris Rn. 10) nicht, nach der für eine Streitigkeit über die Inanspruchnahme einer staatlich beherrschten, im [X.]ereich der Daseinsvorsorge tätigen juristischen Person des Zivilrechts auf der Grundlage des Auskunftsanspruchs nach § 4 Abs. 1 des Pressegesetzes für das [X.] vom 24. Mai 1966 - [X.] [X.] - (GV[X.]l. [X.]), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 8. Mai 2018 (GV[X.]l. [X.]), der [X.] eröffnet ist.

Nach § 2 Abs. 1 [X.] entscheidet der Gemeinsame Senat, wenn ein oberster Gerichtshof in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats abweichen will. Die Rechtsfrage muss sich auf der Grundlage von Vorschriften stellen, die in ihrem Regelungsgehalt gänzlich übereinstimmen und nach denselben Prinzipien auszulegen sind. Darüber hinaus muss die Rechtsfrage sowohl für den erkennenden Senat in der anhängigen Sache als auch für den divergierenden Senat in der bereits entschiedenen Sache entscheidungserheblich sein ([X.]VerwG, Urteil vom 9. Mai 2019 - 4 [X.] 2.18 - NVwZ-RR 2019, 885 Rn. 18 m.w.[X.]). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Weder stimmen die presserechtlichen Auskunftsansprüche - hier nach § 4 Abs. 1 [X.] [X.] - und die [X.] nach den [X.] - hier nach § 1 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 3 und 5 [X.] - in ihrem Regelungsgehalt überein (vgl. hierzu [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 3. Mai 2016 - 7 [X.] 7.15 - [X.], 564 Rn. 7 m.w.[X.]), noch sind die Darlegungen des [X.]esgerichtshofs zum Vorliegen einer bürgerlichen Rechtsstreitigkeit im Sinne des § 13 [X.] entscheidungstragend. Der [X.]esgerichtshof hat selbst darauf hingewiesen, dass im dortigen Revisionsverfahren nach § 17a Abs. 5 [X.] nicht zu prüfen war, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig gewesen ist (vgl. [X.], Urteil vom 16. März 2017 - [X.] - juris Rn. 10).

Die vom [X.] unter bestimmten Voraussetzungen begründete öffentlich-rechtliche Pflichtenstellung sowohl natürlicher als auch juristischer Personen des Privatrechts stellt entgegen der Auffassung der [X.] keine kompetenzwidrige zivilrechtliche Regelung der Rechtsverhältnisse der Gesellschaften mit beschränkter Haftung dar. Die gesellschaftsrechtliche Vorschrift des § 13 GmbHG ist für die [X.] vorliegend ohne [X.]edeutung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Anfechtung der Entscheidung über den Rechtsweg löst ein selbstständiges Rechtsmittelverfahren aus, in dem nach den allgemeinen Vorschriften über die Kosten zu befinden ist ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 18. Mai 2010 - 1 [X.] 1.10 - [X.]VerwGE 137, 52 Rn. 13 m.w.[X.]).

Der Festsetzung eines Streitwerts für das [X.]eschwerdeverfahren bedarf es nicht, da für [X.]eschwerden der vorliegenden Art nach Nr. 5502 der Anlage 1 zum GKG eine Festgebühr von 60 € erhoben wird.

Meta

10 B 1/20

26.05.2020

Bundesverwaltungsgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, 20. Dezember 2019, Az: 3 So 82/19, Beschluss

§ 17a Abs 4 S 4 GVG, § 40 Abs 1 VwGO, § 1 Abs 2 TranspG HA, § 2 Abs 3 TranspG HA, § 2 Abs 5 TranspG HA

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.05.2020, Az. 10 B 1/20 (REWIS RS 2020, 3931)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3931

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