Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.06.2013, Az. 8 AV 2/12

8. Senat | REWIS RS 2013, 4702

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Gegenstand

Zur Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses


Gründe

I.

1

Die Klägerin, ein Wertpapierhandelsunternehmen, hat nach erfolglosem Widerspruchsverfahren beim [X.] Klage gegen die Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen ([X.]) mit dem Begehren erhoben, den von der [X.] erlassenen Beitragsbescheid vom 2. März 2010 über 316 527,24 € sowie den Widerspruchsbescheid der [X.] ([X.]) vom 2. Februar 2011 aufzuheben, mit dem diese den im Ausgangsbescheid geforderten Betrag auf 312 722,67 € ermäßigt, eine [X.] von 9 800 € festgesetzt und die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu 98,8 % der Klägerin und zu 1,2 % der [X.] auferlegt hatte. Mit Bescheid vom 15. August 2012 hat die [X.] die [X.] auf 7 000 € ermäßigt.

2

Nachdem die Klägerin auf gerichtliche Anregung - unter Aufrechterhaltung ihres gegen den Beitragsbescheid der [X.] vom 2. März 2010 gerichteten Begehrens - mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2012 ihre Klage gegen die Festsetzung der [X.] nunmehr allein gegen die [X.] gerichtet hatte, hat das [X.] nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 16. Oktober 2012 das Klageverfahren gegen die [X.] über die Festsetzung der [X.] im Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 2011 in Gestalt des [X.] vom 15. August 2012 abgetrennt, sich dafür für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit insoweit an das [X.] verwiesen. Dieses hat sich seinerseits mit Beschluss vom 9. November 2012 für örtlich unzuständig erklärt und zur Feststellung der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 53 VwGO das [X.] angerufen.

II.

3

Der Antrag ist unzulässig. Das [X.] hat eine nach § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a [X.] nicht vorgesehene und damit rechtswidrige Entscheidung getroffen.

4

Nach § 53 Abs. 3 VwGO hat u.a. auf Anrufung eines mit dem Rechtsstreit befassten Gerichts das nächsthöhere Gericht oder das [X.] das zuständige Gericht innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit (nur) unter den in § 53 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 VwGO normierten Voraussetzungen zu bestimmen. Eine Entscheidung nach § 53 VwGO ist ausgeschlossen, wenn das zuständige Gericht feststeht oder sich ohne Anrufung des nächsthöheren oder des [X.]s ermitteln lässt. § 53 VwGO durchbricht nicht die Regelung über [X.], sondern ergänzt sie für den Fall, dass das Prozessrecht keine oder keine widerspruchsfreie Zuweisung enthält. Es ist nicht der Sinn des § 53 VwGO, dem [X.] die Entscheidung von Zweifelsfragen, die sich aus der Auslegung von § 52 VwGO oder anderen Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung ergeben, gleichsam in der Art einer Vorabentscheidung zuzuweisen (vgl. u.a. Beschlüsse vom 7. Februar 2006 - BVerwG 1 AV 1.06 - [X.] 310 § 53 VwGO Nr. 30 m.w.N. und vom 4. Juni 2007 - BVerwG 2 AV 1.07 - juris m.w.N.).

5

Für das allein auf die Festsetzung der [X.] im Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 2011 in Gestalt des [X.] vom 15. August 2012 bezogene und isoliert gegen die [X.] gerichtete Klagebegehren, auf das sich der Vorlagebeschluss ausschließlich bezieht, steht das örtlich zuständige Gericht bereits fest, so dass der Antrag auf Bestimmung des örtlich zuständigen Verwaltungsgerichts unzulässig ist.

6

Das [X.] hat sich mit seinem Beschluss vom 16. Oktober 2012 hinsichtlich des Verfahrens gegen die beklagte [X.] in Bezug auf deren Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 2011 in Gestalt ihres [X.] vom 15. August 2012 betreffend die [X.] für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit gemäß § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 [X.] an das [X.] verwiesen. Dieser gemäß § 83 Satz 2 VwGO unanfechtbare Beschluss ist für das Gericht, an das verwiesen worden ist, hinsichtlich der Zuständigkeit bindend (§ 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 [X.]). Auch das [X.] hat die durch den vorangegangenen Verweisungsbeschluss ausgelöste Bindungswirkung zu beachten, und zwar unabhängig davon, ob dieser Beschluss sachlich richtig gewesen ist (vgl. Beschlüsse vom 4. Juni 1993 - [X.] 1.93 - juris, vom 15. Juni 1993 - [X.] 2.93 - und vom 8. November 1994 - [X.]V 1.94 - [X.] 300 § 17a [X.] Nr. 13).

7

Ob eine Vorlage an das [X.] ausnahmsweise dann in Betracht kommt, wenn Streit über die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses entsteht (vgl. Beschluss vom 5. März 1993 - BVerwG 11 ER 400.93 - [X.] 310 § 53 VwGO Nr. 21), bedarf aus Anlass der vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung. Eine Durchbrechung der Bindungswirkung ist allenfalls bei "extremen Verstößen" denkbar (vgl. Beschlüsse vom 14. November 1975 - BVerwG 6 ER 403.75 - [X.] 310 § 53 VwGO Nr. 10, vom 1. Dezember 1992 - BVerwG 7 A 4.92 - [X.], 388 = [X.] 407.3 VerkPBG Nr. 3, vom 4. Juni 1993 a.a.[X.] und vom 15. Juni 1993 a.a.[X.] m.w.N.; [X.], in: [X.], VwGO, 13. Aufl. 2010, § 53 Rn. 11). Solche liegen hier nicht vor.

8

Das örtlich zuständige Verwaltungsgericht bestimmt sich bei [X.] gegen den Verwaltungsakt einer Bundesbehörde oder einer bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichen Rechts gemäß § 52 Nr. 2 Satz 1 VwGO nach deren Sitz. Die Klägerin hat im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 44 VwGO) [X.] sowohl gegen die im Bescheid der [X.] vom 2. März 2010 in der Gestalt von Ziffer 1 des Widerspruchsbescheides der [X.] getroffene Sachregelung (Beitragsfestsetzung) als auch - mit gesonderter gebührenrechtlicher Begründung - gegen die in Ziffer 4 des genannten Widerspruchsbescheides der [X.] in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 15. August 2012 festgesetzte [X.] erhoben. Das [X.] hat angenommen, dass sich das örtlich zuständige Gericht für die Anfechtungsklage gegen die [X.] unabhängig von der Anfechtungsklage gegen die Sachregelung bestimme, und deshalb insoweit das [X.] als das Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk die [X.] ihren Sitz hat, für zuständig angesehen. Eine willkürliche Verletzung des Anspruchs auf [X.] nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 VwGO (vgl. dazu u.a. [X.], in: [X.], a.a.[X.] § 53 Rn. 11 m.w.N.) kann darin nicht gesehen werden.

9

Das [X.] meint zwar sinngemäß, das [X.] habe die Anfechtungsklage gegen die [X.] von derjenigen gegen die Sachregelung nicht trennen dürfen, weil diese für jene vorgreiflich sei. Ob dem zu folgen wäre, stehe dahin, keinesfalls ergäbe sich hieraus eine willkürliche Verletzung des Anspruchs auf [X.] oder ein sonstiger "extremer Verstoß" gegen die geltenden Zuständigkeitsvorschriften. Richtig ist, dass die Anfechtungsklage gegen die Sachregelung insofern vorgreiflich ist, als bei deren Erfolg die Festsetzung der [X.] ohne Rücksicht auf die von der Klägerin zusätzlich erhobenen gebührenrechtlichen Einwände keinen Bestand haben könnte. Dem [X.] ist aber unbenommen, diesem Umstand dadurch Rechnung zu tragen, dass es das bei ihm anhängige Verfahren bis zur Entscheidung über die Klage gegen die Sachregelung aussetzt (§ 94 VwGO).

Meta

8 AV 2/12

27.06.2013

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AV

vorgehend VG Frankfurt, 9. November 2012, Az: 9 K 3854/12.F, Beschluss

§ 83 S 1 VwGO, § 17a Abs 2 S 3 GVG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.06.2013, Az. 8 AV 2/12 (REWIS RS 2013, 4702)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4702

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AN 17 S 21.50204

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