Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.02.2011, Az. 2 StR 511/10

2. Strafsenat | REWIS RS 2011, 9863

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Gegenstand

Geldfälschung: Gewerbsmäßige Begehung bei Inverkehrbringen einer Falschgeldmenge in Teilakten


Leitsatz

Der Täter handelt nicht gewerbsmäßig im Sinne des § 146 Abs. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2 StGB, wenn er sich eine Falschgeldmenge in einem Akt verschafft hat und diese Menge dann plangemäß in mehreren Teilakten in Verkehr bringt .

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 1. Juli 2010

a) mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall II. 2. der Urteilsgründe verurteilt worden ist. Insoweit wird das Verfahren eingestellt; die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen insofern der Staatskasse zur Last;

b) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte in den Fällen [X.] und 3. jeweils einer Geldfälschung schuldig ist;

c) im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben in den Fällen [X.] und 3. sowie im Gesamtstrafenausspruch;

d) im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz aufgehoben, soweit ein 8.500 € übersteigender Betrag für verfallen erklärt worden ist.

2. Im Umfang der Aufhebung zu [X.]) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Geldfälschung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Zudem hat es den Wertersatzverfall von 20.000 € angeordnet. Dagegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, die in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg hat; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s erwarb der Angeklagte im September 2009 zusammen mit einem Mittäter in [X.] Falschgeld im Nennwert von 50.000 € zum Preis von 20 % des Nennwerts. Gemeinsam brachten sie das Falschgeld in [X.] teils durch Weiterverkauf an bösgläubige Aufkäufer, teils in Form von Barzahlungen an gutgläubige Dritte in Verkehr. Der Angeklagte erlöste auf diese Weise 8.500 € (Fall [X.] 1.).

3

Ende Oktober 2009 kam es zu einer weiteren Fahrt nach [X.], bei der Falsifikate im Nennwert von 85.000 € eingekauft, nach [X.] eingeführt und in zuvor beschriebener Weise in mehreren Tranchen in Verkehr gebracht wurden. Hierdurch erlöste der Angeklagte insgesamt 11.500 € (Fall [X.] 2.).

4

Im Januar 2010 überredete der Mittäter den Angeklagten, der nach der Einkaufsfahrt im Oktober 2009 unmissverständlich darauf hingewiesen hatte, dass er "die Schnauze voll habe" und keine weiteren Unternehmungen dieser Art mehr wünsche, zu einer letzten Fahrt nach [X.], wo sie Falsifikate im Nennwert von 210.290 € erwarben. Auf der Rückreise erfolgte ihre Festnahme und die Sicherstellung des [X.] (Fall [X.] 3.).

5

2. Die [X.] hält das [X.] der Gewerbsmäßigkeit in allen drei Fällen für gegeben. Zwar lasse sich nicht feststellen, dass der Angeklagte bereits im Vorfeld der ersten Reise nach [X.] weitere Beschaffungsfahrten ins Auge gefasst hätte; allerdings habe er von Beginn an beabsichtigt, seinen Anteil an dem Falschgeld über einen längeren Zeitraum hinweg in einzelnen Tranchen als echt in den Verkehr zu bringen. Da jede dieser Handlungen für sich genommen den Tatbestand des § 146 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfülle und lediglich aufgrund des zuvor erfolgten [X.] nach § 146 Abs. 1 Nr. 2 StGB nur eine Tat im Rechtssinne vorliege, habe von vornherein die Absicht einer wiederholten Geldfälschung vorgelegen.

[X.]

6

1. Die Verurteilung im Fall [X.] 2. wegen gewerbsmäßiger Geldfälschung zu einer [X.] von zwei Jahren hat keinen Bestand. Insoweit fehlt es an der Verfahrensvoraussetzung eines rechtswirksamen Eröffnungsbeschlusses. Wegen dieses [X.] hat die Staatsanwaltschaft [X.] am 1. Juli 2010 in laufender Hauptverhandlung [X.] erhoben. Die große [X.] hat über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Zulassung dieser Anklage nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung mit drei Berufsrichtern unter Ausschluss der [X.] entschieden, da die Beschlussfassung während der Hauptverhandlung in der gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG reduzierten Besetzung mit zwei Berufsrichtern und zwei [X.] erfolgte. In dieser Besetzung war die [X.] jedoch nicht zur Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens berufen ([X.]St 50, 267, 269). Damit besteht ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis, das zur Aufhebung des Urteils im Fall [X.] 2. und insoweit zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 206a Abs. 1 StPO führt (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Juni 2008 - 2 [X.]). Damit entfällt die für diesen Fall verhängte [X.] von zwei Jahren.

7

2. Auch die Würdigung der Fälle [X.] 1. und 3. des Urteils durch die [X.] als gewerbsmäßig begangene Geldfälschungen gemäß § 146 Abs. 2 StGB hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

8

a) Zwar hat das [X.] im Fall [X.] 1. zu Recht eine einheitliche Geldfälschung nach § 146 Abs. 1 StGB angenommen; denn die Verwirklichung mehrerer Varianten des § 146 Abs. 1 StGB - hier das "Sich-Verschaffen" des [X.] in einem Akt und das anschließende "Als echt in den Verkehr bringen" durch mehrere Handlungen - sind in der Regel eine Tat ([X.], StGB 58. Aufl. § 146 Rn. 22). Der Angeklagte handelte hierbei jedoch nicht gewerbsmäßig:

9

Gewerbsmäßig handelt, wer sich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen will. Liegt diese Absicht vor, ist bereits die erste Tat als gewerbsmäßig begangen einzustufen, auch wenn es entgegen den ursprünglichen Intentionen des [X.] zu weiteren Taten nicht kommt. Eine Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Deliktsbegehung setzt daher schon im Grundsatz nicht notwendig voraus, dass der Täter zur Gewinnerzielung mehrere selbständige Einzeltaten der jeweils in Rede stehenden Art verwirklicht hat. Ob der Angeklagte gewerbsmäßig gehandelt hat, beurteilt sich vielmehr nach seinen ursprünglichen Planungen sowie seinem tatsächlichen, strafrechtlich relevanten Verhalten über den gesamten ihm anzulastenden Tatzeitraum (vgl. [X.], 2840, 2841; NStZ-RR 2006, 106, 107). Erforderlich ist dabei stets, dass sich seine Wiederholungsabsicht auf dasjenige Delikt bezieht, dessen Tatbestand durch das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit qualifiziert ist (vgl. [X.], 1069; [X.] Vor § 52 Rn. 62).

Nach diesen Maßstäben liegt eine gewerbsmäßig begangene Straftat nach § 146 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB dann nicht vor, wenn der Täter sich eine Falschgeldmenge in einem Akt verschafft und seine Absicht darauf gerichtet ist, die falschen Banknoten in mehreren Teilmengen im Sinne des § 146 Abs. 1 Nr. 3 StGB in Verkehr zu bringen, es hierzu aber nicht kommt ([X.], 3798; [X.] S. 146 Rn. 31). Gleiches gilt, wenn es dem Täter - wie hier - tatsächlich gelingt, die in einem Akt erworbene Falschgeldmenge sukzessive in Umlauf zu bringen. Die besondere Qualifikation einer gewerbsmäßig begangenen Straftat ergibt sich nämlich nicht daraus, dass der Täter durch die - gegebenenfalls sukzessive erfolgende - Verwertung des durch die Straftat erlangten Gegenstands eine Gewinnerzielung zur Finanzierung seiner Bedürfnisse anstrebt (vgl. [X.] NStZ-RR 2004, 335). Vielmehr handelt der Täter einer Geldfälschung nach § 146 Abs. 1 Nr. 2 StGB nur dann gewerbsmäßig im Sinne des § 146 Abs. 2 StGB, wenn er beabsichtigt, sich die erstrebte Einnahmequelle gerade durch das wiederholte "Sich-Verschaffen" von Falschgeld in der Absicht zu erschließen, es als echt in den Verkehr zu bringen. In der bloßen Weiterverbreitung des nicht gewerbsmäßig verschafften [X.] liegen nur weitere Teilakte einer tatbestandlichen Handlungseinheit, die nicht geeignet sind, das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit nach § 146 Abs. 2 StGB zu begründen (ebenso zur gewerbsmäßigen Hehlerei [X.], Urteil vom 19. Juni 1952 - 5 StR 491/52, zur gewerbsmäßigen Steuerhehlerei [X.], Urteil vom 4. September 1952 - 5 StR 51/52 und zum gewerbsmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 1978 - 2 StR 480/78 sowie [X.] 1993, 248; anders [X.], Beschluss vom 13. Oktober 1992 - 1 [X.]). Da es im Übrigen auch den Normalfall darstellt, dass beim Handel mit illegalen Waren der Weiterverkauf in Teilmengen erfolgt, würde andernfalls bereits der "Normaltäter" des Grunddelikts in aller Regel unter die Qualifikationsstrafdrohung der Gewerbsmäßigkeit fallen (vgl. [X.], juris [X.] Anm. 1).

b) Im Fall [X.] 3. der Urteilsgründe hat das [X.] außer [X.] gelassen, dass der Angeklagte bereits nach der vorangegangenen [X.]-Reise erklärt hatte, sich an keinen weiteren Einkaufsfahrten mehr beteiligen zu wollen. Dass es dem Mittäter gleichwohl gelang, den Angeklagten noch einmal zu einer weiteren - einmaligen - Beschaffungsfahrt zu überreden, begründet kein gewerbsmäßiges Handeln in der Person des Angeklagten.

3. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die in den Fällen [X.] 1. und 3. ein gewerbsmäßiges "Sich-Verschaffen" von Falschgeld durch den Angeklagten tragen würden; er ändert deshalb selbst den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. Dies hat den Wegfall der insoweit verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe zur Folge.

4. [X.] kann nach der Einstellung des Falles [X.] 2. der Urteilgründe nur insoweit Bestand haben, als die [X.] in Bezug auf Fall [X.] 1. die Voraussetzungen für den Fall von Wertersatz in Höhe eines Betrages von 8.500 € festgestellt hat.

[X.]                            [X.]

                 [X.]

Meta

2 StR 511/10

02.02.2011

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Gießen, 1. Juli 2010, Az: 2 KLs 703 Js 28968/09, Urteil

§ 146 Abs 1 Nr 2 StGB, § 146 Abs 1 Nr 3 StGB, § 146 Abs 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.02.2011, Az. 2 StR 511/10 (REWIS RS 2011, 9863)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9863

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