Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.05.2015, Az. II ZR 181/14

2. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 10959

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Gegenstand

Nichtbörsennotierte Aktiengesellschaft: Niederschrift der Hauptversammlung bei Fassung eines Beschlusses mit qualifizierter Mehrheit


Tenor

Auf die Rechtsmittel der Beklagten wird unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 16. April 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Nichtigkeit der Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 28. August 2009 mit Ausnahme der Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 6 und 7 festgestellt ist, und das Urteil des [X.] vom 20. Juni 2013 wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 28. August 2009 über die Ermächtigung des Vorstands zum Erwerb eigener Aktien (Punkt 6 der Tagesordnung) und über die Zustimmung zum Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags (Punkt 7 der Tagesordnung) nichtig sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 45% und die Beklagte 55%.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Aktionärin der nicht börsennotierten beklagten Aktiengesellschaft und wendet sich mit der [X.] gegen die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 28. August 2009 über die Gewinnverwendung (Tagesordnungspunkt 3), die Entlastung des Vorstands (Tagesordnungspunkt 4), die Wahl des Abschlussprüfers (Tagesordnungspunkt 5), die Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien (Tagesordnungspunkt 6), den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags mit der Landschafts- und Grünanlagenbau M.    GmbH als beherrschter Gesellschaft (Tagesordnungspunkt 7), die Entlastung des Aufsichtsrats (Tagesordnungspunkt 8) und die Neuwahl des Aufsichtsrats (Tagesordnungspunkt 9). Die Niederschrift über die Versammlung wurde vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats unterzeichnet.

2

Das [X.] hat der [X.] stattgegeben. Gegen die Zurückweisung ihrer Berufung richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision hat teilweise Erfolg und führt mit Ausnahme der [X.]eschlüsse zu Tagesordnungspunkt 6 (Ermächtigung des Vorstands zum Erwerb eigener Aktien) und zu Tagesordnungspunkt 7 (Zustimmung zum Abschluss eines [X.]eherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags) zur Abweisung der Nichtigkeitsfeststellungsklage.

4

I. Das [X.]erufungsgericht ([X.], Urteil vom 16. April 2014 - 2 U 609/13, juris) hat ausgeführt, die [X.]eschlüsse der Hauptversammlung seien nach § 241 Nr. 2 [X.] nichtig, weil sie entgegen § 130 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht ordnungsgemäß notariell beurkundet worden seien. Die [X.]eschlussfassung zu Tagesordnungspunkt 7, mit dem die Hauptversammlung dem Abschluss eines [X.]eherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages zwischen der [X.] als dem herrschenden Unternehmen und ihrer hundertprozentigen Tochtergesellschaft als dem abhängigen Unternehmen zugestimmt habe, habe nach § 293 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 [X.] einer Mehrheit bedurft, die mindestens drei Viertel des bei der [X.]eschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasse. Dass auf der Hauptversammlung somit ein [X.]eschluss gefasst worden sei, der nicht § 130 Absatz 1 Satz 3 [X.] unterfalle, führe dazu, dass die gesamte Niederschrift über die Hauptversammlung zur [X.]eurkundung der [X.]eschlussfassung notariell aufzunehmen gewesen sei.

5

II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung mit Ausnahme der Feststellung der Nichtigkeit des [X.] zum Abschluss eines [X.]eherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages (Tagesordnungspunkt 7) nicht stand.

6

1. Die [X.]eschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 3 bis 6, 8 und 9 sind, anders als der [X.]eschluss zu Tagesordnungspunkt 7, nicht nach § 241 Nr. 2 [X.] nichtig. Nach § 241 Nr. 2 [X.] ist ein [X.]eschluss der Hauptversammlung nur dann nichtig, wenn er nicht nach § 130 Abs. 1 und 2 Satz 1 und Abs. 4 [X.] beurkundet ist. Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist jeder [X.]eschluss der Hauptversammlung durch eine über die Verhandlung notariell aufgenommene Niederschrift zu beurkunden. [X.]ei [X.]en wie der [X.] reicht eine vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats zu unterzeichnende Niederschrift aus, soweit keine [X.]eschlüsse gefasst werden, für die das Gesetz eine Dreiviertel- oder größere Mehrheit bestimmt (§ 130 Abs. 1 Satz 3 [X.]). Zur Protokollierung der [X.]eschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 3 bis 6, 8 und 9 genügte die durch den Aufsichtsratsvorsitzenden unterzeichnete Niederschrift, weil nur für den [X.]eschluss zu Tagesordnungspunkt 7 eine Dreiviertelmehrheit erforderlich war. Wenn auf einer Hauptversammlung ein [X.]eschluss gefasst wird, für den das Gesetz eine Dreiviertel- oder größere Mehrheit bestimmt und der damit stets durch eine notariell aufgenommene Niederschrift zu beurkunden ist, muss ein anderer, nicht diesen Mehrheitserfordernissen unterliegender [X.]eschluss nicht in der vom Notar aufgenommenen Niederschrift beurkundet sein, sondern genügt dafür eine vom Aufsichtsratsvorsitzenden unterzeichnete Niederschrift.

7

a) Es ist streitig, ob bei nichtbörsennotierten Aktiengesellschaften nach § 130 Abs. 1 [X.] dann, wenn in der Hauptversammlung ein [X.]eschluss gefasst wird, der nach dem Gesetz eine qualifizierte Mehrheit voraussetzt, die gesamte Niederschrift von einem Notar beurkundet werden muss (so [X.]/[X.], 3. Aufl., § 130 Rn. 30; [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 130 Rn. 14c; [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 130 Rn. 24; [X.]/[X.], [X.], § 130 Rn. 29; [X.] in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 130 [X.] Rn. 12; [X.], [X.], 2. Aufl., § 130 Rn. 29; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 130 Rn. 40; Ziemons in [X.], [X.], 2. Aufl., § 130 Rn. 37; [X.] in [X.]ürgers/Körber, [X.], 3. Aufl., § 130 Rn. 33; [X.], NJW 2010, 20, 21; [X.], [X.] 2009, 425, 428 f.) oder ob die Niederschrift in notariell beurkundete und in vom Aufsichtsratsvorsitzenden unterzeichnete Abschnitte teilbar ist (so [X.]/[X.] in KK-[X.], 3. Aufl., § 130 Rn. 153 ff.; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 241 Rn. 190; [X.] in Gärtner/[X.]/[X.], Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe im Aktienrecht, 2. Aufl., Teil [X.] Rn. 742; [X.]/[X.]/Kiem, [X.], 3. Aufl., Rn. 165; [X.]lanke, [X.][X.] 1995, 681, 682; [X.], AG 1994, 429, 440; [X.]/[X.], AG 2007, 561, 566).

8

b) Die Auslegung des Gesetzes ergibt, dass die Niederschrift im Sinne der letztgenannten Ansicht teilbar ist.

9

aa) Teilbarkeit des Hauptversammlungsprotokolls legt zunächst der Wortlaut von § 130 Abs. 1 [X.] nahe. Satz 1 ist allerdings nicht eindeutig. Danach muss jeder [X.]eschluss durch eine über die Verhandlung aufgenommene Niederschrift beurkundet werden. Wird betont, dass "jeder [X.]eschluss" beurkundet werden muss, spricht das für Teilbarkeit. Wird hervorgehoben, dass über die Verhandlung eine Niederschrift aufgenommen werden soll, liegen eine einheitliche Protokollierung und das Verständnis von "eine" als Zahlwort nahe.

Der Wortlaut von § 130 Abs. 1 Satz 3 [X.], dass eine privatschriftliche Niederschrift ausreicht, soweit keine [X.]eschlüsse gefasst werden, für die das Gesetz eine Dreiviertel- oder größere Mehrheit bestimmt, belegt aber, dass die Niederschrift durch den Aufsichtsratsvorsitzenden sich auf den einzelnen [X.]eschluss bezieht, weil es andernfalls "sofern" heißen müsste.

bb) Für Trennbarkeit der Niederschrift in notariell beurkundungsbedürftige [X.]eschlüsse und in [X.]eschlüsse, bei denen die Niederschrift durch den Aufsichtsratsvorsitzenden genügt, und gegen eine einheitliche Protokollierung der gesamten Hauptversammlung spricht die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Sie bezeugt den Willen des Gesetzgebers, das Erfordernis der notariellen [X.]eurkundung bei der [X.] auf einzelne [X.]eschlüsse zu beschränken. Der Entwurf eines Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts sah zunächst vor, dass eine privatschriftliche Niederschrift des Vorstands bei [X.]en ausreicht, "sofern" keine Grundlagenbeschlüsse gefasst werden ([X.]T-Drucks. 12/6721, [X.]). In der [X.]eschlussempfehlung des Rechtsausschusses wurden die Wörter "sofern" durch "soweit" und "Grundlagenbeschlüsse" durch "[X.]eschlüsse, für die das Gesetz keine Dreiviertel- oder größere Mehrheit bestimmt" ersetzt ([X.]T-Drucks. 12/7848 S. 5). Diese Änderung wurde in der [X.]eschlussempfehlung [X.] wie folgt begründet: "Der Rechtsausschuss hat die [X.]efreiung von der notariellen [X.]eurkundung jetzt ausdrücklich auf [X.]eschlüsse beschränkt, für die das Gesetz keine Dreiviertel- oder größere Mehrheit bestimmt. Die [X.]egründung des Entwurfs führt diese Grundlagenbeschlüsse im Einzelnen auf. Im Übrigen bleibt es auch der nichtbörsennotierten Aktiengesellschaft immer unbenommen, die Hauptversammlung insgesamt von einem Notar protokollieren zu lassen." Schon durch den Ersatz von "sofern" durch "soweit", aber erst recht durch den Hinweis, dass die [X.]efreiung von der notariellen [X.]eurkundung auf bestimmte [X.]eschlüsse beschränkt werde, wird klargestellt, dass die Protokollierungsform auf die jeweiligen [X.]eschlüsse, nicht auf die gesamte Hauptversammlung bezogen ist. Wenn weiter ausgeführt wird, dass auch die nichtbörsennotierte Aktiengesellschaft frei sei, die Hauptversammlung insgesamt von einem Notar protokollieren zu lassen, wird zudem vorausgesetzt, dass sie auch nur teilweise von einem Notar protokolliert werden kann.

Dass der Gesetzgeber mit der Gesetzesänderung die kleine Aktiengesellschaft durch Erleichterungen und Deregulierung für mittelständische Unternehmen attraktiv machen, auf Formalitäten wie bei den großen Publikumsgesellschaften verzichten sowie Kosten senken wollte, besagt dagegen nichts dazu, ob eine gemischte Protokollierung möglich oder ausgeschlossen ist. Die Notarkosten sinken durch eine partielle [X.]eurkundung nicht wesentlich ([X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 130 Rn. 14c). Dass der Gesetzgeber die kleine Aktiengesellschaft dem [X.]-Recht angleichen wollte ([X.]T-Drucks. 12/6721 S. 5 f., [X.]) und bei der [X.] grundsätzlich keine notarielle [X.]eurkundung der [X.] erforderlich ist, lässt keine Rückschlüsse zu. Auch bei der kleinen Aktiengesellschaft ist grundsätzlich eine notarielle [X.]eurkundung nicht erforderlich. Allerdings spricht eine beabsichtigte Angleichung an das [X.]-Recht für eine Trennbarkeit in notariell beurkundete und nicht notariell beurkundete [X.]eschlüsse, die bei der [X.] allgemein anerkannt ist, wenn auch wegen der weniger aufwändigen Einladung und des überschaubaren [X.] häufig mehrere Versammlungen abgehalten werden. Dass es bei der Aktiengesellschaft gekünstelt wäre, wenn zwei Hauptversammlungen abgehalten würden, eine mit und eine ohne notarielle [X.]eurkundung, und dies zudem wegen der doppelten Einladung kostenintensiver als eine Hauptversammlung insgesamt mit notariellem Protokoll wäre, ist kein Argument gegen eine einheitliche Protokollierung.

cc) Systematisch kann für eine [X.]eschränkung der Pflicht zur notariellen [X.]eurkundung auf die einzelnen [X.]eschlüsse, für die das Gesetz eine Dreiviertel- oder größere Mehrheit bestimmt, angeführt werden, dass Satz 3 zunächst generell die privatschriftliche Niederschrift erlaubt und es sich bei der notariellen Protokollierung von [X.]eschlüssen mit qualifizierter Mehrheit daher innerhalb der Regelung des Satzes 3 zur nichtbörsennotierten Aktiengesellschaft um eine Ausnahme handelt. § 130 Abs. 5 [X.] spricht nicht eindeutig dafür, dass die gesamte Hauptversammlung einheitlich beurkundet werden muss. Zwar sieht Absatz 5 als Regelfall die Einreichung einer öffentlich beglaubigten Abschrift der Niederschrift vor, während nur im Fall des Absatzes 1 Satz 3 eine vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats unterzeichnete Abschrift genügt. Wenn eine gemischte Protokollierung durch Notar und Aufsichtsratsvorsitzenden möglich ist, lässt sich das aber auch dahin verstehen, dass eine öffentlich beglaubigte Abschrift einzureichen ist, soweit notariell beurkundet ist, und im Übrigen, nämlich für alle [X.]eschlüsse, die von Absatz 1 Satz 3 erfasst werden, eine vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats unterzeichnete Abschrift. Dass insgesamt nur eine Abschrift der Niederschrift einzureichen ist, "eine" also als Zahlwort und nicht als unbestimmter Artikel zu verstehen ist, lässt sich § 130 Abs. 5 [X.] nicht entnehmen.

dd) Der Zweck der notariellen Niederschrift, bei [X.]eschlüssen mit qualifizierter Mehrheit für eine erhöhte Rechtssicherheit zu sorgen, sagt ebenfalls wenig darüber aus, ob eine einheitliche [X.]eurkundung erforderlich ist oder nicht. Es gibt keinen Grund, auch die "einfachen" [X.]eschlüsse von der erhöhten Rechtssicherheit der notariellen Niederschrift profitieren zu lassen, nur weil sie in derselben Hauptversammlung gefasst werden.

ee) Die durch eine doppelte Protokollierung möglicherweise auftretenden Schwierigkeiten sind in der Regel überwindbar und können genauso bei der [X.]eurkundung durch einen oder mehrere Notare auftreten. Es gibt kein Verbot, eine Hauptversammlung mehrfach zu beurkunden ([X.]GH, Urteil vom 16. Februar 2009 - [X.], [X.]GHZ 180, 9 Rn. 8 - [X.]/[X.] [X.]ank).

(1) Wenn erst nach der [X.]eschlussfeststellung Widersprüche "gesammelt" werden, ist zwar grundsätzlich eine Zuordnung von Erklärungen bzw. Widersprüchen zum [X.]eschlussgegenstand erforderlich. Das führt aber nicht dazu, dass Erklärungen und Widersprüche auch in derselben Form wie der dazugehörige [X.]eschluss protokolliert sein müssen. Die Protokollierung eines - grundsätzlich an keine Form gebundenen (vgl. [X.]/[X.] in KK-[X.], 3. Aufl., § 130 Rn. 247 mwN) - Widerspruchs kann ebenso wie die von Fragen bzw. Auskunftsverweigerungsgründen auch der privatschriftlichen Niederschrift des Aufsichtsratsvorsitzenden überlassen bleiben, weil es sich nicht um die [X.]eschlussfassung im engeren Sinn handelt. Auch eine nur vom Aufsichtsratsvorsitzenden unterzeichnete Niederschrift muss Fragen, Auskunftsverweigerungs-gründe und Widersprüche dokumentieren; es ist kein Grund ersichtlich, warum er sie nicht auch dann protokollieren kann, wenn der [X.]eschluss, auf den sich die Frage oder der Widerspruch bezieht, notariell beurkundet werden muss.

Wenn aus der Niederschrift selbst der Tagesordnungspunkt nicht erkennbar ist, zu dem eine Frage oder ein Widerspruch aufgenommen ist, kann eine Zuordnung erschwert oder verhindert werden. Solche [X.] können sich aber auch in ausschließlich vom Notar gefertigten Protokollen stellen. Sie sind keine Folge der getrennten Protokollierung, sondern einer unzureichenden Protokollierung. Die möglicherweise höhere Gefahr einer mangelhaften Protokollführung bei Niederschriften, die nur vom Aufsichtsratsvorsitzenden unterzeichnet werden, hat der Gesetzgeber mit der Öffnung der [X.]eurkundung für die nicht speziell dafür ausgebildeten Aufsichtsratsvorsitzenden in Kauf genommen.

(2) Auch bei der Protokollierung von [X.]n wie der Absetzung oder Vertagung von Tagesordnungspunkten oder über einen [X.] entstehen keine besonderen Schwierigkeiten durch eine gemischte Niederschrift. [X.] bedürfen grundsätzlich nicht derselben (qualifizierten) Mehrheit wie [X.], auf die sie sich beziehen, sondern können mit einfacher Mehrheit gefasst werden (Rieckers in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 133 Rn. 32; MünchKomm[X.]/[X.], 3. Aufl., § 133 Rn. 31). Sie sind daher nicht schon deshalb notariell zu protokollieren, weil sie einem [X.]eschluss zuzuordnen sind, für den eine Dreiviertel- oder größere Mehrheit vorgeschrieben ist. Wenn wegen der verschiedenen Urkunden eine eindeutige Zuordnung der [X.] nicht mehr sinnvoll möglich ist, liegt dies nicht an der [X.]eurkundung durch verschiedene Personen, sondern an einer unklaren [X.]eschlussfeststellung durch den Versammlungsleiter oder einer unklaren Protokollierung.

(3) Etwaige durch eine einander widersprechende Protokollierung von Fragen bzw. Antwortverweigerungsgründen oder eines Widerspruchs im Falle verschiedener Niederschriften des Notars und des Aufsichtsratsvorsitzenden entstehende [X.]eweisprobleme sind lösbar. Sie können auch bei der vollständigen Protokollierung in notarieller Form auftreten, ohne dass dabei die Wirksamkeit der Protokollierung in Frage gestellt ist. Die Protokollierung der Fragen und Antwortverweigerung bei § 131 Abs. 5 [X.] und des Widerspruchs bei § 245 Nr. 1 [X.] dient [X.]eweiszwecken und ist nicht Voraussetzung für die Rechtsfolgen, die sich aus der Nichtbeantwortung einer vom Aktionär gestellten Frage ergeben ([X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 131 Rn. 43), oder für die Wirksamkeit eines Widerspruchs (MünchKomm[X.]/[X.], 3. Aufl., § 245 Rn. 39 mwN; vgl. [X.], 291, 293). Zwar ist die [X.]eweiswirkung der eingereichten Niederschriften eingeschränkt, wenn zwei Protokolle gefertigt werden und in einem Protokoll eine Frage oder ein Widerspruch enthalten sind, im anderen aber nicht. Aber auch bei einem ausschließlich von einem Notar gefertigten Protokoll kann der Aktionär beweisen, dass entgegen dem Schweigen der Niederschrift eine Frage gestellt oder ein Widerspruch zur Niederschrift erklärt, aber nicht aufgenommen worden ist (vgl. MünchKomm[X.]/[X.], 3. Aufl., § 245 Rn. 39 mwN; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 245 Rn. 29). Insoweit erleichtert es dem Aktionär sogar den [X.]eweis des zu Protokoll erklärten Widerspruchs oder der gestellten und nicht beantworteten Frage, wenn sie in einer Niederschrift bei Schweigen des anderen Protokolls enthalten sind.

(4) Unterschiedliche Feststellungen zu den gefassten [X.]eschlüssen und eine unterschiedliche Wiedergabe des Inhalts der [X.]elege über die Einberufung nach § 130 Abs. 3 [X.] führen ebenfalls nicht zu unüberwindbaren Schwierigkeiten bei der [X.]eweisführung. Dem notariellen Protokoll kommt nach § 415 Abs. 1 ZPO besondere [X.]eweiskraft zu ([X.]GH, Urteil vom 16. Februar 2009 - [X.], [X.]GHZ 180, 9 Rn. 12 - [X.]/[X.] [X.]ank), während das privatschriftliche Protokoll durch den Aufsichtsratsvorsitzenden grundsätzlich der freien [X.]eweiswürdigung gemäß § 286 ZPO unterliegt ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 130 Rn. 1), so dass mit einem anderen Inhalt der privatschriftlichen Niederschrift allein kein Gegenbeweis gegen den Inhalt der vom Notar gefertigten Niederschrift geführt ist (§ 415 Abs. 2 ZPO). Eine [X.]eweiswürdigung zum [X.]eschlussinhalt kann auch bei einem ausschließlich notariell geführten Protokoll einer Hauptversammlung erforderlich werden, wenn - wie nicht selten - neben dem notariellen Protokoll eine privatschriftliche Aufzeichnung gefertigt wird.

2. Der [X.]eschluss zu Tagesordnungspunkt 7 (Zustimmung zum Abschluss eines [X.]eherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags mit der Landschafts- und Grünanlagenbau M.      [X.] als beherrschter Gesellschaft) ist dagegen nach § 241 Nr. 2 [X.] nichtig. Nach § 130 Abs. 1 Satz 3 [X.] war er notariell zu beurkunden, weil das Gesetz für den Zustimmungsbeschluss der Aktiengesellschaft zu einem [X.]eherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag eine Dreiviertelmehrheit bestimmt. Nach § 293 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 [X.] wird ein [X.]eherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, wenn die herrschende Gesellschaft eine Aktiengesellschaft ist, nur wirksam, wenn die Hauptversammlung mit einer Mehrheit von mindestens drei Viertel des bei der [X.]eschlussfassung vertretenen Grundkapitals zustimmt.

3. Der [X.]eschluss zu Tagesordnungspunkt 6 (Ermächtigung des Vorstands zum Erwerb eigener Aktien) ist nach § 241 Nr. 3 [X.] und damit aus anderen Gründen nichtig. Ein Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 [X.] muss eine Frist zur Geltungsdauer der Ermächtigung festlegen. Ein Ermächtigungsbeschluss, der keine konkrete Frist enthält, ist nach § 241 Nr. 3 [X.] nichtig, weil die Vorschrift des § 71 Abs. 1 Nr. 8 [X.] dem Gläubigerschutz dient ([X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 71 Rn. 19e; [X.]/Rachlitz, [X.], § 71 Rn. 61; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 71 Rn. 107; MünchKomm[X.]/[X.], 3. Aufl., § 71 Rn. 197; Drygala in KK-[X.], 3. Aufl., § 71 Rn. 137).

Der [X.]eschluss zu Tagesordnungspunkt 6, mit dem der Vorstand zum Erwerb eigener Aktien der [X.] nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 [X.] ermächtigt wurde, enthält keine Frist. Eine Frist über die Geltungsdauer lässt sich dem [X.]eschluss auch nicht durch Auslegung entnehmen. Zwar können Vorstandsberichte, die den Aktionären bei Einberufung der Hauptversammlung ihrem wesentlichen Inhalt nach bekanntgemacht wurden, bei der Auslegung von [X.] herangezogen werden, wenn sie gemäß § 130 Abs. 3 [X.] der Niederschrift als Anlage beigefügt oder inhaltlich in die Niederschrift aufgenommen worden sind ([X.]GH, [X.]eschluss vom 30. Januar 1995 - [X.], [X.], 372, 373; Urteil vom 16. Dezember 1991 - [X.], [X.]GHZ 116, 359, 366). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Aus dem in der Niederschrift festgehaltenen Vortrag des Vorstandsvorsitzenden in der Hauptversammlung zur Ermächtigung ergibt sich nichts zu einer Frist. In dem von der [X.] während des Rechtsstreits vorgelegten [X.]eschlussvorschlag zu Tagesordnungspunkt 6 ist zwar eine Frist enthalten. Dass der Wortlaut dieses [X.]eschlussvorschlags der Hauptversammlung bei der Einberufung bekanntgegeben wurde und als Anlage zur Niederschrift genommen wurde, ist aber nicht ersichtlich.

4. Der [X.]eschluss zu Tagesordnungspunkt 3 über die Gewinnverwendung ist entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht nach §§ 253, 241 Nr. 3 [X.] wegen eines Verstoßes gegen die [X.]indung an den festgestellten Jahresabschluss nichtig. Allerdings ist die Hauptversammlung beim [X.]eschluss über die Verwendung des [X.]ilanzgewinns an den festgestellten Jahresabschluss gebunden (§ 174 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Wenn der [X.] die [X.]indung an den Jahresabschluss nicht beherzigt, führt dies nach allgemeiner Auffassung zur Nichtigkeit nach § 241 Nr. 3 [X.] ([X.]/[X.], 3. Aufl., § 253 Rn. 7; [X.] in Großkomm. [X.], 4. Aufl., § 253 Rn. 2; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 253 Rn. 8; [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 253 Rn. 3), insbesondere wenn ein anderer [X.]etrag als der im Jahresabschluss ausgewiesene [X.]ilanzgewinn verteilt wird ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 253 Rn. 4 f.).

Aus dem Vortrag der Klägerin, nach dem [X.] sei eine Einstellung in die Gewinnrücklagen in Höhe von insgesamt 2.744.201,61 € erfolgt, davon für eigene Anteile 17.128,48 € und für andere Gewinnrücklagen 2.727.073,12 €, somit liege eine Abweichung von einem Cent vor, ergibt sich eine Abweichung des [X.]eschlusses über die Verwendung des [X.]ilanzgewinns vom festgestellten Jahresabschluss, den die Klägerin nicht mitgeteilt hat, aber nicht. Soweit mit dem [X.] gegen § 174 Abs. 2 [X.] verstoßen worden sein sollte, wäre der [X.] nur anfechtbar, aber nicht nichtig. Verstöße gegen § 174 Abs. 2 [X.] bilden keinen [X.], sondern können nur zur Anfechtbarkeit führen (MünchKomm[X.]/[X.], 3. Aufl., § 253 Rn. 7; [X.] in Großkomm. [X.], 4. Aufl., § 253 Rn. 6; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 253 Rn. 7; [X.] in [X.], [X.], 2. Aufl., § 253 Rn. 5; [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 253 Rn. 3). Die Klägerin hat ihre [X.]eschlussmängelklage aber erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist erhoben (§ 254 Abs. 2, § 246 Abs. 1 [X.]).

[X.]ergmann                             Caliebe                       Reichart

                      Drescher                           [X.]orn

Meta

II ZR 181/14

19.05.2015

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Thüringer Oberlandesgericht, 16. April 2014, Az: 2 U 609/13, Urteil

§ 130 Abs 1 S 1 AktG, § 130 Abs 1 S 3 AktG, § 130 Abs 3 AktG, § 130 Abs 5 AktG, § 241 Nr 2 AktG, § 293 Abs 1 S 2 AktG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.05.2015, Az. II ZR 181/14 (REWIS RS 2015, 10959)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10959

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