Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.04.2012, Az. 1 StR 15/12

1. Strafsenat | REWIS RS 2012, 7285

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
1
StR
15/12

vom
17. April
2012
in der Strafsache
gegen

wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom

17.
April 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender [X.] am [X.]
Nack

und die [X.] am [X.]
Rothfuß,
[X.],
die [X.]in am [X.]
Elf,
der [X.] am [X.]
Dr. Graf,

Oberstaatsanwältin beim [X.]

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt
als amtlich bestellter Vertreter von Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 21. September 2011 im Rechtsfolgenausspruch -
mit Ausnahme der Anordnung des Verfalls von Wertersatz, der bestehen bleibt -
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang
der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des Landge-richts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum un-erlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Außerdem hat die [X.] den Verfall von
Wertersatz in Höhe von 1.500

1
-
4
-
Der Strafzumessung hat die [X.] den gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG zugrunde gelegt. Sie ist davon ausgegangen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Begehung der Tat infolge einer akuten Intoxikation, die auf dem [X.] von Kokain beruhte, nicht ausschließbar erheblich vermindert war.

Mit ihrer wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch mit Ausnahme der [X.] auf Wertersatz beschränkten und auf die Sachrüge ge-stützten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft insbesondere Rechtsfeh-ler bei der Anwendung des § 21 StGB.

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

II.

1. Dem -
rechtskräftigen -
Schuldspruch liegen folgende Feststellungen zugrunde:

ließ sich in den [X.] -
seiner Heimat -
dazu überreden, gegen einen den [X.] nach [X.] in [X.] zu transportieren. Der Kurierlohn wurde mit seinen Schulden verrechnet.

Dementsprechend verbrachte der Angeklagte am 7. März 2011 im Lade-raum seines Fahrzeugs 4.925,8 Gramm Marihuana aus den [X.] in 2
3
4
5
6
7
-
5
-
die
Bundesrepublik [X.]. Das Rauschgift hatte einen Wirkstoffgehalt von 14,50 %. Dies entspricht 714,2 Gramm Tetrahydrocannabinol. Zum [X.] führte er zudem 0,27 Gramm Haschisch und 0,82 Gramm Kokain mit. Bei einer Polizeikontrolle auf einem Parkplatz an der Autobahn München -
Salzburg wurden die Betäubungsmittel gegen 19.30 Uhr entdeckt und sicher-gestellt. Der Angeklagte wurde festgenommen.

2. Die Entscheidung zur Frage der Schuldfähigkeit beruht auf folgenden Feststellungen und Erwägungen der [X.]:

a) Zur beruflichen und wirtschaftlichen Situation des Angeklagten:

Der zur Tatzeit knapp 52-jährige Angeklagte, ein Heizungsinstallateur, wurde ab 1992 im Wertpapierhandelsgeschäft aktiv, zunächst im [X.], ehe er sich als Börsenmakler selbständig betätigte. Dies endete im Jahre 2004 mit seiner Privatinsolvenz bei Verbindlichkeiten in Höhe von machte er sich mit einem Malerbetrieb selbständig, aus dem er bis zu seiner Festnahme monatliche Einkünfte in Höhe von 2.500

hohen [X.] hat er bei seinen Lieferanten Schulden in Höhe von

b) Das [X.]verhalten des Angeklagten:

Nach seinen eigenen -
vom [X.] für glaubhaft erachteten -
Anga-ben probierte der Angeklagte erstmals im Alter von zwölf bis vierzehn Jahren Alkohol, zunächst unregelmäßig. Infolge seines wirtschaftlichen Zusammen-bruchs und des Scheiterns seiner Ehe -
beides im [X.] -
steigerte er sei-8
9
10
11
12
-
6
-
nen Alkoholkonsum bis zu seiner Inhaftierung auf bis zu zwei Flaschen Port-wein täglich.

Im Alter von 18 Jahren nahm der Angeklagte erstmals Kokain zu sich, zunächst regelmäßig an Wochenenden. Daneben konsumierte er [X.]. Im Jahre 2004 verzichtete er im Rahmen einer neuen Partnerschaft für die Dauer von sechs Monaten auf den [X.] von Betäubungsmitteln. Vor seiner Ver-haftung rauchte er fünfmal pro Woche ca. 1,5 Gramm Kokain. Von [X.] bis Sonntagnachmittag, während er seinen [X.] bei sich hatte, verzich-tete er auf den [X.] von Betäubungsmitteln. Im Rahmen von fünf bis sieben Hauspartys im Jahr nimmt er jeweils fünf bis sieben Tabletten [X.] zu sich. Letztmals konsumierte der Angeklagte vor seiner Inhaftierung auf einem Auto-bahnparkplatz Kokain.

c) Zur Intoxikation und Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit:

Der -
sogleich geständige -
Angeklagte wirkte bei seiner Festnahme ge-genüber dem eingreifenden Polizeibeamten völlig unauffällig. Der Angeklagte erweckte nicht den Eindruck, unmittelbar vor der Kontrolle Betäubungsmittel zu sich genommen zu haben.

Im
Urin des Angeklagten fanden sich Kokain, Kokainstoffwechselpro-dukte (u.a. Ecgoninmethylester), [X.], [X.], [X.], Hydro-xyzinstoffwechselprodukte, Paracetamol und Paracetamolstoffwechselproduk-te. Im Blutplasma ließen sich die Werte hinsichtlich des Kokains und seiner Stoffwechselprodukte quantifizieren. Diese lagen in einem sehr hohen, einen zeitnahen [X.] belegenden Bereich. Durch das Auffinden der Werte von Cocaethylen und Ecgoninmethylester wird der Vortrag des Angeklagten zu sei-13
14
15
16
-
7
-
nem Alkoholkonsum bestätigt, da diese bei zeitnaher Aufnahme von Kokain und Alkohol gebildet werden. Durch eine ergänzende Untersuchung der Haare (zwei Zentimeter) des Angeklagten konnte eine Aufnahme der genannten [X.] innerhalb der vorangegangenen zwei Monate nachgewiesen werden, die mit den Werten aufgrund der Blut-
und Urinprobe in Einklang stehen. Die Konzentration der Werte für Kokainabbauprodukte zeigen einen regelmäßigen intensiven [X.], der mit Alkoholaufnahme einhergeht.

Aufgrund der festgestellten erheblichen [X.]werte und des dennoch unauffälligen Eindrucks des Angeklagten, den dieser trotz des unmittelbar zu-vor erfolgten
[X.]s auf den Ermittlungsbeamten bei der Festnahme machte, ist beim Angeklagten von einer erheblichen Gewöhnung auszugehen. Zudem liegt ständig ein erheblicher [X.]druck vor.

Zur Tatzeit lag eine akute Intoxikation vor. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sowie der Tatsache, dass der erhaltene Kurierlohn zur Begleichung von Geldschulden aus dem zurückliegenden Ankauf von Rauschgift zum eige-nen [X.] gedient habe, ferner die Begleichung der Schulden die [X.] gewesen sei, ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit beim Angeklagten gemäß § 21
StGB nicht auszuschließen.

Die [X.] hat sich bei diesen Feststellungen und der hierauf [X.] Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nach kritischer Prüfung den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen, eines erfahrenen, der [X.] seit vielen Jahren als zu-verlässig bekannten Gutachters.

17
18
19
-
8
-
3. Zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB):

Die [X.] hat die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt schon mangels Vorliegens eines Hanges, berau-schende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, abgelehnt.

Beim Angeklagten liege zwar ein
langjähriger intensiver Kokainmiss-brauch vor, zudem trinke er beträchtliche Mengen von Alkohol. Ein Hang im Sinne
von § 64 StGB könne jedoch nicht festgestellt werden. Der Angeklagte habe keine Vorstrafen. Er sei gesund und in der Vergangenheit ständig einer geregelten Berufstätigkeit nachgegangen. Der Angeklagte lebe in einem sozial intakten Umfeld und kümmere sich regelmäßig jedes Wochenende um seinen [X.]; eine Depravation liege nicht vor. Der Angeklagte sei auch nicht sozial gefährdet.

III.

Gegen die Bewertung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Bege-hung der Tat bestehen durchgreifende sachlich-rechtliche Bedenken.

a) Die richterliche Entscheidung, ob die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermin-dert ist, erfolgt in einem aus mehreren Schritten bestehenden Verfahren, ohne dass die Nichteinhaltung einzelner Schritte nach rechtlichen Maßstäben [X.] sein muss (vgl. [X.], Urteil vom 21. Januar 2004 -
1 [X.], [X.]St 49, 45, 51 f.; Beschluss vom 12. Juni 2008 -
3 [X.] Rn. 7; [X.]/
20
21
22
23
24
-
9
-
Nedopil/[X.]/[X.], Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten, [X.], 57 ff.). Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem [X.] eine psychische Störung vorliegt, die unter eines der psychopatholo-gischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die [X.] Anpas-sungsfähigkeit des Angeklagten zu untersuchen; es ist festzustellen, ob, in wel-cher Weise und in welchem Umfang sie sich auf dessen [X.] haben.

Zur Vermittlung der [X.] Anknüpfungstatsachen im
Hinblick auf die Diagnose einer psychischen Störung, deren Schweregrad und deren innerer Beziehung zur Tat wird der [X.]
auf sachverständige Hilfe angewiesen sein, sofern er hierzu nicht aufgrund eigener Sachkunde befinden kann (vgl. [X.],
Beschluss vom 6. November 2003 -
1 [X.], [X.]R StGB § 21 BtM-Auswirkungen 15, mwN). Dabei bedarf es der Darlegung der Störung anhand
der vier Eingangsmerkmale und dazu, in welchem Ausmaß die Einsichts-
oder Steuerungsfähigkeit aus fachwissenschaftlicher Sicht bei der Tat beeinträchtigt waren. Vom Sachverständigen wird keine juristisch normative Aussage erwartet, sondern eine empirisch vergleichende über das Ausmaß der Beeinträchtigung des [X.], etwa im Vergleich zum Durchschnittsmenschen oder anderen Straftätern. Denn bei der Bejahung eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB und bei der Annahme verminderter Schuldfähigkeit -
insbeson-dere der auch normativ geprägten Beurteilung der Erheblichkeit der Verminde-rung von Einsichts-
oder Steuerungsfähigkeit (vgl. [X.], Beschluss vom 17.
März 2009 -
1 [X.], [X.]St 53, 221, 223 Rn. 15 ff.; Urteil vom 19.
Oktober 2011 -
2 [X.] Rn. 4) -
handelt es sich um Rechtsfragen. Das abschließende Urteil über die Einsichts-
oder Steuerungsfähigkeit ist aus-schließlich Sache des [X.]s ([X.], Urteile vom 26. April 1955 -
5 [X.], 25
-
10
-
[X.]St 8, 113, 124; vom 10. September 2003 -
1 [X.], [X.]R StGB §
21 BtM-Auswirkungen 14; vom 21. Januar 2004 -
1 [X.], [X.]St 49, 45, 53; SSW-StGB/[X.] § 20, Rn. 13). Der Tatrichter hat die Darlegungen des Sachverständigen daher zu überprüfen und rechtlich zu bewerten. Außerdem ist er verpflichtet, seine Entscheidung in einer für das Revisionsgericht nach-prüfbaren Weise zu begründen.

Die bloße Abhängigkeit von Drogen kann eine (schwere) andere seeli-sche Abartigkeit sein, soweit sie nicht wegen körperlicher Abhängigkeit zu den krankhaft seelischen Störungen
gehört (exogene Psychosen). Die bloße [X.] beeinflusst für sich genommen die Steuerungsfähigkeit jedoch nicht. Dies ist erst dann in Erwägung zu ziehen, wenn langjähriger Betäubungsmit-telmissbrauch zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt hat ([X.], Urteil
vom 13. Dezember 1995 -
3 [X.], [X.]R StGB § 21 BtM-Auswirkungen 12; SSW-StGB/[X.] § 20, Rn. 46). In diesen Fällen liegen regelmäßig zugleich ein organischer Befund und eine krankhafte seelische Stö-rung vor. Auch beim akuten Rausch ist ein Ausschluss oder die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit möglich.

Schwere Entzugserscheinungen können die Steuerungsfähigkeit bei [X.] nur in seltenen Ausnahmefällen, z.B. in Kombination mit Persönlichkeitsveränderungen, aufheben ([X.], Urteile vom 23. August 2000
-
3 [X.]; vom 19.
September 2001 -
2 [X.], V.1.). [X.], welche erst bevorstehen, können mitunter den Drang zur Be-schaffungskriminalität übermächtig werden lassen, wenn die Angst
des [X.] u-m-mungsvermögen erheblich vermindert. Dies kann dann insbesondere bei Hero-26
27
-
11
-
inkonsum die Voraussetzungen des § 21 StGB begründen, ist jedoch trotz der bei den verschiedenen Drogen unterschiedlichen Entzugsfolgen auch bei [X.] nicht von vorneherein völlig ausgeschlossen (vgl. [X.],
Urteil vom [X.] 2005 -
2 StR 389/05, [X.]R StGB § 21 BtM-Auswirkungen 16).

Die Aussagekraft allein des -
auch quantifizierten -
Nachweises von [X.] und ihrer Abbauprodukte im Blut, im Urin und in den Haaren ist im Hinblick auf die Frage der Steuerungsfähigkeit eines [X.] bei der Tat nur begrenzt (vgl. SSW-StGB/[X.], § 20 Rn. 47). Im Rahmen einer Gesamtschau sind aufgrund der psychodiagnostischen Merkmale unter ergänzender Verwertung der Blut-, Urin-
und Haarbefunde (hinsichtlich des Betäubungs-
und hier auch Alkoholkonsums) Rückschlüsse auf die Tatzeitbefindlichkeit des [X.] zu zie-hen.

b) Den danach an die Darlegungen zur Feststellung erheblich verminder-ter Steuerungsfähigkeit zu stellenden Anforderungen genügen die [X.] hier nicht.

Das angefochtene Urteil beschränkt sich im Wesentlichen darauf, das
Ergebnis des Sachverständigengutachtens zu referieren und sich diesem [X.] anzuschließen, bis auf einen Punkt, ohne sich mit dieser Abweichung allerdings weiter auseinanderzusetzen. Dies genügt im vorliegenden Fall nicht.

Die Anforderungen an die Darlegungen in einem Urteil zur Überprüfung und Bewertung sachverständiger Äußerungen durch das Gericht sind nicht im-mer gleich. Liegt ein in sich stimmiges, in seinen Feststellungen und Beurtei-lungen ohne weiteres nachvollziehbares Sachverständigengutachten vor, wer-den häufig nach dessen Darstellung knappe Ausführungen genügen, aus de-28
29
30
31
-
12
-
nen insbesondere folgt, dass sich das Gericht erkennbar bewusst war und da-nach entschieden hat, dass es allein seine Aufgabe ist, das abschließende normative Urteil über die Einsichts-
oder Steuerungsfähigkeit zu treffen, auch wenn es dem Sachverständigen letztlich uneingeschränkt folgt. Unnötige Wie-derholungen sind auch in diesem Bereich zu vermeiden.

Anders ist es, wenn die sachverständigen Äußerungen zur Steuerungs-fähigkeit nicht ohne weiteres nachvollziehbar sind, Lücken aufweisen oder im Widerspruch zu sonstigen Feststellungen und Bewertungen der [X.] stehen. So liegt es -
ausgehend von der Darstellung des Sachverständigengut-achtens in den Urteilsgründen -
hier.

Dass sich der Angeklagte während der gesamten,
sich über Stunden er-streckenden -
jedenfalls hinsichtlich des Vorwurfs der Beihilfe zum Handeltrei-ben -
Tathandlung in Folge akuter Intoxikation in einem Zustand
erheblich ver-minderter Steuerungsfähigkeit
befunden hat, ist anhand der Urteilsgründe nicht nachvollziehbar und damit einer revisionsrechtlichen Überprüfung schon nicht zugänglich. Der zwar bedeutsame, aber kontrollierte -
der Angeklagte kam am Wochenende, wenn sein [X.] bei ihm war, ohne Betäubungsmittel aus -
Be-täubungsmittelkonsum allein belegt dies nicht. Schwerste Persönlichkeitsver-änderungen liegen, wie die [X.] zu § 64 StGB festgestellt hat, nicht vor.

Dass der letzte [X.] vor der Festnahme des Angeklagten, der regel-mäßig Kokain zu sich nahm, für ihn außergewöhnlich war und zu seiner Vergif-tung in einem Grade geführt hätte, die zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit führte, ist nicht belegt. Welchen Einfluss der Alkoholkon-sum des Angeklagten (bis zur Tat schließlich zwei Flaschen Portwein am Tag) 32
33
34
-
13
-
dabei hatte, wird nicht erörtert (zum Zusammenwirken von Kokain und Alkohol vgl. [X.], Beschluss vom 26. Mai 2000 -
4 [X.], [X.]R StGB § 21 Ursa-chen, mehrere 15). Die Blutalkoholkonzentration zum Zeitpunkt der Blutent-nahme wird schon nicht mitgeteilt. Auf die mögliche Bedeutung der sonstigen im Blutplasma festgestellten Wirkstoffe wird nicht eingegangen. Im Übrigen sprechen die Feststellungen der [X.] dafür, dass der letzte [X.] von Kokain vor der Festnahme
des Angeklagten erst nach Antritt der [X.] und insbesondere nach Grenzübertritt (Einnahme vor der Festnahme auf einem Autobahnparkplatz) mit den Betäubungsmitteln stattfand, also wesentliche Teile der Tathandlung überhaupt nicht tangierte.

Mit dem wesentlichen psychodiagnostischen Merkmal, nämlich dem un-auffälligen Verhalten des Angeklagten bei seiner Festnahme hat sich der Sach-verständige in diesem Zusammenhang nicht auseinandergesetzt. Er hat dies nur als Hinweis auf die Gewöhnung des Angeklagten an den [X.] von Be-täubungsmitteln erwähnt.

Der Sachverständige hat seine Annahme erheblich verminderter [X.] nicht allein auf eine akute Intoxikation sondern auch darauf ge-stützt, dass der erhaltene Kurierlohn zur Begleichung von Geldschulden aus dem zurückliegenden Ankauf von Rauschgift zum eigenen [X.] gedient habe und die Begleichung der Schulden die Voraussetzung für den weiteren Erwerb von Betäubungsmitteln gewesen sei. Dem hat sich die [X.] zwar ebenfalls pauschal angeschlossen ([X.]). Bei Feststellungen zum Tatgeschehen hat sich die [X.] dann jedoch auf die akute Intoxikation zur Begründung verminderter Steuerungsfähigkeit beschränkt ([X.]), ohne dies aber weiter zu begründen. Allerdings hat das [X.] im Ergebnis zu Recht in dem Ziel der Geldbeschaffung -
für die Bezahlung von Schulden als 35
36
-
14
-
Voraussetzung weiteren Betäubungsmittelerwerbs -
keine Grundlage für die Annahme einer Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit gesehen. Die bishe-rigen Feststellungen hierzu beschreiben allenfalls ein Tatmotiv aber keinen so intensiven [X.]druck (Angst vor unmittelbar bevorstehenden [X.], die der Angeklagte schon einmal intensivst erlitten hatte), der in Ausnahmefällen die Steuerungsfähigkeit erheblich vermindern kann. Ob ein Täter in einer solchen psychischen Ausnahmesituation (Angst vor [X.]) dann aber überhaupt noch zu einer mehrstündigen [X.] und einem völlig unauffälligen Verhalten bei seiner Festnahme in der Lage hätte sein [X.], wäre gegebenenfalls -
bei Hinweisen auf
einen derartigen Erwerbsdruck -
zu erörtern gewesen.

Die Abweichung der [X.] von den Darlegungen des Sachver-ständigen hätten jedenfalls für sie allein schon Anlass sein müssen, sich insge-samt kritischer mit den Äußerungen des Sachverständigen auseinanderzuset-zen.

c) Über die Strafzumessung und -
schon wegen des engen Zusammen-hangs -
über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entzie-hungsanstalt wird daher neu zu befinden sein. Sollte eine
Unterbringung in [X.] in Betracht kommen, wird § 246a Satz 2 StPO zu be-rücksichtigen sein. Zu den Voraussetzungen eines Hangs im Sinne von § 64 StGB, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, vgl. [X.], [X.] vom 27. März 2008 -
3 [X.], Rn. 8 ff.
(vgl. auch [X.], Beschlüsse 37
38
-
15
-
vom 30. Januar 2001 -
1 [X.]; vom
7. Februar 2012 -
5 [X.], Rn.
8 ff., vom 9.
Februar 2012
-
3 StR 2/12, Rn. 3).
Nack [X.][X.]

Elf Graf

Meta

1 StR 15/12

17.04.2012

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.04.2012, Az. 1 StR 15/12 (REWIS RS 2012, 7285)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7285

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 15/12 (Bundesgerichtshof)

Erheblich verminderte Schuldfähigkeit bei Beschaffungskriminalität: Steuerungsfähigkeit bei Drogenabhängigkeit, schweren Entzugserscheinungen und bei bevorstehenden Entzugserscheinungen; Aussagekraft …


5 StR 36/13 (Bundesgerichtshof)

Verminderte Schuldfähigkeit bei Beschaffungsdelikten: Angst vor bevorstehenden Entzugserscheinungen als Schuldminderungsgrund bei unschwerem Zugriff auf Cannabis …


5 StR 36/13 (Bundesgerichtshof)


1 StR 310/00 (Bundesgerichtshof)


2 StR 436/16 (Bundesgerichtshof)

Verminderte Schuldfähigkeit: Erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit eines Rauschgiftsüchtigen


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.