Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2012, Az. II ZB 10/11

II. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 7722

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 10/11
vom
27. März 2012
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO §
233 Fd
Eine [X.] darf im [X.] erst dann gestrichen und als erledigt gekennzeich-net werden, wenn die Person, die mit der Kontrolle betraut ist, sich anhand der Akte oder des postfertigen, die [X.] erledigenden Schriftsatzes selbst vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist.
[X.], Beschluss vom 27. März 2012 -
II ZB 10/11 -
OLG [X.]

LG [X.] I

-
2
-

Der I[X.] Zivilsenat des [X.] hat am 27. März 2012 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und die Richterin [X.] sowie die Richter Dr.
Drescher, [X.] und Sunder
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des [X.] gegen den Beschluss des 18.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.] vom 17.
Februar 2011 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
[X.]: 32.995,30

Gründe:
[X.] Der Kläger begehrt Wiedereinsetzung in die [X.]. Das klageabweisende Urteil des Landgerichts [X.]
I wurde dem Klä-ger am 23.
September 2010 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 25.
November 2010,
eingegangen beim Berufungsgericht am selben Tag, hat der Kläger die Beru-fung begründet.
Mit weiterem Schriftsatz vom 20.
Dezember 2010 hat der Kläger Wieder-einsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist verlangt und hierzu ausgeführt: Die Büroangestellte seines Prozessbevollmächtigten R.

habe die Berufung und den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zum 23.
No-vember 2010 sowie die [X.] zur [X.] korrekt auf dem Urteil vermerkt. Die Angaben seien sodann in den elektronisch geführten [X.]enka-lender der Kanzleisoftware Phantasy
mit zwei [X.] auf den 2.
November 1
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und auf den 15.
November übertragen worden. Am 15.
November habe der Prozessbevollmächtigte des [X.] den Vorgang dem Grunde nach geprüft und sich ein Bild vom Sachverhalt gemacht. Dabei sei klar geworden, dass es im Wesentlichen nur einen Berufungsangriff geben werde, nachdem das Land-gericht Verjährung angenommen habe. Der Prozessbevollmächtigte des [X.] habe daher Frau R.

angewiesen,
den Vorgang mit Ablauf der Berufungsbegründungsfrist wieder vorzulegen. Aus Gründen, die sich nicht mehr nachvollziehen ließen, sei die Akte am 25.
November 2010 mit dem [X.]. Die korrekt auf den 23.
November 2010 notierte [X.] im elektronischen und in dem von der Zeugin R.

parallel geführten manuellen [X.] sei gelöscht und als erledigt [X.] gewesen. In der Kanzlei bestehe eine ständige Anweisung, [X.] erst zu löschen, wenn die Erledigung festgestellt sei. Zugleich seien die [X.]en vom Büropersonal täglich anhand des elektronischen [X.]s zu überwachen. Warum die Löschung trotzdem erfolgt sei, ohne dass die [X.] erledigt gewesen sei, lasse sich nicht mehr aufklären.
Mit Beschluss vom 17.
Februar 2011 hat das Berufungsgericht den [X.] zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verwor-fen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.].
I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§
574 Abs.
1
Satz
1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz
4, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch
erfordert sie eine Entscheidung des [X.] zur Fort-bildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
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4
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1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die [X.]versäumung beruhe auf einem Organisationsverschulden des Prozessbe-vollmächtigten des [X.]. Dem Wiedereinsetzungsgesuch sei nicht zu [X.], wodurch sich der Prozessbevollmächtigte des [X.] vor der irrtümli-chen Löschung der [X.] zur Begründung der Berufung geschützt habe. Der elektronische [X.] müsse so geführt werden, dass er dieselbe Über-prüfungssicherheit biete wie ein herkömmlicher Kalender. Es müsse [X.] sein, dass keine versehentlichen Eintragungen oder Löschungen erfolg-ten. Der Prozessbevollmächtigte des [X.] habe nicht dargelegt, welche [X.] es vorliegend gegen ein unbeabsichtigtes Löschen von [X.]en ge-geben habe. Entsprechender Vortrag gehöre zum [X.] der Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes. Es könne nicht geklärt werden, ob der [X.]-versäumnis ein individuelles Versehen zugrunde liege oder allgemeine organi-satorische Mängel verantwortlich seien. Wiedereinsetzung könne daher nicht gewährt werden, weil die Möglichkeit offengeblieben sei, dass die [X.]ver-säumnis verschuldet gewesen
sei.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung zu Recht versagt. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt nach §
233 ZPO voraus, dass die [X.] ohne ihr Verschulden gehindert war, die versäumte [X.] einzuhalten. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, weil nicht auszuschließen ist, dass an der [X.]versäumnis ursächlich auch ein Organisationsverschulden des Prozessbe-vollmächtigten des [X.] mitgewirkt hat; dieses muss sich der Kläger nach §
85 Abs.
2 ZPO zurechnen lassen. Der Kläger hat nicht dargetan, dass im Büro
seines Prozessbevollmächtigten eine Ausgangskontrolle eingerichtet ist, die den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Organisation des [X.]enwe-sens genügt.
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a) Dem Wiedereinsetzungsgesuch ist nicht zu entnehmen, wodurch sich der Prozessbevollmächtigte des [X.] vor der irrtümlichen Löschung der [X.] im elektronischen und in dem parallel geführten manuellen [X.] geschützt hat. Der elektronische [X.] muss so geführt werden, dass er dieselbe Überprüfungssicherheit bietet wie ein herkömmlicher Kalender ([X.], Beschluss vom 12.
Oktober 1998 -
II
ZB
11/98, NJW 1999, 582, 583; Beschluss vom 2.
März 2000 -
V
ZB
1/00, [X.], 1957; Beschluss vom 2.
Februar 2010 -
XI
ZB
23/08, XI
ZB
24/08, [X.], 567 Rn.
12; Beschluss vom 21.
Dezember 2010 -
IX
ZB
115/10, [X.] 2011, 706 Rn.
9). Es muss auch bei elektronischer Organisation des [X.]enwesens sichergestellt sein, dass [X.] versehentlichen Löschungen erfolgen ([X.],
Beschluss vom 10.
Juli 1997

IX
ZB
57/97, NJW 1997, 3177, 3178; Beschluss vom 2.
März 2000

V
ZB
1/00, [X.], 1957; Beschluss vom 21.
Dezember 2010

IX
ZB
115/10, [X.] 2011, 706 Rn.
9).
Der Kläger hat nicht dargelegt, welche Sicherungen es in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten gegen ein unbeabsichtigtes Löschen von [X.] gab. Er hat nur vorgetragen, in der Kanzlei bestehe eine ständige Anwei-sung, [X.]en erst zu löschen, wenn die Erledigung festgestellt sei,
und zugleich seien die [X.]en vom Büropersonal täglich anhand des elektronischen [X.]en-kalenders zu überwachen. Dieses pauschale Vorbringen lässt keine [X.] zu, ob die Ausgangskontrolle den Anforderungen der Rechtsprechung ge-nügt.
Da für die Ausgangskontrolle in jedem Anwaltsbüro ein [X.] unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt sicherstellen, dass die im Kalender vermerkten [X.]en erst gestrichen werden (oder ihre Erledigung sonst kenntlich gemacht wird), wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz 7
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also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht und somit die weitere Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuverlässig vorbe-reitet worden ist. Das ist im Allgemeinen anzunehmen, wenn der fristwahrende Schriftsatz in ein Postausgangsfach des Rechtsanwalts eingelegt wird und die abgehende Post von dort unmittelbar zum Briefkasten oder zur maßgeblichen

Adressaten ist ([X.],
Urteil
vom 11.
Januar 2001

III
ZR
148/00, NJW 2001, 1577, 1578; Beschluss
vom 23.
Mai 2006

VI
ZB
77/05; NJW 2006, 2638
f.; Beschluss
vom 16.
Februar 2010

VIII
ZB
76/09, [X.], 1378 Rn.
7; Beschluss vom 12.
April 2011

VI
ZB
6/10, NJW 2011, 2051 Rn.
7;
Beschluss vom 17.
Januar 2012

VI
ZB
11/11, juris Rn.
9). Eine [X.] darf im [X.] erst dann gestri-chen und als erledigt gekennzeichnet werden, wenn die Person, die mit der Kontrolle betraut ist, sich anhand der Akte oder des postfertigen, die [X.] erle-digenden Schriftsatzes selbst vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 10.
Juli 1997 -
IX
ZB
57/97, NJW 1997, 3177, 3178).
Dass im Büro des Prozessbevollmächtigten des [X.] solche [X.] Anweisungen bestanden, lässt sich dem Vorbringen im Wiedereinset-zungsverfahren nicht entnehmen. Auch die Büroangestellte R.

hat in ihrer eidesstattlichen Versicherung nur bekundet, die [X.]en würden täglich durch Ausdruck aus dem elektronischen [X.] überwacht und dürften erst gelöscht werden, wenn sie erledigt seien. Wie dies nach der [X.] sichergestellt wird, bleibt offen.
b) Die Rechtsbeschwerde meint, die Büroangestellte R.

habe 10
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sondern -
aus unerfindlichen Gründen
-
bewusst in der unzutreffenden Annah-me gelöscht, die [X.] sei erledigt.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde soll das oben darge-stellte Sicherungssystem einer ordnungsgemäßen Ausgangskontrolle gerade auch vor der Fehlvorstellung schützen, die [X.] sei erledigt. Es ist zwar nicht sicher, aber durchaus möglich, dass bei der Büroangestellten R.

die Fehlvorstellung, die [X.] sei erledigt, nicht aufgekommen wäre und sie die [X.] nicht gestrichen und als erledigt gekennzeichnet hätte, wenn im Büro des Pro-zessbevollmächtigten des [X.] die Anweisung bestanden hätte, [X.]en erst dann zu streichen, wenn
sich die nach der Büroorganisation verantwortliche Person persönlich vergewissert hat, dass der Schriftsatz gefertigt und abge-sandt oder zumindest postfertig gemacht worden ist. Ist die Ursächlichkeit des

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-
8
-

Organisationsmangels für das Versäumen der [X.] nicht ausgeräumt, kann Wiedereinsetzung nicht gewährt werden ([X.], Beschluss vom 10.
Oktober 2000 -
IV
ZB
17/00, NJW 2001, 76, 77
m.w.Nachw.).

Bergmann

[X.]

Drescher

[X.]

Sunder
Vorinstanzen:
LG [X.] I, Entscheidung vom 18.08.2010 -
20 O 13752/07 -

OLG [X.], Entscheidung vom 17.02.2011 -
18 [X.] -

Meta

II ZB 10/11

27.03.2012

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2012, Az. II ZB 10/11 (REWIS RS 2012, 7722)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7722

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