Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.11.2023, Az. IX R 3/23

9. Senat | REWIS RS 2023, 9281

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Gegenstand

(Anwendung des Teileinkünfteverfahrens bei Veräußerungstatbeständen gemäß § 17 EStG)


Leitsatz

1. NV: Der Verlust aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unterliegt dem Teileinkünfteverfahren und Teilabzugsverbot (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c Satz 1, § 3c Abs. 2 Satz 1 und 7 EStG).

2. NV: Verluste aus dem Ausfall einer in der Krise der Kapitalgesellschaft stehen gelassenen Finanzierungshilfe des Gesellschafters (Darlehen oder Bürgschaft) sind nur in Höhe des zum Zeitpunkt des Stehenlassens zu bestimmenden gemeinen Werts den Einkünften aus § 17 Abs. 1 und 4 EStG und im Übrigen den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG zuzuordnen (Anschluss an Senatsurteil vom 20.06.2023 - IX R 2/22, BFHE 280, 531).

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom [X.] - 4 K 408/20 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hielt 50 % der Geschäftsanteile an der [X.] (GmbH). Er gewährte der GmbH ein Darlehen und verbürgte sich für deren Verbindlichkeiten gegenüber mehreren Banken. [X.] (Streitjahr) wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger wurde aus den Bürgschaften in Anspruch genommen. Der Insolvenzverwalter teilte im April 2016 mit, der Kläger werde für seine Rückgriffsforderungen keine Zahlungen aus der Masse erhalten.

2

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr begehrte der Kläger den Abzug eines [X.]s gemäß § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 619.818 €. Neben den Anschaffungskosten für die GmbH-Geschäftsanteile (300.000 €) machte er insbesondere den Verlust aus dem Gesellschafterdarlehen und Zahlungen auf drei Bürgschaften geltend.

3

Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt --[X.]--) berücksichtigte im ursprünglichen Einkommensteuerbescheid lediglich einen [X.] von 347.591 €. Neben dem Verlust der Stammeinlage (300.000 €) erkannte das [X.] nur die Zahlung auf eine der drei Bürgschaften (47.591 €) als Anschaffungskosten auf die GmbH-Beteiligung an. Das Teileinkünfteverfahren (Teilabzugsverbot) wurde nicht angewandt.

4

Dem Einspruch half das [X.] insoweit ab, als es den Ausfall des [X.] mit dem Gesellschafterdarlehen (99.432 €) berücksichtigte und damit den [X.] gemäß § 17 Abs. 4 EStG auf 447.023 € erhöhte. Den weitergehenden Einspruch wies es zurück.

5

Die Klage, mit der der Kläger Aufwand aus der Inanspruchnahme aus den beiden weiteren Bürgschaften (insgesamt 172.199,84 €) bei der Ermittlung des [X.]s geltend machte, hatte in vollem Umfang Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) vertrat die Ansicht, die Bürgschaften seien spätestens im [X.] eigenkapitalersetzend geworden, da der Kläger die Bürgschaften trotz der eingetretenen Krise bei der GmbH habe stehen lassen. Der [X.] sei bereits im Streitjahr zu berücksichtigen, da mit einer wesentlichen Änderung des Verlusts nicht mehr zu rechnen gewesen sei.

6

Mit seiner Revision bringt das [X.] vor, die Bürgschaften seien nicht eigenkapitalersetzend gewesen. In jedem Fall sei zu berücksichtigen, dass das [X.] versäumt habe, das Teileinkünfteverfahren (Teilabzugsverbot) anzuwenden. Dem Kläger sei ein zu hoher [X.] zugesprochen worden, sodass zu saldieren sei.

7

Das [X.] beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er sieht die Voraussetzungen für den Abzug der Aufwendungen aus den Bürgschaften als nachträgliche Anschaffungskosten im Einklang mit der Vorinstanz als gegeben an. Dass das Teileinkünfteverfahren (Teilabzugsverbot) für den [X.] nicht angewandt worden sei, könne aufgrund der eigenen Versäumnisse des [X.] im außergerichtlichen und vorinstanzlichen Verfahren in der Revisionsinstanz nicht mehr in Frage gestellt werden. Unbeschadet dessen wäre es verfassungswidrig, den [X.] nach Maßgabe der gesetzlichen Regelung in § 3c Abs. 2 EStG nur zu 60 % abzuziehen.

Das [X.] hat am 04.10.2023 den angefochtenen Einkommensteuerbescheid aus vorliegend nicht streitigen Gründen geändert.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) aufzuheben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

1. Das Urteil der Vorinstanz ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Das [X.] hat über den Einkommensteuerbescheid für das [X.] vom 01.11.2017, geändert am 24.05.2018, und die hierauf ergangene Einspruchsentscheidung vom 02.07.2020 entschieden. Während des Revisionsverfahrens ist am 04.10.2023 ein erneut geänderter Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr ergangen, der nach § 121 Satz 1, § 68 Satz 1 [X.]O Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist. Damit liegt dem angefochtenen Urteil ein nicht mehr wirksamer Bescheid zugrunde mit der Folge, dass das Urteil keinen Bestand mehr haben kann (§ 127 [X.]O).

2. Darüber hinaus ist das [X.]-Urteil in der Sache aufzuheben. Das [X.] hat einen [X.] gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG in voller Höhe (619.223 €) zuerkannt und dabei die gesetzlichen Vorgaben zum Teileinkünfteverfahren (Teilabzugsverbot) nicht berücksichtigt.

a) Nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c Satz 2 EStG sind 40 % des Veräußerungspreises im Sinne von § 17 Abs. 4 EStG steuerfrei (Teileinkünfteverfahren). [X.] hierzu dürfen gemäß § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die unter anderem mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum sie anfallen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zu 60 % abgezogen werden; entsprechendes gilt, wenn bei der Ermittlung der Einkünfte der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils am Betriebsvermögen oder --wie im [X.] die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindernd zu berücksichtigen sind (Teilabzugsverbot).

Für die Anwendung des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG ist nach Satz 7 der Vorschrift die Absicht zur Erzielung von Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen im Sinne des § 3 Nr. 40 EStG ausreichend. Mit dieser Norm reagierte der Gesetzgeber im Jahressteuergesetz 2010 (--[X.] 2010--, [X.], 1768) auf die Rechtsprechung des erkennenden [X.]s, wonach das Teilabzugsverbot ausgeschlossen ist, wenn der Steuerpflichtige tatsächlich keine nach § 3 Nr. 40 EStG relevanten Einnahmen aus der Beteiligung erzielt hat ([X.] - IX R 42/08, [X.], 445, [X.], 220; vom 14.07.2009 - IX R 8/09, [X.], 399 sowie vom 18.03.2010 - IX B 227/09, [X.], 177, [X.], 627; vgl. auch BTDrucks 17/2249, S. 50). Die Regelung gilt erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2011 (§ 52 Abs. 8a Satz 3 i.V.m. § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG i.d.F. des [X.] 2010) und damit auch im Streitjahr.

b) Diese rechtlichen Vorgaben hat das [X.] nicht beachtet. Der in der angegriffenen Entscheidung zugesprochene [X.] von 619.223 € (= 447.023 € + 172.199,84 €) bildet nicht 60 % der Aufwendungen des [X.] ab, sondern 100 %.

c) Die gegen die Anwendung des Teilabzugsverbots gerichteten Einwendungen des [X.] greifen nicht durch.

aa) Zum einen hat der [X.] bereits entschieden, dass die mit § 3c Abs. 2 Satz 1 und 7 EStG verbundene Einschränkung des Abzugs von Anschaffungskosten auf die Beteiligung von [X.] wegen nicht zu beanstanden ist ([X.]surteil vom 02.09.2014 - IX R 43/13, [X.], 203, [X.], 257, Rz 20 ff.; vgl. auch [X.]sbeschluss vom 04.12.2018 - IX B 60/18, Rz 5). Hieran hält der [X.] fest, zumal die gegenteiligen Erwägungen des [X.] auf einer überholten Rechtslage beruhen.

[X.]) Zum anderen ist die Ansicht des [X.], die Nichtanwendung des Teilabzugsverbots binde den erkennenden [X.], unzutreffend. Es handelt sich ersichtlich nicht um eine tatsächliche Feststellung im Sinne von § 118 Abs. 2 [X.]O, sondern um eine im Revisionsverfahren uneingeschränkt überprüfbare Rechtsfrage. Die vom Kläger hervorgehobenen Versäumnisse des [X.] im außergerichtlichen und vorinstanzlichen Verfahren sind für die hier zu treffende Entscheidung daher ohne Belang.

3. Auf die vom [X.] angeführten Verfahrensmängel kommt es nicht mehr an.

4. Die nicht spruchreife Sache ist an das [X.] zurückzuverweisen. Der [X.] kann nach Maßgabe der bisherigen Feststellungen nicht selbst entscheiden, ob und in welcher Höhe der Kläger für das Streitjahr Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Auflösung der GmbH stehen, steuerlich abziehen kann.

a) Die Auffassung des [X.], die Klage wäre auch dann abzuweisen, wenn der Aufwand des [X.] aus den beiden streitigen Bürgschaften (172.199,84 €) zu berücksichtigen wäre, träfe nur zu, wenn jener Aufwand in Gänze den Einkünften aus § 17 EStG zuzuordnen wäre.

In diesem Fall betrüge der [X.] 619.223 €, wäre gemäß § 3c Abs. 2 Satz 1 und 7 EStG allerdings nur zu 60 % (= 371.533 €) abziehbar. Jener Verlust wäre geringer als der vom [X.] bereits anerkannte Verlust (= 447.023 €), sodass der [X.] zwar nicht berechtigt gewesen wäre, den Kläger steuerlich schlechter zu stellen (Verböserungsverbot), aber verpflichtet gewesen wäre, im Rahmen des Klageantrags eine Saldierung zu dessen Lasten vorzunehmen (Urteile des [X.] --[X.]-- vom 23.08.2017 - X R 33/15, [X.], 311, [X.] 2018, 62, Rz 44 sowie vom 19.05.2021 - X R 20/19, [X.], 237, Rz 83 f., m.w.[X.]; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 96 Rz 52).

b) Allerdings vermitteln die bisherigen Feststellungen der Tatsacheninstanz kein klares Bild, inwiefern der Ausfall der vom Kläger hingegebenen Finanzierungshilfen überhaupt dem Anwendungsbereich des § 17 Abs. 4 EStG und nicht vielmehr den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2 Halbsatz 1 EStG, für die das Teilabzugsverbot nicht gilt, zuzuordnen wäre (dazu unter aa). Der [X.] kann nicht ausschließen, dass die hierzu nachzuholenden tatsächlichen Feststellungen (unter [X.]) zur Folge haben, dass die gesamten vom Kläger erlittenen und für das Streitjahr steuerlich anzuerkennenden Aufwendungen den Betrag von 447.023 € übersteigen (unter cc).

aa) Erleidet ein Gesellschafter einen Verlust aus einem gegenüber seiner Kapitalgesellschaft gewährten Darlehen oder fällt er mit einer Regressforderung für eine zu Gunsten der Gesellschaft hingegebene Bürgschaft aus, gehört der sich hieraus ergebene Aufwand nur insoweit zu den Einkünften aus § 17 EStG, als die jeweilige Finanzierungshilfe durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist (vgl. inzwischen § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 und Nr. 3 EStG).

aaa) Bei der Beurteilung einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung hat der [X.] für Veranlagungszeiträume bis zum Inkrafttreten des [X.] und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008 ([X.], 2026) darauf abgestellt, ob die Finanzierungshilfe eigenkapitalersetzend war (z.B. [X.]surteil vom 02.04.2008 - IX R 76/06, [X.]E 221, 7, [X.], 706, unter [X.]). Er hat dies bejaht, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft zu einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute nur noch Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), stattdessen ein Darlehen gewährt oder eine Bürgschaft zur Verfügung gestellt hatte (u.a. [X.]surteil vom 07.12.2010 - IX R 16/10, Rz 24).

[X.]b) Diese Rechtsprechung hat der [X.] infolge des mit dem [X.] vollzogenen Wegfalls des [X.] aufgegeben ([X.]surteil vom 11.07.2017 - IX R 36/15, [X.]E 258, 427, [X.] 2019, 208, Rz 32 ff.). Er hat sie aber aus [X.] für wirtschaftliche Dispositionen, die der Gesellschafter in Bezug auf zuvor als eigenkapitalersetzend zu qualifizierende Finanzierungshilfen bis zur Veröffentlichung des vorgenannten Urteils am 27.09.2017 getroffen hat, für weiterhin anwendbar erklärt ([X.]surteile vom 11.07.2017 - IX R 36/15, [X.]E 258, 427, [X.] 2019, 208, Rz 41 f. sowie vom 14.01.2020 - IX R 9/18, [X.]E 268, 61, [X.], 490, Rz 23).

ccc) Eigenkapitalersetzende Darlehen und Bürgschaften, die in der Krise der Gesellschaft hingegeben oder von vornherein in die Finanzplanung der Gesellschaft einbezogen waren, waren nach Maßgabe der im Streitjahr somit noch geltenden Grundsätze in Höhe des Nennwerts des ausgefallenen Anspruchs als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus § 17 EStG zu berücksichtigen. Dagegen waren Finanzierungshilfen, die erst aufgrund des Eintritts der Krise, zum Beispiel in Verbindung mit der Nichtausübung der Rechte nach § 775 Abs. 1 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, eigenkapitalersetzenden Status erlangten, nur mit dem im Zeitpunkt des Eintritts der Krise beizulegenden Wert anzusetzen (statt vieler [X.]surteil vom 11.07.2017 - IX R 36/15, [X.]E 258, 427, [X.] 2019, 208, Rz 19).

ddd) Während im letztgenannten Fall nach früherer Rechtslage der bis zum Eintritt der Krise eingetretene Wertverlust der steuerlich unbeachtlichen privaten Vermögenssphäre zufiel, führt seit Einführung der Abgeltungsteuer der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG (vgl. hierzu ausführlich [X.]-Urteile vom 24.10.2017 - VIII R 13/15, [X.], 535, [X.], 831, Rz 10 ff. sowie vom 27.10.2020 - IX R 5/20, [X.]E 271, 359, [X.] 2021, 600, Rz 29 ff.). Dies gilt sowohl für Verluste aus in der Krise stehen gelassenen Gesellschafterdarlehen ([X.]surteil vom 27.10.2020 - IX R 5/20, [X.]E 271, 359, [X.] 2021, 600) als auch für den Ausfall der Regressforderung hinsichtlich einer stehen gelassenen Gesellschafterbürgschaft ([X.]surteil vom 20.06.2023 - IX R 2/22, [X.]E 280, 531). In einem solchen Fall ist nur der zum Zeitpunkt des Stehenlassens der Finanzierungshilfe zu bestimmende gemeine Wert dem Anwendungsbereich des § 17 EStG zuzuordnen. Der nicht werthaltige Teil unterfällt dagegen § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2 EStG, ohne dass insoweit die Subsidiaritätsklausel des § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG berührt würde ([X.]surteil vom 20.06.2023 - IX R 2/22, [X.]E 280, 531, Rz 34 ff.).

[X.]) Das [X.] hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob es sich bei den vom Kläger gewährten Darlehen und Bürgschaften um jeweils mit dem Nennwert zu bewertende krisenbestimmte, in der Krise gewährte oder in die Finanzplanung der GmbH einbezogene Finanzierungshilfen gehandelt hat. Die Entscheidung, die Bürgschaften seien "spätestens im Jahr 2015 eigenkapitalersetzend" geworden, da der Kläger sie trotz Kriseneintritts habe stehen lassen, hätte nach den vorgenannten Rechtsgrundsätzen nur dann die vom [X.] vorgenommene Bewertung mit dem Nennwert gerechtfertigt, wenn ein Rückgriffsanspruch des [X.] zum Zeitpunkt des Stehenlassens noch voll werthaltig gewesen wäre. Auch hierzu fehlen tatsächliche Feststellungen, die das [X.] nach Maßgabe der unter 4. dargelegten Hinweise im zweiten Rechtsgang nachzuholen hat.

cc) Soweit der Ausfall des [X.] mit seinen Finanzierungshilfen nach vorgenannten Rechtsgrundsätzen den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG) zuzuordnen wäre, unterlägen die Verluste nicht dem Teilabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG, sondern wären voll ausgleichsfähig. In Anbetracht der Höhe der Beteiligung des [X.] an der GmbH käme auch der gesonderte Steuertarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG nicht zum Zuge (§ 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG). Sollten sowohl der Verlust des Gesellschafterdarlehens als auch der Regressausfall für sämtliche Bürgschaften und weitere Zahlungen in vollem Umfang als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu behandeln sein, käme ein steuerlicher Gesamtverlust von mehr als 447.023 € in Betracht.

5. Für den zweiten Rechtsgang weist der [X.] auf Folgendes hin:

a) Das [X.] wird zunächst erneut zu beurteilen haben, ob für das Streitjahr dem Grunde nach ein [X.] gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG abziehbar ist. Nach Maßgabe der insoweit geltenden Rechtsgrundsätze (u.a. [X.]surteil vom 19.11.2019 - IX R 7/19, Rz 16 ff., m.w.[X.]) dürfte allein die vom [X.] hervorgehobene Auskunft des Insolvenzverwalters vom 29.04.2016, auf die Darlehensforderung des [X.] werde im laufenden Insolvenzverfahren "keine Quote entfallen", nicht ausreichen, um sicher annehmen zu können, dass der gemeine Wert des dem Gesellschafter zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens einerseits (§ 17 Abs. 4 Satz 2 EStG) und die [X.] und Anschaffungskosten des Gesellschafters andererseits (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) feststehen. Ließen die Feststellungen des [X.] es nicht zu, bereits für das Streitjahr einen [X.] zu berücksichtigen, wäre die Klage abzuweisen. Der bislang vom [X.] anerkannte Verlust im Sinne von § 17 Abs. 4 EStG von 447.023 € läge höher als ein etwaig schon für das Streitjahr nach den Grundsätzen der [X.]sentscheidung vom 27.10.2020 - IX R 5/20 ([X.]E 271, 359, [X.] 2021, 600, Rz 35 ff.) abzuziehender Verlust für den Ausfall des [X.] mit seinen Finanzierungshilfen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG von maximal 319.223 €.

b) Wären die Verluste des [X.] dem Grunde nach für das Streitjahr zu berücksichtigen, hätte das [X.] für jede gewährte Finanzierungshilfe Feststellungen zu treffen, ob diese krisenbestimmt war, in der Krise gewährt wurde, in die Finanzplanung der GmbH einbezogen war oder in der Krise stehen gelassen wurde. Soweit Letzteres der Fall wäre, müsste das [X.] zudem feststellen, welchen tatsächlichen Wert der [X.] beziehungsweise Ausgleichsanspruch zum Zeitpunkt des Stehenlassens der jeweiligen Finanzierungshilfe hatte. Hieran anknüpfend hätte das [X.] schließlich zu befinden, ob der insgesamt steuerlich anzuerkennende Aufwand, der aus der Auflösung der GmbH und den Verlusten aus den hingegebenen Finanzierungshilfen herrührt, den Betrag von 447.023 € überschreitet.

6. [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

IX R 3/23

14.11.2023

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend Thüringer Finanzgericht, 21. Oktober 2021, Az: 4 K 408/20, Urteil

§ 3 Nr 40 S 1 Buchst c S 2 EStG 2009, § 3c Abs 2 S 1 EStG 2009, § 3c Abs 2 S 7 EStG 2009, § 17 Abs 4 S 1 EStG 2009, § 20 Abs 2 S 1 Nr 7 EStG 2009, § 20 Abs 4 EStG 2009, § 20 Abs 8 S 1 EStG 2009, Art 3 Abs 1 GG, § 17 Abs 2a S 3 EStG 2009, EStG VZ 2016

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.11.2023, Az. IX R 3/23 (REWIS RS 2023, 9281)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9281

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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