Bundespatentgericht, Beschluss vom 08.10.2013, Az. 27 W (pat) 98/12

27. Senat | REWIS RS 2013, 2230

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "8-Uhr Blatt" – Unterscheidungskraft - Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 033 864.7

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 8. Oktober 2013 durch [X.] [X.], [X.] und [X.] k.A. Schmid

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle vom 1. August 2012 wird insoweit aufgehoben, als dem angemeldeten Zeichen „8-Uhr Blatt“ der Schutz für „Organisation und Durchführung von kulturellen und sportlichen Veranstaltung“ sowie „Organisation und Durchführung von Unterhaltungsveranstaltungen“ versagt wurde.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Markenstelle hat die Anmeldung der Wortmarke

2

8-Uhr Blatt

3

mit Beschluss vom 1. August 2012, der Anmelderin am 7. August 2012 zugestellt, teilweise wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zurückgewiesen. Die Zurückweisung betrifft folgende Waren und Dienstleistungen:

4

9: Bespielte Datenträger aller Art (elektronisch, optisch, magnetisch); elektronische Publikationen (herunterladbar); Computerprogramme (herunterladbar);

5

16: [X.], insbesondere periodisch erscheinende Printmedien (Zeitungen, Zeitschriften) und Bücher; Werbebroschüren; Anzeigenblätter; Kalender;

6

35: Werbung; Verbreitung von Werbeanzeigen; Verbreitung von Werbebeilagen zu Verlagsprodukten; [X.] in einem Computernetzwerk;

7

38: Sammeln und Liefern von Pressemeldungen/Nachrichten/Veranstaltungshinweisen im Rahmen der Dienstleistungen einer Presseagentur; elektronische Nachrichtenübermittlung, Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer und [X.]; Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen im [X.]; Bereitstellen interaktiver [X.]foren und [X.]; Bereitstellen des Zugriffs auf Datenbanken; Bereitstellen des Zugriffs auf (herunterladbare) Computerprogramme in Datennetzen; Telekommunikation mittels Plattformen und Portalen im [X.];

8

41: Veröffentlichung und Herausgabe von Printmedien und Online-Publikationen (ausgenommen für Werbezwecke); Bereitstellen von elektronischen Publikationen, nicht herunterladbar; digitaler Bilderdienst; Organisation und Durchführung von Auskünfte über Veranstaltungen;

9

42: Aktualisieren von [X.]seiten

Das hat die Markenstelle damit begründet, der Begriff „8-Uhr Blatt" werde dahingehend verstanden, dass es sich um Waren oder Dienstleistungen handle, die von einem gegen 8 Uhr erscheinenden gedruckten oder elektronischen [X.] angeboten, erbracht oder für seine Tätigkeit benötigt würden. Die Wortkombination sei [X.] zusammengesetzt. „Blatt“ stehe häufig für eine Zeitung. Dass es sich bei der Bezeichnung um einen typischen Zeitungstitel handle, führe trotz der von der Anmelderin angeführten Sensibilisierung des angesprochenen Publikums im Hinblick auf [X.] nicht zu einer Schutzfähigkeit als Marke.

Die angesprochenen Leser würden nicht davon ausgehen, dass nur ein Unternehmen gegen 8 Uhr Medien anbiete.

Ob auch ein Freihaltebedürfnis im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] vorliege, wofür allerdings einiges spreche, könne aufgrund der fehlenden Unterscheidungskraft dahingestellt bleiben.

Zu den von der Anmelderin zitierten Vorentscheidungen sei zu bemerken, dass jeder Fall anders gelagert und daher individuell zu beurteilen sei. Selbst im Falle einer fehlerhaften Eintragung hätte die Anmelderin zudem keinen Anspruch auf Fehlerwiederholung. Beispielhaft sei angemerkt, dass die Entscheidung zu der Marke 2 912 439 noch nach dem [X.] ergangen sei. Seitdem hätten sich die rechtlichen Anforderungen sowie die Sprachgewohnheiten deutlich verändert. Entscheidungen ausländischer oder internationaler Behörden seien nicht ohne weiteres vergleichbar, da auch dort ein anderes Sprach- und Rechtsempfinden herrschen könne. Vergleichbare Anmeldungen, wie „Extrablatt", „regioblatt", „Wochenblatt" und „Samstagsblatt" hätten ebenfalls nicht zu einer Eintragung als Marke geführt.

Die Anmelderin hat dagegen am 4. September 2012 Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, maßgeblich müsse der Gesamtbegriff sein. Die breiten Verkehrskreise würden nicht das Verständnis eines gegen 8 Uhr erscheinenden gedruckten oder elektronischen [X.]s bei Wahrnehmung der Marke haben. Das Zeichen sei derart vage und unüblich, dass eine inhaltliche Aussage in den Hintergrund trete, was die Herkunftsfunktion stärke. Auch der aktuelle Aspekt, der regelmäßig bei medialen Waren und Dienstleistungen eine Rolle spiele, sei hier abgeschwächt, da nicht klar werde, ob 8 Uhr am Morgen oder am Abend gemeint sei.

Zu Unrecht habe das Amt die hochgradige Sensibilisierung der Verkehrskreise bei medialen Waren und Dienstleistungen nicht berücksichtigt. Sensibilisierte Verbraucher würden in dem Zeichen keinen ausschließlich inhaltlichen Sachhinweis sehen, sondern erkennen, dass hinter dem Zeichen ein bestimmtes Unternehmen stehe. Nur wenn eine konkrete und unmittelbare inhaltliche Aussage dem Zeichen innewohnen würde, wäre zu überlegen, ob eine ausschließliche Werktitelangabe vorliege. Dies sei hier jedoch nicht der Fall.

Ein allenfalls weitläufiger Bezug rechtfertige nicht die Annahme, es handle sich um eine ausschließliche Sachangabe für sämtliche gegenständlichen Waren und Dienstleistungen.

Die vom Amt angeführten Beispiele führten zu keiner anderen Beurteilung. Es fehle an der generellen Vergleichbarkeit. „12 Uhr Blatt" werde nicht alleinstehend verwendet. Die Argumentation des Amtes zu den Voreintragungen sei zu pauschal.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle insoweit aufzuheben, als er dem angemeldeten Zeichen die Eintragung versagt hat.

II.

Die zulässige Beschwerde, über die, nachdem die Anmelderin keine mündliche Verhandlung beantragt hat, und auch der Senat eine solche für entbehrlich erachtet, ohne eine solche entschieden werden kann, hat in der Sache nur teilweise Erfolg.

Die Markenstelle hat das von ihr herangezogene Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] für alle Waren und Dienstleistungen, mit Ausnahme der Veranstaltungen, zutreffend erläutert. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Sie hat sich auch ausreichend mit vergleichbaren Eintragungen und Schutzversagungen auseinandergesetzt.

Marken sind von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen für die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft ist die Eignung, die beanspruchten Waren bzw. Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und so diese Waren und/oder Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden sowie deren Ursprungsidentität zu gewährleisten. So fehlt es an der erforderlichen Unterscheidungskraft, wenn der Marke entweder ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann oder wenn es sich um Angaben handelt, die sich auf Umstände beziehen, welche die fraglichen Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, zu diesen aber einen engen beschreibenden Bezug herstellen.

Bei dem Bestandteil „8-Uhr“ handelt es sich um eine Zeitangabe. Dem Bestandteil „Blatt“ kommt im Zusammenhang mit der vorangestellten Zeitangabe und allen beanspruchten Waren sowie der Dienstleistungen außerhalb des [X.] die Bedeutung eines Druckerzeugnisses, einer Zeitung zu. Ein „8-Uhr Zifferblatt“ ist im ganz überwiegend verbreiteten 12- oder 24-Stundensystem wenig naheliegend; auch Bedeutungen wie „Kartenblatt“, „Pflanzenteil“ oder „Knochenblatt“ sind vorliegend nicht zu erwarten.

Es handelt sich bei „8-Uhr Blatt“ um eine Kombination aus gängigen Wörtern der [X.]. Die Kombination eines Synonyms für „Zeitung“ und einer Angabe hinsichtlich des Erscheinungszeitpunkts bzw. der Periodizität ist üblich (vgl. Tageszeitung, Tagespost, Wochenblatt, Samstagszeitung, [X.], [X.], [X.], [X.], [X.]). Auch die Kombination einer Uhrzeit mit einem weiteren Begriff ist [X.], wie z.B. in „3-Uhr-Zug“, „5-Uhr-Tee“ und „15-Uhr-Läuten“. Es liegt also eine [X.]e Begriffsbildung vor.

Vorliegend führt diese Kombination zu einer Sachangabe, die irgendein Medium beschreibt, das um 8 Uhr (morgens oder abends) erscheint. Diese Sachangabe kann jedenfalls für Medien und damit zusammenhängende Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft verleihen. Das Weglassen eines [X.] aus „8-Uhr-Blatt“, wie es der [X.] zeigt, fällt kaum auf und führt nicht zur Unterscheidungskraft.

Das angemeldete Zeichen weist in sämtlichen vernünftigerweise heranzuziehenden Formen des Verständnisses auf einen durchaus plausiblen und beschreibenden Erscheinungszeitpunkt eines Mediums hin. Damit ist die Aussage in jeder ihrer Interpretationsvarianten beschreibend und kann keinen Herkunftshinweis verleihen. Daher kann eine Unterscheidungskraft nicht durch Mehrdeutigkeit begründet sein.

Die von der Anmelderin betonte Sensibilisierung der Verbraucher für Titel erscheint dem Senat bei Zeitungen u.ä. nicht so ausgeprägt, steht doch oft die Aufmachung der ersten Seite mit Fotos und Schlagzeilen so im Vordergrund, dass der Titel in den Hintergrund rückt. Dass eine Bezeichnung Titelschutz haben kann, führt nicht zwingend zu einer Schutzfähigkeit auch als Marke.

Im Hinblick auf alle Waren der Klasse 16 und die darauf bezogenen Dienstleitungen der Klasse 41 liegt damit eine beschreibende Sachangabe zur Erscheinungszeit vor. Zwar ist das Publikum daran gewöhnt, viele Zeitungen unabhängig von der Tageszeit erwerben zu können, aber dennoch ist nicht ausgeschlossen, dass Verleger spezielle Ausgaben von Zeitungen, die auch in elektronischer Form „Blätter“ genannt werden können, zu bestimmten Zeiten anbieten.

Die angesprochenen Leser werden nicht davon ausgehen, dass nur ein Unternehmen gegen 8 Uhr Medien anbietet.

Im Hinblick auf die zurückgewiesenen Waren der [X.] ist der Auffassung der Markenstelle zu folgen, da Printmedien oft bespielte Datenträger beigelegt sind und somit in unmittelbarem Zusammenhang zu diesen stehen. Auch ist im Hinblick auf eine oftmals parallel zum Printmedium im [X.] erscheinende „elektronische Zeitung“ bei „elektronischen Publikationen (herunterladbar)“ das Vorliegen von Unterscheidungskraft zu verneinen; dies gilt auch für die dahinterstehenden Computerprogramme. Gerade bei elektronischen Medien ist davon auszugehen, dass die Uhrzeit die Zugänglichmachung eines Artikels oder einer Information und damit seine Aktualität angibt.

Für die [X.] ist im Hinblick auf Werbung, die bekanntermaßen einen nicht unerheblichen Beitrag zur Finanzierung von Zeitungsverlagen beiträgt, ein enger beschreibender Bezug zu bejahen und damit das Vorliegen der erforderlichen Unterscheidungskraft zu verneinen, da z.B. Angaben über Sonderangebote oder zu vermietende Wohnungen zeitgebunden sein können. Für Tagesaktionen ist eine Werbung am Morgen angebracht. Wohnungssuchende sind bemüht, die aktuellen Informationen möglichst frühzeitig zu bekommen.

Das gilt auch für die Dienstleistungen der Klassen 38 und 42 , bei denen die Abnehmer möglichst frühzeitige Informationen zum aktuellen Geschehen erwarten. Dass die Markenstelle davon ausgegangen ist, dass dem angemeldeten Zeichen die Unterscheidungskraft für „Datensammlung und –speicherung“ nicht fehlt, obwohl dies [X.]angebote von Informationen umfassen kann, berührt die Schutzversagung nicht.

Dies alles gilt allerdings nicht für die „Organisation und Durchführung von Veranstaltungen“. Soweit eine Zeitung mit dem Titel oder dem Untertitel „8-Uhr Blatt“ insoweit als Veranstalter auftritt, werden die Verbraucher „8-Uhr Blatt“ als Titel und diesen als Hinweis auf Veranstalter oder Sponsor verstehen, so dass hier Unterscheidungskraft vorliegt, weil die Veranstaltung individualisiert wird. „8-Uhr Blatt“ ist für sich gesehen keine beschreibende Angabe einer kulturellen, sportlichen oder unterhaltenden Veranstaltung, wie etwa „[X.]“, oder „[X.]“. Damit besteht insoweit auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht.

Soweit die Anmelderin einer Schutzversagung die Marke „6 UHR [X.]“ entgegen hält, vermag dies nicht zu überzeugen, da es sich hierbei um eine Wort/Bild-Marke handelt, so dass ein direkter Vergleich mit der vorliegenden Wortmarke nicht möglich ist. Auch das genannte „[X.]“ ist unter anderen Gesichtspunkten zu beurteilen.

Meta

27 W (pat) 98/12

08.10.2013

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 08.10.2013, Az. 27 W (pat) 98/12 (REWIS RS 2013, 2230)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2230

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