Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.07.2015, Az. II ZB 1/15

II. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 8273

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 1/15

vom

14. Juli 2015

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der II.
Zivilsenat des [X.] hat am 14.
Juli 2015
durch den
Vorsitzenden [X.]
[X.], die
Richterin
Caliebe
und
die Richter Dr.
Drescher, Born und
Sunder
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der [X.] gegen den Beschluss der 5.
Zivilkammer des [X.] vom 5.
Januar 2015 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
[X.]: bis 500

Gründe:
I.
Die Beklagte ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft, an dem der Kläger als Kommanditist beteiligt ist. Mit seiner Klage hat er die Verurteilung der [X.] zur Auskunft über seine sämtlichen Mitgesellschafter durch Übersendung einer Liste mit ladungsfähiger Anschrift und Beteiligungshöhe begehrt. Das Amtsgericht hat der Klage stattge-geben. Das Berufungsgericht hat die gegen das erstinstanzliche Urteil gerichte-te Berufung der [X.] mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen. Zuvor hatte es die Beklagte unter Setzung einer Frist zur Stellung-nahme darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung gemäß §
522 Abs.
1 ZPO wegen Nichterreichens der Berufungssumme des §
511
Abs.
2 Nr.
1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Gegen den Verwerfungsbeschluss rich-tet sich die Rechtsbeschwerde der [X.].
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II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz
4 ZPO statthaft; sie ist aber nicht zulässig, weil die Sache entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde keine Entscheidung des Senats zur Siche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung (§
574 Abs.
2 Nr.
2 Alt.
2 ZPO) erfor-dert und der [X.]
durch den Beschluss des Berufungsgerichts der Zugang zur Rechtsmittelinstanz auch nicht in unzumutbarer, aus [X.] nicht zu rechtfertigender Weise erschwert wird, der Beschluss sie deshalb
nicht in ihrem Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art.
2 Abs.
1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt.
1.
Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, die Auffassung des Be-rufungsgerichts, die ausgeurteilte Verpflichtung der [X.] zur Übersendung einer Liste ladungsfähiger Anschriften sei als Verpflichtung zur Mitteilung der bei der [X.] vorhandenen Anschriften der Gesellschafter zu verstehen, beruhe auf einer versteckten Divergenz, ist ein Rechtsanwendungsfehler des Berufungsgerichts, der ein Eingreifen des [X.] erforderlich ma-chen würde, nicht ersichtlich.
a)
Der Zulassungsgrund
des §
574 Abs.
2 Nr.
2 Alt.
2 ZPO ist gegeben, wenn einem Gericht bei der Anwendung von Rechtsnormen Fehler unterlaufen sind, die die Wiederholung durch dasselbe Gericht oder die Nachahmung durch andere Gerichte erwarten lassen, und wenn dadurch so schwer
erträgliche Un-terschiede in der Rechtsprechung zu entstehen oder fortzubestehen drohen, dass eine höchstrichterliche Leitentscheidung notwendig ist (st. Rspr., vgl. nur [X.], Beschluss vom 28.
September 2010 -
VI
ZB
85/08, VersR
2011, 236 Rn.
10 mwN).

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b)
Einen solchen Fehler des Berufungsgerichts bei der Anwendung des §
511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf.

aa) Einen verdeckten Obersatz des Inhalts, dass zur Auslegung einer Ur-teilsformel auch Schriftstücke herangezogen werden können, die nicht Bestand-teil des Titels geworden sind, hat das Berufungsgericht nicht aufgestellt. Die nach Ansicht der Rechtsbeschwerde unzulässige Berücksichtigung des [X.] des Amtsgerichts zur Anhörungsrüge der [X.] durch das [X.] im Rahmen der Auslegung der Urteilsformel würde, wenn man der Ansicht der Rechtsbeschwerde folgen wollte, lediglich einen einfachen Rechts-anwendungsfehler darstellen, der ein Eingreifen des Senats nicht erfordert. [X.], dass das Berufungsgericht bei der Auslegung von Urteilsformeln im Zu-sammenhang mit der Bewertung der Urteilsbeschwer in ständiger Praxis die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht berücksichtigt, was zur Darlegung ei-ner verdeckten Obersatzabweichung erforderlich ist (vgl. [X.], Beschluss vom 23. März 2011 -
IX ZR 212/08, [X.], 1196
Rn. 5), fehlt es in der [X.] an jeglichen Ausführungen.
bb) Im Übrigen hat das Berufungsgericht den Tenor der amtsgerichtli-chen Entscheidung entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde rechtsfehler-frei ausgelegt. Es hat zur Auslegung keine Schriftstücke herangezogen, die nicht Bestandteil des Titels waren. Das Berufungsgericht hat den Umfang der Verurteilung der [X.] durch Auslegung des Tenors unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils festgestellt und lediglich ergänzend darauf hingewiesen, dass dieses Ergebnis
in Übereinstimmung mit der Ansicht des Amtsgerichts
steht, wie sie in dessen
Beschluss zur Anhö-rungsrüge der [X.] zum Ausdruck gekommen ist.
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-

2. Die Bewertung der Beschwer durch das Berufungsgericht ist auch im Übrigen nicht ermessensfehlerhaft.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] bemisst sich der gemäß §§
2, 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzende Beschwerde-wert für das Rechtsmittel der zur Auskunftserteilung verurteilten Person nach ihrem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei ist im [X.] darauf abzustellen, welchen Aufwand an Zeit und Kosten die Erteilung der Auskunft erfordert und ob die verurteilte [X.] ein schützenswertes Interesse daran hat, bestimmte Tatsachen vor dem Gegner geheim zu halten (st. Rspr., siehe nur [X.], Beschluss vom 15.
Juni 2011 -
II
ZB
20/10, WM
2011, 1335 Rn.
3 mwN).
Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Bemessung der Beschwer nur darauf überprüfen, ob das Berufungsgericht von dem nach §
3 ZPO eingeräum-ten Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn das Gericht bei der Bewertung des Beschwerdege-genstands maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt oder erhebliche Tatsachen unter Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht (§
139 ZPO) nicht festgestellt hat (st. Rspr., siehe nur [X.], Beschluss vom 15.
Juni 2011 -
II
ZB
20/10, WM
2011, 1335 Rn.
4 mwN).
Denn
der Sinn des dem [X.] eingeräumten Ermessens würde verfehlt, wenn das [X.] berechtigt und verpflichtet wäre, ein vom Berufungsgericht feh-lerfrei ausgeübtes Ermessen durch eine eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen.
b) Gemessen hieran ist die Bewertung der Beschwer durch das [X.] nicht rechtsfehlerhaft. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwer-8
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de hat das Berufungsgericht alle maßgeblichen Tatsachen verfahrensfehlerfrei berücksichtigt. Es ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Beklagte verurteilt worden ist, Auskunft über Namen, Anschriften und Beteiligungshöhe der Mitgesellschafter des [X.] in dem Umfang zu erteilen hat, wie die Anga-ben
aus den bei ihr vorhandenen Unterlagen ersichtlich sind,
und sie nicht
etwa, wie die Beklagte meint, verpflichtet ist, vor Auskunftserteilung die [X.] vorhandenen Anschriften der Gesellschafter durch Anfragen beim Einwohneranmeldeamt zu klären, weil sie nur so Auskunft über die

chriften erteilen könne.

aa) [X.], wenn sie meint, der Begriff "ladungsfähi-ge Anschrift" sei in der Rechtssprache fest umrissen und gehe nach dem Leit-bild des §
180 ZPO davon aus, dass es sich um die Anschrift handele, unter der eine Person tatsächlich angetroffen wird. Vielmehr ist in der Rechtsprechung des [X.] geklärt, dass für das Verständnis der Bestimmungen
in den jeweiligen [X.] ausschließlich prozessuale Erwägungen maßgeblich sind, die außerhalb der
Prozessordnung für die Auslegung eines entsprechenden Begriffs
-
wie hier der ladungsfähigen Anschrift
-
keine Rolle spielen (vgl. nur [X.], Urteil vom 11. April 2002 -
I
ZR
306/99, WM
2002, 1352 Rn.
22).
bb) Die Rechtsbeschwerde nimmt bei ihrer eigenen, für zutreffend gehal-tenen Auslegung der Urteilsformel weiter
nicht in den Blick, dass die Beklagte ausweislich der bei der Auslegung zu berücksichtigenden Urteilsbegründung zur Auskunftserteilung anstelle einer Einsichtnahme des [X.] in die [X.] der [X.] verurteilt worden ist. Das Auskunftsrecht des Gesellschafters geht aber nicht weiter als dessen Einsichtsrecht. Grundsätzlich hat ein Gesellschafter, worauf auch das Amtsgericht abgestellt hat, lediglich 12
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einen Anspruch auf Einsicht in die bei der Gesellschaft vorhandenen [X.] (vgl. §
716
Abs. 1
BGB, §
118 Abs. 1 HGB).
Entsprechendes ist hier in §
8 Abs.
2 des Gesellschaftsvertrags der [X.] geregelt. An die Stelle dieses Einsichtsrechts des Gesellschafters in die bei der Gesellschaft vorhandenen Unterlagen tritt das Auskunftsrecht, wenn die erforderlichen In-formationen in einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert sind. In diesem Fall kann der Gesellschafter zum Zwecke der Unterrichtung einen Ausdruck über die bei der Gesellschaft vorhandenen Informationen verlangen ([X.], [X.] vom 21.
September 2009 -
II
ZR
264/08, ZIP
2010, 27 Rn.
8
f.; Urteil vom 11.
Januar 2011 -
II
ZR
187/09, ZIP
2011, 322 Rn.
19 mwN).
-
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cc) Dagegen, dass die Übersendung einer Liste mit den
bei ihr vorhan-denen Angaben für die Beklagte keinen Aufwand erfordert, der über dem vom Berufungsgericht angenommenen Wert von höchstens 500

liegt, bringt die Rechtsbeschwerde keine Einwände vor.

Bergmann

Caliebe

Drescher

Born

Sunder
Vorinstanzen:
[X.] ([X.]), Entscheidung vom 28.05.2014 -
72 C 1222/13 -

LG [X.], Entscheidung vom 05.01.2015 -
5 [X.]/14 -

14

Meta

II ZB 1/15

14.07.2015

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.07.2015, Az. II ZB 1/15 (REWIS RS 2015, 8273)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8273

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

II ZB 29/14

Zitiert

IX ZR 212/08

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