Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.04.2022, Az. 2 WDB 4/22

2. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2022, 5041

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Gegenstand

Vorläufige Dienstenthebung und vorläufiges Uniformtrageverbot wegen des Vorwurfs des Erweisens des Hitlergrußes


Tenor

Die Beschwerde des Soldaten gegen den Beschluss der [X.] des Truppendienstgerichts Süd vom 18. Januar 2022 wird zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Beschwerde richtet sich gegen eine vorläufige Dienstenthebung und ein vorläufiges Uniformtrageverbot.

2

1. Der ... geborene Soldat trat 2006 in die [X.] ein. Er ist Hauptfeldwebel und gehört der ... an.

3

2. Der Kommandeur ... leitete gegen ihn mit Verfügung vom 4. Februar 2021 ein gerichtliches Disziplinarverfahren wegen folgenden Vorwurfs ein:

"Sie tätigten während der Feier anlässlich des Abschlusses eines [X.] sowie Ihrer Ausbildung zum Ausbildungsleiter zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt, vermutlich zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr, am Abend des 5. oder 6. Juni 2018 in der Poolanlage des ... Hotels in ..., [X.] in Anwesenheit weiterer Gäste auch niedrigeren Dienstgrades den sogenannten 'Hitlergruß'."

4

Zugleich ordnete er die vorläufige Dienstenthebung und ein vorläufiges Uniformtrageverbot an. Mit Bescheid vom 15. März 2021 lehnte er den Antrag des Soldaten auf Aufhebung dieser Nebenentscheidungen ab.

5

3. [X.] hat mit Beschluss vom 18. Januar 2022 den Antrag des Soldaten auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.

6

4. Mit seiner hiergegen erhobenen Beschwerde bestreitet der Soldat die ihm zur Last gelegte Tat. Der Vorwurf stütze sich auf eine detailarme Aussage des Zeugen [X.]. Dieser habe lediglich ausgesagt, er - der Soldat - habe den gestreckten Arm nach oben geführt und damit den Hitlergruß gezeigt. Es sei nicht aufgeklärt worden, ob es sich tatsächlich um den Hitlergruß gehandelt habe. Es gebe zahlreiche unverfängliche Gesten, die einem Hitlergruß ähnelten, z.B. den olympischen Gruß, den "bellamy salute" oder militärische Richtungsanzeigen. Gegen die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage spreche, dass der Zeuge den angeblichen Vorfall erst zwei Jahre später gemeldet habe. Auch habe der Zeuge [X.] gezeigt. Im vorliegenden Verfahren trete er als Anzeigeerstatter auf und habe ausgesagt, dem weiteren Zeugen [X.] die Angelegenheit am Folgetag erzählt zu haben, während in einem Parallelverfahren gegen einen anderen Soldaten wegen des gleichen Vorwurfs [X.] als Anzeigeerstatter aufgetreten sei und den Vorfall am Folgetag dem Zeugen [X.] erzählt haben wolle. Dieser habe sich von seiner Aussage möglicherweise Vorteile in einem Bewerbungsverfahren beim [X.] versprochen. Für einen [X.] spreche auch die von der Führung erwünschte Aufdeckung rechtsextremer Vorfälle im ... [X.] habe zu Unrecht ein Motiv für die Tat in einer Provokation von Angehörigen der [X.] durch Anspielungen auf die sogenannte "Schweinekopf-Party" gesehen; derartige Frotzeleien sprächen eher für eine negative Bewertung des Hitlergrußes seinerseits. Die auf seinem Handy ausgelesenen Chatinhalte dürften nicht verwertet werden, weil das Handy nicht wirksam beschlagnahmt worden sei. Für einen Zugriff darauf habe kein Anlass bestanden. Denn es hätten keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass sich darauf Aufnahmen der vorgeworfenen Handlung befunden haben könnten.

7

5. Der Vorsitzende der Truppendienstkammer hat der Beschwerde mit Beschluss vom 14. März 2022 nicht abgeholfen und sie dem [X.] zur Entscheidung vorgelegt.

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6. Der [X.]disziplinaranwalt hält die Beschwerde für unbegründet. Die Aussagen des Zeugen [X.] seien eindeutig und widerspruchsfrei. [X.] seien nicht zu erkennen. Der Zeuge habe nur deshalb erst zwei Jahre später gegen den Soldaten ausgesagt, weil er in einem anderen Ermittlungsverfahren zu seiner Wahrnehmung insgesamt befragt worden sei. Der Soldat habe jedenfalls vorsätzlich gegen § 8 Alt. 2 SG verstoßen. Es stehe zu erwarten, dass gegen ihn die [X.], zumindest aber eine Dienstgradherabsetzung verhängt werde.

9

7. Das sachgleiche staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wegen einer Straftat nach § 86a StGB wurde mit Verfügung vom 25. März 2021 mangels hinreichenden Tatverdachts eines "öffentlichen" Verwendens eines Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da es sich um eine interne Abschlussfeier gehandelt habe.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die vorläufige Dienstenthebung und das vorläufige Uniformtrageverbot sind im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Dezember 2020 - 2 [X.] 9.20 - [X.] 450.2 § 126 [X.] 2002 [X.]r. 13 Rn. 11) bei der im vorläufigen Verfahren gemäß § 126 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. § 114 Abs. 3 Satz 2 [X.] nur summarisch möglichen Prüfung der Sachlage rechtmäßig.

1. Dies gilt zunächst in formeller Hinsicht. Die Anordnungen beruhen auf der Ermächtigungsgrundlage des § 126 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] und wurden in der Einleitungsverfügung unter Berücksichtigung der ergänzenden Erwägungen der Einleitungsbehörde im Bescheid vom 15. März 2021 und im Schriftsatz vom 20. Juli 2021 ausreichend begründet (§§ 39, 45 Abs. 1 [X.]r. 2, Abs. 2 VwVfG).

2. Sie sind auch materiell rechtmäßig. [X.]ach § 126 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann die Einleitungsbehörde einen Soldaten vorläufig des Dienstes entheben, wenn das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wird oder eingeleitet worden ist. Mit der vorläufigen Dienstenthebung kann gemäß § 126 Abs. 1 Satz 2 [X.] das Verbot verbunden werden, Uniform zu tragen. Die Anordnungen müssen auf einer wirksamen Einleitungsverfügung beruhen, von einem besonderen, sie rechtfertigenden Grund getragen und nach pflichtgemäßem Ermessen ergangen sein (vgl. [X.], Beschluss vom 17. März 2005 - 2 [X.] 1.05 - [X.] 235.01 § 126 [X.] 2002 [X.]r. 2 S. 5).

a) An der Rechtswirksamkeit der Einleitungsverfügung bestehen keine Zweifel.

b) Der für Anordnungen nach § 126 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] erforderliche besondere Grund liegt ebenfalls vor.

Das Erfordernis eines besonderen rechtfertigenden Grundes beruht darauf, dass das Gesetz nicht stets bei der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens die in § 126 Abs. 1 [X.] vorgesehenen Maßnahmen anordnet, sondern dafür eine behördliche Einzelfallprüfung vorsieht. Aus § 126 Abs. 2 [X.], wonach eine Einbehaltensanordnung nur bei einer voraussichtlich zu verhängenden [X.] ergehen darf, folgt im Umkehrschluss, dass für den Erlass von [X.] nach § 126 Abs. 1 [X.] die [X.] nicht zwingend zu erwarten sein muss (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Januar 2006 - 2 [X.] 6.05 - [X.] 450.2 § 126 [X.] 2002 [X.]r. 3 Rn. 27). Daher kommt ein besonderer Grund bei Anordnungen nach § 126 Abs. 1 [X.] regelmäßig bereits dann in Betracht, wenn eine Dienstgradherabsetzung oder die schwerste Disziplinarmaßnahme im Raum steht und der Dienstbetrieb bei einem Verbleib des Soldaten im Dienst empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Juli 2020 - 2 [X.] 5.20 - [X.] 450.2 § 126 [X.] 2002 [X.]r. 12 Rn. 24). Diese Voraussetzungen liegen vor.

aa) [X.] hat mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Dienstvergehen begangen. Insoweit ist es nicht erforderlich, dass das vorgeworfene Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen und aufgeklärt ist. Da bei gerichtlichen Überprüfungen von Maßnahmen nach § 126 [X.] für eingehende Beweiserhebungen kein Raum ist, beschränkt sich die Prüfung des Sachverhalts auf die Frage, ob anhand des bisherigen Ermittlungsergebnisses unter Berücksichtigung der vorhandenen Beweismittel und von Rückschlüssen, die durch die allgemeine Lebenserfahrung gerechtfertigt sind, zumindest der hinreichend begründete Verdacht eines Dienstvergehens besteht (vgl. [X.], Beschluss vom 31. März 2020 - 2 [X.] 2.20 - [X.] 450.2 § 126 [X.] 2002 [X.]r. 11 Rn. 33 m.w.[X.]). Dies ist der Fall:

(1) In tatsächlicher Hinsicht ergeben sich aus den Aussagen des [X.] vom 29. September 2020 und vom 25. März 2021 und des [X.] vom 8. Juni 2021 zureichende Anhaltspunkte dafür, dass der Soldat im Rahmen der Ausbildung ..., die laut Akte vom 4. Mai bis 8. Juni 2018 stattfand, allerdings wohl vor dem 1. Juni 2018 - die in der Einleitungsverfügung genannten Daten (5. oder 6. Juni 2018) werden angesichts der Zeugenaussagen nochmals zu prüfen sein - bei einer Abschlussfeier in der Poolanlage des ... Hotels in ..., .../USA in Anwesenheit von Ausbildern und Lehrgangsteilnehmern auf der Innenbank des Whirlpools stehend den sogenannten Hitlergruß zeigte.

Die beiden etwa ein halbes Jahr auseinanderliegenden Aussagen des [X.] sind in sich stimmig und wirken auch nicht detailarm. Die von ihm geschilderten Rahmenumstände stimmen mit der Aussage des [X.] überein.

Dass dieser den angeschuldigten Vorfall selbst nicht bemerkt hat, besagt nicht zwingend, dass es den Vorfall nicht gab. Denn der Zeuge [X.] hat erläutert, dass der Zeuge Hauptfeldwebel C dem Soldaten während des Vorfalls den Rücken zugewandt habe.

Soweit der Soldat einwendet, es gebe Gesten, die mit dem Hitlergruß verwechselt werden könnten, hat der Zeuge [X.] bekundet, es habe sich eindeutig um den Hitlergruß mit ausgestrecktem Arm und ausgestreckter Hand gehandelt, man hätte es nicht falsch interpretieren können.

Anhaltspunkte für eine möglicherweise verzerrte Wahrnehmung aufgrund Alkoholkonsums des [X.] bestehen nicht. Vielmehr hat der Zeuge Hauptfeldwebel C ausgesagt, dass der Zeuge [X.] sehr diszipliniert sei, was den Alkoholkonsum angehe.

Für einen Belastungseifer des [X.] ist ebenfalls nichts ersichtlich. Vielmehr hat er den Soldaten insoweit entlastet, als dass er weiter ausgesagt hat, der Vorfall passe hinsichtlich des Soldaten nicht in ein Muster und er könne sich nicht erklären, weshalb der Soldat dies gemacht habe. Gegen einen Belastungseifer spricht ferner, dass der Zeuge den Vorfall erst in einer zwei Jahre späteren Vernehmung zu anderen extremistischen Vorfällen anzeigte. Für die Mutmaßungen des Soldaten, der Zeuge [X.] habe sich durch eine Falschaussage für ein Bewerbungsverfahren beim [X.] profilieren wollen, liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor.

Dass der Zeuge [X.] bereits in einem einen anderen Soldaten betreffenden Verfahren als Belastungszeuge aufgetreten ist, steht seiner Glaubwürdigkeit im vorliegenden Verfahren nicht entgegen. Es liegen auch keine Hinweise für ein absprachegemäßes Vorgehen mit dem weiteren Zeugen [X.] vor, der in jenem anderen Verfahren ebenfalls als Zeuge aufgetreten sein soll. Vielmehr hat dieser im vorliegenden Verfahren ausgesagt, den Soldaten nicht beim Ausführen des Hitlergrußes gesehen zu haben, weil er die Party früh verlassen habe; er hat bei seiner Vernehmung auch keine Ausführungen dazu gemacht, dass ihm von dem Vorfall seitens des [X.] berichtet worden sei.

Das sachgleiche Strafverfahren gegen den Soldaten wurde nicht wegen erwiesener Unschuld eingestellt, sondern weil ein hinreichender Tatverdacht eines "öffentlichen" Verwendens eines verbotenen Kennzeichens wegen des internen Charakters der Abschlussfeier verneint wurde.

Das vom [X.] angeführte mögliche Motiv des Soldaten für die Tat - eine vom [X.] beobachtete Provokation von ebenfalls im Whirlpool befindlichen Angehörigen der [X.] durch Anspielungen auf die sogenannte "Schweinekopf-Party" - ist nicht abwegig, sondern könnte eine schlüssige Erklärung für die Tathandlung sein.

Das [X.] hat auch zutreffend aufgezeigt, dass sich aus dem Bericht über die Auswertung der Chatverläufe auf dem bei der Durchsuchung beim Soldaten sichergestellten Handy Hinweise auf eine verfassungsfeindliche Gesinnung des Soldaten ergeben, welche die Tat als Ausdruck einer bereits über Jahre hinweg verfestigten rechtsextremen Überzeugung erscheinen lassen könnten. So sandte er u.a. am 12. September 2014 die [X.]achricht "[X.] aus der 3.", am 26. September 2014 ein "Bob der Gauleiter-Bild", am 13. Januar 2016 die Bemerkung "Braun wie unsere Gesinnung" und am 13. April 2017 den Text "[X.]achts, in ihre Scheiss kanacken Köpfe schießen!!! Und ab in dein See.". Diese Chatinhalte unterliegen entgegen der Annahme des Soldaten aller Voraussicht nach keinem Beweisverbot, weil für eine grobe Verkennung oder bewusste Missachtung der Rechtslage (vgl. [X.], [X.] vom 13. Mai 2015 - 2 BvR 616/13 - juris Rn. 41 f.) bei der richterlichen Anordnung der Durchsuchung vom 29. Oktober 2020 oder ihrer Durchführung am 18. [X.]ovember 2020 nichts ersichtlich ist. Vielmehr hat der Soldat in seiner Vernehmung unmittelbar vor der Durchsuchung nach Belehrung über die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Verteidigers erklärt, bereit zu sein, freiwillig sein Handy und seine private IT für eine Beschlagnahme und Untersuchung durch Fachpersonal zur Verfügung zu stellen und einer Durchsuchung seiner Unterkunft und weiterer Orte zuzustimmen. Da bislang keiner der Zeugen eine verfassungsfeindliche Einstellung des Soldaten bestätigt hat, wird allerdings bei den weiteren Ermittlungen zu klären sein, ob sich die vorliegenden Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Gesinnung zu einer hinreichenden Gewissheit erhärten. Bislang ist nicht aufgeklärt, inwiefern die Äußerungen ernsthaft gemeint und Ausdruck einer entsprechenden inneren Gesinnung sind.

(2) [X.] hätte im Fall der Erweislichkeit des Vorwurfs ein Dienstvergehen begangen, weil er schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt hätte.

(a) Darin läge, wenn das Zeigen des Hitlergrußes Ausdruck einer verfassungsfeindlichen Gesinnung war, eine vorsätzliche Verletzung seiner Pflicht nach § 8 Alt. 1 [X.], die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anzuerkennen, und der Pflicht nach § 8 Alt. 2 [X.], durch sein gesamtes Verhalten für deren Einhaltung einzutreten. Damit einher ginge ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht nach § 17 Abs. 2 [X.]. Sollte das Zeigen des Hitlergrußes nicht Ausdruck einer verfassungsfeindlichen Gesinnung gewesen sein, läge darin ein vorsätzlicher Verstoß gegen § 8 Alt. 2 [X.] und § 17 Abs. 2 [X.]. Denn die Pflicht nach § 8 Alt. 2 [X.] wird bereits verletzt, wenn ein Soldat sich nicht eindeutig von Bestrebungen distanziert, die diesen Staat und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren. Wer auf einer bundeswehrinternen Feier den Hitlergruß ausführt, verherrlicht aus Sicht eines neutralen Betrachters die Gewalt- und Willkürherrschaft des [X.]azi-Regimes, begründet objektiv den Anschein, er stehe nicht mehr hinter dem Staat des Grundgesetzes, und verletzt damit die Pflicht, sich von derartigen Bestrebungen zu distanzieren (vgl. [X.], Urteil vom 14. Januar 2021 - 2 [X.] 7.20 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 [X.]r. 89 Rn. 28 m.w.[X.].).

(b) Hinreichende Anhaltspunkte für eine zum Ausschluss der Schuld führenden Alkoholisierungsgrad liegen nicht vor. Zwar war der Soldat nach den übereinstimmenden Aussagen der dazu vernommenen Zeugen bei der betreffenden Feier stark alkoholisiert. Er hat aber nach den Angaben des [X.] aufrecht und selbständig zu Bett gehen können und sei weder "im Delirium" noch "total besoffen" gewesen.

bb) Für das Dienstvergehen stünde jedenfalls eine Dienstgradherabsetzung im Raum. Der Senat geht bei der Verletzung der politischen Treuepflicht nach § 8 [X.] durch das Zeigen eines Hitlergrußes grundsätzlich von der [X.] aus, wenn es Ausdruck einer [X.] Gesinnung ist (vgl. [X.], Urteil vom 18. Juni 2020 - 2 [X.] 17.19 - Rn. 44 m.w.[X.].). Erweist ein Soldat den Hitlergruß, ohne dass damit eine entsprechende Gesinnung einhergeht, hält der Senat regelmäßig eine Dienstgradherabsetzung für geboten (vgl. [X.], Urteil vom 14. Januar 2021 - 2 [X.] 7.20 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 [X.]r. 89 Rn. 35 m.w.[X.].).

Mildernde Umstände solchen Gewichts, dass auf der zweiten Stufe der Zumessungserwägungen ein Übergang zu einer milderen Maßnahmeart veranlasst wäre, sind bislang nicht ersichtlich. Zwar wäre die enthemmende Wirkung einer Alkoholisierung auch schon im Vorstadium des § 21 StGB schuldmildernd zu berücksichtigen, wenn der Soldat wegen einer Alkoholerkrankung schuldlos Alkohol konsumiert und wegen dieses Zustandes das Dienstvergehen begangen hätte (vgl. [X.], Urteil vom 19. Juni 2019 - 2 [X.] 21.18 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 [X.]r. 65 Rn. 35). Aus den Akten ergeben sich aber keine Hinweise auf eine Alkoholerkrankung. In einem solchen Fall verbleibt es bei dem Grundsatz, dass ein Soldat, der sich schuldhaft alkoholisiert und sich damit in einen zum Dienstvergehen führenden Zustand versetzt, dafür verantwortlich bleibt (vgl. [X.], Urteil vom 20. Januar 2022 - 2 [X.] 2.21 - juris Rn. 43 m.w.[X.].).

cc) Der Dienstbetrieb würde bei einem Verbleib des Soldaten im Dienst auch empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet. Zwar hat der Soldat mehr als zwei Jahre nach dem angeschuldigten Vorfall seinen Dienst weiter in dem ... verrichtet, ohne dass gewichtige Spannungen in seiner Einheit festgestellt worden wären. Durch das Bekanntwerden des Vorfalls hat der Soldat jedoch das Vertrauen seiner Vorgesetzten in seine Integrität verloren. Ein Belassen des Soldaten in seiner dienstlichen Verwendung schadet zum einen dem Ansehen der [X.], die sich in der letzten Zeit - insbesondere im Zusammenhang mit dem ... - des Vorwurfs erwehren muss, rechtsradikalen Umtrieben nicht energisch genug entgegenzutreten; zum anderen bewirkt er nach innen eine Gefährdung bzw. Störung des Dienstbetriebs, weil dadurch der Eindruck einer Bagatellisierung entsteht (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Juli 2020 - 2 [X.] 5.20 - [X.] 450.2 § 126 [X.] 2002 [X.]r. 12 Rn. 45).

c) Die Anordnungen der vorläufigen Dienstenthebung und des [X.] sind schließlich auch ermessensfehlerfrei. Die Entscheidung, einen Soldaten, dessen Verfassungstreue ernsthaft in Zweifel steht, vorübergehend auf keinem Dienstposten einzusetzen und ihn vorübergehend keine Uniform tragen zu lassen, ist nicht sachwidrig. Dem Soldaten werden dadurch auch keine [X.]achteile zugefügt, die außer Verhältnis zu dem Interesse des Dienstherrn stehen, den Soldaten, der eines schwerwiegenden Dienstvergehens hinreichend verdächtig ist, bis zur endgültigen Klärung des Vorwurfs von der Dienstausübung und dem Tragen der Uniform auszuschließen ([X.], Beschluss vom 9. Oktober 2019 - 2 [X.] 3.19 - [X.] 450.2 § 126 [X.] 2002 [X.]r. 8 Rn. 27).

3. Einer Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bedurfte es nicht. Diese werden von der zur Hauptsache ergehenden Kostenentscheidung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens mit erfasst.

Meta

2 WDB 4/22

26.04.2022

Bundesverwaltungsgericht 2. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WDB

vorgehend Truppendienstgericht Süd, 18. Januar 2022, Az: S 9 GL 01/21, Beschluss

§ 8 Alt 1 SG, § 8 Alt 2 SG, § 17 Abs 2 SG, § 21 StGB, § 170 Abs 2 StPO, § 114 Abs 3 S 2 WDO 2002, § 126 Abs 1 S 1 WDO 2002, § 126 Abs 1 S 2 WDO 2002, § 126 Abs 2 WDO 2002, § 126 Abs 5 S 3 WDO 2002

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.04.2022, Az. 2 WDB 4/22 (REWIS RS 2022, 5041)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5041

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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