Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.07.2021, Az. 5 StR 160/21

5. Strafsenat | REWIS RS 2021, 4341

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Gegenstand

Strafmilderung wegen Aufklärungshilfe bei Betäubungsmitteldelikten: Berücksichtigung einer Tat mit fehlendem Aufklärungserfolg


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. Februar 2021 im Ausspruch über die Einzelstrafe im [X.] der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen einer Reihe von Betäubungsmittelstraftaten unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Gegen die Verurteilung richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s nahm der Angeklagte das Angebot des mit ihm befreundeten, gesondert verfolgten [X.]        an, für ihn gegen Zahlung eines Kurierlohns als Fahrer zum Transport von Marihuana und als Bunkerhalter tätig zu werden. Er führte daraufhin in der [X.] von November 2018 bis Mitte März 2019 neun Fahrten durch, bei denen er jeweils eine Tasche mit sieben Kilogramm Marihuana im Kofferraum eines von ihm geführten PKW zu seiner Wohnung als Bunker oder zur Wohnung eines anderen Bunkerhalters transportierte. Bei seiner zehnten Fahrt am 27. März 2019 wurde das Einladen des Rauschgifts in den PKW unter Beteiligung seines Auftraggebers [X.]        polizeilich beobachtet, und es kam zu einer Kontrolle des Fahrzeugs, in dem eine Gesamtmenge von 17,285 Kilogramm Marihuana sichergestellt wurde.

3

2. Der Angeklagte hat sämtliche zehn Taten eingeräumt. Er hatte sich insoweit bereits im Ermittlungsverfahren umfassend eingelassen und auch Angaben zu seinem Auftraggeber [X.]        gemacht. Das [X.] hat sich von den ersten neun Taten maßgeblich aufgrund der geständigen Angaben des Angeklagten überzeugt. Er habe durch sein frühzeitiges Geständnis dieser Taten im Ermittlungsverfahren „ganz wesentlich“ auch zur Aufklärung der Rolle des gesondert verfolgten [X.]        beigetragen. Unter Berücksichtigung des vertypten [X.] nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG hat das [X.] allein bei der Strafzumessung zu den Taten 1 bis 9 jeweils einen minder schweren Fall gemäß § 29a Abs. 2 BtMG angenommen. Bei [X.] hat es hingegen die Voraussetzungen einer Aufklärungshilfe nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG mit der Begründung verneint, dass diese Tat bereits ohne die Angaben des Angeklagten durch die Maßnahmen der Ermittlungsbehörden auch hinsichtlich des Tatbeitrags des [X.]        aufgeklärt gewesen sei.

II.

4

1. Die Bemessung der Einzelstrafe für [X.] hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn die [X.] ist mit ihrer Begründung für die Nichtanwendung des [X.] des § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG von einem zu engen Anwendungsbereich dieser Vorschrift ausgegangen. Hat ein Angeklagter durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich zur Aufdeckung einer Tat nach den §§ 29 bis 30a BtMG beigetragen, liegen die Voraussetzungen für eine Strafmilderung nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG für alle Taten des Angeklagten vor, die mit der aufgedeckten Tat im Zusammenhang stehen, ohne dass es darauf ankommt, ob auch bezüglich dieser Taten ein wesentlicher Aufklärungserfolg bewirkt worden ist (vgl. [X.], Urteil vom 20. März 2014 - 3 [X.], [X.], 619; Beschlüsse vom 10. April 2013 - 4 [X.], [X.], 281 f.; vom 5. August 2013 - 5 [X.], [X.], 167; vom 14. September 2016 - 4 StR 212/16 mwN).

5

Ein solcher Zusammenhang ist vorliegend gegeben, weil es sich bei den zehn Taten des Angeklagten um eine Folge von Kurierfahrten handelte, die er im Auftrag und strikt nach Anweisung seines Auftraggebers [X.]        durchführte. Soweit sieben der Fahrten auch auf den Verkauf einer anteiligen Menge Marihuana gerichtet waren, waren diese tateinheitlich begangenen [X.] wiederum mit [X.]        abgesprochen. Hatte der Angeklagte aber durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich zur Aufdeckung der Taten 1 bis 9 und der Beteiligung seines Auftraggebers [X.]        an diesen beigetragen, durfte das [X.] die Voraussetzungen des § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG auch für die mit ihnen im Zusammenhang stehende [X.] nicht deshalb verneinen, weil hier ein wesentlicher Aufklärungserfolg nicht bewirkt worden wäre.

6

Die [X.] hätte daher auch im [X.] der Urteilsgründe eine Ermessensentscheidung über die Gewährung der Strafmilderung nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG treffen müssen.

7

2. Das [X.] hat die Ablehnung des minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 BtMG bei [X.] ausdrücklich auch auf die Nichtanwendbarkeit des § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG gestützt. Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil damit (§ 337 Abs. 1 StPO).

8

3. Die Aufhebung des Einzelstrafausspruchs zu [X.] entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.

9

4. Die durch die fehlerhafte Behandlung des § 31 BtMG nicht berührten tatsächlichen Feststellungen können bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende neue Feststellungen sind möglich.

[X.]     

        

Berger     

        

[X.]

        

Resch     

        

von Häfen     

        

Meta

5 StR 160/21

06.07.2021

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Flensburg, 9. Februar 2021, Az: V KLs 106 Js 7510/19

§ 29 BtMG, § 30 BtMG, § 30a BtMG, § 31 S 1 Nr 1 BtMG, § 27 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.07.2021, Az. 5 StR 160/21 (REWIS RS 2021, 4341)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4341

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