Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2016, Az. V ZB 21/16

V. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 8608

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:070716BVZB21.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]
vom

7. Juli 2016

in der Rücküberstellungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
Dublin-III-VO Art. 28 Abs. 2, Art. 2 Buchstabe n, [X.] § 2 Abs. 15
Die Voraussetzungen für die Anordnung von Haft zur Sicherung der Rücküber-stellung im Anwendungsbereich der Verordnung ([X.]) Nr. 604/2013 des Euro-päischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-Verordnung) ergeben sich unmittelbar aus Art. 28 Abs. 2, Art. 2 Buchstabe
n der Dublin-III-Verordnung i.V.m. § 2 Abs. 15 [X.]. Ein Rückgriff auf die in § 62 Abs.
3 Satz 1 [X.] geregelten Haftgründe kommt seit dem Inkrafttreten von §
2 Abs.
15 [X.] nicht in Betracht.

[X.], Beschluss vom 7. Juli 2016 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-

Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 7.
Juli 2016
durch die
Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, [X.], die Richterin
Weinland, [X.] und die Richterin Haberkamp

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5.
Zivilkammer des [X.] vom 15.
Januar 2016
aufgehoben und festgestellt, dass die Anordnung der Haft in dem Beschluss des [X.] vom 25. September 2015 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem [X.] auf-erlegt.

Gründe:
I.
Der Betroffene, ein guinea-bissauischer Staatsangehöriger, reiste Ende 2014 unerlaubt in die [X.] ein. Sein Asylantrag wurde abgelehnt und die Abschiebung nach [X.] angeordnet. Die für den 2.
September 2015 vorgesehene Abschiebung scheiterte. Mit Beschluss vom 25. September 2015 hat das Amtsgericht Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 5. November 2015 angeordnet. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen, der am 27. Oktober 2015 nach [X.] rücküberstellt worden war, hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung wei-ter.
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-
3
-

II.
Nach Ansicht des [X.] hat der Haftrichter die Haftanord-nung zu Recht auf § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 [X.] gestützt. Der Betroffene habe sich in sonstiger Weise der Abschiebung entzogen, da er sich, als er am 2. September 2015 zum Zwecke der Abschiebung in seiner Unterkunft habe abgeholt werden sollen, nicht zu erkennen gegeben habe.

III.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
Rechtsfehlerhaft haben die Vorinstanzen die Haftanordnung auf § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 [X.] ge-stützt.
a) Es handelt sich um die Anordnung von Haft zur Sicherung der Rück-überstellung im Anwendungsbereich der Verordnung ([X.]) Nr. 604/2013 des [X.] und des Rates vom 26. Juni 2013 (fortan: Dublin-III-Verordnung). Grundlage für eine solche Haftanordnung ist nicht § 62 Abs. 3 [X.]. Vielmehr ergeben
sich die Voraussetzungen unmittelbar aus Art. 28 Abs. 2, Art. 2 Buchstabe n der Dublin-III-Verordnung i.V.m. § 2 Abs. 15
[X.] (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2016 -
V [X.], juris Rn. 6). Ein Rückgriff auf die in § 62
Abs. 3
Satz 1 [X.]
geregelten Haftgründe kommt seit dem Inkrafttreten von §
2 Abs.
15 [X.] nicht mehr in Betracht (vgl. BT-Drucks. 18/4097, S. 32).
b) Nach Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung ist Überstellungshaft nur möglich, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig 2
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ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden las-sen. Fluchtgefahr ist nach Art. 2 Buchstabe n der Dublin-III-Verordnung das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragstel-ler, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungs-verfahren läuft, dem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.
Der nationale Gesetzgeber hat in § 2 Abs. 15 [X.] die Anhaltspunkte für die Annahme einer Fluchtgefahr im Sinne von Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung festgelegt. Satz 1 nimmt dabei auf § 2 Abs. 14 [X.] Bezug, der die Anhaltspunkte für eine Fluchtgefahr in den Fällen einer Abschiebung nach der Richtlinie 2008/115/EG ([X.]) regelt.
c) Ob die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung für die Anordnung von Überstellungshaft vorliegen, haben die Vorinstanzen nicht geprüft. Daher
kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Eine Zurückverweisung an das Beschwerdegericht zur Nachholung dieser [X.] kommt nicht in Betracht.
Die
Haft darf nicht auf einen neuen Haftgrund ge-stützt werden, ohne den Betroffenen hierzu persönlich anzuhören;
angesichts der erfolgten Rücküberstellung
ist dies aber nicht mehr möglich.
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5
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IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430
FamFG, Art.
5 [X.]. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 36 Abs.
3 GNotKG.

Stresemann
Ri[X.] [X.] ist infolge
Weinland

Krankheit an der Unterschrift

gehindert.

[X.], den 6. September 2016

Die Vorsitzende

Stresemann

Kazele
Haberkamp
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 25.09.2015 -
29 [X.] (B) 23/15 -

LG [X.], Entscheidung vom 15.01.2016 -
5 [X.]/15 -

7

Meta

V ZB 21/16

07.07.2016

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2016, Az. V ZB 21/16 (REWIS RS 2016, 8608)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8608

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