Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.04.2023, Az. VII R 35/19

7. Senat | REWIS RS 2023, 7327

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Zahlung von Arbeitslohn als anfechtbare Rechtshandlung


Leitsatz

Die Zahlung von Arbeitslohn stellt eine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne der §§ 129 ff. der Insolvenzordnung dar.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom [X.] - 8 K 8260/17 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom [X.] - 8 K 8260/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Dem [X.] wird die Entscheidung über die Kosten der Verfahren übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen der [X.] (Schuldnerin). Auf Antrag der [X.] vom …2015 ordnete das [X.] mit [X.]eschluss vom …2015 zunächst die vorläufige Insolvenzverwaltung an; mit [X.]eschluss vom …2015 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.

2

Die Schuldnerin meldete am …2015 für den Monat … 2015 Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer in Höhe von insgesamt … € an. Die gesamten Nettolöhne überwies die Schuldnerin am …2015, die angemeldete Lohnsteuer zahlte sie nicht.

3

Mit [X.]escheid vom 27.05.2016 setzte der [X.]eklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) die Körperschaftsteuer für 2014 auf … € fest. Nach Abzug der im Jahr 2014 geleisteten Vorauszahlungen ergab sich ein Guthaben in Höhe von … € Körperschaftsteuer sowie … € Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer (insgesamt … €), welches das [X.] auf die Lohnsteuerverbindlichkeiten umbuchte.

4

Am 31.05.2016 erklärte die Klägerin gegenüber dem [X.], dass sie die Aufrechnung für unzulässig halte, und bat um Überweisung des Guthabens zur Masse in Höhe von … € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem [X.]asiszinssatz pro Jahr seit dem …2015. Die Klägerin widersprach der Umbuchung zudem mit einem weiteren Schreiben vom 20.07.2016 (vgl. auch Schreiben vom 08.11.2016 und vom 10.02.2017). Hierbei machte sie nur noch einen [X.]etrag in Höhe von … € geltend, weil sie die Umbuchung bezüglich der Umsatzsteuer 2014 in Höhe von … € anerkannte. Da das [X.] an der Umbuchung festhielt, beantragte die Klägerin am 29.03.2017 den Erlass eines [X.]s.

5

Mit [X.] vom 08.05.2017 rechnete das [X.] entsprechend seiner Umbuchungsmitteilung über Lohnsteuer sowie [X.] zur Lohnsteuer für … 2015 ab. Angaben zur begehrten Zinsfestsetzung enthielt der [X.]escheid nicht.

6

Mit Einspruchsentscheidung vom 13.09.2017 wies das [X.] den Einspruch der Klägerin gegen den [X.] zurück, weil die Aufrechnung nicht gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 der Insolvenzordnung ([X.]) unzulässig sei. Die streitgegenständliche Aufrechnungslage beruhe nicht auf einer anfechtbaren Rechtshandlung, da die Lohnsteuer im Zeitpunkt der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen kraft Gesetzes entstehe und es auf den Willen des Steuerpflichtigen nicht ankomme. Das weite Verständnis der Klägerin vom [X.]egriff der Rechtshandlung führe zu einem vollständigen Ausschluss der Aufrechnung von Steuerforderungen im Insolvenzfall. Zu den von der Klägerin begehrten Zinsen enthielt die Einspruchsentscheidung keine Ausführungen.

7

Dagegen erhob die Klägerin Klage und begehrte einen Auszahlungsbetrag in Höhe von … € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen [X.]asiszinssatz pro Jahr seit dem …2015.

8

Das Finanzgericht ([X.]) änderte den [X.] vom 08.05.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend, dass ein Auszahlungsbetrag in Höhe von … € festgestellt wurde, und wies die Klage im Übrigen ab. Nach seiner Auffassung war die Aufrechnung durch das [X.] unwirksam, weil dieser ein insolvenzrechtliches Aufrechnungsverbot entgegenstand. Die strittigen Guthaben zur Körperschaftsteuer und zum Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 2014 resultierten aus [X.] für den Veranlagungszeitraum 2014. Der Erstattungsanspruch der Schuldnerin sei in voller Höhe durch diese Vorauszahlungen unter der aufschiebenden [X.]edingung entstanden, dass am 31.12.2014 (Ende des [X.]esteuerungszeitraums) die geschuldete Steuer geringer sei als die Vorauszahlung. Der Aufrechnung stehe jedoch § 96 Abs. 1 Nr. 3 [X.] entgegen. Im Streitfall liege eine Rechtshandlung im Sinne von § 129 Abs. 1 [X.] vor, weil die Anstellung der Arbeitnehmer durch die Schuldnerin und die [X.]ezahlung der Arbeitslöhne vom Willen getragenes Handeln darstellten, das rechtliche Wirkungen auslöse und das Vermögen der Schuldnerin zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändert habe. Das [X.] habe keinen Anspruch auf diese Rechtshandlungen gehabt.

9

Die Klage auf Erweiterung des [X.]s in [X.]ezug auf die Zinsen sei unzulässig, weil es insoweit an dem erforderlichen Vorverfahren fehle. Das [X.] habe noch nicht rechtsmittelfähig über den Zinsanspruch entschieden.

Das [X.] ließ im Tenor der Vorentscheidung die Revision zu. In der Rechtsmittelbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass die Nichtzulassung der Revision durch [X.]eschwerde angefochten werden könne. Der [X.]erichterstatter hielt nach einer Nachfrage des [X.] in einem Vermerk vom [X.] fest, dass die Revision zugelassen werden sollte.

Die Vorentscheidung wurde dem [X.] am 27.09.2019 mit [X.] zugestellt.

Der Klägerin wurde die Vorentscheidung am [X.] mit [X.] zugestellt, nachdem sie dem [X.] mit Schreiben vom [X.] mitgeteilt hatte, dass ihr das Urteil bislang nicht zugestellt worden sei.

[X.]eide [X.]eteiligte legten gegen das Urteil des [X.] Revision ein.

Das [X.] begründet seine Revision mit der Verletzung materiellen [X.]undesrechts. Der [X.]undesgerichtshof ([X.]GH) habe im Zusammenhang mit einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme entschieden, dass es an einer Rechtshandlung fehle, wenn der Schuldner trotz der Vollstreckungsmaßnahme seinen Geschäftsbetrieb in der bisher geübten Weise fortsetze. Diese Rechtsprechung sei auf den Streitfall übertragbar und treffe auf alle Anfechtungstatbestände der §§ 130 ff. [X.] zu. Die Aufrechnung sei daher schon mangels anfechtbarer Rechtshandlung nicht zu beanstanden. Es seien aber auch die weiteren Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 i.V.m. § 131 [X.] nicht gegeben. Da die Hauptforderung der Klägerin gegen das [X.] bereits bestanden habe, als die Gegenforderung begründet worden sei, habe es auf die Möglichkeit der Tilgung einer noch entstehenden Forderung gegen die Schuldnerin durch Aufrechnung vertrauen dürfen. Entstehe in der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation eine Aufrechnungslage, stelle dies allenfalls einen Fall der kongruenten Deckung gemäß § 130 [X.] dar. Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit der Klägerin und dazu, wann es --das [X.]-- davon Kenntnis erhalten habe, habe das [X.] jedoch nicht getroffen. Im Übrigen sei auch das Erfordernis der Monatsfrist nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] nicht erfüllt, weil nicht erkennbar sei, dass die Anstellung der Arbeitnehmer in dem Zeitraum von einem Monat vor [X.] erfolgt sei. Auf die Gehaltszahlungen könne nicht abgestellt werden, weil es sich dabei nur um die Erfüllung der bereits bestehenden und früher begründeten vertraglichen Pflichten der Klägerin handele. Zur Frage der Verzinsung habe sich das [X.] weder im [X.] noch in der Einspruchsentscheidung geäußert, sodass es den Antrag auf Zahlung von Zinsen nicht konkludent abgelehnt habe.

Das [X.] beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben wurde, und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision des [X.] zurückzuweisen.

Darüber hinaus beantragt die Klägerin sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen wurde, und den [X.] vom 08.05.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.09.2017 dahingehend zu ändern, dass ein Auszahlungsbetrag in Höhe von … € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten pro Jahr über dem jeweiligen [X.]asiszinssatz seit dem …2015 festgestellt werde.

Die Klägerin begründet ihre Revision ebenfalls mit der Verletzung materiellen [X.]undesrechts. Das [X.] hätte den Sachverhalt dahingehend würdigen müssen, dass das Vorverfahren gemäß § 44 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) auch hinsichtlich der Zinsen durchgeführt worden sei und das [X.] den Zinsanspruch rechtsmittelfähig zurückgewiesen habe. Das [X.] habe den Zinsanspruch in seiner Einspruchsentscheidung zwar nicht explizit angesprochen. Dies sei jedoch nicht erforderlich, um diesen zum Gegenstand der Einspruchsentscheidung zu machen.

[X.]ei einer [X.]eschäftigung der Arbeitnehmer sowie der Zahlung der Gehälter, durch welche die zur Aufrechnung gestellten Lohnsteuerverbindlichkeiten ausgelöst worden seien, handele es sich um Rechtshandlungen. Das [X.]GH-Urteil vom 01.06.2017 - IX ZR 48/15 sei nicht auf den Streitfall übertragbar, weil die Herbeiführung der Aufrechnungslage hier schon nicht auf einer vorangegangenen vermögensverlagernden Vollstreckungsmaßnahme beruhe. Es sei kein schützenswerter Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Nehme man an, dass eine Rechtshandlung im Sinne von § 129 Abs. 1 [X.] schon immer dann nicht vorliege, wenn der Schuldner Leistungen im Rahmen seines üblichen Geschäftsbetriebs erbringe, wäre das [X.] praktisch ausgeschaltet. Darüber hinaus komme es entgegen der Auffassung des [X.] für die Frage der [X.] beziehungsweise Kongruenz nicht darauf an, in welcher Reihenfolge Forderung und Gegenforderung entstanden seien. Für den Zeitpunkt der Herbeiführung der Aufrechnungslage sei nicht auf die Abschlüsse der [X.] abzustellen, weil die rechtlichen Wirkungen der Rechtshandlung in dem Zeitpunkt einträten, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließe.

Das [X.] beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die [X.]eteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

II.

Der Senat entscheidet gemäß § 121 Satz 1, § 90 Abs. 2 [X.]O mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

III.

Die Revisionen sind zulässig.

1. Das [X.] hat die Revision in der Vorentscheidung zur Fortbildung des Rechts zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O). Dies ergibt sich aus dem Ausspruch zur Zulassung der Revision im Tenor sowie aus der Begründung der Vorentscheidung (unter III.) und wird ferner durch einen Vermerk des Berichterstatters vom [X.], den er zu einer diesbezüglichen Nachfrage des [X.] verfasst hatte, bestätigt. Dementsprechend widerspricht die Rechtsmittelbelehrung, in der das [X.] auf die Möglichkeit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision hingewiesen hat, dem klaren Willen des [X.]. Dies wertet der erkennende Senat als offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 107 [X.]O.

Nach § 107 Abs. 1 [X.]O sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten vom Gericht zu berichtigen. Eine offenbare Unrichtigkeit kann sich auch aus einer falschen Rechtsmittelbelehrung ergeben (vgl. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 16.09.2009 - IX B 68/09, [X.], 2001). Die Berichtigung ist nicht antrags- oder fristgebunden und ist jederzeit vom Gericht durchzuführen. Ist gegen das Urteil des betroffenen Gerichts ein Rechtsmittel eingelegt, so ist der [X.] neben dem [X.] für die Berichtigung zuständig (vgl. [X.]-Beschluss vom 22.03.2016 - [X.] 130/14, [X.] 17/15, Rz 6; vgl. auch [X.]-Urteil vom 13.05.2015 - III R 8/14, [X.]E 249, 422, Rz 40, m.w.N.).

Ausgehend von diesen rechtlichen Grundlagen und dem tatsächlichen Willen des [X.] wurde die Rechtsmittelbelehrung in der Vorentscheidung mit Beschluss vom 18.04.2023 gemäß § 107 Abs. 1 [X.]O korrigiert. Die Berichtigung ist auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt worden (§ 107 Abs. 2 Satz 2 [X.]O).

2. Die Revision wurde von beiden Beteiligten innerhalb der Frist gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 [X.]O eingelegt.

a) Da dem [X.] das Urteil laut [X.] am 27.09.2019 zugestellt wurde, begann die Frist zur Einlegung der Revision gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 2 [X.]O i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) und § 187 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ([X.]) am 28.09.2019 (Samstag) und endete gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 2 [X.]O i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO sowie § 188 Abs. 2 [X.] am [X.] (Montag). Die Revision des [X.] ging am [X.] beim [X.] ein.

b) Ausgehend von der Zustellung des Urteils an die Klägerin am [X.] mit [X.] begann die Frist zur Einlegung der Revision am 06.11.2019 und endete gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 2 [X.]O i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO und § 188 Abs. 2 [X.] am 05.12.2019 (Donnerstag). Die Revision der Klägerin ging am [X.] beim [X.] ein.

Dass die Klägerin das Urteil tatsächlich bereits am 27.09.2019 erhalten hat, kann anhand der [X.]-Akten nicht eindeutig nachvollzogen werden. Vielmehr besteht die Möglichkeit, dass dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin nur das [X.] und nicht auch das Urteil übermittelt wurde.

IV.

Die Revision des [X.] ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Die Vorentscheidung entspricht insoweit Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 [X.]O). Das [X.] hat den Abrechnungsbescheid vom 08.05.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung zu Recht dahingehend geändert, dass ein Auszahlungsbetrag in Höhe von … € festgestellt wird.

1. Gemäß § 218 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung ([X.]) ergeht unter anderem dann ein Abrechnungsbescheid, wenn die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 [X.]) und ihr Erlöschen (§ 47 [X.]) durch Aufrechnung (§ 226 Abs. 1 [X.] i.V.m. §§ 387 ff. [X.]) streitig sind (vgl. z.B. Senatsurteil vom 18.02.2020 - VII R 39/18, [X.]E 268, 391, [X.] 2023, 224, Rz 22, m.w.N.).

Im Streitfall hat das [X.] zu Recht einen Abrechnungsbescheid erlassen, weil streitig ist, ob der Anspruch der Schuldnerin auf Erstattung von Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer durch Aufrechnung erloschen ist. Die Klägerin macht keinen [X.] nach § 143 Abs. 1 Satz 1 [X.] geltend, für den der ordentliche Rechtsweg eröffnet wäre.

2. Die allgemeinen Voraussetzungen für eine Aufrechnung gemäß § 226 [X.] i.V.m. §§ 387 ff. [X.] waren erfüllt.

a) Die sich gegenüberstehenden Forderungen waren gleichartig, weil es sich sowohl bei den [X.] als auch bei dem Körperschaftsteuererstattungsanspruch um Geldforderungen handelte.

b) Es handelte sich um gegenseitige Forderungen, weil sie im Verhältnis zwischen der Schuldnerin und dem [X.] jeweils gegen den anderen gerichtet waren.

c) Die [X.] für … 2015 war gemäß § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) am zehnten Tag nach Ablauf des jeweiligen [X.] --vorliegend der Kalendermonat nach § 41a Abs. 2 Satz 1 EStG-- fällig, mithin am …2015 (…). Für den Solidaritätszuschlag und die [X.]ensteuer zur Lohnsteuer gelten diese Regelungen entsprechend (vgl. § 1 Abs. 2 des Solidaritätszuschlaggesetzes a.F. und § 6 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften…).

Insbesondere war der Körperschaftsteuererstattungsanspruch erfüllbar.

Erfüllbarkeit bezeichnet den [X.]punkt, von dem ab der Schuldner leisten darf (vgl. [X.]/[X.], [X.], 82. Aufl., § 271 Rz 1).

Steuererstattungsansprüche aufgrund von Steuervorauszahlungen entstehen im [X.]punkt der Entrichtung der Steuer unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des [X.] die geschuldete Steuer geringer ist als die Vorauszahlung. Auf die Festsetzung des Erstattungsanspruchs in einem Erstattungsbescheid kommt es nicht an ([X.]-Urteil vom 23.02.2011 - I R 38/10, Rz 13, m.w.N.).

Da der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am …2015 und damit deutlich nach Ablauf des Veranlagungszeitraums gestellt wurde, bestand der Erstattungsanspruch bereits vor diesem [X.]punkt und war daher erfüllbar. Wann genau der [X.]punkt der Erfüllbarkeit eintrat, kann dahinstehen.

Dass die Umbuchung auf die Lohnsteuer bereits am Tag vor der Festsetzung des [X.] erfolgt war, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, weil es auf die Festsetzung des Erstattungsguthabens nicht ankommt.

3. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass der Aufrechnung ein Aufrechnungsverbot im Sinne von § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] entgegenstand.

a) Nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 [X.] ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne von §§ 129 ff. [X.] erlangt hat.

§ 96 Abs. 1 Nr. 3 [X.] verfolgt das Ziel, den [X.] der Insolvenzordnung (§§ 129 ff. [X.]) im Hinblick auf eine von einem Insolvenzgläubiger erklärte Aufrechnung in dem Sinne Geltung zu verschaffen, dass einer etwaigen Aufrechnungserklärung die Rechtswirkung genommen und dadurch eine anderenfalls etwa notwendige Anfechtung der betreffenden [X.] seitens des Insolvenzverwalters überflüssig wird (vgl. Windel in Jaeger, Insolvenzordnung, § 96 Rz 45 f.; [X.]/[X.], Insolvenzordnung, 15. Aufl., § 96 Rz 46). Sie ist dahin zu verstehen, dass der Erwerb der Möglichkeit der Aufrechnung zugunsten eines späteren Insolvenzgläubigers erfolgt sein muss, dieser also nicht etwa bereits beim Erwerb dieser Möglichkeit Insolvenzgläubiger, mithin das Insolvenzverfahren beim Erwerb noch nicht anhängig gewesen sein muss. Vielmehr schränkt § 96 Abs. 1 Nr. 3 [X.] gerade § 94 [X.] ein, der grundsätzlich eine vor Verfahrenseröffnung eingetretene [X.] während des Insolvenzverfahrens fortbestehen lässt und die Abgabe einer Aufrechnungserklärung während desselben zulässt ([X.]/[X.], [X.], 20. Aufl., § 96 Rz 12; Senatsurteil vom 02.11.2010 - VII R 6/10, [X.]E 231, 488, [X.], 374, Rz 19).

b) Im Streitfall liegen die in § 129 [X.] geregelten allgemeinen Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung vor.

aa) Das [X.] ist Insolvenzgläubiger der [X.], weil diese vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am …2015 begründet und noch nicht beglichen wurde (§ 38 [X.]).

bb) Im Streitfall liegt weiterhin eine anfechtbare Rechtshandlung vor.

(1) Der Begriff der Rechtshandlung im Sinne der §§ 129 ff. [X.] ist weit auszulegen. Als Rechtshandlung kommt jede Handlung in Betracht, die zum Erwerb einer Gläubiger- oder Schuldnerstellung führt, das heißt ein von einem Willen getragenes Handeln, das rechtliche Wirkungen auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann ([X.] vom [X.] - IX ZR 147/06, unter [X.] aa, m.w.N.; vgl. auch [X.] vom 20.04.2017 - IX ZR 252/16, [X.], 350, Rz 28). Erfasst werden nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern auch rechtsgeschäfts-ähnliche Handlungen und Realakte, denen das Gesetz Rechtswirkungen beimisst ([X.]e vom [X.] - IX ZR 147/06, unter [X.] aa; vom 14.12.2006 - IX ZR 102/03, [X.], 196, unter [X.], m.w.N., zum Einbringen einer Sache, das zu einem Vermieterpfandrecht führt und vom 09.07.2009 - IX ZR 86/08, unter [X.], m.w.N., zum Brauen von Bier, welches die Biersteuer und die [X.] des Bieres entstehen lässt). Dass die Rechtswirkungen (unabhängig vom Willen der Beteiligten) kraft Gesetzes eintreten, ist dabei unbeachtlich (vgl. Senatsurteil vom 02.11.2010 - VII R 62/10, [X.]E 232, 290, [X.], 439, Rz 20 f., unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung im Senatsurteil vom 16.11.2004 - VII R 75/03, [X.]E 208, 296, [X.], 193).

Unter anderem hat der erkennende Senat in Übereinstimmung mit dem [X.] und der allgemein vertretenen Auffassung die Leistungserbringung im Umsatzsteuerrecht als eine Rechtshandlung im Sinne des § 129 [X.] angesehen (vgl. Senatsurteile vom 02.11.2010 - VII R 62/10, [X.]E 232, 290, [X.], 439, Rz 20 f. und vom 02.11.2010 - VII R 6/10, [X.]E 231, 488, [X.], 374, Rz 25; [X.] in [X.]/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, [X.] Rz 190; [X.] in [X.] Ab 09.06.2021, § 251 [X.], Rz 57; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 251 [X.] Rz 266). Die Umsatzsteuer entsteht zwar von Gesetzes wegen, das Entstehen von Umsatzsteuer beziehungsweise Vorsteuer setzt jedoch voraus, dass eine Leistung erbracht wird (Senatsurteil vom 02.11.2010 - VII R 62/10, [X.]E 232, 290, [X.], 439, Rz 20). Auch der [X.]. Senat hat entschieden, dass Handlungen des Schuldners oder Dritter, die zum Entstehen einer Umsatzsteuerschuld führen, eine Rechtshandlung darstellen, durch die das Schuldnervermögen belastet wird ([X.]-Urteil vom 03.08.2022 - [X.] R 44/20, [X.]E 277, 46, Rz 27). Nach dem erkennenden Senat ist diese Rechtsprechung --unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung im Senatsbeschluss vom 21.12.1998 - VII B 175/98, [X.]/NV 1999, 745, unter [X.] auch auf die Lohnsteuer anzuwenden; auf den Umstand, dass die Lohnsteuer kraft Gesetzes durch Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen, nämlich nach § 38 Abs. 2 Satz 2 EStG mit Zahlung des Arbeitslohns, entsteht und nicht durch die Rechtshandlung selbst, kommt es nicht an.

Darüber hinaus hat der erkennende Senat auch die Herstellung einer [X.] durch Rechtshandlungen als eigenständige Rechtshandlung angesehen und ihre selbständige Anfechtbarkeit bejaht (vgl. Senatsurteil vom 18.02.2020 - VII R 39/18, [X.]E 268, 391, [X.] 2023, 224, Rz 37; vgl. auch [X.] vom [X.] - IX ZR 147/06). Die Herstellung einer [X.] durch Rechtshandlungen wirkt grundsätzlich [X.] im Sinne des § 129 Abs. 1 [X.], da sich die Befriedigungsmöglichkeiten der übrigen Insolvenzgläubiger durch eine wirksame Aufrechnung eines Insolvenzgläubigers verschlechtern (vgl. [X.] vom [X.] - IX ZR 147/06, Rz 11; Senatsurteil vom 02.11.2010 - VII R 62/10, [X.]E 232, 290, [X.], 439, Rz 22 ff.).

Dass die Rechtshandlung unmittelbar und unabhängig vom Hinzutreten etwaiger weiterer Umstände (zum Beispiel Abgabe einer Steueranmeldung) eine [X.] zum Entstehen bringen müsste, setzt § 96 Abs. 1 Nr. 3 [X.] nicht voraus. Er verlangt lediglich, dass die Rechtshandlung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, sie irgendeine Voraussetzung für die Aufrechnungsmöglichkeit des Insolvenzschuldners geschaffen hat und die Insolvenzgläubiger benachteiligt (Senatsurteile vom 02.11.2010 - VII R 62/10, [X.]E 232, 290, [X.], 439, Rz 21, m.w.N. und vom 02.11.2010 - VII R 6/10, [X.]E 231, 488, [X.], 374, Rz 26, m.w.N.).

(2) Im Streitfall hat die Schuldnerin dadurch eine Rechtshandlung vorgenommen, dass sie im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, der seitens der [X.]2015 gestellt worden war, ihren Arbeitnehmern am …2015 Lohn überwiesen hat.

cc) Diese Rechtshandlung hat auch zu einer objektiven Gläubigerbenachteiligung geführt. Denn durch die Überweisung der Löhne ist bei der Schuldnerin insofern eine Verschlechterung der Vermögenssituation eingetreten, als sie infolgedessen für die Entrichtung der Lohnsteuer einzustehen hatte. Wie bereits aufgezeigt, entsteht die Lohnsteuer gemäß § 38 Abs. 2 Satz 2 EStG in dem [X.]punkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt. Zwar ist gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG der Arbeitnehmer Schuldner der Lohnsteuer. Der Arbeitgeber haftet jedoch gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Der Haftungsanspruch entsteht (§ 38 [X.]), sobald die einzubehaltende Lohnsteuer zum Fälligkeitszeitpunkt nicht an das [X.] abgeführt wird ([X.]/[X.], EStG, 42. Aufl., § 42d Rz 10). Dadurch besteht --zumindest mittelbar-- die Möglichkeit, dass das Vermögen der Schuldnerin beeinträchtigt wird.

dd) Auch die Kausalität zwischen der Rechtshandlung und der objektiven Gläubigerbenachteiligung liegt vor, weil gerade durch die Zahlung der Löhne die Lohnsteuerschuld entstanden ist.

ee) Des Weiteren liegt ausgehend von der oben dargestellten Senatsrechtsprechung eine Rechtshandlung auch darin, dass infolge der Zahlung der Arbeitslöhne eine Aufrechnungsmöglichkeit zugunsten des [X.] geschaffen wurde.

c) Das [X.] hat auch zu Recht die (besonderen) Voraussetzungen einer inkongruenten Deckung im Sinne von § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] bejaht.

Nach dieser Vorschrift ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der [X.] zu beanspruchen hatte, wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist.

aa) Die Überweisung des Lohns wurde im Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und somit innerhalb der in § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] genannten Frist vorgenommen.

bb) Auch hat die Überweisung des Arbeitslohns zur Entstehung der Lohnsteuer und in der weiteren Folge zur Entstehung einer [X.] geführt, sodass dem [X.] eine Möglichkeit zur Befriedigung gegeben wurde. Denn gemäß § 389 [X.] bewirkt die Aufrechnung, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem [X.]punkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind. Eine unmittelbare Befriedigung des [X.] (Gewährung einer Befriedigung) ist demgegenüber noch nicht anzunehmen, weil die Aufrechnung zunächst noch von einer entsprechenden Erklärung des [X.] gemäß § 388 [X.] abhing.

cc) Das [X.] hatte keinen Anspruch auf die Befriedigungsmöglichkeit im Wege der Aufrechnung.

Nach der Rechtsprechung des [X.] richtet sich die Beurteilung, ob die Begründung der [X.] zu einer kongruenten oder einer inkongruenten Deckung führt, danach, ob der [X.] einen Anspruch auf Abschluss der Vereinbarung hatte, welche die [X.] entstehen ließ, oder ob dies nicht der Fall war. Dabei stellt der [X.] maßgeblich auf das zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger bestehende Rechtsverhältnis ab ([X.] vom [X.], Rz 7, m.w.N.). Allerdings setzt eine die [X.] begründende Verknüpfung zwischen Haupt- und Gegenforderung nicht voraus, dass die Aufrechnung ausdrücklich vereinbart wird, weil es sich bei dieser um ein echtes Erfüllungssurrogat handelt. Die Einordnung des Erwerbs einer [X.] als kongruent oder inkongruent richtet sich also entscheidend nach dem Inhalt der Rechtsbeziehungen zwischen dem Insolvenzschuldner und seinem Gläubiger ([X.] vom [X.], Rz 9, m.w.N.). Somit ist § 131 [X.] einschlägig (und nicht ein Fall einer sogenannten kongruenten Deckung gemäß § 130 [X.] gegeben), wenn sich die [X.] nicht aus dem zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger zuerst entstandenen Rechtsverhältnis ergibt ([X.] vom 09.02.2006 - IX ZR 121/03, unter [X.]; vgl. u.a. auch [X.] vom 05.04.2001 - IX ZR 216/98, [X.]Z 147, 233; vgl. dazu auch Senatsurteil vom 02.11.2010 - VII R 62/10, [X.]E 232, 290, [X.], 439, Rz 34).

Im Streitfall bestand ein Anspruch des [X.] auf Begleichung der Lohnsteuer durch Zahlung, nicht aber darauf, dem [X.] die Möglichkeit einer Erfüllung des Körperschaftsteuererstattungsanspruchs der Schuldnerin durch Aufrechnung zu verschaffen. Die [X.] ist vielmehr dadurch entstanden, dass die Schuldnerin die Lohnzahlung geleistet hat, ohne dass sich dies aus einem Rechtsverhältnis zwischen der Schuldnerin und dem [X.] ergeben hätte oder dieses darauf auch nur hätte Einfluss nehmen können. Auch eine gesetzliche Privilegierung des [X.] gegenüber den anderen [X.] bestand nicht. Ohne die --eher zufällig entstandene-- Möglichkeit der Aufrechnung hätte das [X.] die Steuererstattung zur Masse auszahlen müssen und die [X.] gemäß §§ 174 ff. [X.] zur Tabelle anmelden können.

4. Da das [X.] die Aufrechnung somit nicht wirksam erklärt hat, ist der Anspruch der Schuldnerin auf Erstattung von Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer für 2014 nicht gemäß § 47 [X.] erloschen.

V.

1. Die Revision der Klägerin ist begründet und die Vorentscheidung daher insoweit aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O). Die Vorentscheidung verletzt insoweit Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 [X.]O). Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen, weil das [X.] --von seinem rechtlichen Standpunkt aus zu [X.] bislang keine Feststellungen zu den Voraussetzungen des geltend gemachten [X.] getroffen hat.

a) Die Klägerin hat vor dem [X.] eine Änderung des Abrechnungsbescheids vom 08.05.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.09.2017 dahingehend beantragt, dass neben dem begehrten Auszahlungsbetrag auch Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz pro Jahr seit dem …2015 festgestellt werden. Tatsächlich war das Klagebegehren der Klägerin jedoch auf Auszahlung von Zinsen gerichtet.

aa) Nach § 96 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]O ist das Gericht an die Fassung des Klageantrags nicht gebunden, sondern hat im Wege der Auslegung den Willen der [X.] anhand der erkennbaren Umstände zu ermitteln ([X.]-Urteil vom 12.06.1997 - I R 70/96, [X.]E 183, 465, [X.] 1998, 38, unter [X.], m.w.N.). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass im Zweifel das gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht ([X.]-Urteil vom 29.04.2009 - X R 35/08, [X.], 1777, m.w.N.). Nur eine solche Auslegung trägt dem Grundsatz der Rechtsschutz gewährenden Auslegung nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes Rechnung ([X.]-Urteil vom 27.01.2011 - III R 65/09, Rz 10, m.w.N.; Senatsbeschluss vom 21.10.2020 - VII B 121/19, Rz 24).

Eine Auslegung findet ihre Grenze in dem erklärten Willen des [X.]. Ist der Klageantrag schon dem Wortlaut nach eindeutig gestellt und wird dieser Wortlaut durch die Ausführungen des [X.] im Übrigen gestützt, so ist für eine Auslegung durch das Gericht kein Raum mehr (Senatsurteil vom 13.12.1994 - VII R 18/93, [X.]/NV 1995, 697, unter II.).

Allerdings unterscheidet § 96 Abs. 1 Satz 2 [X.]O zwischen dem Klagebegehren und der "Fassung der Anträge" und stellt dabei letztlich auf das Klagebegehren ab. Daraus folgt, dass, wenn das [X.] auf die wörtliche Fassung des Klageantrags abstellt, obwohl dieser dem erkennbaren Klageziel des [X.] nicht entspricht, auch dies einen Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 2 [X.]O begründet (vgl. [X.]-Urteile vom 14.09.2017 - IV R 34/15, Rz 16 und vom 04.09.2008 - IV R 1/07, [X.]E 222, 220, [X.] 2009, 335, unter [X.], m.w.N.; [X.]-Beschlüsse vom 27.06.2017 - X B 106/16, Rz 22 und vom 19.08.2015 - V B 26/15, Rz 18, jeweils m.w.N.).

Maßgeblich ist letztlich stets das materielle Ziel der Klage und nicht dessen Formalisierung durch einen Antrag (vgl. [X.]-Beschlüsse in vom 27.06.2017 - X B 106/16, Rz 22 und vom 19.08.2015 - V B 26/15, Rz 18; vgl. auch Lange in [X.], § 96 [X.]O Rz 177; [X.] in Tipke/[X.], § 96 [X.]O Rz 97).

Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 2 [X.]O ist auch ohne ausdrückliche Rüge zu beachten und zwingt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil dadurch die Ordnungsmäßigkeit des ganzen weiteren Verfahrens betroffen ist (vgl. [X.]-Beschluss vom [X.] - II B 31/18, Rz 10, m.w.N.).

Zu einer rechtsschutzgewährenden Auslegung des Klagebegehrens ist der erkennende Senat im Revisionsverfahren ohne Bindung an die Würdigung des [X.] befugt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 11.12.2018 - VIII R 11/16, [X.]E 263, 418, Rz 30 und vom 01.03.2018 - IV R 38/15, [X.]E 260, 543, [X.] 2018, 587, Rz 30, jeweils m.w.N.).

bb) Davon ausgehend ist das Klagebegehren der Klägerin dahingehend zu verstehen, dass sie einen insolvenzrechtlichen Anspruch auf Zahlung von Zinsen nach § 143 Abs. 1 Satz 2 [X.] i.V.m. § 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1 und §§ 291, 288 Abs. 1 [X.] im Wege einer allgemeinen Leistungsklage gemäß § 40 Abs. 1 Alternative 3 [X.]O geltend macht. Dies schließt der Senat zum einen aus den von der Klägerin angegebenen zivilrechtlichen Rechtsgrundlagen und zum anderen daraus, dass die Klägerin bereits gegenüber dem [X.] einen entsprechenden Zahlungsanspruch geltend gemacht hat. Dazu kommt, dass das [X.] nicht befugt wäre, den insolvenzrechtlichen Zahlungsanspruch im Wege eines Abrechnungsbescheids festzusetzen, sodass dem [X.] der Klägerin im Abrechnungsverfahren nicht entsprochen werden kann. Denn der Anspruch des Insolvenzverwalters auf Rückgewähr (vermeintlich) in anfechtbarer Weise geleisteter Steuern nach § 143 Abs. 1 [X.] ist kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis im Sinne des § 37 Abs. 1 [X.], sondern ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch (Senatsurteil vom 12.11.2013 - VII R 15/13, [X.]E 243, 309, [X.] 2014, 359, Rz 6). Dies gilt auch für den Zinsanspruch, der sich ebenfalls nach § 143 Abs. 1 Satz 2 [X.] beurteilt (vgl. [X.]e vom 24.09.2015 - IX ZR 55/15, Rz 21; vom 12.04.2018 - IX ZR 88/17, Rz 31 ff. und vom 10.12.2020 - IX ZR 80/20, Rz 24).

b) Der erkennende Senat ist an die [X.]) Entscheidung des [X.] zum Rechtsweg gebunden. Denn das Revisionsgericht prüft gemäß § 17a Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes im Rechtsmittelverfahren gegen die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist (vgl. auch Senatsurteil vom 10.11.2020 - VII R 8/19, Rz 41). Eine entsprechende Rüge hinsichtlich des eingeschlagenen Rechtswegs haben die Beteiligten nicht erhoben.

c) Die allgemeine Leistungsklage ist zulässig. Insbesondere ist die vorherige Durchführung eines außergerichtlichen Vorverfahrens nach § 44 [X.]O nicht erforderlich (vgl. auch [X.]-Urteile vom 14.04.2021 - X R 25/19, [X.]E 272, 319, Rz 23 und vom 19.04.2012 - III R 85/09, [X.]E 237, 145, [X.] 2013, 19, Rz 10).

2. Im zweiten Rechtsgang wird das [X.] prüfen müssen, ob die Voraussetzungen für einen Zinsanspruch nach § 143 Abs. 1 Satz 2 [X.] (in der jeweils geltenden Fassung) i.V.m. § 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1 und §§ 291, 288 Abs. 1 [X.] erfüllt sind.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 35/19

18.04.2023

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 3. September 2019, Az: 8 K 8260/17, Urteil

§ 96 Abs 1 Nr 3 InsO, § 129 InsO, § 131 Abs 1 Nr 1 InsO, § 38 Abs 2 S 2 EStG 2009, § 143 Abs 1 S 2 InsO, § 37 Abs 1 AO, § 818 Abs 4 BGB, § 810 Abs 1 BGB, § 291 BGB, § 288 Abs 1 BGB, § 107 Abs 1 FGO, EStG VZ 2015

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.04.2023, Az. VII R 35/19 (REWIS RS 2023, 7327)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7327

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VII R 22/19 (Bundesfinanzhof)

(Zu den Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 133 InsO)


XI R 44/20 (Bundesfinanzhof)

Zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren


VII R 44/10 (Bundesfinanzhof)

(Erledigung einer Aufrechnungserklärung durch Möglichkeit der Saldierung nach § 16 UStG - Zulässigkeit der Klage …


VII R 39/18 (Bundesfinanzhof)

Zur Anfechtbarkeit der Herstellung einer Aufrechnungslage


2 K 798/15 (FG Nürnberg)

Aufrechnung von Steueransprüchen gegen einen Erstattungsanspruch der Masse nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.