Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.01.2012, Az. V S 29/11 (PKH)

5. Senat | REWIS RS 2012, 9756

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Gegenstand

Sachliche Unzuständigkeit des FG kein Verfahrensfehler


Leitsatz

NV: Ein Verfahrensmangel durch fehlerhafte Beurteilung der sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit liegt nur vor, wenn die Entscheidung des FG offensichtlich unhaltbar und unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Grundsätze nicht mehr verständlich ist und sich deshalb in einer nicht mehr hinnehmbaren, willkürlichen Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt.

Tatbestand

1

I. Innerhalb der Beschwerdefrist beantragte die nicht vertretene Klägerin und Antragstellerin (Klägerin) Prozesskostenhilfe (PKH) für eine noch einzulegende Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision im Urteil des Finanzgerichts ([X.]).

2

Sie macht die fehlende Zuständigkeit des [X.] geltend. Aus § 15 des Bundeskindergeldgesetzes ([X.]) sowohl in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Juli 2007 ([X.], 1450) als auch in der Neubekanntmachung vom 28. Januar 2009 ([X.], 142) ergebe sich die Zuständigkeit der Sozialgerichte, vorliegend die des [X.] Dass ihr [X.] nicht als Ausbildungsplatzsuchender geführt wurde, beruhe auf einem offenkundig pflichtwidrigen Verhalten der betreuenden Hartz-IV-Arbeitsgemeinschaft.

3

Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 142 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O-- [X.]. § 117 Abs. 2 der Zivilprozessordnung --ZPO--) hat die Klägerin innerhalb der Beschwerdefrist vorgelegt.

Entscheidungsgründe

4

II. Der Antrag hat keinen Erfolg.

5

1. Für den beim [X.] ([X.]) als Prozessgeri[X.]ht zu stellenden Antrag auf [X.] besteht kein [X.] (vgl. [X.]-Bes[X.]hlüsse vom 5. September 2011 [X.] ([X.]), ni[X.]ht veröffentli[X.]ht; vom 26. Januar 2011 [X.]/10 ([X.]), [X.]/NV 2011, 633). Der Gewährung von [X.] steht damit ni[X.]ht entgegen, dass die Klägerin den Antrag auf Gewährung von [X.] selbst und ni[X.]ht dur[X.]h eine vor dem [X.] vertretungsbere[X.]htigte Person oder [X.] von § 62 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 [X.]O gestellt hat.

6

2. Die von der Klägerin beabsi[X.]htigte Re[X.]htsverfolgung bietet aber keine hinrei[X.]hende Aussi[X.]ht auf Erfolg. Gemäß § 142 Abs. 1 [X.]O i.V.m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der na[X.]h seinen persönli[X.]hen und wirts[X.]haftli[X.]hen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung ni[X.]ht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag [X.], wenn die beabsi[X.]htigte Re[X.]htsverfolgung oder Re[X.]htsverteidigung hinrei[X.]hende Aussi[X.]ht auf Erfolg bietet und ni[X.]ht mutwillig ers[X.]heint.

7

Da das [X.] die Revision gegen sein Urteil ni[X.]ht zugelassen hat, kommt als Re[X.]htsmittel gegen das Urteil nur eine Bes[X.]hwerde wegen Ni[X.]htzulassung der Revision in Betra[X.]ht (§ 116 [X.]O). Der Erfolg einer Ni[X.]htzulassungsbes[X.]hwerde hängt davon ab, ob ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 [X.]O gegeben ist, d.h. wenn die Re[X.]htssa[X.]he grundsätzli[X.]he Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O), die Fortbildung des Re[X.]hts oder die Si[X.]herung einer einheitli[X.]hen Re[X.]htspre[X.]hung eine Ents[X.]heidung des [X.] erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O) oder das Urteil des [X.] auf einem Verfahrensmangel beruhen könnte (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O).

8

Wird [X.] für eine no[X.]h zu erhebende Ni[X.]htzulassungsbes[X.]hwerde beantragt, muss daher eine gewisse Wahrs[X.]heinli[X.]hkeit für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes bestehen.

9

a) Zwar fehlt die hinrei[X.]hende Aussi[X.]ht auf Erfolg ni[X.]ht s[X.]hon deshalb, weil die Ni[X.]htzulassungsbes[X.]hwerde ni[X.]ht innerhalb der Monatsfrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 [X.]O dur[X.]h eine vor dem [X.] vertretungsbere[X.]htigte Person oder [X.] von § 62 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 [X.]O erhoben worden ist. Einem Beteiligten, der wegen Mittellosigkeit ni[X.]ht in der Lage ist, ein Re[X.]htsmittel, das dem [X.] unterliegt, innerhalb der Re[X.]htsmittelfrist wirksam zu erheben, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 [X.]O gewährt werden, wenn er innerhalb dieser Frist alle Voraussetzungen für die Bewilligung der [X.] zur Einlegung des Re[X.]htsmittels s[X.]hafft, also einen entspre[X.]henden Antrag stellt und die Erklärung über seine persönli[X.]hen und wirts[X.]haftli[X.]hen Verhältnisse beim Re[X.]htsmittelgeri[X.]ht einrei[X.]ht ([X.]-Bes[X.]hluss vom 11. Mai 2009 II S 4/09 ([X.]), Zeits[X.]hrift für Steuern & Re[X.]ht --ZSteu-- 2009, [X.], m.w.N.) und zumindest in laienhafter Weise Anhaltspunkte für einen Zulassungsgrund darlegt ([X.]-Bes[X.]hluss vom 4. August 2009 [X.] ([X.]), ZSteu 2009, [X.]). Die Klägerin hat innerhalb der Frist alle Voraussetzungen für die Bewilligung der [X.] zur Einlegung der Bes[X.]hwerde ges[X.]haffen.

b) Bei der gebotenen, aber au[X.]h ausrei[X.]henden summaris[X.]hen Prüfung des Vortrags der Klägerin, des Inhalts der vorliegenden Akten und des beanstandeten [X.]-Urteils ist jedo[X.]h kein Grund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 [X.]O zu erkennen, der eine Zulassung der Revision re[X.]htfertigen könnte.

aa) Soweit die Klägerin die sa[X.]hli[X.]he Unzuständigkeit des [X.] rügt, ergibt si[X.]h hieraus kein Verfahrensmangel des Urteils i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O. Denn na[X.]h § 70 Satz 1 [X.]O i.V.m. § 17a Abs. 5 des Geri[X.]htsverfassungsgesetzes prüft der [X.] bei der Ents[X.]heidung über eine Revision oder eine Bes[X.]hwerde wegen Ni[X.]htzulassung der Revision gegen ein finanzgeri[X.]htli[X.]hes Urteil ni[X.]ht, ob das [X.] sa[X.]hli[X.]h und örtli[X.]h zuständig war.

Die Bejahung der sa[X.]hli[X.]hen Zuständigkeit dur[X.]h ein finanzgeri[X.]htli[X.]hes Urteil stellt nur ausnahmsweise dann einen auf entspre[X.]hende Rüge eines Verfahrensbeteiligten im Bes[X.]hwerdeverfahren wegen Ni[X.]htzulassung der Revision zu berü[X.]ksi[X.]htigenden Verfahrensmangel dar, wenn sie auf Gründen beruht, die offensi[X.]htli[X.]h unhaltbar und unter Berü[X.]ksi[X.]htigung re[X.]htsstaatli[X.]her Grundsätze ni[X.]ht mehr verständli[X.]h sind und si[X.]h deshalb in einer ni[X.]ht mehr hinnehmbaren, willkürli[X.]hen Weise von dem verfassungsre[X.]htli[X.]hen Grundsatz des gesetzli[X.]hen Ri[X.]hters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes) entfernt (vgl. [X.]-Bes[X.]hluss vom 19. Mai 2008 [X.], [X.]/NV 2008, 1501, unter [X.]). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall deshalb ni[X.]ht vor, weil das [X.] seine sa[X.]hli[X.]he Zuständigkeit zu Re[X.]ht bejaht hat:

§ 15 [X.] regelt zwar den Re[X.]htsweg dahingehend, dass für Streitigkeiten "na[X.]h diesem Gesetz" die Geri[X.]hte der Sozialgeri[X.]htsbarkeit zuständig sind. Aus § 1 Abs. 1 [X.] ergibt si[X.]h jedo[X.]h, dass Kindergeld "na[X.]h diesem Gesetz" für seine Kinder erhält, wer --neben den weiteren in Nr. 1 bis 4 genannten [X.] na[X.]h § 1 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ni[X.]ht unbes[X.]hränkt steuerpfli[X.]htig ist und au[X.]h ni[X.]ht na[X.]h § 1 Abs. 3 EStG als unbes[X.]hränkt steuerpfli[X.]htig behandelt wird. Dies trifft für die im Inland wohnende und damit unbes[X.]hränkt einkommensteuerpfli[X.]htige Klägerin ni[X.]ht zu.

bb) Die Behauptung der Klägerin, wona[X.]h die unterbliebene Meldung ihres [X.] als Ausbildungsplatzsu[X.]hender auf einem offenkundig pfli[X.]htwidrigen Verhalten der betreuenden [X.] beruhe, re[X.]htfertigt bei summaris[X.]her Prüfung weder eine Zulassung wegen grundsätzli[X.]her Bedeutung na[X.]h § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O no[X.]h eine Zulassung zur Fortbildung des Re[X.]hts oder zur Si[X.]herung einer einheitli[X.]hen Re[X.]htspre[X.]hung na[X.]h § 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O.

Die Klägerin hat insoweit keine abstrakte und ents[X.]heidungserhebli[X.]he Re[X.]htsfrage aufgeworfen. Es ist au[X.]h ni[X.]ht zu erkennen, dass das [X.] mit einem bestimmten, in dem angegriffenen Urteil aufgestellten abstrakten Re[X.]htssatz von der Ents[X.]heidung eines anderen Geri[X.]hts in derselben Re[X.]htsfrage abgewi[X.]hen wäre. Sollte, wovon die Klägerin ausgeht, dem [X.] bei der Anwendung von § 32 Abs. 4 Nr. 2 Bu[X.]hst. [X.] EStG ein Fehler unterlaufen sein, führt dies ni[X.]ht zur Zulassung der Revision, da Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Re[X.]hts die Zulassung der Revision grundsätzli[X.]h ni[X.]ht re[X.]htfertigen können (ständige Re[X.]htspre[X.]hung, vgl. [X.]-Bes[X.]hlüsse vom 25. Januar 2011 [X.]/09, [X.]/NV 2011, 822; vom 30. Mai 2007 [X.], [X.]/NV 2007, 1724).

3. Eine Kostenents[X.]heidung war ni[X.]ht zu treffen. Geri[X.]htsgebühren entstehen ni[X.]ht (§ 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 des Geri[X.]htskostengesetzes in Verbindung mit dem Kostenverzei[X.]hnis.

Meta

V S 29/11 (PKH)

26.01.2012

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

§ 62 Abs 2 FGO, § 62 Abs 4 FGO, § 70 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 FGO, § 142 FGO, § 114 ZPO, § 70 GVG, § 1 BKGG, § 15 BKGG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.01.2012, Az. V S 29/11 (PKH) (REWIS RS 2012, 9756)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9756

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