Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.05.2010, Az. IV B 137/08

4. Senat | REWIS RS 2010, 6683

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Gegenstand

Verstoß gegen den Akteninhalt; Betriebsaufgabe in der Land- und Forstwirtschaft; Errungenschaftsgemeinschaft als Mitunternehmerschaft


Leitsatz

1. NV: Zu den Voraussetzungen eines Verstoßes gegen die Verpflichtung zur Berücksichtigung des gesamten Akteninhaltes.

2. NV: Ein landwirtschaftlicher Betrieb wird nicht allein dadurch aufgegeben, dass der Landwirt nur noch im Nebenerwerb tätig wird oder die Selbstbewirtschaftung einstellt.

3. NV: Eine zwischen Eheleuten bestehende Errungenschaftsgemeinschaft kann auch bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben als Mitunternehmerschaft anzusehen sein.

Gründe

1

Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Revision kann nicht wegen eines [X.] zugelassen werden.

2

1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. In der Begründung der Beschwerde müssen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O). Dazu müssen die Tatsachen genau angegeben werden, die den Mangel ergeben (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 48, m.w.N.).

3

a) Ein Verstoß gegen den Akteninhalt liegt nicht vor.

4

aa) Nach § 96 Abs. 1 Satz 1  1. Halbsatz [X.]O entscheidet das Finanzgericht ([X.]) nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Diese Regelung ist nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) dahin auszulegen, dass neben dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung auch der gesamte Akteninhalt vollständig zu berücksichtigen ist (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 4. August 1999 [X.]/98, [X.]/NV 2000, 70; vom 25. Juli 2006 [X.]/04, [X.]/NV 2006, 2270, unter 2. der Gründe).

5

Die Geltendmachung eines solchen [X.] erfordert die genaue Bezeichnung des nicht berücksichtigten Akteninhalts sowie die Darlegung, inwieweit dessen Berücksichtigung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des [X.] zu einer anderen Entscheidung hätte führen können ([X.]-Beschluss vom 24. August 2005 [X.]/04, [X.]/NV 2006, 85). Angeblich widersprüchliche Urteilsbegründungen oder fehlerhafte Sachverhaltswürdigungen sind dagegen --wenn sie [X.] materiell-rechtliche Fehler und keine Verfahrensfehler ([X.]-Beschluss in [X.]/NV 2006, 2270, unter 2. der Gründe).

6

bb) Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) meint, das [X.] habe nicht berücksichtigt, dass der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) selbst auf den 1. Januar 1989 die Feststellung getroffen habe, dass der Betrieb 1988 eingestellt worden sei. Aus einem in den Akten befindlichen Schreiben vom 30. Juni 1981 ergebe sich des Weiteren, dass der ursprüngliche Betrieb bereits im [X.] durch den Kläger und seine verstorbene Ehefrau eingestellt worden sei; der Kläger selbst sei nur noch im Nebenerwerb tätig gewesen. Das [X.] habe deshalb bei der Annahme, der Betrieb sei zum Zeitpunkt der Veräußerung des streitgegenständlichen Grundstücks (14. April 1999) noch fortgeführt worden, wesentliche Teile der Akte nicht berücksichtigt bzw. nicht hinreichend gewürdigt.

7

[X.]) Daraus ergibt sich schon deshalb kein Verstoß gegen den Inhalt der Akten, weil es auf die behauptete Nutzungsänderung --durch die Weiterführung des Betriebs im Nebenerwerb ab 1981 bzw. die Einstellung der Selbstbewirtschaftung 1988-- nicht ankommt. Der [X.] hat in ständiger Rechtsprechung, auf die das [X.] Bezug genommen hat, entschieden, dass bisher landwirtschaftlich genutzte Grundstücke bei einer Nutzungsänderung, durch die sie nicht zu notwendigem Privatvermögen werden, ohne ausdrückliche Entnahmehandlung landwirtschaftliches Betriebsvermögen bleiben (u.a. [X.]-Beschluss vom 27. August 2004 [X.]/03, [X.]/NV 2005, 334, m.w.N.). Es bedarf einer unmissverständlichen, von einem entsprechenden Entnahmewillen getragenen Entnahmehandlung; daran fehlt es, wenn der Steuerpflichtige nicht die sich aus einer Entnahme ergebende Folgerung zieht, indem er, wie vom Einkommensteuergesetz gefordert, den Gewinn aus der Entnahme von Grund und Boden erklärt (u.a. [X.]-Urteil vom 7. Februar 2002 [X.], [X.]/NV 2002, 1135).

8

dd) Des Weiteren macht der Kläger geltend, das [X.] habe seine im Eilverfahren ergangene Entscheidung (Beschluss vom 19. Februar 2002) nicht berücksichtigt, worin es festgestellt habe, dass das [X.] nachweisen müsse, dass das streitgegenständliche Grundstück dem Betriebsvermögen des [X.] zuzurechnen sei bzw. seine Eigenschaft als Betriebsvermögen nicht verloren habe.

9

ee) Nach Aktenlage trifft es nicht zu, dass das [X.] die im Eilverfahren getroffene Entscheidung nicht berücksichtigt hat. Es hat vielmehr die Akte beigezogen und ausdrücklich auf die Entscheidung Bezug genommen. Auf das Ergebnis jener Entscheidung kommt es im Übrigen schon deshalb nicht an, weil bereits ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids zu einer Aussetzung der Vollziehung führen können und die abschließende Entscheidung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleibt.

b) Einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt.

aa) Eine schlüssige Rüge, das [X.] habe gegen seine Verpflichtung zur Sachverhaltsermittlung verstoßen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O), erfordert u.a. die Darlegung, zu welchen konkreten Tatsachen weitere Ermittlungen geboten waren, welche Beweise zu welchem Beweisthema das [X.] hätte erheben müssen, wo Tatsachen vorgetragen waren, aus denen sich dem [X.] die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen auch ohne einen entsprechenden Beweisantrag hätte aufdrängen müssen, welches Ergebnis die zusätzliche Erhebung von Beweisen aller Voraussicht nach gehabt hätte und inwieweit die unterlassene Beweiserhebung oder Ermittlungsmaßnahme zu einer anderen Entscheidung des [X.] hätte führen können (vgl. [X.]-Urteil vom 24. Februar 1988 [X.], [X.]E 152, 500, [X.] 1988, 819, unter [X.] der Gründe; Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 120 Rz 70, m.w.N.). Außerdem muss vorgetragen werden, dass der Verstoß in der Vorinstanz gerügt wurde oder weshalb eine derartige Rüge nicht möglich war (Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 120 Rz 70 i.V.m. Rz 67, m.w.N.).

bb) Soweit der Kläger meint, das [X.] habe Ermittlungen zur Fortführung des Betriebs im Nebenerwerb bzw. zu seiner Einstellung treffen müssen, kommt es darauf für die Frage, ob das streitgegenständliche Grundstück Betriebsvermögen geblieben ist, nicht an (s. oben unter 1.a [X.]). Im Übrigen lässt sich der Erklärung zur Tierhaltung für den Kläger und seine verstorbene Ehefrau vom 4. Oktober 1988 --auf die sich der Kläger vorliegend beruft-- entnehmen, dass zwar die Tierhaltung eingestellt und keine landwirtschaftlichen Maschinen mehr vorhanden waren, aber weiterhin 0,37 ha bewirtschaftet wurden und offenbar (nur) das Haus ins Privatvermögen überführt worden ist. Bei dieser Sachlage ist nicht erkennbar, warum sich dem [X.] weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen.

Davon abgesehen hätte der anwaltlich vertretene Kläger eine nach seiner Auffassung unterlassene Sachaufklärung in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 rügen können und müssen. Denn die Frage, ob das streitgegenständliche Grundstück weiterhin Betriebsvermögen war, bildete [X.] des Rechtsstreits.

c) Ein Verfahrensfehler ergibt sich auch nicht daraus, dass das [X.] die zwischen dem Kläger und seiner verstorbenen Ehefrau bestehende [X.] als Mitunternehmerschaft angesehen hat. Entgegen der Auffassung des [X.] entspricht die [X.] nicht dem Güterstand der Gütertrennung; sie ist der allgemeinen Gütergemeinschaft ähnlich (vgl. [X.]-Urteil vom 2. Oktober 1980 [X.]/79, [X.]E 131, 497, [X.] 1981, 63, unter 1.b der Gründe). Abgesehen davon, dass es sich insoweit um eine materiell-rechtliche Frage handelt, hat sich das [X.] --anders als in der Beschwerdebegründung behauptet-- im angefochtenen Urteil mit dieser Frage auseinandergesetzt (unter 2. der Gründe) und seine Auffassung zu Recht auf das [X.]-Urteil vom 7. Juli 1983 IV R 127/79 (juris) gestützt. Zwar betrifft dieses Urteil einen Gewerbebetrieb. Für landwirtschaftliche Betriebe kann jedoch nichts anderes gelten (vgl. [X.]-Beschluss vom 5. Februar 2002 [X.], [X.]/NV 2002, 1019; [X.]-Urteil vom 25. September 2008 [X.], [X.]E 224, 490, [X.] 2009, 989, zu den Voraussetzungen einer Mitunternehmerschaft bei Landwirts-Ehegatten).

2. Inhaltlich wendet sich der Kläger gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des [X.]. Damit macht er jedoch keinen Verfahrensfehler, sondern die unzutreffende Anwendung materiellen Rechts geltend, die nicht zur Zulassung der Revision führt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Beschlüsse vom 29. Oktober 1998 [X.], [X.]/NV 1999, 510, und in [X.]/NV 2000, 70). Denn sowohl die Sachverhalts- und Beweiswürdigung als auch die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Beweislastverteilung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. [X.]-Beschluss vom 3. Februar 2000 [X.]/99, [X.]/NV 2000, 874).

Meta

IV B 137/08

12.05.2010

Bundesfinanzhof 4. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 29. Oktober 2008, Az: 1 K 1442/07, Urteil

§ 13 Abs 7 EStG 1997, § 14 S 2 EStG 1997, § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 1997, § 16 Abs 3 EStG 1997, § 76 Abs 1 S 1 FGO, § 96 Abs 1 S 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.05.2010, Az. IV B 137/08 (REWIS RS 2010, 6683)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6683

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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