Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 08.03.2010, Az. 20 F 11/09

Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs 2 VwGO | REWIS RS 2010, 8721

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Gegenstand

Zuständigkeitsumfang eines Fachsenats des OVG; Berücksichtigung von geheimen Behördenschriftsätzen; Entscheidungserheblichkeit von Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörde


Leitsatz

Zuständig für die Überprüfung der Sperrerklärung, die in einem Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht von einer obersten Aufsichtsbehörde abgegeben wird, ist der Fachsenat des im Instanzenzug übergeordneten Oberverwaltungsgerichts. Ob es sich um die oberste Aufsichtsbehörde eines anderen Bundeslandes handelt, ist für die Zuständigkeit des Fachsenats ohne Bedeutung.

Die Berücksichtigung von Schriftsätzen einer Behörde, die von ihr als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet und nur zur Kenntnisnahme für das Gericht übersandt werden, verstößt gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs, das auch im Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO gilt. Solche Schriftsätze gehören weder zu den Gerichtsakten, auf die sich das Einsichtsrecht des Klägers erstreckt, noch zu den Verwaltungsakten, deren Vorlage mit der Sperrerklärung verweigert wird. Sie müssen mit Eingang an die Behörde zurückgesandt werden.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich mit der diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Klage gegen seine auf § 55 Abs. 2 Nr. 8 AufenthG gestützte Ausweisung, die der Beklagte mit Erkenntnissen über den Inhalt von Predigten des [X.] in [X.] und [X.] begründet hat. Diese Erkenntnisse waren der Ausländerbehörde des Beklagten von der [X.], Abteilung [X.], des Beklagten mitgeteilt worden. Soweit es die Vorgänge in [X.] betrifft, war die Beigeladene hierüber durch die [X.]behörde [X.] informiert worden. Das Gericht der Hauptsache gab dem Beklagten mit Anordnung des Berichterstatters vom 20. Juli 2007 auf, die Verwaltungsvorgänge vorzulegen, aus denen sich die von der Beigeladenen mitgeteilten Informationen ergeben. Die Beigeladene verweigerte die Aktenvorlage mit Sperrerklärung vom 25. September 2007 im Wesentlichen aus Gründen des Quellenschutzes und legte ein an die Ausländerbehörde gerichtetes "Behördenzeugnis" vom 4. September 2007 sowie ein "Behördenzeugnis" vom 31. August 2007 des [X.] vor, in denen die Richtigkeit der über den Kläger mitgeteilten Informationen und der Geheimhaltungsgründe erklärt wird. Das [X.] reichte unter Bezugnahme auf die gerichtliche Anordnung vom 20. Juli 2007 ebenfalls eine Sperrerklärung zu den Gerichtsakten. Nachdem der Kläger am 21. November 2007 einen Antrag nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt und am 2. Juli 2008 um Bearbeitung gebeten hatte, erließ das Gericht der Hauptsache am 18. August 2008 einen Beschluss, wonach über die dem Kläger vorgeworfenen Äußerungen durch Einsichtnahme in die betreffenden Akten der Beigeladenen und der [X.]behörde [X.] Beweis erhoben werden soll; sodann legte es die Sache dem [X.] des [X.] vor. Im Zwischenverfahren reichte die Beigeladene bei dem [X.] des [X.] die geheim gehaltene Akte mit den von ihr über den Kläger gewonnenen Erkenntnissen ein, außerdem weitere ebenfalls als geheimhaltungsbedürftig bezeichnete Schriftstücke - unter anderem einen Vermerk vom 28. Oktober 2008 -, mit denen für den [X.] des [X.] die Geheimhaltungsbedürftigkeit der gesperrten Akte und die Ermessensbetätigung bei Abgabe der Sperrerklärung dokumentiert werden sollten. Der [X.] des [X.] nahm diese weiteren Unterlagen zu der geheim gehaltenen Akte. Mit Beschluss vom 17. Juni 2009 stellte er fest, dass die Verweigerung der Aktenvorlage durch die Beigeladene rechtmäßig sei. Es könne dahinstehen, ob der Antrag auch hinsichtlich der nicht der alleinigen Verfügungsbefugnis der Beigeladenen unterliegenden Akten der [X.]behörde [X.] zulässig wäre; denn er erfasse diese Akten nicht, sondern nehme Bezug auf die Anordnung des Hauptsachegerichts vom 20. Juli 2007, die ausschließlich die dem Beklagten von der Beigeladenen mitgeteilten Umstände betreffe. Die Vorlageverweigerung sei aus den von der Beigeladenen angeführten [X.] rechtmäßig. Das Ermessen sei ausweislich der Sperrerklärung und des Vermerks vom 28. Oktober 2008 ordnungsgemäß ausgeübt worden. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des [X.], die er nicht näher begründet hat.

Entscheidungsgründe

2

Die [X.]eschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des angegriffenen [X.]eschlusses sowie der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verweigerung der Aktenvorlage durch die [X.]eigeladene.

3

1. Gegenstand der Überprüfung im Zwischenverfahren ist nur die Verweigerung der Aktenvorlage durch die [X.]eigeladene, nicht hingegen die von der Verfassungsschutzbehörde [X.] zu den Akten gereichte [X.]. Zwar stünde einer Überprüfung dieser [X.] durch den [X.] des [X.] nicht entgegen, dass sie von der [X.]ehörde eines anderen [X.]eslandes stammt. Dieser Umstand begründete nicht etwa - wie allerdings der [X.] des [X.] noch in seiner Eingangsverfügung angenommen hat - die Zuständigkeit des [X.]s des [X.] jenes [X.]eslandes. Mit dem Oberverwaltungsgericht im Sinne des § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist, soweit die Hauptsache vor einem Verwaltungsgericht anhängig ist, stets das im Instanzenzug übergeordnete Oberverwaltungsgericht gemeint, und zwar unabhängig davon, welche [X.]ehörde vom Hauptsachegericht zu einer Aktenvorlage verpflichtet wird und welche oberste Aufsichtsbehörde die Aktenvorlage verweigert (sofern es sich nicht um einen Fall des § 99 Abs. 2 Satz 2 VwGO handelt). Da die Verpflichtung zur Vorlage von Akten nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht nur die [X.]ehörden betrifft, die dem am Verfahren beteiligten Rechtsträger angehören oder die selbst am Verfahren beteiligt sind, sondern alle [X.]ehörden von [X.], [X.] und Gemeinden sowie sonstiger Rechtsträger des öffentlichen Rechts, kann es sich ergeben, dass der [X.] des [X.] die [X.] der obersten Aufsichtsbehörde eines anderes [X.]eslandes zu überprüfen hat.

4

Gleichwohl ist die [X.] der Verfassungsschutzbehörde [X.] im vorliegenden Zwischenverfahren nicht Gegenstand der Überprüfung. Denn diese [X.] ist nicht auf eine gerichtliche Aktenanforderung hin, sondern ersichtlich nur vorsorglich und - wie sich aus dem Schreiben des [X.]n vom 20. August 2007 ergibt - auf [X.]etreiben des [X.]n anlässlich der allein an ihn und nicht zugleich auch an die Verfassungsschutzbehörde eines anderen Landes gerichteten Anordnung vom 20. Juli 2007 abgegeben worden. Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass der [X.] des [X.] davon ausgegangen ist, dass sich der Antrag des [X.] nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur auf die von dem Gericht der Hauptsache mit Anordnung vom 20. Juli 2007 getroffene Aufforderung an den [X.]n zur Vorlage der den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge der [X.]eigeladenen und deren daraufhin ergangene [X.] vom 25. September 2007 bezieht, und dass er davon abgesehen hat, das Innenministerium [X.] beizuladen. Es kann danach dahinstehen, ob der später gefasste [X.]eweisbeschluss, in dem das Hauptsachegericht neben der [X.]eigeladenen auch die Verfassungsschutzbehörde [X.] aufgefordert hat, die den Kläger betreffenden Akten vorzulegen, überhaupt dieser [X.]ehörde gegenüber wirksam geworden ist; nach Aktenlage ist ihr der [X.]eschluss bislang nicht mitgeteilt worden.

5

2. Die Verweigerung der Aktenvorlage durch die [X.]eigeladene ist rechtswidrig.

6

Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind [X.]ehörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten und zu Auskünften an das Gericht verpflichtet. Wenn das [X.]ekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten oder Auskünfte dem Wohl des [X.]es oder eines [X.] Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage der Urkunden oder Akten oder die Erteilung der Auskünfte verweigern (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Die [X.] der [X.]eigeladenen vom 25. September 2007 genügt den sich hieraus ergebenden Anforderungen an eine Entscheidung über die Verweigerung der Aktenvorlage nicht.

7

a) [X.] ist allerdings, dass die [X.]eigeladene die [X.] bereits vor Erlass des [X.] vom 18. August 2008 - auf die gerichtliche Anordnung des [X.]erichterstatters vom 20. Juli 2007 hin - abgegeben hat. Zwar genügt eine vor förmlicher Klärung der Entscheidungserheblichkeit des [X.] durch das gesamte Hauptsachegericht ergangene Ermessensentscheidung der obersten Aufsichtsbehörde grundsätzlich nicht den Anforderungen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Das Erfordernis der förmlichen Verlautbarung der Entscheidungserheblichkeit vor Abgabe an den [X.] gewährleistet, dass die oberste Aufsichtsbehörde auf dieser Grundlage in die gesetzlich geforderte Ermessensabwägung eintreten kann ([X.]eschluss vom 24. August 2009 - [X.]VerwG 20 F 2.09 - juris Rn. 3). Das Gericht der Hauptsache hatte hier jedoch bereits mit der durch den [X.]eweisbeschluss bestätigten Anordnung vom 20. Juli 2007 deutlich gemacht, dass es die angeforderten Unterlagen für entscheidungserheblich hält. Daher ist nicht zu beanstanden, dass es die [X.]eigeladene nach Erlass des [X.] nicht erneut zur Abgabe einer [X.] aufgefordert, sondern die Sache dem [X.] des [X.] vorgelegt hat. Abgesehen davon ist eine förmliche Äußerung des Hauptsachegerichts zur Klärung der Entscheidungserheblichkeit des [X.] ausnahmsweise entbehrlich, wenn die zurückgehaltenen Unterlagen zweifelsfrei rechtserheblich sind (stRspr, vgl. nur [X.]eschluss vom 24. August 2009 a.a.[X.] Rn. 4 m.w.N.). Wie der [X.] bereits entschieden hat, ist eine förmliche Äußerung zur Entscheidungserheblichkeit in Streitigkeiten um eine Einbürgerung entbehrlich, weil es offensichtlich ist, dass nur mit Hilfe der zurückgehaltenen Unterlagen geklärt werden kann, ob die Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörde die darauf gestützte Ablehnung der Einbürgerung rechtfertigen ([X.]eschlüsse vom 4. Mai 2006 - [X.]VerwG 20 F 3.05 - und vom 3. März 2009 - [X.]VerwG 20 F 9.08 - juris Rn. 6). Für eine auf Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörde gestützte Ausweisung gilt nichts anderes.

8

b) Die [X.] der [X.]eigeladenen leidet bereits daran, dass sie die [X.]erechtigung der geltend gemachten Geheimhaltungsgründe nicht hinreichend erkennen lässt.

9

[X.]ereitet das [X.]ekanntwerden des Inhalts zurückgehaltener Dokumente dem Wohl des betroffenen Landes oder dem [X.] Nachteile, ist ihre Geheimhaltung ein legitimes Anliegen des Gemeinwohls ([X.], [X.]eschluss vom 27. Oktober 1999 - 1 [X.]vR 385/90 - [X.]E 101, 106 <127 f.>; [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 7. November 2002 - [X.]VerwG 2 AV 2.02 - NVwZ 2003, 347 <348>), das eine Verweigerung der Vorlage gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigen kann. Ein Nachteil in diesem Sinne ist u.a. dann gegeben, wenn und soweit die [X.]ekanntgabe des [X.] die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen [X.]ehörden erschweren oder Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen gefährden würde ([X.]eschlüsse vom 29. Juli 2002 - [X.]VerwG 2 AV 1.02 - [X.]VerwGE 117, 8 = [X.] 310 § 99 VwGO Nr. 27, vom 25. Februar 2008 - [X.]VerwG 20 F 43.07 - juris Rn. 10, vom 5. Februar 2009 - [X.]VerwG 20 F 24.08 - juris Rn. 4, vom 3. März 2009 a.a.[X.] Rn. 7 und vom 2. Juli 2009 - [X.]VerwG 20 [X.] - [X.] 310 § 99 VwGO Nr. 54 Rn. 8).

Der [X.] vermag auf der Grundlage der [X.] nicht zu erkennen, dass diese Geheimhaltungsgründe eine generelle Verweigerung der Aktenvorlage rechtfertigen können. Die [X.]eigeladene hat ohne nähere Differenzierung darauf abgestellt, dass der gesamte Akteninhalt zurückgehalten werden müsse, weil es sich um Erkenntnisse handele, die ausschließlich auf Quellenangaben beruhten und nur einem sehr eng begrenzten Personenkreis bekannt seien; eine Offenlegung begründe eine beträchtliche Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit oder Freiheit der Quellen und ihrer Angehörigen. Diese [X.]egründung vermag eine den gesamten Akteninhalt erfassende Vorlageverweigerung nicht zu erklären. Die Akte enthält Quellenberichte über verschiedene Äußerungen des [X.] in einer muslimischen Versammlungsstätte in [X.]. Diese Umstände hat die [X.]eigeladene bereits gegenüber dem [X.]n - konkretisiert nach Datum und Inhalt der Äußerungen - offenbart; sie hat deren Richtigkeit ferner in dem vorgelegten [X.]ehördenzeugnis bestätigt. Es ist also ohnehin offenkundig, dass die Erkenntnisse der [X.]eigeladenen mittelbar oder unmittelbar von einer oder mehreren Quellen stammen, die an diesen Versammlungen teilgenommen haben. Zu deren Schutz wäre eine vollständige Zurückhaltung der [X.]erichte nur dann erforderlich, wenn die Art und Weise der [X.]erichterstattung weitergehende Rückschlüsse auf die Identität zuließen. Dafür fehlt jedoch jede [X.]egründung in der [X.]. Sie ergibt sich nach dem Inhalt der [X.]erichte auch keineswegs von selbst, zumal an den Versammlungen offenbar jeweils eine größere Zahl von Personen, mitunter mehrere hundert, teilgenommen haben sollen. [X.]islang fehlt somit eine tragfähige [X.]egründung dafür, warum dem Hauptsachegericht die Akte nicht zumindest in den Teilen zugänglich gemacht werden kann, die diejenigen Passagen der [X.]erichte betreffen, deren Inhalt eine Überprüfung der Tatsachenbehauptungen erlauben, auf die der [X.] die Ausweisung stützt.

c) Die [X.] der [X.]eigeladenen leidet zudem an einem Ermessensdefizit.

Durch die Ermessenseinräumung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO wird der obersten Aufsichtsbehörde die Möglichkeit eröffnet, dem öffentlichen Interesse und dem individuellen Interesse der Prozessparteien an der Wahrheitsfindung in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess den Vorrang vor dem Interesse an der Geheimhaltung der Schriftstücke zu geben ([X.]eschlüsse vom 19. August 1964 - [X.]VerwG 6 [X.] 15.62 - [X.]VerwGE 19, 179 <186>, vom 15. August 2003 - [X.]VerwG 20 F 8.03 - [X.] 310 § 99 VwGO Nr. 34, vom 13. Juni 2006 - [X.]VerwG 20 F 5.05 - [X.] 310 § 99 VwGO Nr. 42 und vom 1. August 2007 - [X.]VerwG 20 F 10.06 - juris Rn. 5 f.). § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO regelt die Auskunftserteilung und Aktenvorlage im Verhältnis der mit geheimhaltungsbedürftigen Vorgängen befassten [X.]ehörde(n) zum Verwaltungsgericht, das in einem schwebenden Prozess für eine sachgerechte Entscheidung auf die Kenntnis der Akten angewiesen ist. In diesem Verhältnis stellt das Gesetz die Auskunftserteilung und Aktenvorlage in das Ermessen der [X.]ehörde, lässt dieser also die Wahl, ob sie die Akten oder die Auskunft wegen ihrer Geheimhaltungsbedürftigkeit zurückhält oder ob sie davon um des effektiven Rechtsschutzes willen absieht. Da die [X.] als Erklärung des Prozessrechts auf die Prozesslage abgestimmt sein muss, in der sie abgegeben wird, genügt es grundsätzlich nicht, in ihr lediglich auf die die Sachentscheidung tragenden Gründe des - je nach [X.] im Einzelnen normierten - [X.]es zu verweisen. Die oberste Aufsichtsbehörde ist vielmehr im Rahmen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gefordert, in besonderer Weise in den [X.]lick zu nehmen, welche rechtsschutzverkürzende Wirkung die Verweigerung der Aktenvorlage im Prozess für den [X.]etroffenen haben kann. Darin liegt die [X.]esonderheit ihrer Ermessensausübung nach dieser Verfahrensbestimmung. Dementsprechend ist der obersten Aufsichtsbehörde auch in den Fällen Ermessen zugebilligt, in denen das [X.] der zuständigen Fachbehörde kein Ermessen einräumt (stRspr, vgl. nur [X.]eschlüsse vom 1. August 2007 a.a.[X.] Rn. 5 und vom 21. Februar 2008 - [X.]VerwG 20 F 2.07 - [X.]VerwGE 130, 236 = [X.] 310 § 99 VwGO Nr. 46, jeweils Rn. 19). Maßstab ist dabei neben dem privaten Interesse an effektivem Rechtsschutz und dem - je nach Fallkonstellation - öffentlichen oder privaten Interesse an [X.] auch das öffentliche Interesse an der Wahrheitsfindung ([X.], [X.]eschluss vom 14. März 2006 - 1 [X.]vR 2087/03, 1 [X.]vR 2111/03 - [X.]E 115, 205 <241>). Die oberste Aufsichtsbehörde muss in ihrer [X.] in nachvollziehbarer Weise erkennen lassen, dass sie gemessen an diesem Maßstab die Folgen der Verweigerung mit [X.]lick auf den [X.] gewichtet hat.

Diesen Anforderungen genügt die [X.] der [X.]eigeladenen nicht. Ihr mangelt es an einer dokumentierten [X.]erücksichtigung des Interesses des [X.] an effektivem Rechtsschutz. Die [X.]eigeladene hat sich darauf beschränkt, Geheimhaltungsgründe anzuführen und sie - zudem formelhaft - höher zu gewichten als das öffentliche Interesse an der Wahrheitsfindung. Dass sie das Interesse des [X.] an effektivem Rechtsschutz nicht hinreichend in die Abwägung einbezogen hat, zeigt auch der Umstand, dass sie in ihrer [X.] auf eine nähere Differenzierung und Präzisierung nach der Art des [X.] verzichtet und das gesamte Aktenkonvolut als geheimhaltungsbedürftig angesehen hat, anstatt zu prüfen, ob nicht eine teilweise Schwärzung ausreicht, um den Geheimhaltungsinteressen in Abwägung mit dem Interesse des [X.] hinreichend Rechnung zu tragen (vgl. zur Sichtung und Ordnung nach verschiedenen Geheimhaltungsinteressen [X.]eschluss vom 1. August 2007 a.a.[X.] juris Rn. 6 f.). Die [X.]eigeladene hat somit keine erkennbaren Erwägungen dazu angestellt, ob das Aufklärungsinteresse des [X.] es möglicherweise rechtfertigt, zumindest bestimmte Teile, zumal solche, deren behaupteten Inhalt sie ohnehin bereits offenbart hat, offenlegen zu können, ohne die Quellen zu gefährden. Namentlich erschließt sich aus der [X.] nicht, warum die Quellenberichte über die in Rede stehenden Versammlungen und die dort getätigten Äußerungen des [X.] nicht wenigstens auszugsweise freigegeben werden könnten, um das Gericht der Hauptsache in die Lage zu versetzen, die von dem [X.]n angeführten [X.] auf dieser Grundlage zu überprüfen und um dem Kläger Gelegenheit zu geben, sich damit in konkreter Weise auseinanderzusetzen.

d) Ein weiterer Mangel der [X.] der [X.]eigeladenen ergibt sich daraus, dass sie nicht alle vom Gericht der Hauptsache angeforderten Unterlagen erfasst. Die [X.]eigeladene ist ersichtlich davon ausgegangen, dem Hauptsachegericht nur diejenigen Unterlagen vorlegen zu müssen, die die von ihr selbst ermittelten Informationen über den Kläger enthalten, also nur die Unterlagen über die dem Kläger vorgeworfenen Äußerungen anlässlich von Predigten in [X.]. Demgemäß hat sie auch im Zwischenverfahren nur diese Unterlagen vorgelegt. Das Gericht der Hauptsache hat aber nicht nur die Vorlage der von der [X.]eigeladenen selbst ermittelten Erkenntnisse verlangt, sondern die Verwaltungsvorgänge mit denjenigen Informationen über den Kläger, die die [X.]eigeladene der Ausländerbehörde des [X.]n mitgeteilt hat. Die [X.]eigeladene hat der Ausländerbehörde ausweislich der Ausländerakte mit Schreiben vom 31. Mai 2006 auch die Erkenntnisse über Äußerungen des [X.] bei Predigten in [X.] mitgeteilt, die, wie sie im Schreiben an die Ausländerbehörde vom 16. März 2007 ausführt, auf Meldungen aus nachrichtendienstlichem [X.] aus [X.] beruhen. Diese Erkenntnisse sind der Ausländerbehörde nach Aktenlage also nicht - wie allerdings der [X.] des [X.] angenommen hat - von der Verfassungsschutzbehörde [X.] mitgeteilt worden. Die vom Hauptsachegericht angeforderten Verwaltungsvorgänge der [X.]eigeladenen mit denjenigen Informationen über den Kläger, die sie der Ausländerbehörde mitgeteilt hat, umfasst deshalb auch die in ihren Akten befindlichen Meldungen der Verfassungsschutzbehörde [X.].

Demgegenüber kann sich die [X.]eigeladene nicht auf die - auch vom [X.] des [X.] angeführte - Regelung in § 31 Abs. 1 Satz 2 des Verfassungsschutzgesetzes [X.] stützen, wonach sich die Auskunftsverpflichtung nicht auf Informationen erstreckt, die nicht der alleinigen Verfügungsbefugnis der Verfassungsschutzbehörde unterliegen. Denn diese Vorschrift beschränkt allein den fachgesetzlichen Auskunftsanspruch des [X.]etroffenen gegenüber der Verfassungsschutzbehörde. Darum geht es hier jedoch nicht. Gegenstand des Zwischenverfahrens ist vielmehr ein auf § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO gestütztes [X.]egehren des Hauptsachegerichts, die den Kläger betreffenden Akten vorzulegen, um die Rechtmäßigkeit einer Ausweisung überprüfen zu können. [X.]ei der Entscheidung über eine Verweigerung der Aktenvorlage hat die [X.]eigeladene die besondere vom Prozessrecht geforderte Abwägung nach den dargestellten Maßstäben des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO vorzunehmen, die eine Aktenvorlage nach Ermessen zur Wahrung effektiven Rechtsschutzes und des öffentlichen Interesses an der Wahrheitsfindung auch dann ermöglichen, wenn das Fachrecht kein Ermessen einräumt.

e) Der vom [X.] des [X.] verwertete und dem Kläger nicht zugänglich gemachte Vermerk der [X.]eigeladenen vom 28. Oktober 2008, mit dem sie die Tragfähigkeit ihrer Ermessensausübung näher erläutern wollte, muss bei der Überprüfung außer [X.]etracht bleiben. Der Kläger hat als [X.]eteiligter unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs auch im Zwischenverfahren einen Anspruch darauf, sich zu jeder dem Gericht zur Entscheidung unterbreiteten schriftlichen Stellungnahme der Gegenseite zu äußern. Davon sieht § 99 Abs. 2 VwGO keine Ausnahme vor. Einer [X.]ehörde steht es nicht zu, durch Erklärung, dass ein an das Gericht gerichteter Schriftsatz als Verschlusssache einzustufen sei, die dem Gericht in Ausübung seiner Rechtsprechungsgewalt zustehende Verfügungsbefugnis über den Schriftsatz zu verkürzen. Denn das Recht und die Pflicht des Gerichts, den [X.]eteiligten nach dem auch im "in-camera"-Verfahren geltenden Grundsatz des rechtlichen Gehörs grundsätzlich alle prozessrelevanten Äußerungen im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens zur Kenntnis zu geben, steht nicht zur Disposition der [X.]ehörde. Eine Einschränkung des rechtlichen Gehörs bei der Ausgestaltung des "[X.] ist auch nicht erforderlich, um den [X.] zu sichern. Ebenso wie die Entscheidungsgründe des [X.]s Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden oder Akten nicht erkennen lassen dürfen, kann die über die Aktenvorlage entscheidende [X.]ehörde ihre Äußerungen gegenüber dem Gericht so abfassen, dass der von ihr begehrte [X.] auch dann gewahrt bleibt, wenn der Schriftsatz prozessordnungsgemäß dem Gegner zugestellt wird ([X.]eschlüsse vom 6. November 2008 - [X.]VerwG 20 F 7.08 - [X.] 310 § 99 VwGO Nr. 51 Rn. 17, vom 5. Februar 2009 a.a.[X.] Rn. 16 und vom 24. August 2009 a.a.[X.] Rn. 14).

Die entscheidungserhebliche [X.]erücksichtigung des Vermerks der [X.]eigeladenen vom 28. Oktober 2008 durch den [X.] des [X.] verletzte deshalb den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Die von der [X.]eigeladenen als geheimhaltungsbedürftig eingestuften und deshalb nur für das Gericht übersandten Schriftstücke gehörten weder zu den Gerichtsakten, auf die sich das Einsichtsrecht des [X.] erstreckt, noch zu den Verwaltungsakten, deren Vorlage die [X.]eigeladene mit der [X.] verweigert hat. Sie hätten deshalb mit Eingang an die [X.]eigeladene zurückgesandt werden müssen (vgl. [X.]eschlüsse vom 17. November 2003 - [X.]VerwG 20 F 16.03 - [X.] 310 § 99 VwGO Nr. 35, vom 5. Februar 2009 a.a.[X.] Rn. 17 f. und vom 24. August 2009 a.a.[X.] Rn. 15). Dies ist nunmehr im [X.]eschwerdeverfahren geschehen.

3. Die Feststellung des beschließenden [X.]s, dass die [X.] rechtswidrig ist, hindert die [X.]eigeladene nicht, erneut eine [X.] abzugeben und dann bei der Einstufung als geheimhaltungsbedürftig und bei der Ermessensausübung näher zwischen den einzelnen Teilen der Akte unter [X.]erücksichtigung des Interesses des [X.] an effektivem Rechtsschutz zu differenzieren. Ferner muss sich eine erneute [X.] - wie ausgeführt - auch zu den Aktenbestandteilen verhalten, die die vom Verwaltungsgericht ebenfalls angeforderten Mitteilungen der Verfassungsschutzbehörde [X.] betreffen, über die die [X.]eigeladene die Ausländerbehörde informiert hat.

Meta

20 F 11/09

08.03.2010

Bundesverwaltungsgericht Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs 2 VwGO

Beschluss

Sachgebiet: F

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 17. Juni 2009, Az: OVG 95 A 7.08, Beschluss

§ 99 VwGO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 08.03.2010, Az. 20 F 11/09 (REWIS RS 2010, 8721)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8721

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

6 UF 416/12

Zitiert

1 BvR 385/90

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