Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 12.10.2023, Az. 20 F 16/22

Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs 2 VwGO | REWIS RS 2023, 8549

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Gegenstand

Einsicht in zurückgehaltene Aktenteile nicht zwingend für Anspruch auf Informationszugang


Tenor

Die Beschwerden des Klägers und der Beigeladenen zu 2 werden zurückgewiesen.

Der Kläger und die Beigeladene zu 2 tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte. Alle Beteiligten tragen ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe

I

1

Im Hauptsacheverfahren macht der Kläger einen Anspruch nach dem [X.] auf Einsicht in Verträge über den Betrieb des [X.] zwischen der Beklagten und der Beigeladenen zu 2, an der die Beklagte die Mehrheit der Geschäftsanteile hält, geltend. Der Kläger ist Rechtsanwalt und macht geltend, die Unterlagen für einen Mandanten zu benötigen.

2

Auf Anforderung des [X.] hat die Beklagte Kopien von neun Verträgen vorgelegt, in der sie die Passagen geschwärzt hatte, für die sie ein Weigerungsrecht wegen Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen auch der Beigeladenen zu 2 geltend macht. Auf Anforderung des [X.] nach ungeschwärzten [X.] legte sie ein an sie adressiertes Schreiben des Beigeladenen zu 1 vom 7. Februar 2014 vor, nach dem unter Bezugnahme auf § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO hinsichtlich verschiedener Passagen der Verträge Vorlageverweigerungsrechte wegen schützenswerter Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse festgestellt wurden. Eine als Anlage beigefügte Übersicht geheimhaltungsbedürftiger Inhalte wurde allerdings nicht vorgelegt.

3

Auf Antrag der Beklagten und der Beigeladenen zu 2, die Reichweite der Aktenvorlagepflicht in einem Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO zu klären, legte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 10. Juni 2014 dem [X.] des [X.] die Akten vor. Ohne Vorlage der ungeschwärzten Ablichtungen der Verträge und der Anlage zum Schreiben des Beigeladenen zu 1 zu dessen Schreiben vom 7. Februar 2014 könne über den geltend gemachten Anspruch nicht entschieden werden. Im Zwischenverfahren wurde durch die Beklagte eine "Sperrerklärung" vom 21. August 2014 vorgelegt, in dem die Teile der streitgegenständlichen Verträge, hinsichtlich der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach § 99 Abs. 1 VwGO und § 10 Satz 1 Nr. 3 [X.] [X.] zu schützen seien, im Einzelnen bezeichnet.

4

Der [X.] des [X.] stellte mit Beschluss vom 15. Dezember 2015 fest, dass die Aktenvorlageverweigerung entsprechend der Sperrerklärung des Beigeladenen zu 1 vom 7. Februar 2014 und vom 21. August 2014 und bezüglich weiterer Passagen der streitgegenständlichen Verträge, hinsichtlich derer die Beklagte und die Beigeladene zu 2 die Vorlage zusätzlich verweigerten, rechtmäßig sei.

5

Auf Beschwerde des [X.] änderte das [X.] mit Beschluss vom 27. April 2016 den Beschluss des [X.] vom 15. Dezember 2015 und lehnte die Anträge der Beklagten und der Beigeladenen zu 2 ab. Die Anträge seien unzulässig, soweit sie auf die Feststellung der Rechtmäßigkeit der Sperrerklärung gerichtet seien. Der Beklagten und der Beigeladenen zu 2 würde das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, weil sie wegen der Sperrerklärung gerichtlicher Hilfe nicht bedürften. Es gebe kein Rechtsschutzbedürfnis einem bisher nicht ausdrücklich gestellten Antrag des [X.] nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO mit eigenen Anträgen zuvorzukommen. Zulässig sei der auf die Überprüfung der Freigabe von [X.] durch den Beigeladenen zu 1 gerichtete Antrag. Er sei aber unbegründet, weil die Sperrerklärung zu Recht beschränkt und im Übrigen die ungeschwärzte Vorlage der Verträge freigegeben worden sei. Insoweit lägen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht vor. Unerheblich sei deshalb, ob eine Ermessensentscheidung zu Gunsten der Geheimhaltung ausfallen dürfe, weil das Auskunftsinteresse des [X.] nur geringes Gewicht habe wie das Oberverwaltungsgericht meine.

6

Mit rechtskräftigem Teilurteil vom 21. September 2017 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung von [X.] und Widerspruchsbescheid verpflichtet, dem Kläger alle vertraglichen Vereinbarungen zwischen ihr und der Beigeladenen zu 2 in dem Umfang zugänglich zu machen, indem der Beigeladene zu 1 diese nicht mit Schreiben vom 7. Februar 2014 und vom 21. August 2014 als geheimhaltungswürdig eingestuft hat. Die als Verpflichtungsklage zulässige Klage sei im tenorierten Umfang begründet. Der Anspruch folge aus § 3 [X.] [X.]. Der Kläger gehöre zum anspruchsberechtigten Personenkreis. Die Beklagte sei eine informationspflichtige Stelle. Hinsichtlich der im Sperrvermerk nicht als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Unterlagen lägen keine Ausschlussgründe, insbesondere nicht aus § 10 Satz 1 Nr. 3 [X.] [X.] vor, da es sich nicht um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handele. Dies habe die erkennende Kammer mangels eigener Kenntnis der Unterlagen allerdings nicht selbst festgestellt. Sie stütze sich auf die entsprechenden Bewertungen durch das [X.] und das Oberverwaltungsgericht. Der Anspruch des [X.] sei auch nicht missbräuchlich. Rechtsmissbrauch folge weder aus der Tatsache, dass der Kläger die Unterlagen für die Bearbeitung eines Mandates benötige noch aus der Behauptung, er habe bereits Zugriff, oder einer befürchteten Umgehung der anwaltlichen Schweigepflicht. Im Übrigen sei die Klage nicht entscheidungsreif, da der Kläger in der mündlichen Verhandlung einen Antrag nach § 99 Abs. 2 VwGO gestellt habe und allein der zuständige [X.] über diesen entscheiden könne.

7

Mit Beschluss vom 25. September 2017 hat das Verwaltungsgericht dem [X.] des [X.] vorgelegt, soweit es die im Sperrvermerk vom 7. Februar 2014 und 21. August 2014 als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Unterlagen betrifft. Das Gericht habe mit Teilurteil der Klage in Bezug auf die nicht vom Sperrvermerk erfassten Unterlagen stattgegeben. Nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO entscheide das Oberverwaltungsgericht, ob die Vorlageverweigerung rechtmäßig sei. Von der Entscheidungskompetenz des [X.]s sei auch die Prüfung der Zulässigkeit des Antrages des [X.] auf erneute Überprüfung des [X.] umfasst.

8

Im Zwischenverfahren hat der Kläger schriftsätzlich verschiedene Anträge - auf Durchführung des Zwischenverfahrens gegen die Sperrerklärung, auf Beiziehung von Schriftstücken, zu deren Zugänglichmachung die Beklagte mit Teilurteil verurteilt worden sei und auf Verlängerung der [X.] bis einem Monat nach Zugänglichmachung dieser Anträge - gestellt. Die Beigeladene zu 2 hat den Antrag formuliert, festzustellen, dass die Verweigerung der Vorlage der Verwaltungsakten, soweit es die im Sperrvermerk des Beigeladenen zu 1 vom 7. Februar 2014 und vom 21. August 2014 als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Unterlagen betrifft, rechtmäßig sei. Diesen Antrag hat auch die Beklagte für den Fall der Bejahung der Zulässigkeit des Antrages des [X.] gestellt.

9

Mit Beschluss vom 7. Juli 2022 hat der [X.] des [X.] die Anträge des [X.] und der Beigeladenen zu 2 abgelehnt.

Die Anträge des [X.] auf Beiziehung weiterer Unterlagen und Verlängerung seiner Frist zur Stellungnahme sei nicht zu entsprechen, da der Senat im Zwischenverfahren abschließend ohne die fraglichen Unterlagen entscheiden könne. Sein Antrag auf Durchführung des Zwischenverfahrens sei unzulässig. Dies folge nicht daraus, dass über die Rechtmäßigkeit der Sperrerklärung bereits bindend entschieden sei. Das [X.] habe im Beschluss vom 27. April 2016 keine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Sperrerklärung getroffen und die Entscheidung des [X.] insoweit abgeändert. Es handele sich daher nicht um eine erneute Überprüfung des [X.]. Es fehle jedoch an einer spezifischen Entscheidung des Gerichts der Hauptsache. Dies müsse die Entscheidungserheblichkeit der Aktenvorlage in einem, den [X.] grundsätzlich bindenden Beschluss bejahen. Die Bindungswirkung entfalle, wenn der Beschluss offensichtlich fehlerhaft sei oder das Hauptsachegericht seiner Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhaltes nicht nachkomme, um auf dieser Grundlage über die Erforderlichkeit der Aktenvorlage zu entscheiden. Durch die Beiziehung der dem Gericht aufgrund der Freigabe durch den Beigeladenen zu 1 zugänglich zu machenden Unterlagen könne sich eine veränderte prozessuale Lage ergeben, die eine erneute Entscheidung des Gerichts der Hauptsache erforderlich mache. Nach Einsicht in die freigegebenen Unterlagen müsse das Hauptsachegericht sich Gewissheit darüber verschaffen, ob es ergänzend noch die weiteren Unterlagen benötige. Dem werde der Beschluss vom 25. September 2017 nicht gerecht. Dass die Beklagte die Vorlage der freigegebenen Unterlagen verweigere, ändere daran nichts. Das Gericht könne diese unmittelbar bei der Aufsichtsbehörde anfordern oder die Weigerung als Beweisvereitelung werten.

Über den für den Fall der Zulässigkeit des Antrages des [X.] gestellten Antrag der Beklagten sei hiernach nicht zu entscheiden. Der Antrag der Beigeladenen zu 2 sei unstatthaft. Es fehle ihm das Rechtsschutzinteresse, da sein Ziel bereits durch die Sperrerklärung erreicht sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des [X.] vom 8. Juli 2022. Er beantragt, den Beschluss abzuändern und die Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung vom 7. Februar 2014 und vom 21. August 2014 festzustellen. Die vom Oberverwaltungsgericht vermisste spezifische Entscheidung des Gerichts der Hauptsache liege in dem rechtskräftigen Teilurteil vom 21. September 2017. Nach dem Tenor und der Begründung auf Seite 17 der Entscheidungsgründe sei die Entscheidungserheblichkeit der Sperrerklärung rechtskräftig festgestellt und dies binde auch den [X.], der eine Sachprüfung hätte vornehmen müssen. Im Lichte des Beschlusses des [X.]s vom 27. April 2016 sei die Sperrerklärung rechtswidrig. Der Randnummer 52 dieses Beschlusses sei nichts mehr hinzuzufügen.

Am 22. Juli 2022 hat auch die Beigeladene zu 2 Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, die Formulierung ihres Antrages aus ihrem Schriftsatz vom 27. November 2017 sei missverstanden worden. Sie habe im [X.] damit die Zurückweisung des Antrages des [X.] jedenfalls wegen seiner Unbegründetheit gemeint und halte in diesem Sinne an ihrem Antrag fest. Ein eigenständiger Antrag sei weder gestellt noch gewollt.

Der Beschwerde des [X.] tritt auch die Beklagte entgegen.

II

Beide Beschwerden bleiben ohne Erfolg.

1. Die Beschwerde der Beigeladenen zu 2 ist weder zulässig noch begründet.

Sie beschwert sich gegen die Zurückweisung eines Antrages, den sie nach ihrer Beschwerdebegründung gar nicht gestellt haben will. Hierfür gibt es angesichts des Fehlens einer Kostenbelastung kein Rechtsschutzinteresse.

Ungeachtet dessen hat sie den Antrag aus der Sicht eines objektiven Empfängers auch gestellt, sodass der [X.] des [X.] ihn mit Recht beschieden hat. Die Beigeladene zu 2 weist auf ihren Schriftsatz vom 27. November 2017 hin, in dem der vom Oberverwaltungsgericht referierte und beschiedene Antrag ausdrücklich als Feststellungsantrag formuliert ist. Dieser ist entgegen der Einschätzung der Beigeladenen zu 2 nicht missverständlich, vielmehr ohne jede weitere Auslegungsnotwendigkeit eindeutig. Das Oberverwaltungsgericht geht mit Recht davon aus, dass ausdrückliche Anträge auf Feststellung der Rechtmäßigkeit der Sperrerklärung in einem Zwischenverfahren nach § 99 VwGO unstatthaft sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. April 2020 - 20 F 2.19 - [X.] 310 § 99 VwGO Nr. 89 Rn. 21).

2. Die Beschwerde des [X.] ist unbegründet, weil der [X.] seinen Antrag im Ergebnis zutreffend als unzulässig zurückgewiesen hat. Denn der [X.] des [X.] geht mit Recht davon aus, dass es bislang an einer ordnungsgemäßen Verlautbarung der Entscheidungserheblichkeit durch das Gericht der Hauptsache fehlt.

a) Aus der durch § 99 VwGO vorgegebenen Aufgabenverteilung zwischen dem [X.] und dem Gericht der Hauptsache folgt, dass zunächst das zur Sachentscheidung berufene Hauptsachegericht zu prüfen und förmlich darüber zu befinden hat, ob und gegebenenfalls welche Informationen aus den Akten für eine Sachentscheidung erforderlich sind, bevor die oberste Aufsichtsbehörde über die Freigabe oder Verweigerung der in Rede stehenden Aktenteile befindet; hat das Gericht der Hauptsache die Entscheidungserheblichkeit in einem Beschluss geprüft und bejaht, ist der [X.] grundsätzlich an dessen Rechtsauffassung gebunden; eine andere Beurteilung durch den [X.] kommt nur dann in Betracht, wenn die Rechtsauffassung des Gerichts der Hauptsache offensichtlich fehlerhaft ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Februar 2008 - 20 F 2.07 - BVerwGE 130, 236 Rn. 13 und vom 3. Juni 2013 - 20 F 9.13 - juris Rn. 8). Eine Bindungswirkung entfällt auch dann, wenn das Gericht der Hauptsache seiner Verpflichtung nicht genügt, die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts zu erschöpfen, um auf dieser Grundlage über die Erforderlichkeit der ungeschwärzten Aktenvorlage zu entscheiden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2016 - 20 F 2.15 - NVwZ 2016, 467 Rn. 4 m. w. N.).

Ist - wie hier - ein Anspruch auf Informationszugang Streitgegenstand des Verfahrens vor dem Gericht der Hauptsache, folgt daraus nicht zwingend, dass es für seine Sachentscheidung der Einsicht in die zurückgehaltenen Aktenteile bedarf. Solche Streitigkeiten führen nicht gleichsam automatisch zu einem Verfahren vor dem [X.]. Es kann Fallgestaltungen geben, bei denen es für die Feststellung materieller [X.] auf die Kenntnis der konkreten Akteninhalte nicht ankommt. Ob es zur Beurteilung des [X.] als Erkenntnishilfe der streitigen Akten bedarf, kann neben dem Zuschnitt der [X.] davon abhängen, ob die betreffenden Akteninhalte ihrem Gegenstand nach unstreitig sind und auf dieser Grundlage über die fachgesetzlichen [X.] entschieden werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2016 - 20 F 2.15 - NVwZ 2016, 467 Rn. 5 m. w. N.).

Selbst wenn das Gericht der Hauptsache zunächst in einem Beweisbeschluss in ausreichender Weise die Entscheidungserheblichkeit der angeforderten Akten verlautbart hat, kann es verpflichtet sein, die Entscheidungserheblichkeit nach der daraufhin erfolgten Abgabe der Sperrerklärung erneut zu überprüfen. Ist erst in der Sperrerklärung der Inhalt der angeforderten Unterlagen jedenfalls stichwortartig näher beschrieben worden, hat zunächst das zur Sachentscheidung berufene Gericht der Hauptsache förmlich darüber zu befinden, ob es die im Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen ohne Einsicht in die angeforderten Unterlagen auf der Grundlage der abstrakten Umschreibung ihres Inhalts beantworten kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2019 - 20 F 8.17 - juris Rn. 5 m. w. N.).

b) Hiernach kann dahinstehen, ob - wie der [X.] des [X.] ausführt - die Einsicht in die nach dem rechtskräftigen Teilurteil ggf. mit Hilfe der obersten Aufsichtsbehörde, des Beigeladenen zu 1, zu beschaffenden Vertragsteile eine neue prozessuale Situation schaffen, die das Verwaltungsgericht zur Überprüfung seines [X.] veranlassen. Denn das Verwaltungsgericht hätte bereits zuvor aus anderen Gründen vor der erneuten Vorlage an den [X.] überprüfen müssen, ob und in welchem Umfange es für die Entscheidung in der Hauptsache die ungeschwärzte Vorlage der von der Sperrerklärung erfassten Vertragsbestandteile benötigt.

Es mag zwar vor dem ersten Vorlagebeschluss vom 10. Juni 2014 ausreichend gewesen sein, darauf zu verweisen, dass über den Anspruch aus § 3 [X.] [X.] die Einsicht in die ungeschwärzten Verträge erforderlich sei. Denn die Ablehnungsgründe aus § 10 Satz 1 Nr. 3 [X.] [X.] lassen sich ohne jede Kenntnis vom Inhalt der nur geschwärzt vorliegenden Passagen offensichtlich nicht prüfen. Nach der Übermittlung der stichwortartigen Übersicht über den Gegenstand der fraglichen Klauseln in der Sperrerklärung vom 21. August 2014 hatte das Verwaltungsgericht aber Anlass zur Prüfung, ob nicht diese Umschreibung der in Rede stehenden Vertragsbestandteile ausreicht, um das Vorliegen von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen in den ihrem Inhalt nach umrissenen Klauseln prüfen zu können. Außerdem bestand bereits mit der Vorlage der Sperrerklärung die Möglichkeit, durch eine Aufklärungsverfügung, bei der obersten Aufsichtsbehörde nähere Erläuterungen zum Inhalt der gesperrten Klauseln für die Prüfung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen abzufragen. Die Aufsichtsbehörde hätte auf eine Aufklärungsverfügung des Verwaltungsgerichtes prüfen können, ob auch hinsichtlich der von ihr erstellten Anlage zu ihrem Schreiben vom 7. Februar 2014 Weigerungsgründe eingreifen und diese dann - ggf. mit einzelnen Schwärzungen - vorlegen können. Dies hätte dem Verwaltungsgericht die Prüfung ermöglicht, ob die fraglichen Klauseln ihrer Art nach Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalten. Dies ist bislang nicht erfolgt.

Entgegen der Einschätzung des [X.] folgt nichts anders aus der Rechtskraft des [X.]. Diese reicht nur soweit, wie über den Streitgegenstand entschieden wurde und erfasst damit die von der Sperrerklärung erfassten Vertragsinhalte nicht. Weder der Tenor noch die Entscheidungsgründe des [X.] äußern sich zu den hier entscheidungserheblichen Textpassagen. Dies gilt auch für die vom Kläger in Bezug genommene Seite 17 der Entscheidungsgründe. Dort wird die fehlende Entscheidungsreife hinsichtlich der von der Sperrerklärung erfassten Vertragsteile damit begründet, dass das Verwaltungsgericht nicht über den noch offenen Antrag nach § 99 Abs. 2 VwGO entscheiden darf. Dass es dafür eine Einsicht in die geschwärzten Passagen der vorgelegten Verträge benötigt, lässt sich diesen Ausführungen auch nicht mittelbar mit der gebotenen Deutlichkeit entnehmen.

c) Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass - sollte das Verwaltungsgericht die Entscheidungserheblichkeit ordnungsgemäß verlautbaren und der Kläger einen erneuten Antrag stellen - noch eine erneute und aktualisierte Sperrerklärung abzugeben ist. Denn es ist zweifelhaft, ob in den Schreiben der Beigeladenen zu 1 vom 7. Februar 2014 und vom 21. August 2014 eine für eine Sperrerklärung erforderliche Ermessensentscheidung zu entnehmen ist.

Die oberste Aufsichtsbehörde ist im Rahmen einer Prüfung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gefordert, in besonderer Weise die rechtsschutzverkürzende Wirkung der Verweigerung der Aktenvorlage für den Betroffenen zu beachten. Darin liegt die Besonderheit ihrer Ermessensausübung nach dieser Regelung. Dementsprechend steht ihr selbst in den Fällen ein Ermessen zu, in denen das [X.] es der Fachbehörde nicht einräumt (BVerwG, Beschluss vom 7. April 2020 - 20 F 2.19 - [X.] 310 § 99 VwGO Nr. 89 Rn. 31 m. w. N.). Selbst wenn man dem mit Schreiben vom 21. August 2014 inhaltlich präzisierten Schreiben vom 7. Februar 2014 die den Gegenstand des Zwischenverfahrens bildende Sperrerklärung entnimmt, ist beiden Schreiben wohl keine Ermessensausübung zu entnehmen.

Zwar wäre eine Ergänzung von Ermessenserwägungen bei § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO möglich, wenn die neuen Gründe schon bei Erlass des Verwaltungsaktes vorlagen, dieser nicht in seinem Wesen verändert und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird (BVerwG, Beschluss vom 19. April 2021 - 20 F 9.20 - [X.] 310 § 99 VwGO Nr. 96 Rn. 32 m. w. N.). Bei einem [X.], wie er vorliegend in Betracht zu ziehen ist, fehlt es den im [X.] oder Zwischenverfahren vorgebrachten schriftsätzlichen Ausführungen des Beigeladenen zu 1 an einem lediglich ergänzenden Charakter (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Mai 2023 - 20 F 4.23 - NVwZ 2023, 1504 Rn. 27).

3. [X.] beruht auf § 154 Abs. 1 und 2, § 159 Abs. 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Beigeladene zu 1, die keinen eigenen Antrag gestellt und kein Rechtsmittel eingelegt hat und damit kein Kostenrisiko eingegangen ist (§ 154 Abs. 3 VwGO), trägt ihre notwendigen Aufwendungen selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Meta

20 F 16/22

12.10.2023

Bundesverwaltungsgericht Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs 2 VwGO

Beschluss

Sachgebiet: F

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 7. Juli 2022, Az: 15 P 1/17, Beschluss

§ 10 S 1 Nr 3 InfoZG SH, § 3 InfoZG SH, § 99 Abs 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 12.10.2023, Az. 20 F 16/22 (REWIS RS 2023, 8549)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8549

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