Bundessozialgericht, Urteil vom 29.04.2010, Az. B 9 VS 2/09 R

9. Senat | REWIS RS 2010, 7077

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Soldatenversorgung - Soldat auf Zeit - Beendigung des Wehrdienstes - Feststellung von Folgen einer Wehrdienstbeschädigung - Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Wehr - und Versorgungsverwaltung


Leitsatz

1. Die Bundeswehrverwaltung ist nach Beendigung des Wehrdienstes nur befugt, Gesundheitsstörungen als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung festzustellen, die während des Wehrdienstes vorgelegen haben.

2. Die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden dürfen über Leistungen der Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz für Zeiten nach dem Wehrdienst erst befinden, wenn die Bundeswehrverwaltung über Ansprüche eines ehemaligen Soldaten auf Zeit wegen der während der Dienstzeit aufgetretenen Folgen einer Wehrdienstbeschädigung entschieden hat.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen Folgen einer Wehrdienstbeschädigung ([X.]) sind.

2

Der 1942 geborene Kläger war vom 1.10.1959 bis 30.9.1963 bei der [X.] Soldat auf Zeit, dabei zuletzt als Radarflugmelder eingesetzt.

3

Im Juli 2001 beantragte der Kläger beim [X.] die Gewährung von Leistungen der Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz ([X.]) iVm dem [X.] ([X.]). Er machte geltend, die bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen seien Folgen einer [X.], denn er sei an den Radarüberwachungsgeräten mit Leuchtschriften in Kontakt gekommen und einer zu hohen Strahlenbelastung ausgesetzt gewesen. Das [X.] übersandte den Antrag samt Akte an die Wehrbereichsverwaltung V (Süd), weil diese nach § 88 Abs 1 und 2 [X.] für die Erstentscheidung zuständig sei.

4

Nachdem die vom [X.] eingesetzte [X.] am 2.7.2003 ihren Bericht vorgelegt hatte, lehnte die beklagte [X.] sowohl die Feststellung der beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen "dilatative Kardiomyopathie mit linksventrikulärer Pumpstörung, Herzrhythmusstörungen" als Folgen einer [X.] iS des § 81 [X.] als auch die Gewährung von Ausgleich nach § 85 [X.] ab (Bescheid vom 21.11.2003). Die geltend gemachten Gesundheitsstörungen gehörten nicht zu den qualifizierenden Krankheiten aufgrund ionisierender Strahlung im Sinne des Berichts der [X.]. Ein [X.] zwischen einer etwaigen Strahleneinwirkung während der dienstlichen Tätigkeit und den Erkrankungen sei somit auszuschließen.

5

[X.] versagte daraufhin unter Berufung auf die Bindungswirkung der Entscheidung der Beklagten auch die Gewährung von Leistungen der Beschädigtenversorgung (Bescheid vom 30.1.2004).

6

Nachdem der Kläger im Widerspruchsverfahren weitere Gesundheitsstörungen geltend gemacht hatte, die er ursächlich auf die Strahlenbelastung während seiner Dienstzeit bei der [X.] zurückführte, lehnte die beklagte [X.] außerdem die Feststellung der Gesundheitsstörungen "beginnender [X.] beidseits, multiple Bandscheibenvorfälle in allen Wirbelsäulenabschnitten, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, beginnende [X.] in den oberen und unteren Extremitäten, rezidivierende Nerven- und Muskelreizerscheinungen, Impotenz, wiederkehrende Sehstörungen, chronische Nasennebenhöhlenentzündungen bei Nasenscheidewandfehlstellung" als Folgen einer [X.] sowie auch insoweit die Gewährung eines Ausgleichs ab (Bescheid vom [X.]). Zwar habe die ausgeübte Tätigkeit zu den qualifizierenden Tätigkeiten gehört, bei denen Personen einer gesundheitsschädigenden Strahleneinwirkung ausgesetzt gewesen seien. Ebenso liege mit dem Katarakt (grauer Star) eine qualifizierende Krankheit vor, für die ionisierende Strahlung ursächlich sein könnte. Bei einer Zeitspanne von 40 Jahren zwischen der dienstlichen Verwendung und der erstmaligen Diagnose dieser Erkrankung könne jedoch kein ursächlicher Zusammenhang hergestellt werden.

7

Die Widersprüche des [X.] gegen die Bescheide vom 21.11.2003 und [X.] wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 19.6.2006).

8

Der Kläger hat zur Begründung seiner dagegen erhobenen Klage ua vorgetragen: Er sei während seiner Dienstzeit als Operator und Controller Röntgenstrahlen, radioaktiver Strahlung aus der Leuchtfarbe Ra 226 und gepulster Hochfrequenz (elektromagnetischer Strahlung) ausgesetzt gewesen. Diese Strahlungen hätten ab 1961 Krankheitsbilder verursacht (zunächst Probleme im [X.], Krämpfe, Erbrechen, Durchfall, Blut teilweise im Stuhl). Schon während des Wehrdienstes habe er auch Probleme mit den Augen gehabt (Lichtempfindlichkeit, Tränen, Augenbrennen). Seit 1975 bestünden Sehstörungen. Seit Anfang der achtziger Jahre trage er eine Brille.

9

Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Zur Begründung seiner dagegen eingelegten Berufung hat der Kläger im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Klageverfahren wiederholt. Er hat in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] beantragt, (1) das Urteil des [X.] sowie die Bescheide der beklagten [X.] aufzuheben, (2) bei ihm festzustellen, dass die von ihm geltend gemachten Gesundheitsstörungen Folgen einer [X.] sind, und (3) das [X.] zu verurteilen, ihm ab [X.] Beschädigtenrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens 30 zu gewähren.

Das L[X.] hat unter Abänderung der Entscheidung des [X.] die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen und die gegen den Beigeladenen gerichteten Klagen abgewiesen (Urteil vom [X.]). Zur Begründung hat es ua ausgeführt:

Die gegen die beklagte [X.] gerichtete Anfechtungsklage sei zulässig und begründet. Diese sei zu einer Entscheidung über einen Ausgleich nach § 85 Abs 1 [X.] nicht befugt gewesen, denn insoweit fehle es schon an einem rechtlich beachtlichen Antrag. Sie sei auch nicht befugt gewesen, durch Verwaltungsakt festzustellen, dass die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen nicht Folgen einer [X.] iS des § 81 [X.] seien. Nach dem Urteil des B[X.] vom [X.] - [X.]/9a [X.] - sei die [X.]verwaltung für die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung Folge einer [X.] sei, nur zuständig, soweit Leistungen nach § 41 Abs 2, §§ 85, 86 [X.] in Betracht kämen. Feststellende Verwaltungsakte zu Zusammenhangsfragen dürfe die Beklagte nur erlassen, wenn sie für die betreffende Leistungsbewilligung zuständig sei. Hier begehre der Kläger jedoch die Gewährung von Leistungen der Beschädigtenversorgung nach § 80 [X.]; hierfür sei das [X.] zuständig.

Der Einwand der Beklagten, das Urteil des B[X.] vom [X.] könne für die Beurteilung der Zuständigkeit bei ehemaligen Berufs- und Zeitsoldaten nicht herangezogen werden, weil die Wehrverwaltung bei diesen nach § 88 Abs 2 Satz 1 Buchst a [X.] immer die "[X.]" habe, greife nicht durch. Diese Regelung betreffe nur die zeitliche Reihenfolge der Entscheidungen. Zudem seien die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen erst nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses eingetreten. Die Beklagte könne sich auch nicht auf den Rechtsstandpunkt zurückziehen, sie sei zu einer auf das Vorliegen einer [X.] beschränkten Feststellung berechtigt, denn sie habe in den angefochtenen Bescheiden über die Folgen einer [X.] entschieden.

Aus der Rechtsprechung des B[X.] ergebe sich nichts anderes. Diese habe zwar für das nach § 55 Abs 1 [X.] [X.]G erforderliche Feststellungsinteresse die Besorgnis von Spätschäden ausreichen lassen (B[X.], Urteil vom 16.3.1994 - 9 RV 2/93). Soweit ersichtlich, sei jedoch in allen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschiedenen Fällen die Gesundheitsstörung schon während der Dienstzeit eingetreten. Für die Begründung der Zuständigkeit der beklagten [X.] reiche es nicht aus, dass der Kläger Jahrzehnte nach dem Dienstende behaupte, schon während der Dienstzeit seien Beschwerden aufgetreten, die er auf die Einwirkung von Strahlen zurückführe. Denn der Zweck eines von der [X.]verwaltung durchgeführten Feststellungsverfahrens, wegen möglicher Spätschäden rechtzeitig Beweis zu sichern, sei nicht mehr erreichbar.

Die Beklagte könne sich schließlich auch nicht auf eine einheitliche Rechtsauffassung aller mit der Versorgung befassten Behörden berufen. Das [X.] sei in seinem Rundschreiben vom 20.10.2003 von Fällen einer Erstentscheidung durch die [X.] bei lange zurückliegenden Schädigungen durch den Betrieb von Radargeräten der [X.] ausgegangen; es habe angeordnet, dass in diesen Fällen die [X.]verwaltung um Sachverhaltsaufklärung und Amtshilfe zu bitten sei.

Die mit der Anfechtungsklage verbundene, gegen die Beklagte gerichtete Feststellungsklage sei zwar nach § 55 Abs 1 [X.] [X.]G statthaft, es fehle jedoch wegen der mangelnden Entscheidungsbefugnis der Beklagten das erforderliche Feststellungsinteresse.

Die gegen das [X.] gerichteten Klagen seien ebenfalls unzulässig. Für die erstmals vor dem L[X.] erhobene Leistungsklage seien schon die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen des § 75 Abs 5 [X.]G nicht erfüllt. Im Übrigen fehle es an der Durchführung eines vorherigen Vorverfahrens gemäß § 78 [X.]G, denn das [X.] habe den Widerspruch des [X.] gegen den Bescheid vom 30.1.2004 noch nicht beschieden.

Der [X.] sei zwar nicht gehindert, über die vom Kläger nachrangig gegen das [X.] gerichtete Feststellungsklage nach § 75 Abs 5 [X.]G zu entscheiden. Der Gesetzgeber habe jedoch die Verurteilung des [X.]es in das Ermessen des Gerichts ("kann") gestellt. Der Zweck dieser Vorschrift, aus prozessökonomischen Gründen einen neuen Rechtsstreit zu vermeiden, rechtfertige eine Durchbrechung des Grundsatzes, dass dem sozialgerichtlichen Verfahren ein förmliches Vorverfahren vorauszugehen habe, dann nicht, wenn das Ziel der Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes und der Durchsetzung des materiellen Rechts ohne ein vorangegangenes Verwaltungsverfahren schwerer erreichbar sei. Eine Prognose der aus rechtlicher Sicht noch erforderlichen Sachaufklärung ergebe hier, dass eine umfassende Sachprüfung durchzuführen sei, für die das Vorverfahren geeigneter sei als das gerichtliche Verfahren. Der [X.] habe zwar kaum Zweifel, dass die Beklagte im Ergebnis zutreffend entschieden habe, dass die Katarakt-Erkrankung, die beim Kläger allein als qualifizierende Krankheit im Sinne des Berichts der [X.] in Betracht komme, nicht Folge einer [X.] durch Strahleneinwirkung sei. Es fehle jedoch bislang an einer Prüfung, ob die vom Kläger neben der Katarakt-Erkrankung als [X.]-Folgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen mit Wahrscheinlichkeit durch Strahleneinwirkungen bei Dienstverrichtungen an Radargeräten verursacht worden seien.

Kläger und Beklagte haben jeweils die vom [X.] zugelassene Revision eingelegt.

Der Kläger rügt mit seiner Revision sinngemäß eine Verletzung des § 88 Abs 2 Satz 1 Buchst a [X.]. Die beklagte [X.] sei für die Feststellung der [X.] zuständig gewesen. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung sei die [X.]verwaltung auch nach Beendigung des Wehrdienstes bei Soldaten auf [X.] zuständig, wenn Ansprüche nach § 41 Abs 2 [X.] sowie den §§ 85, 86 [X.] infrage kämen. Dieser Wortlaut sei dahingehend auszulegen, dass die [X.]verwaltung für die Feststellung einer [X.] zuständig sei, die [X.] für die Entscheidung über die zu gewährenden Leistungen. Soweit sich das L[X.] auf die Entscheidung des B[X.] vom [X.] - [X.]/9a [X.] - stütze, habe dieser Fall einen Wehrdienstleistenden und nicht - wie bei ihm - einen Soldaten auf Zeit betroffen.

Weiter rügt der Kläger eine Verletzung des § 75 Abs 5 [X.]G. Nach dieser Vorschrift könne ein Land nach notwendiger Beiladung verurteilt werden. Die Verurteilung sei nicht unbedingt auf eine Verurteilung zur Leistung beschränkt. Das L[X.] habe deshalb auch zutreffend festgestellt, dass es nach § 75 Abs 5 [X.]G möglich sei, über die von ihm begehrte Feststellung von Folgen einer [X.] im Rechtsverhältnis zum Beigeladenen durch ein Sachurteil zu entscheiden. Es habe es jedoch im vorliegenden Fall nicht für zweckmäßig gehalten, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Er (der Kläger) habe jedoch mehrfach schriftlich vorgetragen, dass er diesbezüglich auf einen mit einer weiteren Verzögerung verbundenen vollständigen "Instanzenzug" verzichte. Der bisherige Verlauf des Verfahrens habe gezeigt, dass ein Vorverfahren gerade nicht zu einer Sachverhaltsaufklärung führe. Bislang sei kein einziges Gutachten zur Frage der Kausalität zwischen Schädigung und Gesundheitsstörung eingeholt worden. Bei zutreffender Anwendung des § 75 Abs 5 [X.]G hätte das L[X.] das [X.] verurteilen müssen.

Der Kläger rügt außerdem eine Verletzung der §§ 103, 109, 128 [X.]G. Es sei ausdrücklich die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 [X.]G beantragt worden. Das L[X.] hätte zudem (von Amts wegen) ein Sachverständigengutachten einholen und die von ihm benannten Zeugen hören müssen.

Schließlich stellt der Kläger klar, dass die Bescheide der Beklagten insoweit von ihm nicht angefochten worden seien, als sie die Ablehnung der Gewährung von Ausgleich nach § 85 [X.] betreffen.

Der Kläger beantragt,

        

1.   

die Urteile des [X.] vom [X.] und des [X.] vom [X.] zu ändern, soweit die Berufung zurückgewiesen und seine Klagen abgewiesen worden sind,

        

2.   

die Beklagte zu verpflichten, die Gesundheitsstörungen "dilatative Kardiomyopathie mit linksventrikulärer Pumpstörung, Herzrhythmusstörungen, multiple Bandscheibenvorfälle in allen Wirbelsäulenabschnitten, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, beginnende [X.] in den oberen und unteren Extremitäten, rezidivierende Nerven- und Muskelreizerscheinungen, Impotenz, wiederkehrende Sehstörungen, grauer Star, chronische Nasennebenhöhlenentzündungen bei Nasenscheidewandfehlstellung und Immunschwäche" im Sinne der Entstehung als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 Abs 1 [X.] festzustellen,

        

3.   

den Beigeladenen zu verurteilen, ihm wegen der erlittenen Wehrdienstbeschädigung Versorgung zu gewähren,

        

4.   

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

        

1.   

das Urteil des [X.] vom [X.] zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des [X.] vom [X.] in vollem Umfang zurückzuweisen,

        

2.   

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie rügt mit ihrer Revision eine Verletzung der § 88 Abs 2 Satz 1 Buchst a, § 87 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm §§ 85, 86 [X.]. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmungen stehe ihr eine "[X.]" auch in den Fällen von Berufs- und Zeitsoldaten zu, in denen Leistungen für die Zeit des Wehrdienstverhältnisses nicht zu erwarten seien. Auch nach Beendigung des Wehrdienstes sei sie befugt, über die Grundvoraussetzungen der Beschädigtenversorgung auf der Grundlage der § 41 Abs 2, §§ 85, 86 [X.] zu entscheiden, unabhängig davon, ob die Folge der [X.] vor oder nach [X.] eingetreten sei. Dies sei seit dem Inkrafttreten des § 88 Abs 2 Satz 1 Buchst a [X.] am 1.1.1981 (durch das Siebente Gesetz zur Änderung des [X.] vom [X.], [X.] 851) einhellige Rechtsauffassung und gefestigte Verwaltungspraxis aller mit der Beschädigtenversorgung befassten Behörden. Die Entscheidung des L[X.] sei deshalb schon nicht vom Wortlauf des Gesetzes gedeckt. Das L[X.] habe im Wege der Auslegung aus den Wörtern "entscheiden…nach § 41 Abs 2 sowie den §§ 85 und 86" ein "entscheiden über Ansprüche/Leistungen nach.." gemacht. Die Wehrverwaltung könne jedoch nach dem Ausscheiden auch ablehnend über etwaige Ansprüche entscheiden und vor allem über das Vorliegen einer [X.] befinden.

Auch die Gesetzesmaterialien bestätigten dieses Rechtsverständnis. In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Verteidigungsausschusses zu dem eingebrachten Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des [X.] (BT-Drucks 8/4030, [X.]) heiße es ausdrücklich, dass die [X.]verwaltung bei ehemaligen Berufssoldaten und Zeitsoldaten über die Frage der Wehrdienstbeschädigung und deren Folgen jeweils vor der [X.] zu entscheiden habe. Diese Regelung entspreche der in § 31 Soldatengesetz normierten besonderen Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Mit diesem Verfahren würden unterschiedliche Entscheidungen über die Beschädigtenversorgung und die Dienstzeitversorgung, für die die [X.]verwaltung nach § 87 [X.] allein zuständig sei, vermieden. Mit der Änderung des § 88 Abs 2 [X.] sei der Gesetzgeber einer Anregung des Bundesrates und einem Hinweis des B[X.] in seinem Urteil vom 17.5.1977 - 10 RV 53/76 - nachgekommen.

Das L[X.] könne sich in diesem Zusammenhang nicht auf das Urteil des B[X.] vom [X.] - 9/9a [X.] - stützen, weil dieses über die Zuständigkeit bei einem Soldaten, der aufgrund der Wehrpflicht Wehrdienst geleistet habe, zu entscheiden gehabt habe. Bei diesem Personenkreis sei die zwingend vorgesehene "[X.]" auf Seiten der [X.]verwaltung nicht notwendig, weil eine Dienstzeitversorgung für diesen Personenkreis nicht in Betracht komme. Soweit das L[X.] die Auffassung vertrete, aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass die [X.]verwaltung ausschließlich in denjenigen Fällen für Entscheidungen zuständig sei, wenn Leistungen überhaupt in Betracht kämen, sei dies nicht nachvollziehbar. Die Bindung der [X.]verwaltung nach einer möglicherweise fehlerhaften Entscheidung der [X.] sei vor allem dann problematisch, wenn ein Dienstunfall vorliege, der zugleich eine Wehrdienstbeschädigung sei. Ziel der Regelung des § 88 Abs 3 [X.] sei es nicht nur, der Gefahr voneinander abweichender Entscheidungen entgegenzuwirken, sondern auch eine Schlechterstellung von Soldaten nach dem Ausscheiden zu verhindern. Durch Bindung - in erster Linie der [X.] - soll die weitere Versorgung der aus dem Dienst der [X.] ausgeschiedenen Soldaten sichergestellt werden.

Das L[X.] sei ferner unzutreffend davon ausgegangen, dass eine Entscheidungsbefugnis der [X.]verwaltung über einen Anspruch nach § 85 [X.] auch deshalb ausscheide, weil die Gesundheitsstörungen erst nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses eingetreten seien. Diese Vorschrift stelle nach ihrem Wortlaut "Folgen einer Wehrdienstbeschädigung" allein darauf ab, dass das schädigende Ereignis vor Ablauf des Wehrdienstverhältnisses eingetreten sei und deshalb ggf auch eine Negativentscheidung hinsichtlich der Leistungen für die [X.] zu treffen sei. Nach der Intention des Gesetzgebers sei demnach für die Zuständigkeit der Zeitpunkt des Eintritts des schädigenden Ereignisses maßgebend.

Die Rechtsprechung des B[X.] (Urteil vom 16.3.1994 - 9 RV 2/93) habe die [X.]verwaltung außerdem auch dann zu einer Entscheidung ("isolierte Feststellung") über das Vorliegen einer [X.] verpflichtet, wenn die Gewährung eines Ausgleichs wegen eines GdS von unter 25 nicht in Betracht komme. Ein "[X.]" sei demnach nur noch dann zulässig, wenn aus medizinischer Sicht zweifelsfrei sichergestellt sei, dass mit keinerlei Schädigungsfolge zu rechnen sei. Um die Möglichkeit einer späteren Erkrankung auszuschließen, müsse nach dem gegenwärtigen Stand der medizinischen Wissenschaft gesagt werden können, dass mit Spätschäden nicht zu rechnen sei. Daraus folge, dass es für einen Anspruch auf Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer [X.] nicht darauf ankomme, ob eine Gesundheitsstörung aktuell feststellbar sei. Denn nicht diese, sondern der [X.] einer Gesundheitsstörung mit einer [X.] begründe im Hinblick auf mögliche künftige Ansprüche den Feststellungsanspruch des [X.]. Die Feststellung der Schädigungsfolge sei nach der Rechtsprechung des B[X.] zu § 55 Abs 1 [X.] [X.]G (Urteil vom 15.12.1999 - [X.] [X.] 2/98 R) im [X.] Entschädigungsrecht - und damit auch im Recht der Soldatenversorgung - mehr als nur die Feststellung einer Vorfrage für das Leistungsverhältnis; sie sei Gegenstand einer selbstständigen Feststellung.

[X.] stellt keinen Antrag. Es hält die Auslegung des § 88 Abs 2 Satz 1 [X.] durch das L[X.] für zutreffend. Das L[X.] habe ermessensfehlerfrei von der Möglichkeit einer Verurteilung nach § 75 Abs 5 [X.]G keinen Gebrauch gemacht. Inzwischen sei unter dem 11.5.2009 der Widerspruch gegen ihren Bescheid vom 11.2.2004 als unbegründet zurückgewiesen worden. Die hiergegen vor dem [X.]-Roßlau erhobene Klage ruhe wegen des Revisionsverfahrens.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist zulässig und im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils des [X.] und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.]), soweit der Kläger eine Verpflichtung der [X.] zur Feststellung von Folgen einer [X.] für die [X.] bis zum 30.9.1963 begehrt. Der Urteilsausspruch des [X.] ist außerdem insoweit aufzuheben, als dieses die gegen das [X.] gerichteten Klagen abgewiesen und über die Kosten des Verfahrens entschieden hat. Im Übrigen sind die Revisionen des [X.] und der [X.] unbegründet.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zunächst die Anfechtungsklage gegen die Bescheide der [X.] vom 21.11.2003 und [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.6.2006, soweit darin über die Feststellung von Folgen einer [X.] entschieden worden ist. Die damit ebenfalls erfolgte Versagung von Ausgleich nach § 85 [X.] ist vom Kläger von vornherein nicht angegriffen worden. Diese Anfechtungsklage ist verbunden mit einer auf Feststellung von Schädigungsfolgen iS des [X.] gerichteten Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 [X.]). Dabei ist es unschädlich, dass der Kläger insoweit im Revisionsverfahren von einer [X.] zu einer Verpflichtungsklage übergegangen ist (vgl zB [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 9. Aufl 2008, § 55 Rd[X.] 13c). Eine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung liegt darin nicht (vgl dazu [X.] in [X.], aaO, § 168 Rd[X.] 2b).

a) Wie das [X.] zutreffend entschieden hat, ist die Anfechtungsklage schon deshalb begründet, weil die Beklagte bei Erlass der angefochtenen Verwaltungsakte die ihr gesetzlich eingeräumte Entscheidungsbefugnis überschritten hat, indem sie eine Feststellung der beim Kläger in der [X.] ab Antragstellung (Juli 2001) vorliegenden Gesundheitsstörungen als Folgen einer [X.] abgelehnt hat. Die dagegen - insbesondere von der [X.] - vorgebrachten Argumente greifen nicht durch.

Die Durchführung der Beschädigtenversorgung für ehemalige Soldaten auf [X.] wie den Kläger richtet sich nach § 88 [X.] in der zur [X.] der Entscheidungen der [X.] (vom [X.] bis 20.12.2007) geltenden Fassung vom 21.12.2004 ([X.]), die in der Folgezeit im Wesentlichen unverändert geblieben ist (vgl Gesetze vom 12.12.2007, [X.], vom 13.12.2007, [X.], und vom [X.], [X.] 3054). Abs 1 dieser Vorschrift regelt die Aufgabenverteilung zwischen den Behörden der beklagten [X.] und denen des [X.], also deren jeweiligen Zuständigkeitsbereich. Nach Satz 1 dieser gesetzlichen Bestimmung führt das [X.] die §§ 85 bis 86 [X.] (Ausgleich, Wohnungshilfe, Erstattung von Sachschäden und Ersatz besonderer Aufwendungen) bei Behörden der [X.] durch. Im Übrigen wird der Dritte Teil des [X.] (Beschädigtenversorgung iS der §§ 80 ff [X.]) von den zur Durchführung des [X.] zuständigen Behörden (hier der [X.] des [X.]) im Auftrag des Bundes durchgeführt (§ 88 Abs 1 Satz 2 [X.]).

Ausgehend von dieser zwischen [X.] aufgespaltenen Zuständigkeit bestimmt § 88 Abs 2 [X.] die zeitliche Reihenfolge der zu treffenden Entscheidungen, wenn diese nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses erfolgen. Nach Satz 1 entscheidet in bestimmten Fällen auch nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses zunächst die [X.] "nach § 41 Abs 2 sowie den §§ 85 und 86" [X.], bevor die nach § 88 Abs 1 Satz 2 [X.] zuständigen Behörden (hier die [X.] des [X.]) über die Beschädigtenversorgung für die [X.] nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses entscheiden. Diese zeitliche Reihenfolge der Entscheidungen gilt nach Buchst a (ohne weitere Einschränkungen) für ehemalige Berufssoldaten und Soldaten auf [X.] sowie nach Buchst b für ehemalige Soldaten, die aufgrund der Wehrpflicht Wehrdienst geleistet haben, wenn das Verfahren bei Beendigung des Wehrdienstverhältnisses eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen worden ist oder das Verfahren aufgrund des Todes einzuleiten ist und ein Antrag nach § 80 und § 82 [X.] noch nicht vorliegt. In allen anderen Fällen entscheiden gemäß § 88 Abs 2 Satz 2 [X.] nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses die zur Durchführung des [X.] zuständigen Behörden (hier die [X.] des [X.]) vor der [X.].

Nach dem Wortlaut des hier einschlägigen § 88 Abs 2 Satz 1 Buchst a [X.] besteht demnach eine zeitlich vorrangige Zuständigkeit der [X.] ("[X.]") bei ehemaligen Berufssoldaten und Soldaten auf [X.] ua dann, wenn nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses "nach § 85" [X.] zu entscheiden ist. Eine Entscheidung nach § 85 [X.] umfasst grundsätzlich den Erlass zweier Verwaltungsakte iS des § 31 SGB X: zum einen über die Feststellung von Gesundheitsstörungen als Folgen einer [X.], zum anderen über die Gewährung einer Leistung (Ausgleich) wegen der Folgen der [X.] (vgl zur Feststellung von Schädigungsfolgen als eigenständiger Verwaltungsakt bereits [X.], 80, 83 f = [X.] zu § 55 [X.]; [X.], 25, 26; [X.], 22, 23 = [X.] zu § 77 [X.]; zur Feststellung von [X.]-Folgen etwa [X.] 57, 171, 172 = [X.] 1500 § 55 [X.]; [X.] 68, 128, 129 f = [X.] 3-3200 § 81 [X.]; zum Ausgleich als dienstrechtliche Leistung [X.] 64, 225, 227 f = [X.] 7610 § 291 [X.]).

Beide nach § 85 [X.] ergehenden Verwaltungsakte beziehen sich ausschließlich auf die [X.] des Wehrdienstverhältnisses. Für die Gewährung oder Versagung von Ausgleich versteht sich das von selbst. Denn Soldaten erhalten nach § 85 Abs 1 [X.] wegen der Folgen einer [X.] nur während ihrer Dienstzeit einen Ausgleich in Höhe der Grundrente und der [X.] nach § 30 Abs 1 und § 31 [X.]. Derselben zeitlichen Beschränkung unterliegt auch die auf § 85 [X.] gestützte Entscheidung über die Feststellung von Folgen einer [X.]. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, kann nämlich die Feststellungsbefugnis nicht weiter reichen als die Befugnis, über die Leistung zu entscheiden. [X.] ist demnach die Verwaltung, die für die Entscheidung über das stets vorrangige Leistungsbegehren zuständig ist (vgl BSG, Urteil vom 16.3.1994 - 9 RV 2/93 - [X.] 3-1500 § 55 [X.]; BSG, Urteil vom [X.] - [X.]/9a [X.] - [X.]9, 1 = [X.] 4-3200 § 81 [X.], jeweils Rd[X.] 13). Für die Entscheidungen im Anwendungsbereich des § 85 [X.] bedeutet dies, dass auch nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses die beklagte [X.] feststellende Verwaltungsakte zu [X.] (als etwaige Vorstufe einer Leistungsgewährung) nur für Gesundheitsstörungen treffen darf, die während der Dienstzeit vorgelegen haben. Sie hat hingegen keine Kompetenz, positiv oder negativ über gesundheitliche Folgen einer [X.] zu entscheiden, die nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses eingetreten sind.

Auch der Entstehungsgeschichte des § 88 Abs 2 [X.] lässt sich nicht entnehmen, dass die beklagte [X.] für die Feststellung von Gesundheitsstörungen als Folgen einer [X.] zuständig sein soll, die nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses aufgetreten sind. Die mit Wirkung zum 1.1.1981 durch Art 1 [X.]3 Buchst b Siebentes Gesetz zur Änderung des [X.] vom 7.7.1980 ([X.] 851) eingefügte Neufassung des § 88 Abs 2 [X.], mit der die vorgenannte zeitliche Reihenfolge für Entscheidungen nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses festgelegt worden ist, wurde in den Gesetzesmaterialien (vgl BT-Drucks 8/4030, [X.]) damit begründet, dass bei ehemaligen Berufssoldaten und Soldaten auf [X.] grundsätzlich vorgesehen sei, dass die Behörden der [X.] über die Frage der [X.] und deren Folgen jeweils "vor der Entscheidung der Behörden der [X.] über die Beschädigtenversorgung nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses" entschieden.

Diese Ausführungen können entsprechend dem Wortlaut des § 88 Abs 2 [X.] nur so verstanden werden, dass die [X.] zunächst zu prüfen und zu entscheiden hat, ob eine [X.] iS des § 81 Abs 1 [X.] vorliegt, also eine (primäre) gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Außerdem hat sie zu prüfen und zu entscheiden, ob bereits während der Dienstzeit (weitere) Gesundheitsstörungen als Folgen der [X.] aufgetreten und ggf deswegen nach § 85 [X.] Ausgleich (in Höhe der Grundrente und der [X.]n nach § 30 Abs 1 und § 31 [X.]) zu gewähren ist. Erst danach dürfen die für die Durchführung des [X.] zuständigen Behörden (hier die [X.]) über die Beschädigtenversorgung für die [X.] nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses iS der §§ 80 ff [X.] - also über gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen, die nach Beendigung der Dienstzeit eingetreten sind - entscheiden, wobei sie nach Maßgabe des § 88 Abs 3 Satz 1 [X.] an die Entscheidung der [X.] gebunden sind (vgl dazu allerdings BSG [X.] 4-3200 § 88 [X.] 1).

Abhängig von der Art der während des Wehrdienstes erfolgenden Einwirkungen kann die Feststellung einer bis zum Ende der Dienstzeit eingetretenen [X.] Schwierigkeiten bereiten. Bei Unfällen im Sinne von zeitlich begrenzten, auf den Soldaten einwirkenden Ereignissen (s Definition des Unfalls in § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII) wird die erforderliche [X.] einfacher festzustellen sein als bei einer sich über einen längeren [X.]raum erstreckenden, generell schädlichen Einwirkung. Dabei können (wie bei bestimmten Berufskrankheiten) erste Krankheitssymptome durchaus erst längere [X.] nach dem Ende solcher Einwirkungen eintreten. Angesichts der strikten Vorgaben des § 88 Abs 2 Satz 1 [X.] ist die [X.] indes nur zuständig für die Feststellung von Gesundheitsschäden, die sich während der Dienstzeit des Soldaten manifestiert haben. [X.] sie für diesen [X.]raum das Vorliegen von wehrdienstbedingten Gesundheitsstörungen, so ist danach die [X.] nicht gehindert, darüber zu entscheiden, ob die Wehrdienstverrichtung oder dem Wehrdienst eigentümliche Verhältnisse nach Beendigung der Dienstzeit zu einer Erkrankung geführt haben.

Bei dieser Vorgehensweise lässt sich zugleich der vom Gesetzgeber mit dieser Verfahrensregelung verfolgte Zweck erreichen, unterschiedliche Entscheidungen über die Beschädigtenversorgung iS der §§ 80 ff [X.] und die Dienstzeitversorgung iS der §§ 3 ff [X.], für die nach § 87 [X.] die [X.] allein zuständig ist, zu vermeiden (vgl BT-Drucks 8/4030, [X.]). Dagegen ist der Regelung des § 88 [X.] nicht zu entnehmen, dass sich die Entscheidungsbefugnis der [X.] zur Feststellung von Schädigungsfolgen auf alle Gesundheitsstörungen erstrecken soll, die im [X.]punkt der betreffenden Entscheidung vorliegen, auch wenn dieser - wie hier - Jahrzehnte nach dem Ende des Wehrdienstes liegt. Die zeitliche Reihenfolge der Entscheidungen von [X.] und [X.] (§ 88 Abs 2 [X.]) ändert grundsätzlich nicht die in § 88 Abs 1 [X.] vorgenommene Zuständigkeitsverteilung. Insbesondere soll der Umfang der Befugnis der [X.] über das Vorliegen von Folgen einer [X.] zu entscheiden, nicht davon abhängen, wann der (ehemalige) Soldat einen Versorgungsantrag stellt.

Da die vom Kläger angefochtenen Bescheide der [X.] vom 21.11.2003 und [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.6.2006 keine (positiven oder negativen) Feststellungen zu während der Dienstzeit des [X.] vom 1.10.1959 bis 30.9.1963 eingetretenen gesundheitlichen Folgen einer [X.], sondern lediglich negative Feststellungen zu nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses aufgetretenen Gesundheitsstörungen enthalten, hat das [X.] diese Verwaltungsakte insoweit im Ergebnis zu Recht aufgehoben.

b) Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die bei ihm in der [X.] ab Juli 2001 vorliegenden Gesundheitsstörungen Folgen einer [X.] sind, kann seine gegen die Beklagte gerichtete Verpflichtungsklage - wie das [X.] zutreffend erkannt hat - schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der [X.] insoweit eine Entscheidungszuständigkeit fehlt. Denn diese ist gemäß § 88 Abs 1 und 2 iVm § 85 [X.] nur befugt, über Schädigungsfolgen zu befinden, die während des Wehrdienstverhältnisses des [X.] vorgelegen haben.

Da der Kläger bereits im Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahren geltend gemacht hat, dass bestimmte Gesundheitsstörungen, für die schädigende Einwirkungen durch dienstliche Strahlenbelastung ursächlich seien, bereits während des Wehrdienstes aufgetreten seien, kann sein mit der (gegen die Beklagte gerichteten) Verpflichtungsklage verfolgtes Begehren (§ 123 [X.]) nach seinem objektiven Erklärungswert und der recht verstandenen Interessenlage des [X.] (§ 133 BGB) nur so verstanden werden, dass dieser unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips alles begehrt, was ihm aufgrund des von ihm geschilderten Sachverhalts rechtlich zusteht: Er beansprucht deshalb hilfsweise auch, die Beklagte zu verpflichten, die während der Dienstzeit aufgetretenen, auf eine dienstliche Strahlenbelastung zurückzuführenden Gesundheitsstörungen als Folgen einer [X.] festzustellen (zum Anspruch auf Feststellung aller Schädigungsfolgen bereits [X.], 80, 82; BSG, Urteil vom 25.4.1961 - 11 RV 198/61 - juris Rd[X.] 7). Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte über diese Gesundheitsstörungen in den angefochtenen Bescheiden bereits ausdrücklich entschieden hat. Vielmehr darf der Kläger auch noch während des gerichtlichen Verfahrens weitere Gesundheitsstörungen "nachschieben", die er ursächlich auf eine [X.] zurückführt (hierzu bereits BSG, Urteil vom [X.] - 11 RV 1020/60 - juris Rd[X.] 9; BSG, Urteil vom 25.4.1961 - 11 RV 198/61 - juris Rd[X.] 7 f).

Über dieses Begehren hat das [X.] zu Unrecht keine Sachentscheidung getroffen. Zwar handelt es sich hier nicht um den Fall einer alsbaldigen Feststellung dazu, ob eine Körperverletzung, die noch keine Leistungsansprüche auslöst, eine Wehrdienstbeschädigung ist (vgl dazu BSG [X.] 3-1500 § 55 [X.] 18). Insofern geht es vorliegend nicht um eine rechtzeitige Beweissicherung wegen möglicher Spätschäden. Vielmehr macht der Kläger - Jahrzehnte nach seiner Dienstzeit - Schädigungsfolgen geltend, die er auf eine dienstliche Strahlenbelastung zurückführt. Auch und gerade in solch einem Fall ist - nicht zuletzt wegen der sich aus § 88 Abs 3 [X.] ergebenden Bindungswirkung - die (auf die Verhältnisse während der Dienstzeit beschränkte) [X.] der [X.] zu beachten. Daraus ergibt sich wiederum ein Anspruch des [X.] auf eine entsprechende Verwaltungsentscheidung der [X.].

Das [X.] hat - nach seiner Rechtsauffassung folgerichtig - weder festgestellt, ob beim Kläger eine [X.] iS des § 81 Abs 1 [X.] vorliegt, also eine (primäre) gesundheitliche Schädigung, die "durch eine Wehrdienstverrichtung … oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist" (hier durch schädigende Einwirkungen einer Strahlenbelastung während der Dienstzeit des [X.] bei der [X.]), noch hat es darüber befunden, ob bereits während der Dienstzeit (weitere) Gesundheitsstörungen aufgetreten sind, für die eine Strahlenbelastung oder darauf beruhende Schädigungsfolgen mit (hinreichender) Wahrscheinlichkeit ursächlich im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung gewesen sind. Da es mithin an für eine abschließende Entscheidung erforderlichen Tatsachenfeststellungen mangelt, ist das Berufungsurteil insoweit aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.]).

2. Soweit der Kläger mit der Revision erreichen will, unter Aufhebung des entgegenstehenden Urteils des [X.] das [X.] zu verurteilen, ihm wegen der nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses erlittenen Folgen einer [X.] Leistungen der Beschädigtenversorgung nach §§ 80 ff [X.] in Verbindung mit den Vorschriften des [X.] zu gewähren, hat seine Revision im Ergebnis keinen Erfolg. Allerdings hat das [X.] zu Unrecht angenommen, dass der Kläger damit eigenständige Klagen erhoben habe, die gesondert abgewiesen werden könnten.

Nach § 75 Abs 5 [X.] kann ua in Angelegenheiten des [X.] Entschädigungsrechts ein Land nach Beiladung verurteilt werden. Diese Vorschrift gibt den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit aus prozessökonomischen Gründen nur die Befugnis, in Fällen, in denen der Kläger einen nicht passiv legitimierten Leistungsträger verklagt, den in Wirklichkeit passiv legitimierten, aber nicht verklagten Leistungsträger nach Beiladung zu verurteilen, um einen neuen Rechtsstreit und damit auch die Möglichkeit sich praktisch widersprechender Urteile verschieden besetzter Spruchkörper zu vermeiden (vgl [X.], 67, 69; [X.] 49, 143, 145 = [X.] 5090 § 6 [X.] 4; [X.] 57, 1, 2 = [X.] 2200 § 1237a [X.] 25; BSG, Urteil vom 8.5.2007 - B 2 U 3/06 R - [X.] 4-2700 § 136 [X.] Rd[X.] 26). Demnach kommt eine Verurteilung des Beigeladenen nur subsidiär in Betracht. Sie darf erst stattfinden, soweit die Klage gegen den ursprünglich [X.] keinen Erfolg hat. Zudem muss es sich um Ansprüche handeln, die sich gegenseitig ausschließen, also nicht nebeneinander bestehen (vgl [X.] 49, 143, 146 = [X.] 5090 § 6 [X.] 4).

Danach ist der Kläger grundsätzlich nicht gehindert - wie hier sowohl im Berufungs- als auch im Revisionsverfahren - Anträge gegen das [X.] zu stellen. Bei diesen Anträgen handelt es sich jedoch nicht, wie das [X.] meint, um neue, erstmals vor dem [X.] erhobene Klagen, sondern um die ursprünglich gegen die beklagte [X.] erhobenen Klagen, die sich nach Beiladung - hilfsweise - auch gegen das [X.] richten. Bei einer abschlägigen Entscheidung über diese Anträge ist deshalb eine gesonderte Klageabweisung, wie sie hier im Berufungsurteil erfolgt ist, nicht angebracht. Vielmehr hat sich das Gericht in den Entscheidungsgründen auf Ausführungen dazu zu beschränken, warum es eine Verurteilung des Beigeladenen nach § 75 Abs 5 [X.] ablehnt.

Hinsichtlich des gegen den Beigeladenen gerichteten Leistungsbegehrens sind - wie das [X.] zutreffend erkannt hat - die Voraussetzungen für eine Verurteilung nach § 75 Abs 5 [X.] schon deshalb nicht gegeben, weil es sich bei dem dienstrechtlichen Ausgleich nach § 85 [X.] und den entschädigungsrechtlichen Leistungen der Beschädigtenversorgung nach §§ 80 ff [X.] iVm den Vorschriften des [X.] um verschiedene Ansprüche handelt, die unterschiedliche [X.]räume betreffen und nebeneinander bestehen können. Im Übrigen hat der Kläger zum jetzigen [X.]punkt auch deshalb keinen spruchreifen Anspruch auf Leistungen der Beschädigtenversorgung gegen das [X.], weil nach § 88 Abs 2 Satz 1 Buchst a [X.] (im Hinblick auf die Bindungswirkung des § 88 Abs 3 Satz 1 [X.]) zunächst die beklagte [X.] über die Ansprüche des [X.] wegen während der Dienstzeit aufgetretener Folgen einer [X.] (§ 85 Abs 1 [X.]) entscheiden muss, bevor der Beigeladene über die Leistungen der Beschädigtenversorgung für die [X.] nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses (§§ 80 ff [X.]) befinden darf.

3. Im wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das [X.] auch erneut über die Kosten des Verfahrens, jetzt einschließlich der Revision, zu entscheiden haben, so dass die Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil des [X.] ebenfalls aufzuheben ist.

Meta

B 9 VS 2/09 R

29.04.2010

Bundessozialgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: VS

vorgehend SG Dessau, 24. Januar 2007, Az: S 5 VS 2/06, Urteil

§ 80 SVG, § 81 Abs 1 SVG, § 85 Abs 1 SVG, § 88 Abs 1 S 1 SVG vom 21.12.2004, § 88 Abs 1 S 2 SVG vom 21.12.2004, § 88 Abs 2 S 1 SVG vom 21.12.2004

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 29.04.2010, Az. B 9 VS 2/09 R (REWIS RS 2010, 7077)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7077

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 9 V 3/13 R (Bundessozialgericht)

Soziales Entschädigungsrecht - Soldatenversorgung - mögliche Schädigung durch truppenärztliche Behandlung - lebensbedrohliche Krankheit - Strahlentherapie …


S 10 VS 4/15 (SG Würzburg)

Keine Gewährung von Beschädigtenversorgung nach den Vorschriften des Soldatenversorgungsgesetzes


B 9 V 1/15 R (Bundessozialgericht)

Soziales Entschädigungsrecht - Soldatenversorgung - über 55-jähriger Wehrdienstbeschädigter - Besserung des Gesundheitszustands - Herabsetzung des …


B 9 V 22/22 B (Bundessozialgericht)

Soziales Entschädigungsrecht - Wehrdienstbeschädigung - truppenärztliche Heilbehandlung - Kausalitätsprüfung - Unterscheidung zwischen Primärschaden und Sekundärschaden …


L 15 VS 13/14 (LSG München)

Kein Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach Verkehrsunfall auf dem Weg zur Dienststelle


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

2 U 3/06

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.