Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.01.2008, Az. VI ZR 118/06

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 6297

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/06 Verkündet am: 8. Januar 2008 [X.], Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB § 823 Aa, [X.]; ZPO § 286 G Ist ein grober Behandlungsfehler (hier: [X.] bei intraartikulärer Injektion) festgestellt, muss der Arzt beweisen, dass die Schädigung des Patienten nicht auf dem Behandlungsfehler beruht, sondern durch eine hyperergisch-allergische [X.] verursacht ist.
[X.], Urteil vom 8. Januar 2008 - [X.]/06 - [X.]

LG Mannheim - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Januar 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.], [X.] [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zoll für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 5. April 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Der Kläger verlangt von den Beklagten als Erben des verstorbenen Dr. B. Ersatz materiellen Schadens und Zahlung eines Schmerzensgeldes; [X.] begehrt er die Feststellung, dass die Beklagten zum Ersatz künftig entste-hender Schäden verpflichtet sind. 1 Der Kläger, damals [X.], hatte zunächst am 5. Juli 1983 von Prof. Dr. K. wegen einer Erkrankung im linken Kniegelenk eine Mischung verschiedener Medikamente intraartikulär injiziert erhalten. Die Therapie sollte vom Mannschaftsarzt des Vereins des [X.] fortgesetzt werden. Wegen des-2 - 3 - [X.] suchte der Kläger am 8. Juli 1983 den Rechtsvorgän-ger der Beklagten auf, der die von Prof. Dr. K. empfohlenen Medikamente in das linke Kniegelenk injizierte. Im zeitlichen [X.] bekam der Kläger Schmerzen, wegen derer er ab 11. Juli 1983 stationär im T.-Krankenhaus be-handelt wurde. Am 12. Juli 1983 wurde dort das linke Knie operiert. Der Kläger konnte wegen seiner Kniebeschwerden längere Zeit den Beruf als Fußballspie-ler nicht ausüben. Er macht geltend, der Rechtsvorgänger der Beklagten habe bei der Injektion die Regeln der Hygiene nicht eingehalten und den Kläger nicht auf das erhöhte Infektionsrisiko einer Injektion in das Gelenk hingewiesen. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. 3 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt, nach den überzeugenden Ausführungen des Sachver-ständigen D. sei davon auszugehen, dass der Rechtsvorgänger der Beklagten bei der Injektion gegen grundlegende hygienische Selbstverständlichkeiten ver-stoßen habe. Das sei zwar als grober Behandlungsfehler zu werten. Der Kläger habe aber nicht bewiesen, dass dieser grobe Behandlungsfehler ursächlich für seine Beschwerden geworden sei. Eine Umkehr der Beweislast für den [X.] zu Lasten der Beklagten setze voraus, dass der grobe Fehler geeignet sei, die Beschwerden des [X.] herbeizuführen. Das aber lasse sich nicht mit ausreichender Gewissheit feststellen. Das Krankheitsbild spreche zwar 4 - 4 - in klinischer Hinsicht mehr für eine bakterielle Infektion als für einen Reizerguss nach einer hyperergisch-allergischen Entzündungsreaktion. Bei den [X.] hätten jedoch die typischen Erreger für eine durch Hygienemängel verursachte Infektion nicht nachgewiesen werden [X.]. Auch sei nach dem orthopädischen Gutachten [X.] mit Wahrscheinlichkeit von einer hyperergisch-allergischen Entzündungsreaktion des Kniegelenks auszugehen, die allerdings erst zwei bis drei Tage nach dem Eingriff aufgetre-ten sei. Der Kläger habe damit den ihm obliegenden Beweis nicht erbracht, dass eine Infektion und nicht eine unabhängig von [X.] allergische Reaktion vorgelegen habe. Auch [X.] fielen dem Rechtsvorgänger der [X.] nicht zur Last. Eine Aufklärung über die Risiken der verwendeten Medika-mente in der Mischinjektion sei nicht geboten gewesen. Ein besonderes [X.] Risiko habe nicht bestanden. Der Kläger habe selbst vorgetra-gen, die verabreichten Medikamente seien nicht dazu geeignet gewesen, einen Kniegelenkserguss herbeizuführen. 5 I[X.] Das hält den Angriffen der Revision nicht stand, die sich ausschließlich gegen die Verneinung einer Haftung aus Behandlungsfehler richten. 6 1. Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen D. in rechtlich beanstandungsfreier Weise davon ausgegan-gen, dass der Rechtsvorgänger der Beklagten am 8. Juli 1983 bei Injektion des Medikamenten-"[X.]ocktails" in das linke Kniegelenk gegen grundlegende hygie-nische Selbstverständlichkeiten verstoßen hat. Dies hat es - sachverständig 7 - 5 - beraten - als groben Behandlungsfehler gewertet. Das wird von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. 8 2. Auf dieser Grundlage beanstandet die Revision zu Recht, dass das Berufungsgericht eine Beweislastumkehr zum Kausalzusammenhang zwischen dem groben Behandlungsfehler und den Beschwerden des [X.] verneint hat. a) Das Berufungsgericht geht im Ansatzpunkt zwar ohne Rechtsfehler davon aus, dass nach einem groben Behandlungsfehler, der geeignet ist, einen Gesundheitsschaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, zu Gunsten des Patienten von einem [X.] zwischen dem Be-handlungsfehler und dem eingetretenen Gesundheitsschaden auszugehen ist (st.Rspr.; vgl. Senat, [X.] 159, 48, 53; 172, 1, 10 f.). 9 b) [X.] meint das Berufungsgericht jedoch, angesichts [X.] medizinischer Stellungnahmen und der verbleibenden Ungewiss-heit, ob eine infektiöse oder eine hyperergisch-allergische Entzündungsreaktion des linken Kniegelenks vorgelegen habe, habe es dem Kläger oblegen, den Beweis einer Infektion zu führen. Das trifft nicht zu, verkennt die in der Recht-sprechung zur Beweislastverteilung nach groben Behandlungsfehlern aufge-stellten Grundsätze und zieht nicht die gebotenen Folgerungen aus dem Vorlie-gen eines groben Behandlungsfehlers. 10 Wie der erkennende Senat mehrfach (vgl. etwa Senat, [X.] 159, 48, 54; Urteil vom 16. November 2004 - [X.] ZR 328/03 - [X.], 228, 229) [X.] hat, führt ein grober Behandlungsfehler - wie ihn das Berufungsgericht unter den Umständen des Streitfalls zu Recht bejaht hat - regelmäßig zur Um-kehr der Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem [X.] und dem Behandlungsfehler, wenn dieser geeignet ist, den 11 - 6 - eingetretenen Schaden zu verursachen. Nahelegen oder wahrscheinlich ma-chen muss der Fehler den Schaden hingegen nicht (vgl. Senat, [X.] 159, 48, 54 m.w.[X.]). Eine Verlagerung der Beweislast auf die [X.] ist nach einem groben Behandlungsfehler nur dann ausgeschlossen, wenn jeglicher [X.] [X.] äußerst unwahrscheinlich ist, sich nicht das Risiko verwirklicht hat, dessen Nichtbeachtung den Fehler als grob erscheinen lässt, oder der Patient durch sein Verhalten eine selbstständige Komponente für den [X.] vereitelt hat und dadurch in gleicher Wei-se wie der grobe Behandlungsfehler des Arztes dazu beigetragen hat, dass der Verlauf des [X.] nicht mehr aufgeklärt werden kann (vgl. Senat, [X.] 159, 48, 55). Diese Grundsätze verkennt das Berufungsgericht, wenn es davon ausgeht, der Kläger habe (nach grob fehlerhafter Behandlung) beweisen müssen, dass es sich um eine Infektion und nicht um eine [X.] Reaktion gehandelt habe. Wie oben dargelegt, reicht es für die Haftung der [X.] nach einem groben Behandlungsfehler aus, dass der Fehler generell zur Verursa-chung des eingetretenen Schadens geeignet ist; wahrscheinlich braucht der Eintritt eines solchen Erfolges nicht zu sein (vgl. Senat, Urteil vom 3. Dezember 1985 - [X.] ZR 106/84 - [X.], 366, 367). Das Berufungsgericht geht von der generellen Eignung einer intraartikulären Injektion zur Herbeiführung einer Entzündungsreaktion aus, wenn die Injektion unter Außerachtlassung grundle-gender Hygieneregeln erfolgt. Es hält jedoch eine allergische Reaktion für wahrscheinlicher und will deshalb keine Beweislastumkehr anwenden, weil die Verletzung der Hygieneregeln auf eine allergische Reaktion keinen Einfluss ha-be. [X.] schließt dieser Gesichtspunkt eine generelle Eignung des [X.] für den Gesundheitsschaden nicht aus. Vielmehr wäre der Beweis, dass eine allergische Reaktion vorgelegen hat, Sache des grob fehlerhaft [X.] Arztes. Eine Beweislastumkehr erfordert nämlich nicht, dass der 12 - 7 - Behandlungsfehler mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu dem eingetrete-nen Erfolg geführt hat, sondern lediglich dessen generelle Eignung für den kon-kreten Gesundheitsschaden (vgl. Senat, [X.] 85, 212, 216 f.; Urteile vom 3. Dezember 1985 - [X.] ZR 106/84 - aaO; vom 28. Juni 1988 - [X.] ZR 217/87 - [X.], 80, 81). Die Unsicherheit, ob der Schaden tatsächlich durch den groben Fehler oder durch eine andere Ursache bedingt ist, soll in einem [X.] Fall die fehlerhaft behandelnde Seite aufklären. Insoweit hat das [X.] die Reichweite der Beweislastumkehr nach einem groben Behand-lungsfehler ersichtlich verkannt. Die erforderlichen Voraussetzungen für eine Ausnahme von dieser [X.] hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, insbesondere hat es nicht festgestellt, dass eine Verursachung der Beschwerden durch die [X.] äußerst unwahrscheinlich sei, zumal auch das Gutachten [X.], auf das sich das Berufungsurteil stützt, eine allergische Reaktion nur für wahrscheinlich, nicht aber eine bakterielle Infektion für äußerst unwahrscheinlich hält. Der Sachverständige D. hat mehr Befunde gesehen, die für eine Infektion sprechen, als Befunde, die für eine hyperergisch-allergische Reaktion sprechen. Der feh-lenden Nachweisbarkeit von Infektionserregern im Punktat hat der Sachver-ständige dagegen keine entscheidende Bedeutung beigemessen. 13 c) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung muss der Kläger auch nicht etwa eine Infektion beweisen; es genügt vielmehr, dass er den ihm ent-standenen (Primär-)Schaden und die generelle Eignung des groben Fehlers zur Verursachung dieses Schadens nachweist (vgl. Senat, [X.] 159, 48, 54; Ur-teile vom 3. Dezember 1985 - [X.] ZR 106/84 - aaO; vom 16. November 2004 - [X.] ZR 328/03 - aaO, jeweils m.w.[X.]). Diesen Beweis hat der Kläger geführt. 14 - 8 - Primärschaden ist im Streitfall der behauptete [X.] in seiner konkreten Ausprägung (vgl. Senat, Urteil vom 21. Juli 1998 - [X.] ZR 15/98 - [X.], 1153, 1154), also der Kniegelenkserguss mit schmerzhafter Be-wegungseinschränkung und der erhöhten Temperatur. In einem solchen Fall muss die grob fehlerhaft vorgehende [X.] beweisen, dass die Schädigung nicht durch den groben Behandlungsfehler - hier also nicht durch Verletzung der Hygieneregeln - hervorgerufen worden ist, so dass es zu ihren Lasten geht, wenn sie nicht eine allergische Reaktion als Schadensursache beweisen kann. 15 3. Die Frage einer Haftung des Beklagten wegen eines Aufklärungsfeh-lers ist nicht Streitstoff der Revision geworden. Ausführungen dazu fehlen in der Revisionsbegründung. Wie eine Berufungsbegründung (dazu vgl. Senat, Urteil vom 5. Dezember 2006 - [X.] ZR 228/05 - [X.], 414) muss auch die [X.] uneingeschränkt zugelassenen Revision klarstellen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen der Rechtsmittelführer das Berufungsurteil angreift (vgl. Senat, Urteil vom 5. Dezember 2006 - [X.] ZR 228/05 - aaO). Im Streitfall hat sich die Revisionsbegründung nicht auf die Frage der Haftung we-gen eines Aufklärungsfehlers erstreckt, sondern auf die Haftung wegen eines Behandlungsfehlers beschränkt. Damit hat sie Erfolg, weil das angefochtene Urteil aus den dargelegten Gründen aufzuheben ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). 16 - 9 - Die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung des Senats (§ 563 Abs. 3 ZPO), liegen jedoch nicht vor. Das Berufungsgericht wird die erforderli-chen Feststellungen - gegebenenfalls nach weiterem Vortrag der Parteien und weiterer Beweisaufnahme - zu treffen haben (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). 17 [X.]

[X.] [X.]

Pauge Zoll Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 12.06.1987 - 1 O 229/85 - [X.], Entscheidung vom 05.04.2006 - 7 [X.]/05 -

Meta

VI ZR 118/06

08.01.2008

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.01.2008, Az. VI ZR 118/06 (REWIS RS 2008, 6297)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 6297

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