Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.12.2019, Az. VIII E 1/19

8. Senat | REWIS RS 2019, 541

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Gegenstand

Kein Ansatz von 10 % des Auffangstreitwerts als Streitwert in einem AdV-Verfahren wegen Aufhebung einer Prüfungsanordnung vor dem BFH


Leitsatz

NV: Ist eine Außenprüfung bis zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung noch nicht durchgeführt worden, sind die zu erwartenden Mehrsteuern im Einzelfall zu schätzen; ist eine solche Schätzung nicht möglich, ist der in § 52 Abs. 2 GKG genannte Auffangstreitwert anzusetzen. Dieser fiktive Wert ist --ohne Kürzung auf 10 %-- auch für ein Verfahren wegen AdV der Anordnung der Außenprüfung maßgebend .

Tenor

Die Erinnerung gegen die Kostenrechnung des [X.] [X.] vom 12.02.2019 - [X.]/19 ([X.]) wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Tatbestand

I.

1

Der Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Erinnerungsführer) begehrt mit seiner Erinnerung, die Höhe des der Kostenrechnung des [X.] ([X.]) zugrunde liegenden Streitwerts für ein Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung (AdV) einer Prüfungsanordnung herabzusetzen.

2

[X.] ist zugelassener Rechtsanwalt. Mit Bescheid vom 06.10.2015 ordnete das zuständige Finanzamt ([X.]) gemäß § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung eine steuerliche Außenprüfung für den Zeitraum 2008 bis 2010 wegen Einkommen- und Umsatzsteuer an. Hiergegen erhob der Erinnerungsführer Einspruch und beantragte beim [X.], die Vollziehung der Prüfungsanordnung auszusetzen. Dieser Antrag, der Einspruch und das anschließende Klageverfahren blieben erfolglos.

3

[X.] erhob anschließend beim [X.] Nichtzulassungsbeschwerde, die der Senat mit Beschluss vom 30.11.2018 als unbegründet zurückgewiesen hat.

4

Während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens beantragte der Erinnerungsführer die AdV der Prüfungsanordnung beim [X.], welches den Antrag ablehnte, und daraufhin am 01.06.2018 AdV beim [X.]. Der Antrag wurde durch Beschluss des Senats vom 17.12.2018 - [X.] als unzulässig verworfen.

5

Mit der angefochtenen Kostenrechnung vom 12.02.2019 setzte die Kostenstelle des [X.] die Gerichtskosten für das Verfahren der AdV der Prüfungsanordnung vor dem [X.] ([X.]) in Höhe von 292 € fest. Dieser Kostenrechnung liegen ein Streitwert von 5.000 € gemäß § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) und die Anwendung der Nr. 6210 des Kostenverzeichnisses für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes im ersten Rechtszug (Ansatz einer 2,0-Gebühr) zugrunde.

6

[X.] hat hiergegen die vorliegende Erinnerung erhoben. Er ist der Meinung, in Verfahren der AdV sei der Streitwert in Höhe von 10 % des Betrags zu bemessen, dessen Aussetzung begehrt werde. Dies seien für die streitbefangene [X.] % des [X.] (5.000 €).

7

[X.] beantragt,
die Kostenrechnung des [X.] vom 12.02.2019 - [X.] 253/19 ([X.]) in der Weise zu ändern, dass der Gebührenberechnung ein Streitwert von 500 € zugrunde gelegt wird.

8

Die Vertreterin der Staatskasse beantragt,
die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

9

Die Erinnerung ist unbegründet.

Die an den Erinnerungsführer gerichtete Kostenrechnung vom 12.02.2019 weist keinen Rechtsfehler auf. Die Gerichtskosten sind auf der Grundlage des [X.]s von 5.000 € zu bestimmen.

1. Mit der Erinnerung gemäß § 66 Abs. 1 GKG gegen den Kostenansatz können nur Einwendungen erhoben werden, die sich gegen die Kostenrechnung selbst richten, also gegen Ansatz und Höhe einzelner Kosten oder gegen den Streitwert. Dies ist hier der Fall. Der Erinnerungsführer wendet sich gegen die Höhe des Streitwerts in der Kostenrechnung.

2. Die Kostenstelle des [X.] hat zu Recht für das [X.] eine eigenständige Kostenrechnung erlassen und der Berechnung der Gerichtsgebühren den [X.] zugrunde gelegt.

a) Das [X.] gehört nicht zum selben Rechtszug wie das [X.]. Nach Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG (i.d.[X.] ([X.]) Nr. 1215/2012 sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 08.07.2014, [X.], 890) sind die Gebühren für den vorläufigen Rechtsschutz einerseits und für das [X.] andererseits getrennt zu ermitteln. Die Gebührensätze für den vorläufigen Rechtsschutz (einschließlich der Verfahren nach § 69 Abs. 3 und Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung) sind im Hauptabschnitt 2 geregelt, während sich die Gebührensätze für das [X.] aus Hauptabschnitt 5 ergeben (vgl. [X.]-Beschluss vom 30.08.2011 - IV E 7/11, [X.]/NV 2012, 55, Rz 11). Danach ist die Kostenstelle des [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass für das [X.] eine eigene Kostenrechnung zu erlassen und im Streitfall nach Nr. 6210 des Verzeichnisses eine 2,0-Gebühr für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes im ersten Rechtszug anzusetzen war.

b) Auch die Höhe des der Rechnung zugrunde liegenden [X.]s (§ 52 Abs. 2 GKG) in Höhe von 5.000 € begegnet keinen Bedenken.

aa) Nach der Rechtsprechung des [X.] ist in Verfahren über die Rechtmäßigkeit von [X.] der Streitwert regelmäßig mit 50 % der "mutmaßlich zu erwartenden Mehrsteuern" ([X.]-Beschlüsse vom 17.09.1974 - VII B 122/73, [X.]E 113, 411, [X.] 1975, 197; vom 04.10.1984 - VIII R 111/84, [X.]E 142, 542, [X.] 1985, 257; vom 18.05.1995 - III B 45/95, nicht veröffentlicht, und vom [X.] - VIII E 4/09, [X.]/NV 2009, 1823; vom 20.05.2014 - X E 1/14, [X.]/NV 2014, 1387) anzusetzen. Ist --wie im [X.] eine Außenprüfung bis zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung noch nicht durchgeführt worden, sind die zu erwartenden Mehrsteuern im Einzelfall zu schätzen; ist eine solche Schätzung nicht möglich, ist der in § 52 Abs. 2 GKG genannte [X.] anzusetzen (vgl. zu § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F. [X.]-Beschlüsse in [X.]E 142, 542, [X.] 1985, 257; vom 10.03.1988 - VIII R 367/83, [X.]/NV 1988, 515; zu § 52 Abs. 2 GKG s. [X.]-Beschluss vom 14.12.2007 - IX E 17/07, [X.]E 220, 22, [X.] 2008, 199). Mangels solcher hinreichender Anhaltspunkte zur Höhe der zu erwartenden Mehrsteuern lag der [X.] bereits der Kostenrechnung vom 29.01.2019 - [X.] 185/19 ([X.]) für das [X.] ([X.]) wegen Aufhebung der angefochtenen Prüfungsanordnung zugrunde. Hiergegen erhebt der Erinnerungsführer auch keine Einwendungen.

bb) Anknüpfend daran ist der Streitwert für das vorliegende [X.] entgegen der Auffassung des Erinnerungsführers nicht in Höhe von 10 % von 5.000 € (= 500 €) zu bemessen. Werden die mutmaßlichen Mehrsteuern zugunsten des Erinnerungsführers in Höhe des [X.]s angesetzt, ist dieser fiktive Wert --ohne Kürzung auf 10 %-- auch für ein Verfahren wegen AdV der Anordnung der Außenprüfung maßgebend. Er kann nicht Grundlage für die Ableitung des Streitwerts eines anderen Verfahrens sein, in dem ebenso wenig bekannt ist, welche finanzielle Bedeutung ihm zukommt ([X.]-Beschluss vom 10.04.1990 - III E 2/89, [X.]/NV 1991, 552, unter 3., m.w.N.; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., Vor § 135 Rz 160 "Außenprüfung"; Schwarz in [X.]/[X.]/[X.], § 139 FGO Rz 257, 259). Hieran ist ungeachtet der geäußerten Kritik festzuhalten (vgl. [X.], Beschluss vom 30.01.2007 - 11 V 4418/05 AO, Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1109: 25 % des [X.]s; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Vor § 135 FGO Rz 163: 10 % des [X.]s), wenn sich für das [X.] die "mutmaßlich zu erwartenden Mehrsteuern" nicht ermitteln lassen, da § 52 Abs. 2 GKG sowohl in [X.] als auch in [X.] gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 3 GKG anzuwenden ist.

3. Das Verfahren über die Erinnerung ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).

4. Die Entscheidung über die Erinnerung ergeht gemäß § 1 Abs. 5, § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG durch den Einzelrichter.

Meta

VIII E 1/19

11.12.2019

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

§ 52 Abs 2 GKG, § 53 Abs 2 Nr 3 GKG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.12.2019, Az. VIII E 1/19 (REWIS RS 2019, 541)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 541

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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