Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.12.2019, Az. VIII R 33/16

8. Senat | REWIS RS 2019, 637

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Gegenstand

Mittelbare verdeckte Gewinnausschüttung - Begründungsmangel


Leitsatz

NV: Eine Entscheidung verletzt Bundesrecht (§ 119 Nr. 6 FGO), wenn sie nicht erkennen lässt, welche tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen für sie maßgeblich waren .

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 18.02.2016 - 4 K 423/15 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob beim Kläger und Revisionskläger (Kläger) eine verdeckte [X.]ewinnausschüttung (v[X.]A) zu erfassen ist, die aus einer durch ihn bewirkten Zahlung der [X.] in Höhe von 250.000 € an einen Dritten resultiert.

2

Der Kläger war im Streitjahr (2008) zu … % an der [X.], deren alleinvertretungsberechtigter [X.]eschäftsführer er war, beteiligt. Weiterer [X.]esellschafter war [X.] Dieser war zunächst Alleingesellschafter gewesen, hatte jedoch mit notariellen Verträgen vom [X.] und vom [X.] [X.]eschäftsanteile im Nennbetrag von insgesamt … € auf den Kläger übertragen. Die Verträge enthielten jeweils ein befristetes Angebot des [X.] auf Rückabtretung der [X.]eschäftsanteile zum Nennbetrag an [X.] [X.] nahm diese Angebote am [X.] an. Am gleichen Tag wurde der Kläger als [X.]eschäftsführer der [X.] abberufen und sein [X.]eschäftsführeranstellungsvertrag fristlos gekündigt. Hintergrund hierfür war ein vom Kläger ohne die notwendige Zustimmung der [X.]esellschafterversammlung im Namen der [X.] mit der [X.] geschlossener, auf den 21.11.2008 datierter Darlehensvertrag über 250.000 €. Bei der [X.], als deren Vertreter [X.] auftrat, handelt es sich um eine in der [X.] ansässige Briefkastengesellschaft. Nach dem Vertrag sollte das Darlehen unverzinslich sein, allerdings war ein Betrag in Höhe von 275.000 € zurückzuzahlen. Ausweislich einer auf den 25.11.2008 datierten Ergänzung zum Darlehensvertrag wurde zur Sicherung des Darlehens ein Teilbetrag in Höhe von 275.000 € aus einer Bank-[X.]arantie, die nach den [X.]eststellungen des [X.]inanzgerichts ([X.]) nicht bestand, an die [X.] abgetreten. Im März 2009 erfolgte zudem eine Sicherungsabtretung von Anteilen an der [X.] an den Kläger.

3

Am 01.12.2008 schloss der Kläger mit der [X.] einen sog. [X.]. Die daraus resultierenden [X.]ewinne sollten zwischen ihm und der [X.] im Verhältnis von 20 % zu 80 % aufgeteilt werden.

4

Die Auszahlung der 250.000 € erfolgte am 04.12.2008 durch eine vom Kläger veranlasste Überweisung vom Konto der [X.], deren Verwendungszweck mit "Rechts- und Beratungskosten" bezeichnet war. Die Überweisung ging auf ein Konto der [X.], der Lebensgefährtin des [X.] Diese überwies einen Betrag in Höhe von 200.000 € auf ein Konto der [X.] oder ein Konto des [X.] in [X.]. Den Restbetrag von 50.000 € überwies sie an ihren Bruder, der von dem [X.]eld einen PKW kaufte und an [X.] übergab.

5

Das Darlehen sollte nach dem Vorbringen des [X.] als Anschubfinanzierung für den Erwerb der [X.]mbH-Anteile des [X.] durch die [X.] dienen. Ein entsprechender notarieller Kaufvertrag, nach dem die [X.] für die Anteile des [X.] im Nominalbetrag von … € eine [X.]egenleistung von … Mio. € zu erbringen hatte, wurde am [X.] geschlossen. Der Vertrag wurde mangels Kaufpreiszahlung nicht durchgeführt. Der Kläger hätte nach den [X.]eststellungen des [X.] beim Verkauf der Anteile an die [X.] eine Provision in Höhe von 50.000 € verdient.

6

Die zum 28.02.2009 fällige Rückzahlung des Darlehens an die [X.] blieb aus.

7

Der Kläger wurde vom [X.] (A[X.]) im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung wegen Untreue verurteilt. Das A[X.] legte ihm u.a. zur Last, dass er eine umfassende Risikoprüfung, zu der er als [X.]eschäftsführer der [X.] verpflichtet gewesen wäre, nicht vorgenommen habe.

8

Eine bei der [X.] durchgeführte Außenprüfung gelangte zu dem Ergebnis, dass es sich bei den durch den Kläger veruntreuten 250.000 € um eine v[X.]A handele. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das [X.]inanzamt --[X.]A--) folgte dieser Auffassung und erließ unter Verweis auf § 173 der Abgabenordnung am 19.02.2014 einen entsprechenden Einkommensteueränderungsbescheid für das Streitjahr. Der hiergegen gerichtete Einspruch des [X.] blieb ohne Erfolg, ebenso die nachfolgende Klage. Das [X.] ging in seinem Urteil davon aus, dass dem Kläger die durch die Darlehensauszahlung am 04.12.2008 bei der [X.] eingetretene Vermögensminderung in Höhe von 250.000 € als v[X.]A zuzurechnen sei. Der Kläger habe eine mittelbare v[X.]A erhalten, die darin bestehe, dass der Vermögensvorteil [X.] zugeflossen und dieser Zufluss zugleich als Vermögensvorteil des [X.] anzusehen sei.

9

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er wendet insbesondere ein, die Entscheidung sei verfahrensfehlerhaft [X.] 119 Nr. 6 der [X.]inanzgerichtsordnung ([X.]O), denn das [X.] gehe ohne Begründung davon aus, die [X.] bzw. [X.] seien ihm nahestehende Personen.

Der Kläger beantragt,
das angefochtene [X.]-Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 19.02.2014 in [X.]estalt der Einspruchsentscheidung vom 20.02.2015 dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer ohne die Einkünfte aus Kapitalvermögen aus der streitigen v[X.]A in Höhe von 250.000 € festgesetzt wird.

Das [X.]A beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Es ist der Auffassung, der gerügte Verfahrensmangel liege nicht vor. Das [X.] gehe eindeutig von einer mittelbaren v[X.]A aus, auch wenn es keine direkten Ausführungen zum Näheverhältnis zwischen dem Kläger und der [X.] bzw. [X.] gebe.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O). Das Urteil ist teilweise nicht mit [X.]ründen versehen und verletzt daher Bundesrecht (§ 119 Nr. 6 [X.]O). Die Entscheidung lässt nicht erkennen, welche tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen für die Annahme einer mittelbaren v[X.]A an den Kläger maßgeblich waren.

1. Nach § 105 Abs. 2 Nr. 5 [X.]O muss ein finanzgerichtliches Urteil u.a. Entscheidungsgründe enthalten. Fehlt es hieran, ist das Urteil als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen (§ 119 Nr. 6 [X.]O).

a) Eine Entscheidung ist nicht mit [X.]ründen versehen, wenn sie nicht erkennen lässt, welche tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen für sie maßgeblich waren (vgl. z.B. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 02.10.2001 - IX R 25/99, [X.], 363, m.w.N.). Der Begründungszwang bezweckt, die Prozessbeteiligten über die das Urteil tragenden Erkenntnisse und Überlegungen des [X.]erichts zu unterrichten. Sie sollen so die Möglichkeit erhalten, nachvollziehen zu können, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht. Ein Begründungsmangel liegt vor, wenn den Beteiligten --zumindest in Bezug auf einen der wesentlichen [X.] die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen (vgl. z.B. [X.] vom 14.05.2013 - X B 176/12, [X.], 1445, m.w.N.).

b) Dies ist vorliegend der Fall. Das angefochtene Urteil lässt nicht erkennen, auf welcher tatsächlichen und rechtlichen [X.]rundlage das [X.] für das Streitjahr zu einer mittelbaren v[X.]A an den Kläger gelangt ist.

aa) [X.]emäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (ESt[X.]) gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Bezüge aus einer v[X.]A. Eine v[X.]A i.S. dieser Vorschrift liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem [X.]esellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen [X.]ewinnverteilung einen Vorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im [X.]esellschaftsverhältnis hat (vgl. z.B. [X.] vom 12.06.2018 - VIII R 38/14, [X.], 1141; vom 24.06.2014 - VIII R 54/10, [X.] 2014, 1501, m.w.N.). Eine v[X.]A gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 ESt[X.] kann ohne tatsächlichen Zufluss beim [X.]esellschafter verwirklicht werden, wenn der Vorteil dem [X.]esellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahestehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht (vgl. hierzu z.B. Senatsurteile vom 19.06.2007 - VIII R 34/06, [X.] 2007, 2291; vom 25.05.2004 - VIII R 4/01, [X.], 103; vom 22.02.2005 - VIII R 24/03, [X.] 2005, 1266; vom 30.11.2010 - VIII R 19/07, [X.] 2011, 449). Das "[X.]" in diesem Sinne kann familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein (vgl. z.B. Senatsurteile in [X.], 103; in [X.] 2005, 1266).

bb) Das [X.] ist von einer v[X.]A ohne tatsächlichen Zufluss beim Kläger ausgegangen. Zur Begründung dieser mittelbaren v[X.]A in Höhe von 250.000 € hat es entscheidend darauf abgestellt, dass dem [X.] die von der A-[X.]mbH gezahlten 250.000 € zugeflossen sind und dieser Zufluss einen Vermögensvorteil des [X.] darstellt. Dieser liege darin, dass die A-[X.]mbH auf Veranlassung des [X.] einmal dem Kläger und der Kläger seinerseits dem [X.] einen Vermögensvorteil habe zuwenden wollen und beide Zuwendungen mittelbar dadurch erfolgt seien, dass die A-[X.]mbH unmittelbar an [X.] geleistet habe. Ob der Auszahlung des [X.]eldes tatsächlich ein Darlehensvertrag mit der B-A[X.] zugrunde lag, war aus Sicht des [X.] zumindest zweifelhaft.

Der Entscheidung ist nicht zu entnehmen, auf welcher [X.]rundlage das [X.] angenommen hat, die 250.000 € seien dem [X.] zugeflossen. Seine Feststellungen tragen diese Annahme nicht. Das [X.] bezieht sich zum Verbleib der 250.000 € zunächst auf die Aussage der S. Diese hatte erklärt, den auf ihrem Konto gutgeschriebenen Betrag in Höhe von 200.000 € noch am selben Tag auf ein Konto der B-A[X.] und den Restbetrag an ihren Bruder überwiesen zu haben. Ihr Bruder habe von dem [X.]eld einen PKW erworben und an [X.] übergeben. Dies schließe --so das [X.]-- eine mittelbare v[X.]A an den Kläger, die darin bestehe, dass der Vermögensvorteil dem [X.] zugeflossen und dieser Zufluss als ein Vermögensvorteil des [X.] anzusehen sei, nicht aus. Sodann stellt das [X.] fest, der Betrag von 200.000 € sei auf ein Konto des [X.] in [X.] überwiesen worden. Auf welcher [X.]rundlage das [X.] zu dieser --von der Aussage der [X.] gelangt ist, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen. Auch fehlt es an Feststellungen dazu, dass [X.] als wirtschaftlich Berechtigter hinter der B-A[X.] stand und ihm daher eine Zahlung auf das Konto der B-A[X.] zuzurechnen ist.

Darüber hinaus nimmt das [X.] eine mit dem (vermeintlichen) Zufluss des [X.]eldes an [X.] bewirkte mittelbare v[X.]A an, ohne nach Maßgabe der Rechtsprechung des [X.] darzulegen, dass es den [X.] als dem Kläger nahestehende Person ansieht und ohne auf der [X.]rundlage konkreter Feststellungen zu begründen, woraus sich ein entsprechendes Näheverhältnis zwischen dem Kläger und [X.] ergibt.

Den Entscheidungsgründen ist zudem nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, ob das [X.] als Rechtsgrund der Auszahlung der 250.000 € ein Darlehensverhältnis zwischen der A-[X.]mbH und der B-A[X.] ansieht oder es --insbesondere wegen des vom Kläger angegebenen [X.] angenommen hat, das [X.]eld habe "endgültig" aus der [X.]esellschaft fließen sollen. Beruht die Entscheidung des [X.] auf der Annahme eines Darlehensverhältnisses, lässt seine Begründung nicht erkennen, warum die Darlehensgewährung bereits im Streitjahr und nicht erst später --mit dem Ausfall des [X.] zu einer v[X.]A geführt hat.

2. Das Fehlen von Entscheidungsgründen ist ein Verfahrensmangel, auf dem das [X.]-Urteil beruht (§ 119 Nr. 6 [X.]O). Eine Ausnahme hiervon lässt die Rechtsprechung zwar zu, wenn eine erneute Entscheidung des [X.] nur zu einer Bestätigung des Urteils führen könnte (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 18.06.2009 - V R 4/08, [X.]E 226, 382, [X.], 310). Dies ist vorliegend aber nicht ersichtlich.

3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII R 33/16

10.12.2019

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG Nürnberg, 18. Februar 2016, Az: 4 K 423/15, Urteil

§ 20 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG 2002, § 105 Abs 2 Nr 5 FGO, § 119 Nr 6 FGO, EStG VZ 2008

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.12.2019, Az. VIII R 33/16 (REWIS RS 2019, 637)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 637


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VIII R 33/16

Bundesfinanzhof, VIII R 33/16, 10.12.2019.


Az. 4 K 423/15

FG Nürnberg, 4 K 423/15, 18.02.2016.


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Wird zitiert von

1 StR 250/22

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