Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.09.2004, Az. IV ZR 252/02

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 1640

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL IV ZR 252/02

Verkündet am:

15. September 2004

Heinekamp

Justizobersekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

- 2 - [X.] hat durch [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin Dr. [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 15. September 2004
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der [X.] wird das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 5. Juli 2002 auf-gehoben und das Urteil des [X.] vom 12. Dezember 2001 geändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der [X.] eine höhere Zusatzrente mit Wir-kung ab 1. Januar 2001.
Sie ist 1936 geboren und war im öffentlichen Dienst bei einem Dienst-herrn beschäftigt, der an der beklagten Versorgungsanstalt beteiligt ist. Seit 1. November 1993 bezieht die Klägerin eine Zusatzversorgungsrente von der [X.]. Nach § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] ihrer Satzung (im folgenden: [X.]) in der für die Berechnung der Rentenhöhe der Klägerin maßgebenden Fassung berücksichtigte die Beklagte für den Faktor der ge-- 3 - samtversorgungsfähigen Zeit, von dem die Höhe ihrer Zusatzrente abhängt, außer den [X.], in denen ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes mit Umlagezahlungen an die Beklagte für die Altersversorgung der bei ihm [X.] Klägerin beigetragen hat, darüber hinaus andere Zeiten, die (über die Umlagemonate hinaus) der gesetzlichen Rente der Klägerin zugrunde [X.], nur zur Hälfte (sog. Halbanrechnungsgrundsatz). Andererseits war nach der seinerzeit geltenden Satzung bei der Berechnung der [X.] grundsätzlich von der vollen Höhe der an die Klägerin gezahlten gesetzlichen Rente auszugehen; diese wurde durch die von der [X.] gewährte Zusatz-versorgung lediglich insoweit aufgestockt, wie die gesetzliche Rente hinter der nach der Satzung berechneten Gesamtversorgung zurückblieb (§ 40 Abs. 1 [X.] a.F.). Das [X.] hat in der Halbanrechnung von Vordienstzeiten bei voller Berücksichtigung der gesetzlichen Rente einen [X.] gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen, der nur bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden könne ([X.], 835 = NJW 2000, 3341). Die [X.] hat daher beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ab 1. Januar 2001 ihre vollen, nicht im öffentlichen Dienst zurückgelegten [X.] zu berücksichtigen, bis eine neue, die Regelung der [X.] ändernde Satzung in [X.] trete.
Das Amtsgericht hat dem Klageantrag ab 1. September 2001 stattgege-ben. Die Berufung der [X.] ist erfolglos geblieben. Mit der Revision [X.] sie ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

- 4 - Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.
1. Das Berufungsgericht stützt sich auf die zitierte Entscheidung des [X.]s vom 22. März 2000 ([X.]O) und hält deshalb die in § 42 Abs. 2 [X.] a.F. vorgesehene Halbanrechnung als eine der richterlichen Inhaltskontrolle unterliegende Bestimmung im Rahmen Allgemeiner Geschäfts-bedingungen gemäß §§ 242 BGB, 9 [X.] für unwirksam. Die Beklagte sei aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung verpflichtet, die Vordienstzeiten bei der Berechnung der gesamtversorgungsfähigen Zeit in vollem Umfang zu berücksichtigen, solange sie auch die vollen Ansprüche aus der gesetzlichen Rente auf die zu zahlende [X.].
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, wie der [X.] bereits in seinem Urteil vom 26. November 2003 ([X.]/02 - VersR 2004, 183) ent-schieden hat.
a) Am 19. September 2002 hat die Beklagte ihre Satzung mit Wirkung ab 1. Januar 2001 geändert. Nach der Übergangsregelung in § 75 Abs. 2 der [X.] werden die nach bisherigem Satzungsrecht gezahlten Versorgungsren-ten grundsätzlich als Besitzstandsrenten weitergezahlt und entsprechend § 39 der Neufassung jährlich um 1% vom [X.] an erhöht. Die von der Klägerin geforderte volle Anrechnung der Vordienstzeiten ist nach wie vor nicht vorgese-hen.
b) Das [X.] hat in seinem Beschluß vom 22. März 2000 ([X.]O), auf den sich die Klägerin stützt, die Verfassungsbeschwerde einer - 5 - 1921 geborenen Rentnerin, die seit Anfang 1983 Leistungen von der [X.] erhielt und im Ausgangsverfahren erfolglos deren Erhöhung wegen Unwirksam-keit von Satzungsbestimmungen verlangt hatte, nicht zur Entscheidung ange-nommen. Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die volle Berücksichtigung ihrer Sozialversicherungsrente bei der Bestimmung der Höhe der Zusatzversor-gung einerseits, aber die nur halbe Berücksichtigung von Zeiten vor Aufnahme ihrer Tätigkeit im öffentlichen Dienst bei der Bemessung der [X.] andererseits gewandt hatte, hat das [X.] die Regelung in § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] [X.] a.F. zwar im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG beanstandet, eine Verletzung von Grund-rechten der Beschwerdeführerin aber "(noch) nicht" festgestellt. Die Ungleich-behandlung sei zwar gravierend, halte sich derzeit jedoch noch im Rahmen einer zulässigen Generalisierung. Der [X.] sei wegen der hochkom-plizierten Materie zu gewissen Vereinfachungen gezwungen. Dabei dürfe er Ungleichbehandlungen in Kauf nehmen, solange davon nur eine verhältnismä-ßig kleine Zahl von Personen betroffen und der Verstoß gegen den [X.] nicht sehr intensiv sei. Das treffe auf die Rentnergeneration der Beschwer-deführerin zu, wie das [X.] feststellt. Für die jüngeren [X.]en sei ein bruchloser Verlauf der [X.] im öffentlichen Dienst angesichts stark gestiegener Teilzeitarbeit und einer stärke-ren Diskontinuität des Erwerbslebens allerdings nicht mehr in hinreichender Weise typisch. Angesichts dieser Entwicklung könne die Benachteiligung der Rentner durch volle Anrechnung der in Vordienstzeiten erworbenen Rentenan-sprüche bei nur hälftiger Berücksichtigung dieses Teils ihrer Lebensarbeitszeit im Rahmen der Berechnung der gesamtversorgungsfähigen Dienstzeit nicht länger als bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Beklagte durch die Entscheidung [X.] 98, 365 = [X.], 600 ohnehin zu einer grundlegenden Änderung ihrer Satzung gezwun-gen.
c) Dieser Beschluß des [X.]s mag bei den [X.] der [X.] die Erwartung geweckt haben, ihnen stehe vom [X.] an eine höhere Rente zu, wie sie sich bei voller Berücksichtigung der Vordienstzeiten aus der früher geltenden Fassung der [X.] ergeben würde. Die Klägerin des vorliegenden Verfahrens gehört jedoch nicht zu jenen [X.] [X.]en, für die die angegriffene Halbanrechnung nach Auffassung des [X.]s nicht mehr hinnehmbar ist. Das [X.] hat die Halbanrechnung trotz verfassungsrechtlicher Bedenken noch als zulässige Typisierung und Generalisierung im Rahmen einer komplizierten Materie angesehen, weil ein bruchloser Verlauf der Er-werbsbiographie im öffentlichen Dienst erst für die jüngeren Versichertengene-rationen nicht mehr hinreichend typisch sei. Bis zum Ablauf des Jahres 2000 könne die Halbanrechnung aber noch hingenommen werden. Mithin ist das [X.] davon ausgegangen, daß alle Versicherten, die vor Ablauf des Jahres 2000 Rentner bei der [X.] geworden sind, noch zu denjenigen Generationen zählen, für die ein bruchloser Verlauf der (bei [X.] abgeschlossenen) [X.] als typisch angesehen werden kann. Soweit die Versicherten im Revisionsverfahren diese Annahme des Bun-desverfassungsgerichts mittels statistischen Materials und unter Berufung auf ein einzuholendes Sachverständigengutachten in Zweifel gezogen haben, ist dies in bezug auf die rein wertende Abgrenzung der [X.]en durch das [X.] unerheblich. Die Klägerin bezieht bereits seit 1. November 1993 eine Zusatzrente von der [X.]. Für sie und für die Generation, der sie angehört, ist die Halbanrechnung der Vordienstzeiten also noch hinzunehmen. - 7 -
Die Unterscheidung, die das [X.] zwischen der Rentnergeneration der dortigen Beschwerdeführerin einerseits und den [X.] [X.]en andererseits trifft, verlöre ihren Sinn, wenn auch Personen, die vor dem Stichtag schon Rentner bei der [X.] waren, nach dem Stichtag als Angehörige der jüngeren [X.] hätten gelten sollen. Daß auch die Beschwerdeführerin (und nicht nur die am Verfahren vor dem [X.] nicht beteiligten jüngeren Versichertengenera-tionen) vom Stichtag an einen Anspruch auf Änderung der sie benachteiligen-den, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Satzungsbestimmungen gehabt [X.], ist nicht ersichtlich.
d) Der [X.] folgt dem [X.] darin, daß die Anwen-dung des § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] [X.] a.F. bei der Be-rechnung der [X.] für solche Versicherte, die - wie die Klägerin - bis zum 31. Dezember 2000 versorgungsberechtigt geworden sind, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Damit liegt auch kein Verstoß gegen §§ 9 [X.], 307 BGB vor. Dabei kann auf sich beruhen, ob den Erwägungen des Bundes-verfassungsgerichts zur Ungleichbehandlung der von der Halbanrechnung be-troffenen Versichertengruppe trotz der Kritik der [X.] in jedem Punkte zu folgen ist (vgl. auch Hebler, [X.], 337 ff.). Denn mit dem Bundesverfas-sungsgericht ist der [X.] der Auffassung, daß - ist mit der Halbanrechnung eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Versicherten verbunden, die ihr ganzes Berufsleben im öffentlichen Dienst verbracht haben - sich die Un-gleichbehandlung jedenfalls im Rahmen einer zulässigen Typisierung und Ge-neralisierung einer komplizierten, eine sehr große Gruppe von Versicherten be-treffenden Materie hielt. Diese Ungleichbehandlung hat ein Versicherter, der bis zum Ablauf des Jahres 2000 [X.] geworden ist, nicht zuletzt - 8 - auch im Interesse der Erhaltung der finanziellen Leistungsfähigkeit des [X.] hinzunehmen, selbst wenn für die Zukunft eine andere, eine die Ungleichbehandlung für zukünftige Rentenempfänger vermeidende Regelung zu treffen ist.
e) Die Klägerin wird auch gegenüber Versicherten, deren Rente sich nach der ab 1. Januar 2001 geltenden Neufassung der [X.] richtet, nicht in rechtlich erheblicher Weise benachteiligt. Nach unwidersprochenem Vortrag der [X.] ist das Niveau der von ihr in Zukunft aufgrund ihrer neuen Satzung zu leistenden [X.]n generell niedriger als bisher; den Berechtigten wird daneben eine ergänzende Altersvorsorge angeboten, die aus eigenen [X.] aufgebaut werden muß. Daß die Klägerin trotz der dynamisierten Besitz-standsrente, die sie nach § 75 Abs. 2 [X.] n.F. erhält, wirtschaftlich im [X.] schlechter stehe als Berechtigte, deren [X.] nach neuem Sat-zungsrecht ohne Rücksicht auf Vordienstzeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes berechnet wird, ist von ihr weder dargetan noch ersichtlich. Der in der Halbanrechnung von Vordienstzeiten vom [X.] gesehene Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist für die Zukunft ausgeräumt. Im Hinblick darauf stehen Rentenempfängern alten Rechts wie der Klägerin über die Wah-rung ihres Besitzstandes hinaus auch nach dem 31. Dezember 2000 keine [X.] Ansprüche aus Gründen der Gleichbehandlung zu.
f) Entgegen der Ansicht der Revision haben sich die [X.] schließlich auch nicht durch die Vereinbarung, eine bundesgerichtliche Ent-scheidung zugunsten einer höheren als der in der Übergangsregelung der [X.] vorgesehenen [X.] zugunsten aller daran Betroffenen umzusetzen, darauf verständigt, die Entscheidung über Halb- oder Vollanrech-nung den Gerichten vorzubehalten. Damit wird lediglich zum Ausdruck ge-- 9 - bracht, daß einer solchen Entscheidung sogar rückwirkend Folge geleistet wer-den soll.

[X.] [X.] [X.]

[X.] Dr. [X.]

Meta

IV ZR 252/02

15.09.2004

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.09.2004, Az. IV ZR 252/02 (REWIS RS 2004, 1640)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1640

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