Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2012, Az. XII ZR 203/09

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 5257

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
XII ZR 203/09
Verkündet am:

27.
Juni 2012

Breskic,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-
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-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 27.
Juni 2012 durch [X.] und die Richter
Weber-Monecke, Dr.
Klinkhammer, Schilling und Dr.
Nedden-Boeger
für Recht erkannt:
Auf die Revision
der Beklagten
wird das Urteil des 8.
Zivilsenats des [X.] vom 17.
Dezember 2009 aufge-hoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung

auch über die Kosten des Revisionsverfahrens
-
an das Ober-landesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die [X.]en sind geschiedene Eheleute. Sie streiten im vorliegenden Verfahren wie im vor dem Senat geführten Parallelverfahren (XII
ZR
47/09) um die Rückabwicklung von [X.], die der Kläger (im [X.]: Ehemann) während der Ehe an die Beklagte (im Folgenden: Ehefrau) er-brachte.
Die [X.]en heirateten im Mai 1990. In einem vor der Eheschließung abgeschlossenen Ehevertrag hatten sie Gütertrennung vereinbart und den Ver-sorgungsausgleich
sowie nacheheliche Unterhaltsansprüche weitgehend
aus-geschlossen. Die bei der Eheschließung vermögenslose Ehefrau
gab ihre Be-1
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rufstätigkeit als technische Assistentin auf und widmete sich der Haushaltsfüh-rung. Der Ehemann, der alkoholkrank und
aufgrund eines Verkehrsunfalls schwerbehindert
ist, ging ebenfalls keiner Erwerbstätigkeit nach.
Die [X.]en lebten vom Vermögen des Ehemanns, welches dieser im Wert von rund 10.000.000
DM geerbt hatte. Im Dezember 1991 gebar die Ehefrau
einen [X.].
Die [X.]en trennten sich im September 2003. Die Ehe wurde auf den im Mai 2004 zugestellten Scheidungsantrag im Juni 2006 rechtskräftig geschie-den. Der Ehemann
hat seine Vaterschaft zu dem [X.] angefochten. Durch [X.] rechtskräftiges Urteil wurde
festgestellt, dass er nicht der Vater des Kindes ist.
Der Ehemann
begehrt im Wege der Rückforderung einer von ihm an die Ehefrau
erbrachten Zuwendung die Zahlung von 115.000

.
Im Juli 2000 kauf-ten die [X.]en
zum Preis von 700.000
DM vom späteren Rechtsanwalt der Ehefrau
einen [X.] an einem Hausgrundstück. Jede [X.] sollte zu 1/4 Miteigentümer werden. Der Kaufpreis wurde allein vom Ehemann
gezahlt. Zu einer Eintragung der [X.]en im Grundbuch kam es nicht. Der Ehemann
erhielt entsprechend einer privatschriftlichen Vereinbarung vom März 2004 einen (hälf-tigen) Kaufpreisanteil von 175.000

rück. Eine notarielle Nachtragsvereinba-rung, welche der Rechtsanwalt im November 2004 als Verkäufer und vollmacht-loser Vertreter beider [X.]en abgeschlossen
hatte
und in der eine Zahlung der weiteren Kaufpreishälfte an die Ehefrau
in monatlichen Raten von 2.500

r-gesehen war, wurde vom Ehemann
nicht genehmigt. Dennoch erhielt die Ehe-frau
nach Abzug von Anwaltshonoraren 115.000

, die der Ehemann
mit der Klage von ihr herausverlangt.
Der Ehemann beruft sich
darauf, dass er die
Zuwendung
ausschließlich in der Erwartung gemacht habe, die eheliche Lebensgemeinschaft werde Be-3
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stand haben, und dass nach der Trennung die Geschäftsgrundlage entfallen sei.
Die Geschäftsgrundlage sei auch darin zu sehen, dass er mit Wissen der Ehefrau während der gesamten Ehezeit davon ausgegangen sei, der [X.] der Ehefrau sei auch sein leiblicher [X.].

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht
hat die Ehefrau
auf die Berufung des Ehemanns antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Dagegen richtet sich die
vom Senat zugelassene Revision
der Ehefrau, die [X.] die Klageabweisung erstrebt.

Entscheidungsgründe:
Die Revision der Ehefrau
hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Beru-fungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts
ist eine Rückforderung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage begründet.
Es könne dahinstehen, ob die Zuwendung eine unbenannte Zuwendung oder eine Schenkung darstelle. Es könne auch offen
bleiben, ob die Ehefrau sich an ihrer ursprünglichen Behauptung festhalten lassen müsse, der [X.] habe ihr schon im Trennungsstadium umfassend Vermögen übertragen, um sie und das gemeinsame Kind abzusichern oder um einen aufgrund seiner Alkoholerkrankung befürchteten Vermögensverfall abzuwenden. Denn die [X.] zu dem vermeintlich gemeinsamen [X.] sei Geschäftsgrundlage für die Zuwendung geworden. Dabei sei zwar davon auszugehen, dass es sich 6
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nicht um den erstrangigen Beweggrund gehandelt habe. Es reiche aber aus, dass der Umstand mitursächlich gewesen sei in dem Sinne, dass er den [X.] bei der Vornahme der Zuwendung bestärkt habe
und dass dieser, wenn er die wahren Umstände gekannt hätte, zwar nicht sicher, aber vielleicht von der Zuwendung abgesehen hätte.
Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände sei ein Festhalten des Ehemanns an den durch die Zuwendung eingetretenen Vermögensverhältnis-sen unzumutbar. Maßgeblich seien
die Dauer der Ehe und die Dauer des [X.] des
Ehemanns über seine Vaterschaft sowie die besonderen Vermögens-verhältnisse der [X.]en. Weil der Ehemann während der Ehe keiner [X.] nachgegangen sei, handele es sich nicht um gemeinsam erarbeitetes Vermögen. Das Vermögen sei von dritter Seite gekommen, und das Gesetz sehe grundsätzlich keine Beteiligung des Ehepartners am durch Schenkung, Erbschaft oder [X.] erworbenen Vermögen
vor. Auf die Frage der Sittenwidrigkeit des Ehevertrages komme es nicht an, weil ein Wegfall der Ge-schäftsgrundlage auch im Fall der Sittenwidrigkeit eingetreten sei. Die Ehefrau schulde daher Wertersatz für den [X.], denn sie habe jedenfalls durch die Rückabwicklung des Verkaufs ihr bereits dinglich gesichertes Anwart-schaftsrecht veräußert.

II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Die Zuwendung des Ehemanns bestand darin, dass er durch seine Kauf-preiszahlung die Ehefrau von deren Kaufpreisverpflichtung befreite und zu-gleich ein Ausgleich im Innenverhältnis der Ehegatten als Gesamtschuldner 10
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zumindest konkludent ausgeschlossen war. Der in der Befreiung von der [X.] liegende Vermögenswert setzt sich in dem erworbenen [X.] sowie in dem nach Aufhebung des Kaufvertrages erworbenen [X.] fort.
Das Berufungsgericht hat offen
gelassen, ob es sich bei der Zuwendung um eine ehebezogene Zuwendung gehandelt habe.
Die von ihm angenommene Geschäftsgrundlage hat es auch in der leiblichen Vaterschaft des Ehemanns zu dem [X.] der Ehefrau gesehen. Mit dieser Begründung kann das [X.] keinen Bestand haben.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] sind Ge-schäftsgrundlage die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei [X.] aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Ver-tragsparteien sowie die der einen Vertragspartei erkennbaren und von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen vom Vorhandensein oder dem künf-tigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der [X.]en auf diesen Vorstellungen aufbaut ([X.] Urteil vom 10.
September 2009

VII
ZR
152/08
-
NZBau 2009, 771, 774; Senatsurteile vom 21.
Juli
2010

XII
ZR
180/09
-
FamRZ
2010, 1626 Rn.
14 und vom 17.
Februar 1993

XII
ZR
232/91
-
FamRZ 1993, 1047, 1048 jeweils mwN).
Auch wenn eine Zuwendung zwischen Ehegatten im konkreten Fall nicht als ehebezogene Zuwendung, sondern als Schenkung zu werten ist, sind auf sie dennoch die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anwendbar (vgl. Senatsurteil [X.]Z 184, 190 =
FamRZ
2010, 958 Rn.
25
ff.; [X.] Urteile vom 8.
November 2002 -
V
ZR
398/01
-
FamRZ 2003, 223 und vom 19.
Januar 1999 -
X
ZR
60/97
-
FamRZ 1999, 705, 707). Daher ist es auch unter weiteren Gesichtspunkten als der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft
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-
möglich, dass bestimmte Vorstellungen der [X.]en von der Verwendung des zugewendeten Vermögensgegenstandes zur Geschäftsgrundlage erhoben wer-den. Voraussetzung ist hierfür allerdings, dass diese in den Geschäftswillen der [X.]en aufgenommen werden und nicht bloß einseitige Erwartungen einer [X.] darstellen (vgl. [X.]/[X.] BGB
71.
Aufl. §
313 Rn.
9 mwN).
2. Im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts kann die leibliche Abstammung des [X.]es hier nicht als Geschäftsgrundlage der Zuwendung angesehen werden. Denn insoweit mangelt es an einem auf den [X.] bezoge-nen beiderseitigen Geschäftswillen der [X.]en. Es handelte sich auch nicht um eine einseitige Vorstellung des Ehemanns, die die Ehefrau als anderer [X.] nach Treu und Glauben in ihren Geschäftswillen aufgenommen hat. Vielmehr kann insbesondere im Fall der Täuschung durch den Vertragspartner (hier: durch Unterlassen) grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass dieser den vorgetäuschten Sachverhalt in seinen Geschäftswillen aufnimmt. Im Gegensatz zu dem Fall, dass das Kind -
unmittelbar oder mittelbar
-
ebenfalls von der Zuwendung profitieren soll (vgl. dazu Senatsurteil -
im Parallelverfah-ren
-
vom 27.
Juni 2012 -
XII
ZR
47/09
-
zur Veröffentlichung bestimmt), lässt sich dies auch nicht unter dem Gesichtspunkt des nach gemeinsamer Vorstel-lung der [X.]en bestehenden Verwendungszwecks der Zuwendung anneh-men.
Wegen der widerrechtlichen Einflussnahme auf die Willensbildung ver-bleibt insoweit nur die Möglichkeit einer Täuschungsanfechtung nach §
123 BGB, wobei es diesbezüglich bereits an Feststellungen zu einer Anfechtungs-erklärung des Ehemanns fehlt.

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III.
Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die [X.] der Zuwendung hat das Berufungsgericht [X.] offen gelassen. Weil es insbesondere zu dieser Frage weiterer Fest-stellungen bedarf, ist dem Senat
eine abschließende Entscheidung in der [X.] verwehrt. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass sich aus der ursprünglichen Behauptung der Ehefrau, durch die Zuwendung hätten sie und das gemeinsame Kind nachhaltig wirtschaftlich abgesichert werden [X.], nicht ohne weiteres ergibt, dass die leibliche Abstammung des Kindes vom Ehemann über das -
auch beiderseitige
-
Motiv hinausgehend zur [X.] erhoben werden sollte.

Dose

Weber-Monecke

Klinkhammer

Schilling

Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.02.2008 -
34 O 23520/06 -
OLG [X.], Entscheidung vom 17.12.2009 -
8 U 2745/08 -
18

Meta

XII ZR 203/09

27.06.2012

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2012, Az. XII ZR 203/09 (REWIS RS 2012, 5257)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5257

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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