Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.05.2012, Az. IV ZR 87/11

4. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 5997

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Gegenstand

Berufshaftpflichtversicherung der Architekten: Inhaltskontrolle für eine Vertragsstrafeklausel in Allgemeinen Versicherungsbedingungen


Leitsatz

Eine Klausel in einer Berufshaftpflichtversicherung für Architekten, die die Verletzung der Pflicht zu zutreffenden Angaben über die für die Beitragshöhe maßgeblichen Honorarumsätze durch eine Vertragsstrafe in Höhe des fünffachen Betrages der daraus folgenden Prämiendifferenz sanktioniert, benachteiligt den Versicherungsnehmer unangemessen und ist deshalb unwirksam.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 5. April 2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

I. Die Klägerin begehrt vom Beklagten im Revisionsverfahren nur noch die Zahlung einer Vertragsstrafe.

2

Der Beklagte ist Architekt und unterhielt bei der Klägerin eine Berufshaftpflichtversicherung, der die Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung von Architekten, Bauingenieuren und Beratenden Ingenieuren - Komfortschutz - 03.2004 ([X.]) zugrunde liegen.

3

In diesen Bedingungen heißt es unter anderem:

"5. Welche Pflichten hat der Versicherungsnehmer?

5.2.3 Beitragsabrechnung

Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, nach Erhalt einer Aufforderung des Versicherers, welche auch durch einen der Beitragsrechnung aufgedruckten Hinweis erfolgen kann, Mitteilung darüber zu machen, ob und welche Änderung in dem versicherten Risiko gegenüber den zum Zwecke der Beitragsbemessung gemachten Angaben eingetreten ist. …

6. Welche Rechtsfolgen gelten bei [X.]

6.2.3 Unrichtige oder unterlassene Angaben zur Beitragsabrechnung

Unrichtige Angaben zum Nachteil des Versicherers berechtigen diesen, eine Vertragsstrafe in fünffacher Höhe des festgestellten Beitragsunterschieds vom Versicherungsnehmer zu erheben, sofern letzterer nicht beweist, dass die unrichtigen Angaben ohne ein von ihm zu [X.] Verschulden gemacht worden sind.

…"

4

Im Versicherungsantrag vom 23. Mai 2005 hatte der Beklagte eine Jahresnettohonorarsumme von 30.000 € angegeben. Die Höhe der Versicherungsprämie richtete sich nach dieser Honorarsumme.

5

Im Januar 2006 erstellte der Beklagte für ein Bauvorhaben eine Schlussrechnung über insgesamt 401.599,75 € brutto, die die Bauherren nicht bezahlten. Gegen die vom Beklagten erhobene [X.] verteidigten sie sich mit Gegenansprüchen aufgrund einer von ihnen geltend gemachten fehlerhaften Architektenleistung.

6

Diese Inanspruchnahme meldete der Beklagte bei der Klägerin als Versicherungsfall an und legte in diesem Zusammenhang auch seine Schlussrechnung vor.

7

Mit Schreiben vom 9. Februar 2009 machte die Klägerin daraufhin gegen den Beklagten eine Beitragsnachforderung von (netto) 4.257,44 € und eine Vertragsstrafe von (netto) 21.287,20 € zuzüglich 19% Versicherungssteuer, insgesamt 30.398,19 €, geltend. Diese Forderung bildete - neben einem in erster Instanz rechtskräftig erledigten Auskunftsanspruch - zunächst in voller Höhe den Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens.

8

Das [X.] hat den [X.] abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung, nachdem die Klägerin diese zuvor in Höhe eines Teilbetrages von 4.257,44 € nebst Zinsen ([X.] 2006) zurückgenommen hatte, zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe zu. Die Regelungen in Ziff. 6.2.3 [X.]. Ziff. 5.2.3 [X.] seien nach § 34a [X.] und auch nach § 307 BGB wirkungslos, weil sie zum Nachteil der Versicherungsnehmer von §§ 23 ff. [X.] abwichen. Die Bestimmungen regelten die Folgen von Gefahrerhöhungen nach Abschluss des Versicherungsvertrages und die dabei vorliegenden, für den Versicherungsnehmer nachteiligen Abweichungen von den gesetzlichen Bestimmungen würden durch anderweitige, ihm günstige Vertragsgestaltungen nicht ausgeglichen.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.

1. Das Berufungsurteil unterliegt nicht deshalb der Aufhebung und Zurückverweisung, weil es unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters ergangen wäre. Die durch den Einzelrichter wegen Grundsätzlichkeit im weiteren Sinne des § 543 Abs. 1 ZPO (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 13. März 2003 - [X.] 134/02, [X.]Z 154, 200, 202; BT-Drucks. 14/4722 S. 103 ff.) zugelassene Revision führt nicht wegen Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (vgl. dazu Senatsbeschlüsse vom 12. Oktober 2011 - [X.], [X.], 230 Rn. 5 und vom 28. September 2011 - [X.], juris Rn. 2 insoweit in [X.], 299 nicht veröffentlicht; [X.], Urteil vom 16. Juli 2003 - [X.], NJW 2003, 2900 f.).

2. Es kann offen bleiben, ob die in Ziff. 6.2.3 [X.]. Ziff. 5.2.3 [X.] vereinbarte Regelung zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den gesetzlichen Bestimmungen über die Gefahrerhöhung (§§ 23 ff. [X.]) abweicht und deshalb nach § 34a [X.] unwirksam ist.

3. Die Vertragsstrafenregelung in Ziff. 6.2.3 [X.] ist jedenfalls nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligt.

a) Die Unwirksamkeit folgt allerdings nicht schon daraus, dass die Vertragsstrafenvereinbarung dem Versicherungsnehmer in Ziff. 5.2.3 [X.] die Pflicht auferlegt, auf Verlangen des Versicherers Angaben zu seinen die Beitragshöhe bestimmenden Honorarumsätzen zu machen, und eine Verletzung dieser Pflicht durch eine Vertragsstrafe sanktioniert. Dies wird vielmehr durch das legitime Interesse der Klägerin gerechtfertigt, ihre Versicherungsnehmer zur Mitwirkung bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlagen des Prämienanspruchs anzuhalten, auf die sie angewiesen ist.

b) [X.] ist jedoch die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe. Eine Vertragsstrafenvereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen muss trotz ihrer Druck- und Kompensationsfunktion auch die Interessen des Vertragspartners ausreichend berücksichtigen (vgl. [X.], Urteil vom 23. Januar 2003 - [X.], [X.]Z 153, 311 unter [X.]). Die Höhe einer vertragsmäßig ausbedungenen Vertragsstrafe ist daher insbesondere dann unangemessen, wenn die Sanktion außer Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes und zu dessen Folgen für den Vertragspartner steht ([X.], Urteil vom 7. Mai 1997 - [X.], NJW 1997, 3233, 3234 unter [X.]). Ihre Höhe darf also nicht außer Verhältnis zu dem möglichen Schaden geraten, der durch das mit der Vertragsstrafe sanktionierte Verhalten des Kunden ausgelöst wird ([X.], Urteil vom 7. Mai 1997 aaO).

Da sich die Folgen der hier in Rede stehenden unrichtigen Angaben darauf beschränken, dass die Klägerin an der zutreffenden Berechnung ihres Prämienanspruchs gehindert wird und ihr dadurch die [X.] entgehen kann, darf die Höhe der in Ziff. 6.2.3 [X.] vorgesehenen Vertragsstrafe nicht außer Verhältnis zu dem [X.] stehen, den der Versicherungsnehmer sich durch seine falschen Angaben erschleicht.

Das ist bei der hier vereinbarten Vertragsstrafe in fünffacher Höhe des festgestellten Beitragsunterschieds jedoch der Fall.

Zwar ist es im Grundsatz sachgerecht, dass sich die Höhe der Vertragsstrafe an der Höhe des [X.]s orientiert, den ein Versicherungsnehmer durch die unrichtigen Angaben erzielen kann. Die Vereinbarung des fünffachen Betrags der [X.] steht aber außer Verhältnis zu dem möglichen Schaden des Versicherers. Obwohl dieser den Differenzbeitrag nacherheben kann, hätte der Versicherungsnehmer - worauf das Berufungsgericht zu Recht hingewiesen hat - schon bei einem Anstieg der Jahresrechnungssumme von (nur) 20% eine Vertragsstrafe in Höhe einer vollen Jahresprämie - zusätzlich zu der angepassten Versicherungsprämie - zu zahlen.

Ein abweichendes Ergebnis folgt entgegen der Auffassung der Revision auch nicht mit Rücksicht auf die ähnliche - und nach Auffassung der Klägerin vergleichbare - Regelung des § 8 II 1 AHB, die eine Vertragsstrafe in Höhe des dreifachen Beitragsunterschiedes vorsieht. Im Schrifttum ist bereits umstritten, ob diese Regelung im Einzelfall ihrerseits unangemessen sein kann. Überwiegend wird die Wirksamkeit dieser Regelung zwar ohne Einschränkung bejaht (so [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.]. § 8 AHB Rn. 3; [X.]/[X.], [X.], 782, 791; [X.], [X.], 401, 407; [X.], AHB § 8 Rn. 36 ff.); dagegen weisen andere Autoren darauf hin, dass eine Vertragsstrafe in Höhe des dreifachen Beitragsunterschiedes bei nur geringem Verschulden unter Umständen unangemessen sein könne (Bruck/[X.]/[X.], Allgemeine Haftpflichtversicherung 8. Aufl. [X.]. [X.], [X.]; Späte, AHB § 8 Rn. 16), oder wollen die Vertragsstrafe möglicherweise nur bis zum Doppelten der [X.] als angemessen akzeptieren ([X.] in [X.]/[X.] aaO § 27 Rn. 3a). Ob den Bedenken der letztgenannten Autoren zu folgen wäre, kann dahinstehen. Eine Strafe in Höhe des fünffachen Betrags der [X.] überschreitet auch bei Berücksichtigung der nach Auffassung der Revision bestehenden Vorteile für den Versicherungsnehmer, die die Gesamtregelung enthalten soll, jedenfalls die Grenze der Angemessenheit; dies begründet die Unwirksamkeit der Vereinbarung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Mayen                                               Felsch                                          [X.]

                      Dr. [X.][X.]

<[X.]erkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Berichtigungsbeschluss vom 20. August 2012 ist in den Urteilstext eingearbeitet worden.>

Meta

IV ZR 87/11

30.05.2012

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 5. April 2011, Az: 6 U 131/10

§ 1 VVG, §§ 1ff VVG, § 307 Abs 1 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.05.2012, Az. IV ZR 87/11 (REWIS RS 2012, 5997)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5997

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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