Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.06.2018, Az. 3 StR 23/18

3. Strafsenat | REWIS RS 2018, 7002

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Gegenstand

Pflicht zur unverzüglichen Vorführung nach der vorläufigen Festnahme


Tenor

1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten [X.], [X.]     und [X.]gegen das Urteil des [X.] vom 28. Juli 2017 werden verworfen.

2. Die Angeklagten [X.], [X.]     und [X.]haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten [X.], [X.]     , [X.]und [X.]    dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten wegen [X.]ubes mit Todesfolge zu Jugendstrafen von sieben Jahren und neun Monaten ([X.] und [X.]     ), sieben Jahren und drei Monaten ([X.]    ) und sechs Jahren und sechs Monaten ([X.]) sowie den Mitangeklagten [X.].    wegen besonders schweren [X.]ubes zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Hiergegen wenden sich die Revisionen der Angeklagten [X.], [X.]     und [X.], die sich jeweils auf die allgemeine Sachrüge stützen. Die Angeklagte [X.] hat zudem mehrere Verfahrensrügen erhoben. Die Staatsanwaltschaft hat zuungunsten der vier Angeklagten [X.], [X.]     , [X.]und [X.]    Revision eingelegt, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Sämtliche Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

2

I. Das [X.] hat folgende Feststellungen getroffen:

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Nachdem der Angeklagte [X.]    einen Hinweis erhalten hatte, dass sich im Haus des später Getöteten [X.] mit Bargeld in Höhe von 80.000 € befinde, und dies im Freundeskreis besprochen hatte, beschlossen die Angeklagten und der nicht revidierende Mitangeklagte [X.].    , jenen in seinem Haus zu überfallen und ihm unter Gewaltanwendung den [X.]schlüssel abzunehmen, um das im [X.] befindliche Geld, aber auch weiteres gegebenenfalls im [X.] oder andere Wertgegenstände zu erlangen. Dabei gingen sie davon aus, dass es sich bei dem 81jährigen später Getöteten um [X.] handeln würde, der ihnen körperlich nicht mehr gewachsen sei und den sie leicht überwältigen könnten. Sie begaben sich deshalb zu dessen Anwesen. Dort angekommen folgten die Angeklagten [X.]     und [X.]ihrem Opfer, das gerade mit dem Entladen seines Pkw befasst war, ins Haus, wo sie es dem gemeinsamen [X.] entsprechend noch im Hausflur übermannten. Während der Angeklagte [X.]die Rollläden herunterließ, hielt der Angeklagte [X.]     den auf den Boden liegenden später Getöteten im sogenannten [X.] fest und schlug mit Fäusten auf ihn ein. Zu diesem Zeitpunkt betraten die Angeklagten [X.] und [X.]    das Haus, während der Mitangeklagte [X.].    , dem zwischenzeitlich Bedenken gekommen waren, zum Fahrzeug zurückging, um dort auf die anderen zu warten und die spätere Flucht zu erleichtern. Als die Angeklagten [X.]    und [X.]bemerkten, dass der später Getötete sich wider Erwarten zur Wehr setzte, schlugen auch sie mit Fäusten auf dessen Kopf und Oberkörper ein, um seine Gegenwehr schnell und effektiv zu brechen. Schließlich gelang es dem Angeklagten [X.]     , ihn bäuchlings auf den Boden zu bringen und sich auf seinen Rücken zu setzen, während er ihn weiterhin im "[X.]" hielt. Dabei nahm er ihm die Armbanduhr ab.

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Derweil durchsuchten die Angeklagten [X.], [X.]    und [X.]das Anwesen, wobei [X.]eine Schachtel Zigaretten einsteckte. Schließlich fanden sie auch den [X.]schlüssel, mit dem sie den Geldschrank öffneten, der aber leer war. Dagegen gelang es ihnen nicht, den Waffenschrank aufzumachen, der einem schmalen [X.] ähnelte und in dem sie Bargeld vermuteten. Deshalb begab sich jedenfalls die Angeklagte [X.] zu dem Opfer zurück, auf das sie und der Angeklagte [X.]     - wie auch die anderen erkannten - mit nun verstärkter Gewalt, der Angeklagte [X.]     mittels Schlägen und Tritten, die Angeklagte [X.] auch mit einem Elektroschockgerät, das sie gegen Kopf und Hals des später Getöteten führte, einwirkten, um mit dessen Hilfe doch noch an das in Aussicht genommene Bargeld zu gelangen. Schließlich zog der Angeklagte [X.]     den Kopf seines nach wie vor auf dem Bauch liegenden, inzwischen schwer verletzten und heftig blutenden Opfers, dessen Hals er weiterhin mit der Armbeuge umfasst hielt, nach hinten, so dass der 6. Halswirbel brach und die Luftzufuhr unterbrochen wurde, was zu dessen Tod führte. Allen vier Angeklagten war die Möglichkeit bewusst, dass das betagte Opfer durch die angewandte Gewalt versterben könnte. Dennoch billigten sie die gegenüber dem ursprünglichen Plan erhöhte Gewalteinwirkung im Hinblick auf die in Aussicht genommene Beute. Dagegen konnte nicht festgestellt werden, dass sie den Tod des Opfers billigend in Kauf genommen hätten. Als dieser gleichwohl eintrat, verließen sie überstürzt das Haus. Das [X.] ist zugunsten der Angeklagten davon ausgegangen, dass der Getötete zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben war.

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II. Die Revision der Staatsanwaltschaft

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Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg. Insbesondere hat das [X.] aufgrund einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung einen bedingten Tötungsvorsatz der Angeklagten verneint.

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1. Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt und dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Vor Annahme eines bedingten Vorsatzes müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens- als auch das Willenselement, umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles, in welche vor allem die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des [X.], seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen sind. Kann der Tatrichter auf der Grundlage dieser Gesamtbewertung aller Umstände Zweifel am Vorliegen des bedingten Vorsatzes nicht überwinden, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen; denn die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 [X.]). Es obliegt daher allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näher liegend gewesen wäre ([X.], Urteil vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13, [X.], 242, 243). Dieselben Grundsätze gelten für solche Beweisanzeichen, die sich auf den ersten Blick als ambivalent darstellen, die also dem Tatrichter, je nachdem, wie er sie im Einzelfall bewertet, rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen (vgl. zu alledem [X.], Urteil vom 20. September 2012 - 3 [X.], [X.], 75, 76 f. [X.]).

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2. Daran gemessen ist die Beweiswürdigung des [X.]s nicht zu beanstanden. Sie beruht auf einer bewertenden Gesamtschau aller maßgeblichen objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles. Die von der [X.] in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen sind weder lückenhaft, widersprüchlich oder unklar noch verstoßen sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze. Das [X.] hat in seine Überlegungen eingestellt, dass die Angeklagten mit massiver Gewalt auf das ältere, wenn auch entgegen den Erwartungen nicht gebrechliche Opfer einwirkten, weshalb ihnen dessen mögliches Versterben bewusst gewesen sei. Selbst wenn dieser "immensen" Gewalteinwirkung Indizwirkung auch für die Billigung des tödlichen Erfolgs zukomme, lasse sich gleichwohl bei keinem der Angeklagten feststellen, dass er den Tod des Opfers billigend in Kauf genommen hätte. Hiergegen spreche bereits das Motiv für die - nach dem Öffnen des [X.]s und der Feststellung, dass dieser leer war - verstärkte und letztlich tödlich wirkende Gewaltanwendung. Denn die Täter hätten die Gewalttätigkeiten deshalb gesteigert, weil sie allein hierin eine Möglichkeit gesehen hätten, mit Hilfe des später Getöteten doch noch an das in der Wohnung vermutete Bargeld zu gelangen. Außerdem spreche das überstürzte Verlassen des [X.] nach der Feststellung der [X.] des am Boden liegenden Opfers gegen eine Billigung des tödlichen Erfolgs. Das [X.] hat in diesem Zusammenhang rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Getötete zum Fluchtzeitpunkt jedenfalls aus Sicht eines medizinischen Laien verstorben war. Die unmittelbar einsetzende Flucht der Angeklagten, die mehrere im Hause befindliche Bargeldbeträge - etwa in der auf dem Küchentisch liegenden Geldbörse - zurückließen und sich gegen eine mögliche Beobachtung durch Nachbarn oder Passanten nicht absicherten, erkläre sich damit, dass die Angeklagten über ein Geschehen erschrocken seien, das sie keinesfalls gewollt hätten.

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Die [X.] hat somit bedacht, dass es bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen naheliegt, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen, und - weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt - einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt ([X.], Urteil vom 19. April 2016 - 5 StR 498/15, [X.], 204). Sie hat dennoch das Willenselement des Vorsatzes mit nachvollziehender Begründung verneint. Die von der [X.] gezogenen Schlüsse sind möglich. Soweit die Revision geltend gemacht hat, das [X.] hätte erwägen müssen, ob nicht etwa der Versuch, doch noch das Bargeld zu erlangen, sondern Verärgerung über den Geschädigten Grund für die verstärkte Gewalteinwirkung waren, erweist sich die Würdigung der Beweise und Indizien nicht als lückenhaft. Das [X.] hat sich hinsichtlich der Motive für den gesteigerten Einsatz der gegen das Opfer ausgeübten Gewalt nach Öffnen des [X.]s nicht unmittelbar auf die Einlassungen der Angeklagten, die sich hierzu nicht geäußert haben, stützen können. Es hat aber - wie eine Gesamtschau der Urteilsgründe ergibt - unter Berücksichtigung der zeitlichen Abfolge, wonach jedenfalls die Angeklagte [X.] nach der Feststellung, dass der [X.] leer und der einem [X.] ähnelnde Waffenschrank nicht zu öffnen war, zu dem später Getöteten zurückging und zusammen mit dem Angeklagten [X.]     mit verstärkter Gewalt auf jenen einwirkte, sowie mit der Überlegung, dass in dieser Situation ausschließlich mit dessen Hilfe noch die im Haus vermutete Bargeldsumme erlangt werde konnte, den Schluss gezogen, dass mit der gesteigerten Gewalteinwirkung die Mithilfe des Opfers erzwungen werden sollte. Dieser Schluss ist möglich und nicht fernliegend. Andere Motive für die Erhöhung des [X.] mögen denkbar sein. Sie lagen indes nicht in einem Maße nahe, dass ihre Nichterörterung durch das [X.] eine Lücke in der Beweiswürdigung darstellte. Welches Gewicht das Tatgericht diesem Beweisanzeichen für das voluntative Vorsatzelement zugewiesen hat, entzieht sich revisionsgerichtlicher Überprüfung. Auch soweit der [X.] darauf verwiesen hat, das Zurücklassen einiger im Haus befindlicher Bargeldbeträge deute nicht unbedingt auf eine überstürzte Flucht aus Erschütterung über das tödliche Geschehen hin, da nicht festgestellt sei, dass die Angeklagten diese Beträge überhaupt bemerkt hätten, hat er ebenfalls keinen sachlich-rechtlichen Mangel aufgezeigt, da letztendlich das eilige Verlassen des Hauses die Angeklagten auch daran gehindert haben kann, von der Suche nach weiteren Bargeldbeträgen abzusehen.

Da das [X.] fehlerfrei festgestellt hat, dass der Getötete zum Zeitpunkt des Verlassens des Anwesens durch die Angeklagten bereits verstorben war bzw. diese ihn für tot hielten, erübrigten sich auch Erörterungen dazu, ob ein Tötungsdelikt darin gesehen werden könnte, dass die Angeklagten ihr Opfer ohne Hilfe zurückließen.

III. [X.] Angeklagten

Die Rechtsmittel der Angeklagten haben ebenfalls keinen Erfolg.

1. Die durch die allgemeinen Sachrügen veranlasste Überprüfung des Urteils hat auch zum Nachteil der Angeklagten keine sachlich-rechtlichen Mängel ergeben. Insbesondere hat die [X.] ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die Angeklagten mit ihrer Tat den Tod des betagten Opfers leichtfertig verursacht haben. Die Rechtsmittel erweisen sich mithin insoweit als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].

2. Auch die Verfahrensrügen der Angeklagten [X.] verhelfen ihrer Revision nicht zum Erfolg.

a) Die [X.], die [X.] sei fehlerhaft besetzt gewesen und ein Ablehnungsgesuch wegen Befangenheit der gesamten [X.] sei rechtsfehlerhaft als unzulässig zurückgewiesen worden, sind aus den in der Zuschrift des [X.]s dargelegten Gründen bereits unzulässig, wären aber auch unbegründet.

b) Auch die Rüge, das Urteil beruhe auf den unter Verstoß gegen § 136a [X.] gewonnenen Einlassungen der Angeklagten gegenüber der Polizei, erweist sich als teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

aa) Soweit das [X.] auch ergeben sollte, dass nach Auffassung der Verteidigung die Revisionsführerin im [X.]hmen der polizeilichen Vernehmung nur unzureichend belehrt und ihre Verteidigung durch einen Rechtsanwalt behindert worden sei, ist eine Beanstandung, mit der die Unverwertbarkeit der Angaben der Angeklagten und der Mitangeklagten [X.].    und [X.]wegen dieser Mängel geltend gemacht würde, nicht erhoben. Die Stoßrichtung der Verfahrensrüge geht allein dahin, dass bei der Festnahme der Angeklagten der [X.]vorbehalt bewusst umgangen worden bzw. die Vorführung der Festgenommenen vor den Ermittlungsrichter nicht rechtzeitig gewesen sei. Deshalb habe die Vernehmung der Beschuldigten in einer den in § 136a Abs. 1 Satz 1 [X.] genannten Umständen vergleichbaren Zwangslage stattgefunden und die Einlassungen hätten in Anlehnung an § 136a Abs. 3 [X.] bei der Urteilsfindung nicht verwertet werden dürfen.

bb) Im Hinblick auf diese letztgenannte Rüge ist auf der Grundlage des [X.]s, das durch die Urteilsgründe ergänzt werden kann, die der [X.] im [X.]hmen der gleichzeitig erhobenen Sachrüge zur Kenntnis nehmen darf, von folgenden Verfahrenstatsachen auszugehen:

Am Morgen des 28. Januar 2015 fanden bei allen Angeklagten, dem nicht revidierenden Mitangeklagten sowie zwei weiteren Beschuldigten Hausdurchsuchungen statt, die durch am Vortag erlassene richterliche Durchsuchungsbeschlüsse angeordnet worden waren. Die Angeklagten und die weiteren Beschuldigten, die Mütter der Angeklagten [X.] und [X.]    , wurden "in der Folge" vorläufig festgenommen und nach den entsprechenden Belehrungen nach § 136 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] vernommen, wobei sie sich zur Sache einließen. Danach wurden die Vernehmungsprotokolle dem [X.] übergeben und ihr Inhalt in einer Teamsitzung von den ermittelnden Polizeibeamten besprochen, die am Folgetag [X.] unter Vorhalt der Angaben der Mitbeschuldigten durchführten. Danach wurden die Angeklagten noch in der Frist des § 128 Abs. 1 Satz 1 [X.] am 29. Januar 2015 dem Haftrichter vorgeführt, der auf Antrag der Staatsanwaltschaft die entsprechenden Haftbefehle erließ. Die Mütter der Angeklagten [X.] und [X.]    waren bereits nach ihren Vernehmungen am 28. Januar 2015 wieder entlassen worden.

Die Revision wertet dieses Vorgehen der Ermittlungsbehörden in zweifacher Hinsicht als eine bewusste Umgehung des [X.]vorbehalts in Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 [X.]: Zum einen habe spätestens bei Erlass der Durchsuchungsbeschlüsse nicht nur der hierfür erforderliche einfache, sondern ebenso ein dringender Tatverdacht vorgelegen, so dass bereits vor der Durchsuchungsaktion und den ihr folgenden Festnahmen Haftbefehle hätten eingeholt werden können. Deshalb sei für die in ermittlungsbehördlicher Eilkompetenz durchgeführte Festnahme nach § 127 Abs. 2 [X.] kein [X.]um gewesen. Zum anderen hätte die Polizei die Angeklagten nach der Festnahme nicht vernehmen dürfen, sondern zunächst unverzüglich dem Haftrichter vorführen müssen (§ 128 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

cc) Mit diesem Vorbringen dringt die Revision nicht durch.

(1) Soweit die Revision eine Verletzung des [X.]vorbehalts bei Freiheitsentziehungen darin sieht, dass die Ermittlungsbehörden trotz eines bereits im Vorfeld der Festnahmen gegebenen dringenden Tatverdachts keine richterlichen Haftbefehle eingeholt, sondern die Beschuldigten aufgrund ihrer nach § 127 Abs. 2 [X.] gegebenen Eilkompetenz vorläufig festgenommen hätten, ist die Verfahrensrüge unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Dem [X.] kann nämlich - auch unter Einbeziehung der im Urteil mitgeteilten Verfahrenstatsachen - nicht entnommen werden, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls bereits vor der Durchsuchung und den anschließenden Vernehmungen vorgelegen haben. Insbesondere versäumt es die Revision die Tatsachen vorzutragen, die den Ermittlungsbehörden schon vor Beginn der Durchsuchungsaktion Anhaltspunkte für den dringenden Tatverdacht hätten liefern können. Allein dass die Durchsuchungen am Morgen des 28. Januar 2015 nach mehrmonatigen Ermittlungen sorgfältig vorbereitetet worden waren und aus der Sicht des Ermittlungsrichters gegen sämtliche sieben Beschuldigte ein die Anordnung der Hausdurchsuchung rechtfertigender einfacher Tatverdacht vorgelegen hat, genügt für die Annahme, dass auch bereits ein dringender, den Erlass von Haftbefehlen erlaubender Tatverdacht gegeben gewesen ist, nicht. Auch den Urteilsgründen ist nur zu entnehmen, dass die Ermittlungsbehörden zum Zeitpunkt des Erlasses der Durchsuchungsbeschlüsse von einem aus den fünf Angeklagten und den Müttern der Angeklagten [X.] und [X.]    bestehenden Täterkreis ausgingen, aber über keine Kenntnisse von den Vorgängen im Haus des später Getöteten und über die Rollenverteilung der Täter verfügten. Zudem war den Ermittlungsbehörden zum Zeitpunkt der Durchsuchung zwar bekannt, dass einer der fünf bzw. sieben Beschuldigten nicht im [X.] gewesen war und deshalb möglicherweise als Mittäter an der [X.]ubtat und dem Tötungsdelikt ausschied. Welcher Beschuldigte das Anwesen nicht betreten hatte und ob diesem gleichwohl eine den Erlass eines Haftbefehls rechtfertigende Beteiligung an der Tat vorzuwerfen war, war vor den Einlassungen der Beschuldigten allerdings offen. Gegen das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts bereits am Vortag der Durchsuchungen spricht vielmehr, dass in den späteren Haftbefehlsanträgen dieser insbesondere auf das Ergebnis der polizeilichen Vernehmungen gestützt worden ist.

Zwar setzt auch eine Festnahme nach § 127 Abs. 2 [X.] voraus, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls und damit ein dringender Tatverdacht vorliegen. Das [X.] verhält sich aber nicht dazu, ob die Angeklagten und die übrigen Beschuldigten gleich zu Beginn der Durchsuchungen oder aber später aufgrund gegebenenfalls neu gewonnener Erkenntnisse vorläufig festgenommen worden sind ("in der Folge").

Da insoweit eine zulässige Verfahrensrüge nicht vorliegt, braucht der [X.] nicht zu entscheiden, ob die Festnahme auf der Grundlage eines bereits erlassenen Haftbefehls und damit das Verfahren nach § 115 [X.] im Hinblick auf Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 [X.] Vorrang vor der ermittlungsbehördlichen Eilkompetenz nach § 127 Abs. 2 [X.] hat ([X.], [X.], 26. Aufl., § 127 Rn. 36; vgl. insoweit auch [X.], Urteil vom 17. November 1989 - 2 [X.], NJW 1990, 1188 f.).

(2) Soweit nach Auffassung der Revision ein ein Verwertungsverbot begründender [X.] darin zu sehen sei, dass die Angeklagten nach ihrer vorläufigen Festnahme vor der Vorführung vor den Ermittlungsrichter zunächst polizeilich mehrfach vernommen worden sind, ist die Rüge unbegründet. Zwar verlangen § 128 Abs. 1 Satz 1 [X.], Art. 104 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG, dass der Beschuldigte "unverzüglich" dem [X.] vorgeführt wird. Dass dies spätestens am nächsten Tag, d.h. bis zum Ende des auf die Festnahme folgenden Tages, geschehen muss, ändert am Erfordernis der [X.] nichts ([X.], Beschluss vom 4. September 2009 - 2 BvR 2520/07, juris Rn. 19 ff. [X.]). Doch darf die Vorführung nach vorläufiger Festnahme durch die Ermittlungsbehörden hinausgeschoben werden, soweit dies sachdienlich erscheint (vgl. [X.], [X.], 7. Aufl., § 128 Rn. 5). Denn anders als bei der Festnahme auf der Grundlage eines bereits vorliegenden Haftbefehls, bei dem die Ermittlungsbeamten - mitunter ohne nähere Sachverhaltskenntnis und Entscheidungsbefugnis - den richterlichen Beschluss lediglich vollziehen und deshalb den Festgenommenen "unverzüglich" dem [X.] vorzuführen haben (§ 115 Abs. 1 [X.]; vgl. dazu [X.], Beschlüsse vom 9. Februar 1995 - 5 StR 547/94, [X.], 283; vom 20. Oktober 2014 - 5 StR 176/14, [X.]St 60, 38, 43), war der [X.] bei der vorläufigen Festnahme nach § 127 Abs. 2 [X.] mit der Sache noch nicht befasst. In diesen Fällen verbleibt den Ermittlungsbehörden ein gewisser zeitlicher Spielraum, in dem sie vor einer möglichen Vorführung des Beschuldigten vor den [X.] weitere [X.] und -pflichten haben. Denn die mit der Aufklärung des Sachverhalts betraute festnehmende Behörde hat zunächst - je nach Sachlage unter Vornahme weiterer Ermittlungen - zu entscheiden, ob die vorläufig festgenommene Person wieder freizulassen oder tatsächlich dem Ermittlungsrichter vorzuführen ist; im letzteren Fall muss sie dem [X.] eine möglichst umfassende Grundlage für seine Entscheidung unterbreiten. Es wird deshalb in vielen Fällen sachgerecht sein, den Beschuldigten, der - wie vorliegend - nach ordnungsgemäßer Belehrung zu einer Einlassung bereit ist, nach Erklärung der vorläufigen Festnahme (weiterhin) zu vernehmen, um dann darüber zu befinden, ob ein Haftbefehl zu beantragen ist und welche Umstände, die dessen Erlass begründen können, dem [X.] darzulegen sind. Damit wird dem Beschuldigten gleichzeitig ermöglicht, die Verdachtslage in seinem Sinne zu beeinflussen und etwaige Haftgründe zu entkräften, so dass gegebenenfalls auf die Stellung eines Haftbefehlsantrags sogar verzichtet werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 17. November 1989 - 2 [X.], NJW 1990, 1188). Dass diese Grundsätze vorliegend befolgt wurden, zeigt insbesondere der Umstand, dass die ehemaligen Mitbeschuldigten, die Mütter der Angeklagten [X.] und [X.]    , nach ihren Vernehmungen entlassen wurden.

Da das Vorgehen der Ermittlungsbehörden vorliegend somit im Hinblick auf den [X.]vorbehalt nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 [X.], § 128 Abs. 1 Satz 1 [X.] keiner Beanstandung unterliegt, braucht der [X.] nicht zu entscheiden, ob ein Verstoß gegen das Gebot der "[X.]" der Vorführung überhaupt ein Verwertungsverbot nach sich zieht (zu § 115 [X.] vgl. [X.], Beschluss vom 9. Februar 1995 - 5 StR 547/94, [X.], 283).

Gericke     

        

Spaniol     

        

Berg   

        

Hoch     

        

Leplow     

        

Meta

3 StR 23/18

28.06.2018

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 19. April 2018, Az: 3 StR 23/18, Beschluss

§ 128 Abs 1 S 1 StPO, Art 104 Abs 2 S 1 GG, Art 104 Abs 3 S 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.06.2018, Az. 3 StR 23/18 (REWIS RS 2018, 7002)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7002


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 3 StR 23/18

Bundesgerichtshof, 3 StR 23/18, 28.06.2018.

Bundesgerichtshof, 3 StR 23/18, 19.04.2018.


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