Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.02.2017, Az. 3 StR 415/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 15892

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:090217U3STR415.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
3 StR
415/16
vom
9. Februar 2017
in der Strafsache
gegen

1.

2.

3.

4.

5.

wegen Raubes mit Todesfolge u.a.

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 9.
Februar 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender [X.] am [X.]
[X.],

[X.] am [X.]
Dr. [X.],
[X.]in am [X.]
Dr. [X.],
die [X.] am [X.]
Dr. [X.],
Hoch

als beisitzende [X.],

[X.] beim [X.]

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwalt

als Verteidiger
für die Angeklagte [X.]

,

Rechtsanwälte

als Verteidiger für den Angeklagten Ra.

,

Rechtsanwalt

als Verteidiger für den Angeklagten S.

,

Rechtsanwalt

für die Nebenklägerin,

-
3
-
Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Ange-klagten wird das Urteil des [X.] vom 17.
Februar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten des Raubes mit Todesfolge in [X.] mit versuchtem Totschlag durch Unterlassen schuldig gesprochen und wie folgt verurteilt: die Angeklagte [X.]

zu einer Jugendstrafe von neun Jah-ren; den Angeklagten Ra.

zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren; den Angeklagten [X.]

zu einer Jugendstrafe von acht Jahren; den Angeklag-ten S.

zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten K.

zu einer Jugendstrafe von acht Jahren. Die [X.] rügt mit ihrer zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten, vom [X.] vertretenen Revision die Verletzung materiellen Rechts. Die Revisionen der Angeklagten wenden sich mit verfahrensrechtlichen [X.]
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4
-
standungen und der Sachrüge gegen ihre Verurteilungen. Alle Rechtsmittel ha-ben
mit der Sachrüge Erfolg, die Revision der Staatsanwaltschaft auch zu Gunsten der Angeklagten (§ 301 StPO); die von den Angeklagten geltend ge-machten Verfahrensbeanstandungen sind deshalb nicht entscheidungserheb-lich.
Nach den vom [X.] getroffenen
Feststellungen beabsichtigten die Angeklagten, das Opfer, einen zum Tatzeitpunkt 81 Jahre alten alleinste-henden Mann, in dessen Wohnhaus zu überfallen, um insbesondere aus dem in dem Anwesen befindlichen Tresor Wertgegenstände zu entwenden. Sie [X.], dass zunächst die Angeklagten [X.]

und S.

das [X.] betreten und das Opfer festhalten bzw. fesseln sowie ihm den [X.] abnehmen sollten. [X.]

sollte das Opfer auch "boxen" und ihn bewachen. Die Angeklagten [X.]

, K.

und Ra.

sollten nachrücken und die erwarteten Wertgegenstände aus [X.] holen. Der Erlös sollte unter allen Angeklagten aufgeteilt werden. Die Angeklagten fuhren mit einem PKW in die Nähe des Wohnhauses; Ra.

hatte zuvor das erforderliche Benzin bezahlt. [X.]

ermittelte, dass das Opfer anwesend war. Daraufhin näherten sich die Angeklagten dem Wohnhaus. [X.]

und S.

dran-gen durch die geöffnete Eingangstür in den Flur ein. [X.]

brachte das
Opfer dort bäuchlings zu Boden und schlug auf dieses ein. S.

schloss die Eingangstür und ließ die Rollläden des Küchenfensters herunter. [X.]

,
Ra.

und K.

warteten vor der Eingangstür und konnten dort die Schläge gegen das Opfer und dessen Stöhnen hören. [X.] später öffnete S.

die Haustür und [X.]

trat ein. Zu diesem [X.]punkt kniete [X.]

auf dem Rücken des Opfers, dem er einen Schal vor den Mund gespannt hatte, zog an den Enden des Schals und überstreckte damit den Kopf des Opfers nach hinten. S.

durchsuchte das Obergeschoss des Gebäudes, wohin sich ebenfalls [X.]

mit dem zwischenzeitlich erlangten [X.] be-2
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gab. Unmittelbar danach betrat auch K.

das Haus. Demgegenüber drehte Ra.

vor der Eingangstür um und lief zu dem Fahrzeug zurück, da ihm [X.] in Bezug auf die Tat gekommen waren und er mit dieser nichts mehr zu tun haben wollte. Als K.

das Gebäude betrat, schlug [X.]

auf Kopf und Oberkörper des Opfers ein. Auch K.

schlug mit den Fäusten zu und trat dem Opfer in die Seite. Sodann begab er sich in das Obergeschoss und durchsuchte mit S.

und [X.]

die dortigen Räume sowie den mittlerwei-le [X.]. Dort befanden sich jedoch wider Erwarten keine Wertge-genstände. K.

übergab dem S.

eine zufällig aufgefundene Packung Zigaretten, die dieser einsteckte, und kehrte in das Erdgeschoss zurück. Dort hielt [X.]

das Opfer mit einem Arm in einem Würgegriff und schlug mit der freien Faust auf dieses ein. [X.]

gab dem Geschädigten nach ihrer Rückkehr in das Erdgeschoss mittels eines von ihr mitgeführten [X.] mehrere Stromschläge ins Gesicht. S.

schlug nach seiner Rück-kehr aus dem Obergeschoss
ebenfalls mindestens einmal mit der Faust auf das Opfer ein. Dieses stöhnte nunmehr nur noch leise. Entweder [X.]

oder K.

nahm die Armbanduhr des Opfers an sich. Durch die Einwirkun-gen auf das Opfer entstanden im Flur, am [X.] und am Treppen-aufgang des Erdgeschosses erhebliche Blutspuren. Sodann verließen [X.]

,
S.

, K.

und [X.]

gemeinsam das Wohnhaus, wobei K.

den blutverschmierten Schal mitnahm. Das Opfer lag zu diesem [X.]punkt
regungslos -
offensichtlich schwer verletzt, möglicherweise auch bereits tot -
auf dem Fußboden des Flurs. Während der Vornahme der Verletzungshandlungen hielten alle Angeklagten es "durchaus für möglich", dass das hochbetagte Op-fer durch den Einsatz der erheblichen körperlichen Gewalt zu Tode kommen könnte. Die [X.] hat jedoch nicht feststellen können, dass sie den Tod des Opfers billigend in Kauf nahmen.

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Sodann rannten [X.]

, S.

, K.

und [X.]

zu dem [X.] PKW, in dem Ra.

auf dem Fahrersitz saß und auf sie wartete. Dieser steuerte sodann das Fahrzeug, mit dem die Angeklagten fluchtartig den [X.] verließen. Sie bewerteten den Raubüberfall als misslungen. Ra.

wurde berichtet, dass [X.]

, K.

und
S.

das Opfer geschlagen hatten und [X.]

diesem mehrfach ein Elektroschockgerät an den Hals ge-halten hatte. [X.]

war ob einer möglichen Tötung des Opfers schockiert und äußerte: "Was habe ich da getan? Aber [X.] ist nix passiert, ne? Ist [X.] noch am Leben, ne?" Zudem berichtete er den anderen Angeklag-ten, er komme damit nicht klar, wenn das Opfer tot sein sollte. Daraufhin ent-gegnete [X.]

auf [X.]: "Ach nein, der war noch am Leben." Zu Ra.

sagte sie hingegen auf [X.]: "Ich glaub, der war tot." Die Angeklagten war-fen bei der Tat getragene, blutverschmierte Kleidung und das Elektroschockge-rät aus dem Fenster. Spätestens ab Verlassen des Hauses war [X.]

,
[X.]

, K.

und S.

klar, dass
das Opfer aufgrund der ihm zugefüg-ten Verletzungen ohne unverzügliche medizinische Hilfe versterben würde.
Ra.

war dies nach den Erzählungen der Mitangeklagten ebenfalls
bewusst.
Gleichwohl verständigte niemand den Rettungsdienst oder leitete ähnliche Maßnahmen ein, obwohl dies möglich gewesen wäre.
Das Opfer wurde unmittelbar nach der Tat durch Zeugen entdeckt und nach Durchführung von Reanimationsmaßnahmen in ein Krankenhaus eingelie-fert, wo sein Tod festgestellt wurde. [X.] war eine stumpfe Gewalt-einwirkung gegen den Hals, entweder in Form des Würgegriffs oder des Über-streckens des Kopfes nach hinten, die u.a. eine Fraktur des [X.] bewirkte und zum Ersticken führte.
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I. Revision der Staatsanwaltschaft
Das Urteil hält sachlichrechtlicher Prüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand.
1. Die Ausführungen des [X.] zur subjektiven Tatseite während des Geschehens in dem Wohnhaus sind nicht einheitlich; sie tragen bereits deshalb die Ablehnung des Tötungsvorsatzes
nicht.
In den Feststellungen hat die [X.] ausgeführt, alle Angeklagten hätten es für möglich gehalten, dass das Opfer durch den Einsatz der erhebli-chen körperlichen Gewalt zu Tode kommen könnte, dies aber nicht billigend in Kauf genommen. Ähnliche Formulierungen hat sie in der rechtlichen Würdigung gebraucht. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat sie demgegenüber dargelegt, die Angeklagten hätten erst nach Abschluss der letzten Handlung erkannt, dass diese und gegebenenfalls die davor vorgenommenen zum Tode des Opfers führen könnten. Aufgrund dieser unterschiedlichen Formulierungen ist den [X.] in ihrer Gesamtheit nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu ent-nehmen, für welchen [X.]punkt das [X.] angenommen hat, die Ange-klagten hätten
den Eintritt des Todes des Opfers als möglich angesehen.
2. Ausgehend von den getroffenen Feststellungen ist die Beweiswürdi-gung zum Tötungsvorsatz der Angeklagten durchgreifend rechtsfehlerhaft. Im Einzelnen:
a) Die unterschiedlichen Feststellungen zum Tötungsvorsatz der Ange-klagten [X.]

, [X.]

, K.

und S.

für die [X.] bis zum Verlassen des Hauses und für die [X.] danach werden durch die Beweiswürdigung nicht getragen.

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aa) Die in den Feststellungen gebrauchten Formulierungen weisen die Annahme des [X.] aus, die Angeklagten hätten bis zum Verlassen des Hauses nicht zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt, da das insoweit notwen-dige Willenselement nicht habe festgestellt werden können. Die Angeklagten hätten es zwar für möglich gehalten, dass das Opfer aufgrund der Gewaltein-wirkungen verstirbt; sie hätten dies jedoch nicht billigend in Kauf genommen. Dies ergebe sich insbesondere aus Art und Intensität der [X.], die keine derart gefährlichen Handlungen darstellten, bei denen regelmäßig mit dem Tod des Opfers gerechnet werden müsse. Daneben sprä-chen auch die Äußerungen der Angeklagten während der Rückfahrt gegen ei-nen Tötungsvorsatz zum [X.]punkt der Vornahme der Verletzungshandlungen. Demgegenüber hat die [X.] für die [X.] nach dem Verlassen des [X.] festgestellt, dass allen Angeklagten klar war -
sie mithin wussten -, dass das Opfer aufgrund der ihm zugefügten Verletzungen ohne unverzügliche me-dizinische Hilfe versterben würde und somit einen dolus directus 2. Grades [X.], StGB, 64. Aufl., § 15 Rn. 7) angenommen. Dies folge daraus, dass [X.]

, S.

, K.

und [X.]

in dem Wohnhaus anwesend gewe-sen seien und den Zustand des Opfers unmittelbar beobachtet hätten, sowie aus den Gesprächen, welche die Angeklagten nach dem Überfall in dem Kraft-fahrzeug führten.
bb) Diese Ausführungen tragen die unterschiedlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht.
(1) Soweit das [X.] für den ersten Handlungsabschnitt den be-dingten Tötungsvorsatz verneint hat, gilt:
(1.1) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend 11
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erkennt, weiter, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Vor Annahme eines beding-ten Vorsatzes müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens-
als auch das Willenselement, umfassend geprüft und durch tatsächli-che Feststellungen belegt werden. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles, in welche vor allem die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des [X.], seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivati-onslage einzubeziehen sind. Kann das Tatgericht auf der Grundlage dieser Ge-samtbewertung aller Umstände Zweifel am Vorliegen des bedingten Vorsatzes nicht überwinden, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen; denn die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatgericht übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der [X.] ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu [X.]. Das Revisionsgericht ist demgegenüber auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesicher-tem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen stellt (vgl. [X.], Urteil vom 9. Juni 2005 -
3 [X.], NJW 2005, 2322, 2326). Gleichermaßen allein Sache des Tatgerichts ist es, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Diese Grundsätze gelten auch bei der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes. Dort ist es -
nicht anders als sonst bei der Würdigung der Beweise -
aus revisions-rechtlicher Sicht erforderlich, aber auch ausreichend, sämtliche objektiven und subjektiven, für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände des [X.] in eine individuelle Gesamtschau einzubeziehen und zu bewerten (vgl. [X.], Urteile vom 20. September 2012 -
3 [X.], [X.], 75, 76 -
10
-
f.; vom 16. Mai 2013 -
3 StR 45 /13, [X.], 581, 582 f.; vgl. aus neuerer [X.] [X.], Urteil
vom 8. Dezember 2016 -
1 [X.], juris Rn. 18 jew. [X.]), wobei freilich etwa keine Widersprüche zu Tage treten dürfen.
(1.2) Bei Anwendung dieser Maßstäbe hält die Beweiswürdigung rechtli-cher Überprüfung nicht stand. Das [X.] hat zwar -
im Ansatz zutref-fend
-
im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau bei der Prüfung des Vorsat-zes während des Geschehens in dem Anwesen auch die Äußerungen der [X.] während der Flucht in den Blick genommen. Es hat jedoch nicht nachvollziehbar dargelegt, wieso es bei insoweit gleicher Beweisgrundlage zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt ist. Die Tatsachenbasis -
das Gesche-hen in dem Haus -
und die Kenntnis der Angeklagten hiervon änderten sich nicht, nachdem diese das Anwesen verlassen hatten; die an dem Opfer verüb-ten Gewalthandlungen dauerten an, bis die Angeklagten aus dem Haus gingen. Der Inhalt der in dem Kraftfahrzeug geführten Gespräche gibt im Wesentlichen ihren Eindruck von dem bisherigen objektiven Tatgeschehen und ihre [X.] Einstellung hierzu wieder. Es ist deshalb durchgreifend widersprüchlich an-zunehmen, die Angeklagten hätten während des Geschehens in dem Haus den Tod des Opfers als Folge der Gewalthandlungen lediglich für möglich gehalten, aber nicht billigend in Kauf genommen, während der Fahrt in dem PKW
jedoch um den möglichen Todeseintritt gewusst. Dieser in dem Wechsel bei der [X.] liegende Widerspruch wird in den [X.] an keiner Stelle, weder in den Feststellungen, noch in den Ausführun-gen zur Beweiswürdigung oder denjenigen zur rechtlichen Bewertung des [X.], aufgelöst. Auf die weiteren Einwendungen der Revision und des [X.]s gegen die Bewertung der sonstigen Indizien durch die [X.] kommt es somit nicht mehr an.

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(2) Aus dem dargestellten Rechtsfehler folgt auch, dass das Urteil nicht bestehen bleiben kann, soweit das [X.] für den zweiten Handlungsab-schnitt einen Tötungsvorsatz der Angeklagten in Form des dolus directus 2.
Grades angenommen hat. Insoweit weist die Beweiswürdigung denselben, unaufgelösten Widerspruch auf. Es erklärt sich nicht, wieso das [X.] auf derselben Tatsachengrundlage, die für die Bewertung des Geschehens in dem Anwesen vorliegt, nunmehr für den [X.]raum während der Flucht zu anderen, den Angeklagten nachteiligen Feststellungen zum subjektiven Tatbestand ge-langt ist. Durch diesen Rechtsfehler sind die Angeklagten beschwert; die Revi-sion der Staatsanwaltschaft wirkt insofern zu ihren Gunsten (§ 301 StPO).
b) Hinsichtlich des Angeklagten Ra.

hat das [X.] den [X.] für den [X.]raum bis zum Verlassen des Hauses durch die übrigen Angeklagten
ohne Rechtsfehler verneint. Der insoweit bezüglich der anderen Angeklagten aufgezeigte Rechtsfehler betrifft den Angeklagten Ra.

nicht. Dieser betrat das Wohnhaus nicht und erlangte von den dortigen Vorgängen erst im Nachhinein Kenntnis. Soweit das [X.] festgestellt hat, dass die Angeklagten bei der Planung der Tat vor Betreten des Gebäudes keinen [X.] gefasst hatten, wird ein Rechtsfehler weder von der Revision gel-tend gemacht, noch ist er sonst ersichtlich.
Den Angeklagten Ra.

betrifft gleichwohl der sich zu seinen Lasten auswirkende Rechtsfehler in der Beweiswürdigung zu dem Tötungsvorsatz während der Flucht in gleicher Weise wie die anderen Angeklagten (§ 301 StPO). Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte Ra.

durch die üb-rigen Angeklagten über das Geschehen in dem Haus informiert. Aufgrund [X.] hat die [X.] bei der Bewertung der für die subjektive Tatseite be-deutsamen Indizien zwischen den Angeklagten nicht weiter differenziert und 16
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eine gemeinsame Bewertung vorgenommen. Ihre Ausführungen können des-halb nicht aufgespalten werden in einen Teil, der lediglich die Angeklagten [X.]

, [X.]

, K.

und S.

betrifft und einen weiteren, hiervon unabhängigen Teil, der lediglich den Angeklagten Ra.

erfasst; sie sind insoweit vielmehr insgesamt rechtsfehlerhaft.
3. Ein weiterer, sich zu Gunsten aller Angeklagten [X.] liegt darin, dass die [X.] hinsichtlich der von ihr angenommenen versuchten Tötung durch Unterlassen das Mordmerkmal der Verdeckungsab-sicht nicht erörtert hat. Hierzu wäre sie auf der Grundlage der von ihr getroffe-nen Feststellungen gehalten gewesen. Danach lag es nahe, dass die Ange-klagten ihnen mögliche und zumutbare [X.], etwa in Form der Benachrichtigung eines Rettungsdienstes, deshalb nicht vornahmen, weil sie das Risiko einer Überführung vermeiden wollten.
II. Revisionen der Angeklagten
Die Rechtsmittel aller Angeklagten haben mit der Sachrüge aufgrund des dargelegten, sich zu ihren Lasten auswirkenden [X.] zum Vorliegen des Tötungsvorsatzes während der Flucht vom [X.] Erfolg.
[X.] Die aufgezeigten Rechtsfehler bedingen die Aufhebung aller Feststel-lungen, auch derjenigen, die zum objektiven Tatgeschehen getroffen worden sind. Diese sind in der vorliegenden Fallkonstellation eng mit denjenigen zur subjektiven Tatseite verknüpft. Dem neuen Tatgericht ist es deshalb zu ermög-lichen, insgesamt einheitliche, widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen. Die Sache muss somit insgesamt neu verhandelt und entschieden werden.
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IV. Es besteht entgegen der Auffassung der Verteidigung kein Anlass, die Sache an ein anderes [X.] zurückzuverweisen. Allein die Größe des [X.] und das öffentliche Interesse an dem Verfahren [X.] nicht die Besorgnis, eine andere [X.] dieses [X.] könne das Verfahren nicht in sachgerechter Weise bewältigen.
V. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Sollte auch das neue Tatgericht Schlüsse aus dem serologischen und DNA-analytischen Gutachten des [X.] vom 21.
September 2015 ziehen wollen (vgl. [X.]), wird es bei der Darstellung der Ergebnisse die einschlägigen Anforderungen der Rechtsprechung zu beachten haben (vgl. [X.], Urteil vom 7.
Juli 2016 -
4
StR
558/15,
juris Rn.
10; Beschluss vom 12.
April 2016 -
4
StR
18/16, juris Rn.
4; Urteil vom 24.
März 2016
-
2
StR
112/14, [X.], 490, 491
f.; Beschluss vom 19.
Januar 2016
-
4
StR
484/15, [X.], 118
f.; Urteil vom 5.
Juni 2014 -
4
StR
439/13, [X.], 477
ff.; Urteil vom 21.
März 2013 -
3
StR
247/12, [X.]St 58, 212, 217).
2. Zu dem Verhältnis der beiden Sachverhaltsabschnitte zueinander hat der [X.] zutreffend ausgeführt:
"Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird insoweit allerdings zu bedenken haben, dass die strafrechtliche Würdigung des Unterlas-sens von [X.] seitens der Angeklagten im [X.] an den verübten Überfall nicht unabhängig von der neu vorzunehmen-den tatrichterlichen Bewertung des Überfalls selbst erfolgen kann. Soll-te der neue Tatrichter bei allen oder zumindest bei einzelnen Angeklag-ten zur Feststellung eines bei der Vornahme der Verletzungshandlun-gen bestehenden TöStrafbarkeit wegen versuchten [X.] durch Unterlassen 23
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kein Raum mehr. Dabei kann offenbleiben, ob in dieser Fallkonstellati-on bereits keine Pflicht zur Erfolgsabwendung besteht oder es sich bei dem Verhältnis von Begehungs-
zum nachfolgenden Unterlassungsun-recht um eine Konkurrenzfrage handelt. Jedenfalls würde es dann an der Verdeckung einer anderen Tat fehlen (vgl. [X.], Urteil vom 28.
April 2016 -
4 [X.] m.w.N.)."
3. Das neue Tatgericht
wird bei der Beurteilung der subjektiven Tatseite gegebenenfalls die unterschiedliche Art und Intensität der Beteiligung der [X.] Angeklagten an dem objektiven Tatgeschehen in den Blick zu nehmen haben.
4. Die Rüge, die polizeilichen Einlassungen der Angeklagten unterlägen einem Verwertungsverbot nach § 136a StPO, bewertet der Senat vorläufig wie folgt: Eine die Strafverfolgungsbehörden im vorliegenden Fall treffende Ver-pflichtung, einen richterlichen Haftbefehl zu beantragen, ohne die Ergebnisse der Ermittlungsmaßnahmen abzuwarten, die am 28. und 29. Januar 2015 durchgeführt wurden, ergibt sich weder aus der Strafprozessordnung, noch aus der Verfassung oder der [X.]. Es ist nicht als sachwidrig zu beurteilen, dass die Strafverfolgungsbehörden die Entschei-dung, einen Haftbefehl zu beantragen, erst trafen, nachdem die Angeklagten Gelegenheit gehabt hatten, sich zur Sache einzulassen; eine bewusste Umge-hung des [X.]vorbehalts ist deshalb nicht ersichtlich. Im Übrigen
bedeutet die aus Art. 104 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 GG, § 128 Abs. 1 Satz 1 StPO folgende Pflicht, den Festgenommenen unverzüglich, spätestens am Tage nach der Festnahme einem [X.] vorzuführen, dass die richterliche Entschei-dung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtferti-gen lässt, nachgeholt werden muss (vgl. [X.], Beschluss
vom 4. September 2009 -
2 BvR 2520/07, juris Rn. 22 [X.]). Ein derartiger sachlicher Grund ist jedenfalls in der Regel u.a. dann anzunehmen, wenn der Beschuldigte sich 27
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nach seiner Festnahme durch die Polizei bei dieser nach ordnungsgemäßer Belehrung zu seiner Person und zur Sache einlässt; denn hieraus können sich sowohl für den dringenden Tatverdacht als auch für die Frage, ob ein Haftgrund anzunehmen ist, wesentliche, dem Festgenommenen unter Umständen günsti-ge Gesichtspunkte ergeben, die bei den Entscheidungen über die Beantragung und Anordnung der Untersuchungshaft zu berücksichtigen sind (vgl. im Übrigen schon [X.], Urteil vom 17. November 1989 -
2
StR 418/89, NJW 1990, 1188). Es begründet auch regelmäßig keinen Verstoß gegen Art. 104 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 GG, § 128 Abs. 1 Satz 1 StPO, wenn dem einlassungsbereiten Festgenommenen vor der Vorführung beim [X.] Angaben von Mitbeschul-digten vorgehalten werden.
[X.] [X.] [X.]

[X.] Hoch

Meta

3 StR 415/16

09.02.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.02.2017, Az. 3 StR 415/16 (REWIS RS 2017, 15892)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15892

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 140/12

1 StR 344/16

4 StR 563/15

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