Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.07.2023, Az. VIa ZR 1119/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 4397

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Gegenstand

Haftung des Motorherstellers wegen Schutzgesetzverletzung in einem sog. Dieselfall: Sonderpflicht des Fahrzeugherstellers zur Ausgabe einer mit den gesetzlichen Vorgaben konvergierenden Übereinstimmungsbescheinigung; Motorhersteller als Gehilfe des Fahrzeugherstellers; Darlegungs- und Beweislast des Anspruchstellers für ein Verschulden des Fahrzeugherstellers


Leitsatz

1. Die Sonderpflicht, für ein Kraftfahrzeug eine mit den gesetzlichen Vorgaben konvergierende Übereinstimmungsbescheinigung auszugeben, trifft den Fahrzeughersteller, nicht den Motorhersteller. Der Motorhersteller kann, weil er die Übereinstimmungsbescheinigung nicht ausgibt, weder Mittäter einer diese Sonderpflicht verletzenden Vorsatztat des Fahrzeugherstellers noch mittelbarer (Vorsatz-)Täter hinter dem (gegebenenfalls fahrlässig handelnden) Fahrzeughersteller sein (Anschluss an BGH, Urteil vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 279/03, NJW-RR 2005, 556, 557).

2. Voraussetzung einer Haftung des Motorherstellers als Gehilfe des Fahrzeugherstellers nach § 823 Abs. 2, § 830 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ist, dass der Motorhersteller mit doppeltem Vorsatz hinsichtlich der fremden rechtswidrigen Tat und der eigenen Unterstützungsleistung gehandelt hat. Bedingung einer Beteiligung ist weiter eine Vorsatztat des Fahrzeugherstellers. Die vorsätzliche Förderung einer fahrlässigen Tat erfüllt die Voraussetzungen des § 830 Abs. 2 BGB nicht (Anschluss an BGH, Urteil vom 29. Mai 1964 - Ib ZR 4/63, BGHZ 42, 118, 122; Urteil vom 30. Januar 1967 - III ZR 185/64, VersR 1967, 471 und Urteil vom 8. Februar 2018 - IX ZR 103/17, NJW 2018, 2404 Rn. 66, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 217, 300).

3. Anders als im Verhältnis zum Fahrzeughersteller bleibt es im Verhältnis zum vom Fahrzeughersteller verschiedenen Motorhersteller bei dem allgemeinen Grundsatz, dass hinsichtlich der Schuldhaftigkeit des Verstoßes des Fahrzeugherstellers gegen § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV als anspruchsbegründender Voraussetzung einer Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB den Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast trifft (Fortführung von BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 59 f., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ).

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 7. Juli 2022 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger kaufte am 9. April 2019 von einem Händler ein nicht von der Beklagten hergestelltes gebrauchtes Kraftfahrzeug des Typs [X.] 3.0 Liter [X.], das mit einem von ihr entwickelten und hergestellten Motor der Baureihe [X.] ([X.]) ausgerüstet ist. Das Fahrzeug war bereits zuvor von einem vom [X.] ([X.]) angeordneten Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung betroffen. Ein von der Beklagten zur Beseitigung der vom [X.] beanstandeten Abschalteinrichtung erstelltes Software-Update hatte das [X.] am 1. August 2018 freigegeben. Zwischen den Parteien ist streitig, ob das Software-Update am 16. Januar 2019 und damit vor Abschluss des Kaufvertrags auf das Fahrzeug des [X.] aufgespielt wurde.

3

Die im Wesentlichen auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich des Wertes gezogener Nutzungen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs gerichtete Klage hat vor dem [X.] weitgehend Erfolg gehabt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Der Kläger könne einen Anspruch wegen seiner sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung nicht darauf stützen, dass das Fahrzeug vor Abschluss des Kaufvertrags wegen der vom [X.] beanstandeten Abschalteinrichtung einem Rückruf durch das [X.] unterlegen habe. Er habe nicht dargelegt, dass diese ursprünglich vorhandene unzulässige Abschalteinrichtung in dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug bei Abschluss des Kaufvertrags noch vorhanden gewesen sei. Der Kläger sei für die Voraussetzungen der von ihm geltend gemachten deliktischen Ansprüche darlegungs- und beweisbelastet. Den Anforderungen an die Darlegung einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung bei Abschluss des Kaufvertrags habe er durch das Bestreiten des Aufspielens des Software-Updates mit Nichtwissen nicht genügt. Insoweit fehle es auch, soweit sich der Kläger auf die ursprünglich vorhandene Abschalteinrichtung bezogen habe, an der Darlegung eines Schadens.

7

Ein Anspruch des [X.] gemäß §§ 826, 31 [X.] bestehe überdies nicht, weil den für die Beklagte handelnden Personen im Verhältnis zum Kläger aufgrund einer Verhaltensänderung kein [X.] Verhalten zur Last gelegt werden könne. Die Beklagte habe noch vor Fahrzeugerwerb des [X.] in Zusammenarbeit mit dem [X.] und in Abstimmung mit dem Fahrzeughersteller ein Software-Update zur Beseitigung der beanstandeten Softwarefunktionalität entwickelt. Im Februar 2018 habe der Fahrzeughersteller seine Vertragshändler informiert und zur Information potentieller Fahrzeugerwerber verpflichtet. Mit Pressemitteilung vom 18. Mai 2018 habe das [X.] über den Rückruf des [X.] 3.0 Liter [X.] berichtet, ebenso am selben Tag die [X.], [X.], die Welt und [X.]. Am 4. Juni 2018 habe der Fahrzeughersteller seine Vertragshändler nochmals darüber informiert, dass potentielle Kunden vor dem Verkauf eines [X.] von den Beanstandungen des [X.] an der Motorsteuerungssoftware zu unterrichten seien, und zu diesem Zweck dem Händlernetzwerk Kundeninformationen zur Verfügung gestellt, die durch die Vertragshändler gegenüber potentiellen Käufern vor Abschluss des Kaufvertrags zu verwenden gewesen seien. In der Gesamtschau dieser unstreitigen Umstände sei das Verhalten der Beklagten zum Zeitpunkt des [X.] im April 2019 nicht mehr als sittenwidrig zu betrachten gewesen.

8

Soweit der Kläger sein Begehren (hilfsweise) damit rechtfertige, durch das Aufspielen des Software-Updates seien "Folgeprobleme zu befürchten", könne er daraus einen Anspruch aus §§ 826, 31 [X.] nicht herleiten. Dieser Umstand rechtfertige den Vorwurf besonderer Verwerflichkeit selbst dann nicht, wenn durch das Software-Update nicht nur die unzulässige Manipulationssoftware entfernt worden sei, sondern auch eine nachteilige Veränderung des Kraftstoffverbrauchs oder sonstiger Parameter oder ein Wertverlust eingetreten sei.

9

Soweit der Kläger sein Begehren auf den von ihm behaupteten Einbau eines [X.]s stütze, kämen §§ 826, 31 [X.] schon deshalb nicht zur Anwendung, weil der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht dargelegt oder unter Beweis gestellt habe, dass Repräsentanten der Beklagten die Unzulässigkeit einer entsprechenden Abschalteinrichtung zumindest billigend in Kauf genommen hätten.

Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV oder Art. 5 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 bestehe nicht, da diese Vorschriften nicht den Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des einzelnen Fahrzeugerwerbers bezweckten.

II.

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren im Ergebnis stand.

1. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, die Beklagte hafte dem Kläger wegen der ursprünglich implementierten und vom [X.] beanstandeten Abschalteinrichtung - je nach Kenntnisstand der Verantwortlichen des Fahrzeugherstellers als mittelbare Täterin oder als Mittäterin/Teilnehmerin (§ 830 [X.], vgl. zuletzt nur [X.], Urteil vom 19. Oktober 2021 - [X.], [X.], 186 Rn. 13 mwN) - nicht aus unerlaubter Handlung.

a) Zutreffend ist das Berufungsgericht zum einen davon ausgegangen, ein Anspruch scheitere schon daran, dass der Kläger das Vorhandensein der vom [X.] beanstandeten Abschalteinrichtung im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags nicht dargelegt habe. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorhandensein der Abschalteinrichtung, die ohne Rücksicht auf die konkrete Anspruchsgrundlage Bedingung eines deliktischen Schadensersatzanspruchs ist, obliegt bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Schadenseintritts dem Anspruchsteller (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], juris Rn. 53, zur [X.] bestimmt in [X.]Z). Maßgeblicher Zeitpunkt ist in Fällen wie dem vorliegenden der Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags (vgl. [X.], Beschluss vom 14. September 2021 - [X.], juris Rn. 7). Bezogen auf diesen Zeitpunkt ergab die Erklärung des [X.] mit Nichtwissen dazu, ob die vom [X.] beanstandete Abschalteinrichtung noch vorhanden gewesen sei, schlüssigen Vortrag zu den Anspruchsvoraussetzungen einer Haftung aus unerlaubter Handlung nicht.

Soweit sich die Revision gegen die Feststellung des Berufungsgerichts wendet, der Kläger habe sich zum Vorhandensein der vom [X.] beanstandeten Abschalteinrichtung lediglich mit Nichtwissen erklärt, und ein unzureichendes Ausschöpfen des Prozessstoffs (§ 286 ZPO) unter Verweis auf die vom Kläger vorgetragene fehlende Dokumentation des Software-Updates in den [X.] beanstandet, kann ihr die von ihr erhobene Verfahrensrüge mit Rücksicht auf §§ 314, 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht zum Erfolg verhelfen (vgl. [X.], Urteil vom 12. Dezember 2022 - [X.], juris Rn. 11 ff.). Der Kläger hat die Feststellung, er habe das Vorbringen der Beklagten lediglich mit Nichtwissen bestritten, nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen. Mit einer Verfahrensrüge kann der von der Revision behauptete Fehler bei der Wiedergabe des [X.] dann nicht gerügt werden (vgl. [X.], Urteil vom 12. Dezember 2022, aaO, Rn. 14).

b) Zum anderen ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei auf der Grundlage der von ihm getroffenen und das Revisionsgericht bindenden Feststellungen (§ 559 Abs. 2 ZPO) zu dem Ergebnis gelangt, durch die vom Berufungsgericht festgestellte Verhaltensänderung der Fahrzeugherstellerin und der Beklagten seien wesentliche Elemente, die das [X.] ihres bisherigen Verhaltens gegenüber bisherigen Käufern begründeten, derart relativiert worden, dass der Vorwurf der Sittenwidrigkeit bezogen auf ihr Gesamtverhalten gerade gegenüber dem Kläger und gerade im Hinblick auf den Schaden, der bei ihm durch den Abschluss eines ungewollten Kaufvertrags im April 2019 entstanden sein könnte, nicht mehr gerechtfertigt war (vgl. [X.], Urteil vom 30. Juli 2020 - [X.], NJW 2020, 2798 Rn. 34 ff.).

Das galt nicht nur im Hinblick auf die vom Berufungsgericht geprüfte Haftung der Beklagten nach §§ 826, 31 [X.], sondern auch für eine mögliche Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2, § 830 [X.]. Wie der Senat mit Urteil vom 26. Juni 2023 ([X.], juris Rn. 61) ausgeführt hat, kann der Vorwurf einer deliktischen Schädigung ohne Rücksicht auf die einen deliktischen Schadensersatzanspruch rechtfertigende Anspruchsgrundlage durch eine Verhaltensänderung insgesamt ausgeräumt werden. Von einem Motorhersteller, der nicht zugleich Fahrzeughersteller ist, kann, um den Vorwurf einer deliktischen Schädigung auszuräumen, nicht mehr verlangt werden als die von der Beklagten getroffenen Maßnahmen.

2. Den Angriffen der Revision stand hält überdies die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte hafte dem Kläger aus Delikt auch nicht wegen eines im Fahrzeug verbauten [X.]s.

a) Soweit der Kläger Ansprüche auf §§ 826, 31, 830 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 [X.] stützt, hat das Berufungsgericht eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung des [X.] aufgrund einer tatrichterlichen Würdigung der vom Kläger vorgetragenen Umstände und in Übereinstimmung mit den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vgl. nur [X.], Beschluss vom 19. Januar 2021 - [X.], NJW 2021, 921 Rn. 13 ff.; Beschluss vom 21. September 2022 - [X.], juris Rn. 10) rechtsfehlerfrei verneint. Die darauf bezogenen Verfahrensrügen der Revision hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).

b) Die Revision dringt aber auch nicht mit ihrem Einwand durch, die Beklagte hafte dem Kläger wegen des [X.]s nach § 823 Abs. 2, § 830 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 [X.] in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV.

Zwar steht, wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 versehenen Kraftfahrzeugs unter den Voraussetzungen des § 823 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ein Anspruch gegen den Fahrzeughersteller auf Ersatz des Differenzschadens zu ([X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], juris Rn. 28 ff.). Die Sonderpflicht, eine mit den (unions-)gesetzlichen Vorgaben konvergierende Übereinstimmungsbescheinigung auszugeben, trifft indessen nur den Fahrzeughersteller, nicht den Motorhersteller. Der Senat ([X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO) hat die Haftung nach § 823 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] (Urteil vom 21. März 2023 - [X.]/21, NJW 2023, 1111 Rn. 78 ff., 91) auf die Erteilung einer unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung gestützt, die der Fahrzeughersteller in seiner Eigenschaft als Inhaber einer [X.]-Typgenehmigung gemäß Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/[X.] jedem Fahrzeug beilegt und die gemäß Art. 3 Nr. 36 der Richtlinie 2007/46/[X.] nicht nur die Übereinstimmung des erworbenen Fahrzeugs mit dem genehmigten Typ, sondern auch die Einhaltung aller Rechtsakte bescheinigt. Die Haftung nach § 823 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV knüpft an die Erteilung einer unzutreffenden Übereinstimmungsbescheinigung durch den Fahrzeughersteller an. Der Motorhersteller kann deshalb, weil er die Übereinstimmungsbescheinigung nicht ausgibt, nach den allgemeinen und durch das Unionsrecht unangetasteten Grundsätzen des [X.] Deliktsrechts weder Mittäter einer Vorsatztat des Fahrzeugherstellers noch mittelbarer ([X.] hinter dem (gegebenenfalls fahrlässig handelnden) Fahrzeughersteller sein, weil ihm nicht die hierzu erforderliche Sonderpflicht obliegt (vgl. [X.], Beschluss vom 30. März 2023 - 7 U 584/22, juris Rn. 7; [X.], Urteil vom 11. Mai 2023 - 6 U 1268/21, BeckRS 2023, 12097 Rn. 50; [X.], Beschluss vom 28. März 2023 - 7 U 95/22, juris Rn. 16; Urteil vom 29. März 2023 - 7 [X.], juris Rn. 54; allgemein [X.], Urteil vom 26. Oktober 2004 - [X.], NJW-RR 2005, 556, 557 mwN).

Eine bei Sonderdelikten mögliche Beteiligung der Beklagten als Motorherstellerin im Sinne des § 830 Abs. 2 [X.] an einer deliktischen Schädigung des Fahrzeugherstellers kommt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die die Revision insoweit fristgerecht nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen hat, ebenfalls nicht in Betracht. Zwar kann Beihilfe auch zu Sonderdelikten geleistet werden, bei denen der Gehilfe nicht Täter sein kann. Voraussetzung ist allerdings nicht nur, dass der Gehilfe mit doppeltem Vorsatz hinsichtlich der fremden rechtswidrigen Tat und der eigenen Unterstützungsleistung gehandelt hat (vgl. [X.], Urteil vom 8. Februar 2018 - [X.], [X.]Z 217, 300 Rn. 66). Bedingung einer Beteiligung ist vielmehr weiter eine Vorsatztat des Fahrzeugherstellers. Die vorsätzliche Förderung einer fahrlässigen Tat erfüllt die Voraussetzungen des § 830 Abs. 2 [X.] nicht (vgl. [X.], Urteil vom 29. Mai 1964 - [X.], [X.]Z 42, 118, 122; Urteil vom 30. Januar 1967 - [X.], [X.], 471, 473; [X.]/[X.], [X.], [X.]. 2022, § 830 Rn. 46, auch mit Nachweisen zur vereinzelt abweichenden Auffassung in der Literatur).

Dass der Fahrzeughersteller im konkreten Fall vorsätzlich eine im Hinblick auf das [X.] unrichtige Übereinstimmungsbescheinigung ausgegeben habe, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Eine darauf bezogene Verfahrensrüge erhebt die Revision nicht, die sich darauf beschränkt, die Feststellungen des Berufungsgerichts betreffend den mangelnden Vorsatz der beklagten Motorherstellerin in Zweifel zu ziehen, und übergangenen Vortrag des [X.] zu einem auf die Implementierung eines [X.]s bezogenen vorsätzlichen Verhalten des Fahrzeugherstellers nicht aufzeigt.

Ein materiell-rechtlicher Fehler bei der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast, der als Rechtsfehler auch ohne ausgeführte Verfahrensrüge im Revisionsverfahren zu beachten wäre (vgl. [X.], Urteil vom 19. Dezember 2022 - [X.], juris Rn. 11 mwN), fällt dem Berufungsgericht nicht zur Last. Anders als im Verhältnis zum Fahrzeughersteller (vgl. dazu [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], juris Rn. 59 f.) bleibt es im Verhältnis zum vom Fahrzeughersteller verschiedenen Motorhersteller bei dem allgemeinen Grundsatz ([X.], Urteil vom 13. Dezember 1984 - [X.], NJW 1985, 1774, 1775; MünchKomm[X.]/[X.], 8. Aufl., § 830 Rn. 47; [X.] in: [X.]/Langen, [X.] Schuldrecht, 4. Aufl., § 830 Rn. 23), dass hinsichtlich der Schuldhaftigkeit des Verstoßes des Fahrzeugherstellers gegen § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV als anspruchsbegründender Voraussetzung einer Haftung nach § 823 Abs. 2 [X.] den Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast trifft. Auf die von der Revision gegen die Feststellung des Berufungsgerichts gerichtete Verfahrensrüge, Repräsentanten der Beklagten hätten in Bezug auf das [X.] lediglich fahrlässig gehandelt, kommt es mithin nicht an.

3. Schließlich hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei erkannt, dass das Hilfsvorbringen des [X.] zu einem Mehraufwand im Falle des von ihm hilfsweise unterstellten Aufspielens des Software-Updates vor Erwerb des Fahrzeugs weder zu einer Haftung nach §§ 826, 31, 830 [X.] noch zu einer Haftung nach § 823 Abs. 2, § 830 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV führen könnte. Eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung potentieller Käufer durch das zur Beseitigung der vom [X.] beanstandeten Abschalteinrichtung installierte Software-Update hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Dass der Kläger in diesem Sinne Vortrag gehalten habe, den das Berufungsgericht nicht zur Kenntnis genommen habe, zeigt die Revision mit einer Verfahrensrüge nicht auf.

Von der Fahrzeugherstellerin nach deren Erteilung ergriffene Maßnahmen konnten in der Übereinstimmungsbescheinigung keinen Niederschlag finden. Sie waren damit kein tauglicher Anknüpfungspunkt für eine Haftung des Fahrzeugherstellers nach § 823 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV, so dass es an einer Haupttat fehlt, an der sich die Beklagte als Motorherstellerin nach § 830 Abs. 2 [X.] hätte beteiligen können.

[X.]     

  

Krüger     

  

Rensen

  

Wille     

  

Liepin     

  

Meta

VIa ZR 1119/22

10.07.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 7. Juli 2022, Az: 8 U 250/21

§ 823 Abs 2 BGB, § 830 Abs 1 S 1 BGB, § 830 Abs 2 BGB, § 6 Abs 1 EG-FGV, § 27 Abs 1 EG-FGV, Art 5 Abs 2 EGV 715/2007

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.07.2023, Az. VIa ZR 1119/22 (REWIS RS 2023, 4397)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4397

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 103/17

VII ZR 767/21

VI ZR 433/19

VI ZR 5/20

VI ZR 491/20

VI ZR 148/20

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