Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.09.2023, Az. VIa ZR 1689/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 6478

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 1. Dezember 2022 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger kaufte im Oktober 2017 von einem Händler einen Gebrauchtwagen [X.] eines anderen Fahrzeugherstellers, der mit einem von der [X.] hergestellten Motor der Baureihe [X.] (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Die Abgasreinigung des Fahrzeugs, das nicht von einem Rückruf des [X.] ([X.]) wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen betroffen ist, erfolgt über eine Abgasrückführung mit [X.] sowie einen SCR-Katalysator mit AdBlue-Technik.

3

Das [X.] hat die im Wesentlichen auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich des Wertes gezogener Nutzungen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs gerichtete Klage abgewiesen, das Berufungsgericht die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die [X.] weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die unbeschränkt zugelassene (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023- [X.] 1031/22, juris Rn. 10) und auch im Übrigen zulässige Revision ist nicht begründet.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Dem Kläger stehe ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB wegen der beanstandeten Abschalteinrichtungen schon deshalb nicht zu, weil greifbare Anhaltspunkte für ein [X.] Verhalten der Beklagten nicht ersichtlich seien. Es fehle an einer Täuschung des [X.] durch die Beklagte und an einem Schädigungsvorsatz der Beklagten. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Kläger einen Schaden erlitten habe. Denn es habe zu keinem Zeitpunkt die konkrete Gefahr einer Entziehung der Zulassung oder einer Betriebsuntersagung bestanden.

7

Die Beklagte hafte auch nicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV oder Normen der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007. Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit verpflichtet zu sein, liege nicht im Schutzbereich dieser Bestimmungen. Ohnehin habe der Kläger keinen Schaden erlitten.

II.

8

Zwar kann ein Schaden des [X.] nicht mit der Begründung des Berufungsgerichts verneint werden ([X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 42, zur [X.] bestimmt in [X.]Z). Auch hat der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden, dass die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 29 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], ZIP 2023, 1903 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 17). Dennoch hält das angefochtene Urteil im Ergebnis der Überprüfung im Revisionsverfahren stand.

9

Soweit der Kläger Ansprüche auf §§ 826, 31 BGB stützt, hat das Berufungsgericht eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung des [X.] aufgrund einer tatrichterlichen Würdigung der vom Kläger vorgetragenen Umstände und in Übereinstimmung mit den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vgl. nur [X.], Beschluss vom 19. Januar 2021 - [X.], NJW 2021, 921 Rn. 13 ff.; Beschluss vom 21. September 2022 - [X.], juris Rn. 10) rechtsfehlerfrei verneint. Die darauf bezogenen Verfahrensrügen der Revision hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).

Die Revision dringt aber auch nicht mit ihrem Einwand durch, die Beklagte hafte dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV. Die Haftung nach diesen Vorschriften knüpft an die Erteilung einer unzutreffenden Übereinstimmungsbescheinigung durch den Fahrzeughersteller an. Der Motorhersteller kann deshalb, weil er die Übereinstimmungsbescheinigung nicht ausgibt, nach den allgemeinen und durch das Unionsrecht unangetasteten Grundsätzen des [X.] Deliktsrechts weder Mittäter einer Vorsatztat des Fahrzeugherstellers noch mittelbarer ([X.] hinter dem (gegebenenfalls fahrlässig handelnden) Fahrzeughersteller sein, weil ihm nicht die hierzu erforderliche Sonderpflicht obliegt ([X.], Urteil vom 10. Juli 2023 - [X.] 1119/22, [X.], 1530 Rn. 20 mwN).

Eine bei Sonderdelikten mögliche Beteiligung der Beklagten als Motorherstellerin im Sinne des § 830 Abs. 2 BGB an einer deliktischen Schädigung des Fahrzeugherstellers kommt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die die Revision insoweit fristgerecht nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen hat, ebenfalls nicht in Betracht. Zwar kann Beihilfe auch zu Sonderdelikten geleistet werden, bei denen der Gehilfe nicht Täter sein kann. Voraussetzung ist allerdings nicht nur, dass der Gehilfe mit doppeltem Vorsatz hinsichtlich der fremden rechtswidrigen Tat und der eigenen Unterstützungsleistung gehandelt hat. Bedingung einer Beteiligung ist vielmehr weiter eine Vorsatztat des Fahrzeugherstellers ([X.], Urteil vom 10. Juli 2023 - [X.] 1119/22, [X.], 1530 Rn. 21 mwN).

Dass der Fahrzeughersteller im konkreten Fall vorsätzlich eine unrichtige Übereinstimmungsbescheinigung durch eine vorsätzliche Hilfeleistung der Beklagten als Motorenherstellerin ausgegeben habe, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Eine darauf bezogene Verfahrensrüge erhebt die Revision nicht.

[X.]     

  

Krüger     

  

Götz

  

Rensen     

  

Wille     

  

Meta

VIa ZR 1689/22

11.09.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 1. Dezember 2022, Az: 9 U 128/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.09.2023, Az. VIa ZR 1689/22 (REWIS RS 2023, 6478)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6478

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIa ZR 1652/22 (Bundesgerichtshof)


VIa ZR 535/21 (Bundesgerichtshof)

Deliktische Haftung des Motorherstellers in einem sog Dieselfall: Täuschung der Genehmigungsbehörde bei fehlender Grenzwertkausalität


VIa ZR 1119/22 (Bundesgerichtshof)

Haftung des Motorherstellers wegen Schutzgesetzverletzung in einem sog. Dieselfall: Sonderpflicht des Fahrzeugherstellers zur Ausgabe einer …


VIa ZR 1714/22 (Bundesgerichtshof)


VI ZR 589/20 (Bundesgerichtshof)

Inanspruchnahme eines Motorenherstellers wegen Erwerb eines Gebrauchtwagens mit unzulässiger Abschalteinrichtung im Jahr 2017


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

VII ZR 767/21

VI ZR 433/19

III ZR 303/20

III ZR 267/20

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.