Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.04.2017, Az. IV B 75/16

4. Senat | REWIS RS 2017, 11987

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Gegenstand

(Gewinnfeststellung - kein Übergang der Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 FGO auf den Gesamtrechtsnachfolger der liquidationslos vollbeendeten Personengesellschaft)


Leitsatz

NV: Nach Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters kann der alle Aktiva und Passiva übernehmende verbliebene Gesellschafter nicht in seiner Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolger der liquidationslos vollbeendeten Personengesellschaft, sondern nur dann notwendig beigeladen werden, wenn er entweder in der Zeit, die der angegriffene Gewinnfeststellungsbescheid betrifft, bereits Gesellschafter der Personengesellschaft war oder Gesamtrechtsnachfolger eines solchen Gesellschafters geworden ist.

Tenor

Auf die Beschwerde der Beigeladenen wird der Beiladungsbeschluss des [X.] vom 30. August 2016  2 K 22/16 aufgehoben, soweit dieser Beschluss ihr gegenüber ergangen ist.

Tatbestand

1

I. [X.]ie Beigeladene und Beschwerdeführerin (Beigeladene) ist die [X.]. [X.]er Kläger ist zum 31. [X.]ezember 2010 als persönlich haftender Gesellschafter aus der [X.] ausgeschieden. [X.]ie [X.] wurde nach dem Ausscheiden des [X.] unter Wahrung ihrer zivilrechtlichen Identität in die [X.] umgewandelt. Im Januar 2012 wurde in das Handelsregister eingetragen, dass das Handelsgeschäft der [X.] mit allen Aktiven und Passiven von der alleinigen Kommanditistin --der [X.] KG-- übernommen worden und die Firma ohne Liquidation erloschen ist. [X.]ieser Eintragung lagen folgende Vorgänge zugrunde: [X.]ie [X.] KG ist als Kommanditistin in die [X.] eingetreten. [X.]ie übrigen Kommanditisten der [X.] haben ihre Kommanditanteile im Wege der Einzelrechtsnachfolge in die [X.] KG eingebracht. [X.]anach ist die Komplementärin als vorletzte Gesellschafterin aus der [X.] ausgeschieden. [X.] wurde die Firma der [X.] KG in die der Beigeladenen ([X.]) geändert.

2

[X.]ie [X.] erzielte ab dem Jahr 2003 Einkünfte aus Gewerbebetrieb. [X.]er Kläger legte gegen den Bescheid für 2010 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungbescheid 2010) vom 18. Januar 2013 Einspruch ein. Im Februar 2016 erhob er eine Untätigkeitsklage, die beim [X.] ([X.]) unter dem [X.]. 2 K 22/16 geführt wird. [X.]as [X.] hat über diese Klage noch nicht entschieden. Mit ihr begehrt der Kläger, die Einkünfte der [X.] und den auf ihn entfallenden Gewinnanteil für das [X.] zu erhöhen. Bezüglich der Zulässigkeit seiner Klage hat er im Klageverfahren vorgetragen, dass ein ausgeschiedener Gesellschafter auch die Feststellung eines zu niedrigen Gewinns angreifen könne. Zudem sei er durch den angefochtenen [X.] 2010 beschwert. Nach Auffassung des Beklagten (Finanzamt --[X.]--) sei die Klage hingegen mangels Klagebefugnis bzw. [X.] des Klägers unzulässig.

3

Mit Beschluss vom 30. August 2016 hat das [X.] die Beigeladene und drei frühere Gesellschafter der [X.] zum Klageverfahren notwendig beigeladen. Zur Begründung führte es u.a. aus, dass die [X.] als Rechtsnachfolgerin der [X.] sowie die drei früheren Gesellschafter als im Jahr 2011 Ausgeschiedene beizuladen seien. [X.]a die Klage nicht offensichtlich unzulässig sei, könne von einer Beiladung auch nicht unter diesem Gesichtspunkt abgesehen werden.

4

Gegen den [X.] hat allein die Beigeladene ([X.]) Beschwerde eingelegt. [X.]as [X.] hat der Beschwerde nicht abgeholfen. [X.]ie Beigeladene trägt im Wesentlichen vor, die Beiladung sei zu Unrecht erfolgt, weil die Klage unzulässig sei.

5

[X.]ie Beigeladene beantragt sinngemäß,
den [X.] vom 30. August 2016 aufzuheben, soweit dieser ihr gegenüber ergangen ist.

6

[X.]er Kläger beantragt,
die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

7

Zunächst hat der Kläger vorgetragen, dass das [X.] die Beiladung zu Recht ausgesprochen habe, weil seine Klage nicht offensichtlich unzulässig sei, später, dass die Beigeladene nicht beschwerdeberechtigt sei.

8

[X.]as [X.] hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

9

[X.]er Berichterstatter des beschließenden Senats hat mit Verfügung vom 8. März 2017 u.a. darauf hingewiesen, dass für den Fall einer liquidationslosen Vollbeendigung der [X.] vor Klageerhebung die Beiladung nur dann zu Recht erfolgt sein könnte, wenn die Beigeladene im [X.] Gesellschafterin der [X.] gewesen sei oder sie Gesamtrechtsnachfolgerin eines dieser Gesellschafter geworden wäre.

Entscheidungsgründe

[X.] Die nach § 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) statthafte Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Ein [X.] ist gemäß § 128 Abs. 1 i.V.m. § 57 [X.]O berechtigt, gegen den Beiladungsbeschluss Beschwerde einzulegen (Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 2. Dezember 1999 II B 17/99, [X.], 679).

2. Ebenso ist die Beschwerde begründet. Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung gemäß § 60 Abs. 3 [X.]O liegen nicht vor.

Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 [X.]O sind Dritte zum Verfahren beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (notwendige Beiladung). Dies gilt nicht für [X.], die nach § 48 [X.]O nicht klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 [X.]O).

Die Beigeladene ist mangels Klagebefugnis nach § 60 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 [X.]O nicht notwendig beizuladen. Für diesen Fall scheidet auch eine einfache Beiladung nach § 60 Abs. 1 [X.]O aus (z.B. [X.] vom 21. August 2002 VIII B 116/01, [X.] 2002, 1609, unter [X.], m.w.N.).

a) Erlischt eine Personengesellschaft durch Vollbeendigung ohne Abwicklung, kann nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ein [X.] nur noch von den früheren Gesellschaftern angefochten werden, deren Mitgliedschaft die [X.] berührt, die der anzufechtende [X.] betrifft. Die Befugnis der Personengesellschaft, nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 [X.]O als Prozessstandschafterin für ihre Gesellschafter Rechtsbehelfe einzulegen, erlischt mit deren Vollbeendigung (z.B. [X.]-Urteil vom 11. April 2013 IV R 20/10, [X.]E 241, 132, [X.], 705, Rz 19, m.w.N.). Insoweit lebt die bis zum [X.]punkt der Vollbeendigung überlagerte Klagebefugnis der einzelnen Gesellschafter wieder auf. Die Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 [X.]O geht deshalb auch nicht auf den Gesamtrechtsnachfolger der Personengesellschaft über ([X.] vom 16. Januar 1996 VIII B 128/95, [X.]E 179, 239, [X.] 1996, 426, zu § 48 Abs. 1 Nr. 3 [X.]O a.F.; [X.]-Urteil vom 13. Oktober 2016 IV R 33/13, [X.]E 255, 386, Rz 16, m.w.N.).

Ist die Personengesellschaft bereits vor der Klageerhebung [X.], sind im Grundsatz alle früheren Gesellschafter --unabhängig davon, ob man dies aus § 48 Abs. 1 Nr. 2 (so Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 48 Rz 68) oder Nr. 3 [X.]O ableitet (vgl. dazu [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 48 [X.]O Rz 204)-- klagebefugt (z.B. [X.]-Urteile in [X.]E 241, 132, [X.], 705, Rz 19, m.w.N.; vom 16. Mai 2013 IV R 21/10, Rz 17). Klagt demnach nur ein Gesellschafter, müssen alle früheren Gesellschafter nach § 60 Abs. 3 [X.]O notwendig beigeladen werden. Kommt es in der Person eines dieser früheren Gesellschafter zu einer Rechtsnachfolge, ist dessen Gesamtrechtsnachfolger beizuladen ([X.] in [X.], § 60 [X.]O Rz 75). Eine Ausnahme gilt nur für solche früheren Gesellschafter, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt von dem Ausgang des Rechtsstreits betroffen sein können (z.B. [X.]-Urteil vom 4. November 2003 VIII R 38/01, [X.] 2004, 1372, unter [X.]A.).

b) Dies vorausgeschickt, war die [X.] nicht zu dem Klageverfahren des [X.] notwendig beizuladen.

aa) Aus dem Handelsregisterauszug und der von der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 29. März 2017 erteilten Auskunft ergibt sich, dass aus der [X.] (vormals [X.]) alle Gesellschafter bis auf die [X.] ausgeschieden sind. Damit ist der [X.] das Gesamthandsvermögen der [X.] gemäß § 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs (HGB) i.V.m. § 738 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ([X.]) angewachsen. Hierdurch sind alle Aktiva und Passiva der [X.] im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die [X.] übergegangen (z.B. Urteil des [X.] vom 12. Juni 2008 III ZR 38/07, unter [X.]1.b bb (1)); die [X.] wurde [X.] (z.B. [X.] vom 17. Oktober 2013 IV R 25/10, Rz 18, m.w.N.).

Demnach war die [X.] (vormals [X.]) bereits vor Klageerhebung vollbeendet. Die Klagebefugnis ging nicht auf die [X.] (jetzt die Beigeladene) als Gesamtrechtsnachfolgerin über. Vielmehr sind im Grundsatz alle Gesellschafter, die [X.] an der [X.] beteiligt waren --nicht nur die bisher [X.], klagebefugt und damit notwendig beizuladen. Eine Ausnahme gilt nur für diejenigen Gesellschafter, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt von dem Ausgang des Rechtsstreits betroffen sein können.

bb) Die Beigeladene gehört nicht zu diesem Personenkreis. Dem Handelsregisterauszug lässt sich entnehmen, dass die [X.] (jetzt die Beigeladene) [X.] nicht Gesellschafterin der [X.] war. Ebenso bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die [X.] (jetzt die Beigeladene) die Gesamtrechtsnachfolgerin eines der Gesellschafter ist, die [X.] an der [X.] beteiligt waren. Vielmehr haben nach der im Beschwerdeverfahren erteilten Auskunft der Beigeladenen, die von den übrigen Verfahrensbeteiligten unwidersprochen geblieben ist, die Kommanditisten der [X.] (vormals [X.]) ihre [X.] im Wege der Einzelrechtsnachfolge in die [X.] eingebracht.

c) Die Frage, ob der gegenüber der Beigeladenen ergangene Beiladungsbeschluss auch deshalb aufzuheben ist, weil die Klage des [X.] offensichtlich unzulässig ist, bedarf daher mangels Entscheidungserheblichkeit keiner Klärung.

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kann das [X.] zwar von einer an sich nach § 60 Abs. 3 [X.]O gebotenen notwendigen Beiladung ausnahmsweise absehen, wenn die Klage offensichtlich unzulässig ist (z.B. [X.] vom 20. Juni 2012 IV B 147/11, Rz 8, m.w.N.). Im Streitfall liegen aber bezogen auf die Beigeladene schon nicht die Voraussetzungen des § 60 Abs. 3 [X.]O vor, so dass deren Beiladung überhaupt nicht geboten war. Abgesehen davon bedürfte selbst dann, wenn man --was der Senat nicht geprüft [X.] von einer offensichtlichen Unzulässigkeit der Klage ausginge, die Frage, ob eine vom [X.] gleichwohl ausgesprochene Beiladung vom Beschwerdegericht aufgehoben werden kann, einer weiter gehenden Prüfung. Denn die notwendige Beiladung ist grundsätzlich unabhängig von den Erfolgsaussichten der Klage vorzunehmen. Sie ist keine Ermessensentscheidung; Zweckmäßigkeitserwägungen sind nicht anzustellen ([X.]-Urteil vom 9. Mai 1979 I R 100/77, [X.]E 128, 142, [X.] 1979, 632, unter 2.b). Lediglich bei offensichtlicher Unzulässigkeit der Klage akzeptiert der [X.] eine Ausnahme hiervon, weil die Beiladung in einem derartigen Fall bloßer Formalismus wäre. Ob sich hieraus jedoch im Umkehrschluss ableiten lässt, dass eine dennoch erfolgte Beiladung vom Beschwerdegericht aufzuheben ist, steht nicht ohne weiteres fest.

3. Die Beiladung der früheren Gesellschafter, die keine Beschwerde eingelegt haben, bleibt bestehen.

4. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen (z.B. [X.] vom 4. Mai 1999 VIII B 94/98, [X.] 1999, 1483, unter 3., m.w.N.).

Meta

IV B 75/16

26.04.2017

Bundesfinanzhof 4. Senat

Beschluss

vorgehend FG Hamburg, 30. August 2016, Az: 2 K 22/16, Beschluss

§ 48 Abs 1 Nr 1 Alt 1 FGO, § 48 Nr 2 FGO, § 48 Nr 3 FGO, § 60 Abs 1 FGO, § 60 Abs 3 FGO, § 128 Abs 1 FGO, § 738 Abs 1 S 1 BGB, § 105 Abs 3 HGB, § 161 Abs 2 HGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.04.2017, Az. IV B 75/16 (REWIS RS 2017, 11987)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11987

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