Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.02.2012, Az. 29 W (pat) 24/11

29. Senat | REWIS RS 2012, 8763

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "GIG (Wort-Bild-Marke)" – Unterscheidungskraft - kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 071 323.2

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 28. Februar 2012 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.] und die Richterin am Landgericht Uhlmann

beschlossen:

Die Beschlüsse des [X.] vom 10. Dezember 2009 und 12. Januar 2011 werden aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das [X.] (schwarz-weiß)

Abbildung

2

ist am 10. November 2008 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für Dienstleistungen der Klassen 35, 36, 41, 42 und 45 angemeldet worden.

3

Mit Beschluss vom 10. Dezember 2009 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung vollständig wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zurückgewiesen. Auf die Erinnerung ist die Anmeldung durch Beschluss vom 12. Januar 2011 nur noch teilweise wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen worden, nämlich für folgende Dienstleistungen der

4

Klasse 35: Dienstleistungen einer Werbeagentur; Öffentlichkeitsarbeit [Public Relations];

5

Klasse 36: finanzielles Sponsoring; Sammeln von Spenden für Dritte; Sammeln von Spenden für [X.];

6

Klasse 41: Bereitstellen von elektronischen Publikationen, nicht herunterladbar; Herausgabe von Texten, ausgenommen Werbetexte; Online-Publikation von elektronischen Büchern und Zeitschriften; Verfassen von Texten, ausgenommen Werbetexte;

7

Klasse 45: Vergabe von Lizenzen an gewerblichen Schutz- und Urheberrechten.

8

Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, dass die angesprochenen Verkehrskreise unter dem Begriff „[X.]“ den Auftritt einer Band oder eines Einzelmusikers bei einem (Pop-, Jazz-)Konzert, in einem ([X.] oder Ähnlichem verstünden. Damit beschreibe das angemeldete [X.] unmittelbar den Zweck, Schwerpunkt oder Inhalt der versagten Dienstleistungen. Die grafische Gestaltung von drei Großbuchstaben in einer fetten, leicht schräg gedruckten, gängigen Schriftart sei [X.]. Dass die Buchstaben „G“ [X.] darstellten, sei nur bei aufmerksamer Betrachtung zu erkennen.

9

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Nach einer Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses im Beschwerdeverfahren soll das angemeldete Zeichen nur noch für Dienstleistungen der

Klasse 35: Dienstleistungen einer Werbeagentur im Bereich des Gewinn- und Glücksspielwesens; Öffentlichkeitsarbeit [Public Relations] im Bereich des Gewinn- und Glücksspielwesens;

Klasse 36: finanzielles Sponsoring im Bereich des Gewinn- und Glücksspielwesens; Sammeln von Spenden für Dritte im Bereich des Gewinn- und Glücksspielwesens; Sammeln von Spenden für [X.] im Bereich des Gewinn- und Glücksspielwesens;

Klasse 41: Bereitstellen von elektronischen Publikationen, nicht herunterladbar im Bereich des Gewinn- und Glücksspielwesens; Herausgabe von Texten, ausgenommen Werbetexte im Bereich des Gewinn- und Glücksspielwesens; Online-Publikation von elektronischen Büchern und Zeitschriften im Bereich des Gewinn- und Glücksspielwesens;

Klasse 45: Vergabe von Lizenzen an gewerblichen Schutz- und Urheberrechten im Bereich des Gewinn- und Glücksspielwesens.

in das Markenregister eingetragen werden.

Der Anmelder beantragt,

die Beschlüsse des [X.]es vom 10. Dezember 2009 und 12. Januar 2011 aufzuheben.

Er vertritt die Ansicht, dass das angemeldete Zeichen aufgrund des Gesamteindrucks weder in optischer, akustischer noch in semantischer Hinsicht bloß als Sachhinweis verstanden werde. Es handele sich um eine „freihändige graphische Schöpfung“, „ein unikates graphisches Komposit“. Der Verlauf des Zeichens sei perspektivisch und in einer „atypischen Weise gestreckt“ und entwickle so den räumlichen Eindruck zweier durch einen Trennstrich voneinander getrennter Rotationsbewegungen. Das [X.] weise durch die beiden Pfeile nach oben, so dass es sich erheblich von der nur in Großbuchstaben wiedergegebenen Abkürzung „[X.]“ unterscheide. Diese grafischen Elemente entsprächen nicht den Kennzeichnungsgewohnheiten im jeweils betreffenden Segment, was eine Google-Bilder-Ähnlichkeitssuche (Anlage 3.1, [X.]. 28 GA) ergeben habe. Aber selbst wenn man alleine auf die Buchstabenkombination „[X.]“ abstellte, habe sie als Abkürzung eine Vielzahl von Bedeutungen (Anlage 3.2, [X.]. 29 f. GA). Ferner habe die Markenstelle das angemeldete Zeichen für andere als die hier verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen bereits eingetragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat nach Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses Erfolg.

1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] GRUR 2008, 608, 611 [X.]. 66 f. – [X.]; [X.], 825, 826 [X.]. 13 – [X.]; 935 [X.]. 8 – [X.]; [X.], 850, 854 [X.]. 18 - [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] [X.], 233, 235 [X.]. 45 - Standbeutel; 229, 230 [X.]. 27 - BioID; a. a. [X.]. 66 - [X.]; [X.], 710 [X.]. 12 - [X.]; [X.], 949 [X.]. 10 - My World; a. a. [X.] - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.];). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] - [X.]; [X.], 411 [X.]. 8 - [X.]; 778, 779 [X.]. 11 - [X.]; 949 f. [X.]. 10 - My World; a. a. [X.] - [X.]).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.], 411, 412 [X.]. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943, 944 [X.]. 24 - [X.] 2; [X.] – [X.]; 825, 826 [X.]. 13 – [X.]; a. a. [X.] - [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] [X.], 428, 431 [X.]. 53 - [X.]; [X.], 1151, 1152 - marktfrisch; [X.] 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] [X.], 674, 678 [X.]. 86 – Postkantoor; [X.] [X.], 952, 953 [X.]. 10 - [X.]; a. a. [X.] 854 [X.]. 19 - [X.]; [X.], 417, 418 – [X.]; a. a. [X.] - marktfrisch; [X.], 1153 - anti [X.]) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] - [X.]; GRUR 2003, 1050, 1051 - [X.]; [X.], 1043, 1044 - [X.] – Schlechte Zeiten).

Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.], 1100, 1102 [X.]. 23 – [X.]!; a. a. [X.] 855 [X.]. 28 f. - [X.]).

Zu den maßgeblichen inländischen Verkehrskreisen zählen hier sowohl allgemeine und breite Verbraucherkreise als auch der Fachverkehr.

Der Wortbestandteil des [X.] besteht aus der Buchstabenkombination „[X.]“. Als Wort hat „[X.]“ sowohl die Bedeutung „bezahlter Auftritt einer Band oder eines Einzelmusikers bei einem Pop-, Jazzkonzert, in einem [Nacht]Lokal, einem Plattenstudio oder Ähnlichem“, – seltener – „[X.], Beiboot“ oder – früher, veraltend – „leichter, offener zweirädriger Wagen. Einspänner mit einer Gabeldeichsel“ ([X.] – [X.], 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]; [X.] – [X.], 9. Aufl. 2007 [CD-ROM]). Die Buchstabenkombination dient aber auch als Abkürzung für „Gigabyte” (eine Milliarde Byte), die Rockgruppe „Grau ist Geil“, den [X.] für den [X.] in [X.] (www.abkuerzungen.de), „[X.]“ (globales Informationsnetz), „[X.]“, „[X.]“ oder „[X.]“, ein ehemaliges [X.] Label (http://de.wikipedia.org/wiki/[X.]).

Keine dieser Bedeutungen als Wort oder als Abkürzung ist geeignet, eine Sachaussage über die – durch den einschränkenden Zusatz im Dienstleistungsverzeichnis – im Bereich des Gewinn- und Glücksspielwesens angesiedelten beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen zu treffen oder einen engen beschreibenden Bezug zu ihnen herzustellen.

Der vom Anmelder im Beschwerdeverfahren bei allen zurückgewiesenen Dienstleistungen vorgenommene Zusatz „im Bereich des Gewinn- und Glücksspielwesens“ ist zulässig. Denn es wird nicht nur ein bestimmtes Merkmal ausgenommen, was nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.] [X.], 674, 679 [X.]. 114 – 117 – Postkantoor) wegen der damit begründeten Rechtsunsicherheit über den Umfang des Markenschutzes unzulässig wäre, sondern eine positiv formulierte, durchwegs gegenständliche Beschränkung vorgenommen.

2. Wegen der fehlenden Eignung zur unmittelbaren Beschreibung der beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen kann bei dem angemeldeten [X.] auch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht bejaht werden.

Meta

29 W (pat) 24/11

28.02.2012

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.02.2012, Az. 29 W (pat) 24/11 (REWIS RS 2012, 8763)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8763

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