Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.07.2016, Az. 4 StR 188/16

4. Strafsenat | REWIS RS 2016, 8782

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Gegenstand

Strafzumessung und eignungsbezogene Prognoseentscheidung: Berücksichtigung des Fehlens von Bedauern, Mitgefühl und Entschuldigung gegenüber dem Opfer in der Hauptverhandlung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. Januar 2016 im [X.] dahin geändert, dass die Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis auf drei Monate festgesetzt wird.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung und versuchten Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort zu der Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 10 Monaten verurteilt, von welcher 6 Monate wegen unangemessen langer Verfahrensdauer als vollstreckt gelten. Des Weiteren hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von 1 Jahr und 3 Monaten angeordnet. Hiergegen wendet sich die auf eine Verfahrensbeschwerde und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg.

2

1. Hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs sowie der Anordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB ist die Revision des Angeklagten unbegründet. Insoweit hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 [X.]).

3

Ergänzend zum Verwerfungsantrag des [X.] vom 25. April 2016 ist anzumerken:

4

Der Senat kann ausschließen, dass die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes durch das [X.] auf den rechtlich bedenklichen Ausführungen zu der unterbliebenen Entschuldigung des Angeklagten gegenüber dem Geschädigten beruht. Denn die [X.] ist aufgrund des objektiven Tatgeschehens zu der Überzeugung gelangt, dass sich der Angeklagte, der mit lebensgefährlichen Verletzungen des Geschädigten rechnete, vom Unfallort entfernte, ohne sich darüber Gedanken zu machen, ob Hilfe durch andere Personen geleistet wird. Damit ist die Gleichgültigkeit des Angeklagten gegenüber einem als möglich erkannten tödlichen Erfolg belegt. Dies reicht für das voluntative Element des bedingten Tötungsvorsatzes aus (vgl. [X.], Urteile vom 14. Januar 2016 - 4 StR 72/15, [X.], 211, 215; vom 11. Oktober 2000 - 3 StR 321/00, [X.]R StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51; vom 2. November 1994 - 2 StR 449/94, [X.]St 40, 304, 306). Dass das [X.] im Rahmen seiner Beweiswürdigung auch berücksichtigt hat, dass sich aus den im Ermittlungsverfahren abgegebenen Einlassungen des Angeklagten zur Sache gegenüber der Polizei und bei der Exploration durch den psychiatrischen Sachverständigen keine Anhaltspunkte für ein mögliches Vertrauen des Angeklagten auf eine Hilfeleistung durch Dritte ergeben haben, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Hierin liegt insbesondere keine unzulässige Verwertung des Schweigens des Angeklagten (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 59. Aufl., § 261 Rn. 17 mwN).

5

2. Dagegen begegnet die Festsetzung der Sperre nach § 69a StGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

6

Die [X.] hat die Dauer der verhängten Sperre unter anderem damit begründet, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung gegenüber dem Geschädigten keinerlei Mitgefühl gezeigt, sich nicht bei ihm entschuldigt und auch sonst keinerlei Bedauern habe erkennen lassen. Sowohl das Unterbleiben einer Entschuldigung als auch das Fehlen eines zum Ausdruck gebrachten Bedauerns lassen aber ohne weitere - hier nicht festgestellte - Umstände keinen Schluss auf eine rechtsfeindliche, durch besondere Rücksichtslosigkeit oder Gleichgültigkeit gegenüber Interessen und Rechtsgütern anderer geprägte Gesinnung oder Gefährlichkeit des Angeklagten zu (vgl. [X.], Beschlüsse vom 15. September 1999 - 2 StR 392/99, [X.], 362; vom 18. Mai 1994 - 5 StR 270/94, [X.], 132; vom 7. November 1986 - 2 StR 563/86, [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4). Sie dürfen daher ebenso wenig wie bei der Strafzumessung bei der eignungsbezogenen Prognoseentscheidung im Rahmen des § 69a StGB zum Nachteil des Angeklagten Berücksichtigung finden (vgl. [X.] in LK, 12. Aufl., § 69 Rn. 76 und § 69a Rn. 25; Athing in [X.], 2. Aufl., § 69 Rn. 63).

7

Um mit Blick auf die bereits erhebliche Verfahrensdauer eine teilweise Zurückverweisung der Sache zur Neufestsetzung der Sperre nach § 69a StGB zu vermeiden und zugleich jedwede Benachteiligung des Angeklagten auszuschließen, setzt der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 [X.] die Sperre auf das sich angesichts der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis aus § 69a Abs. 4 Satz 2 StGB ergebende Mindestmaß von drei Monaten fest.

8

3. Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 [X.]).

Sost-Scheible                       [X.]

                         Bender                          [X.]

Meta

4 StR 188/16

05.07.2016

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Landshut, 14. Januar 2016, Az: Ks 6 Js 6419/13

§ 46 StGB, § 69a StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.07.2016, Az. 4 StR 188/16 (REWIS RS 2016, 8782)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8782

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 188/16

Zitiert

4 StR 72/15

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