Bundessozialgericht, Urteil vom 18.12.2018, Az. B 1 KR 34/17 R

1. Senat | REWIS RS 2018, 274

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Gegenstand

Krankenversicherung - Anspruch auf Nagelspangenkorrektur nur als vertragsärztliche Leistung - keine Verschaffung durch selbstständig tätige, nichtärztliche Podologen


Leitsatz

Versicherte haben Anspruch auf Nagelspangenkorrektur nur als vertragsärztliche Leistung, nicht aber auf deren Verschaffung durch selbstständig tätige, nichtärztliche Podologen, selbst wenn sie keine leistungsbereiten Ärzte finden.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des [X.]vom 11. Oktober 2017 und des [X.]vom 11. Mai 2016 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer [X.](Korrektur eingewachsener Nägel mittels Nagelspange).

2

Die 1951 geborene, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin leidet unter einem chronifiziert eingewachsenen [X.]links. Die Beklagte übernahm 2010 und 2012 jeweils die Kosten einer [X.]durch die Podologin [X.]nebst der Kosten für eine Zehennagelspange (im Folgenden: Nagelspanne). Die die Klägerin behandelnde Fachärztin für Allgemeinmedizin W verordnete ihr eine "Nagelspange für Orthonyxiebehandlung" (3.6.2013). Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin, die Kosten der [X.]der Podologin [X.]zu übernehmen (zehnmal Regulierung der Nagelspange je 19 Euro: 190 Euro), anders als die Tragung der nachgewiesenen Sachkosten (Nagelspange), ab (Bescheid vom 25.6.2013; Widerspruchsbescheid vom 9.9.2013): Sie dürfe die [X.]nur als vertragsärztliche Leistung erbringen, nicht als selbstständige Leistung einer Podologin. [X.]legte der Klägerin eine [X.]an. Nach Klageerhebung regulierte sie 2014 und 2015 achtmal die Nagelspange (Kosten: 152 Euro). Das [X.]hat die Beklagte zur Erstattung von 152 Euro Behandlungskosten und zur Übernahme künftiger Behandlungs- und Sachkosten verurteilt (Urteil vom 11.5.2016). Die Klägerin hat im Berufungsverfahren ihre Klage auf die Zahlung von 152 Euro beschränkt. Das L[X.]hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Klägerin stehe der Anspruch nach § 13 Abs 3 [X.]zu. Die [X.]sei eine ärztliche Leistung. Insoweit liege aber ein Systemversagen vor, da die medizinisch notwendige, im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) vorgesehene ärztliche Behandlung der Klägerin von keinem Arzt erbracht werde und die Leistung auch nicht als Heilmittel verordnungsfähig sei. Es bestehe daher anstelle der ärztlichen Behandlung ein Anspruch auf Versorgung mit einer eigenverantwortlichen [X.]durch Podologen. Sie seien hinreichend qualifiziert (Urteil vom 11.10.2017).

3

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 13 Abs 3 S 1 SGB V. Der Arztvorbehalt nach § 15 SGB V sei auch im Falle eines Systemversagens beachtlich und stehe der Inanspruchnahme eines nicht zugelassenen Leistungserbringers entgegen.

4

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.]vom 11. Oktober 2017 und des [X.]vom 11. Mai 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

7

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

8

Sie meint, die [X.]unterfalle dem Arztvorbehalt des § 15 SGB V, leistungsbereite Vertragsärzte könne sie aber nicht benennen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der beklagten [X.]ist in vollem Umfang begründet (§ 170 Abs 2 [X.]SGG). Das [X.]hat zu Unrecht deren Berufung gegen das Urteil des [X.]zurückgewiesen. Das [X.]verletzt revisibles Recht. Die Klage der Klägerin auf Erstattung von 152 Euro Kosten für selbst beschaffte nichtärztliche Orthonyxieleistungen ist unbegründet. Die Klägerin hat hierauf keinen Anspruch.

Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten ist allein § 13 Abs 3 [X.]Fall 2 [X.](idF durch Art 1 [X.]5 Buchst b Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung <Gesundheitsstrukturgesetz> vom 21.12.1992, [X.]2266). Hat die [X.]danach eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der [X.]in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Dieser Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die [X.]allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl z[X.][X.]79, 125, 126 f = [X.]3-2500 § 13 [X.]f mwN; [X.]97, 190 = [X.]4-2500 § 27 [X.]12, Rd[X.]mwN - LITT; [X.]100, 103 = [X.]4-2500 § 31 [X.]9, Rd[X.]13). Die Beklagte lehnte es indes rechtmäßig ab, Kosten für veranschlagte podologische Orthonyxieleistungen zu übernehmen

1. Die Klägerin hatte lediglich Anspruch auf (vertrags-)ärztliche Behandlung ihres chronifiziert eingewachsenen Großzehennagels, der 2014 und 2015 eine [X.]erforderte (dazu a), nicht aber Anspruch auf podologische Behandlung als vertragsärztlich verordnetes Heilmittel (dazu b), als Leistungsgegenstand im Rahmen von Modellvorhaben (dazu c) oder zur Schließung einer Versorgungslücke (dazu d), auch wenn eine podologische Heilpraktikerin die Leistung erbrachte.

a) Die vertragsärztliche [X.]umfasst auch die Regulierung einer Nagelspange, wie sie bei der Klägerin in den Jahren 2014 und 2015 erfolgen sollte. Das Regulieren einer Nagelspange ist eine dem [X.]des § 15 Abs 1 S 1, § 28 Abs 1 SG[X.]V unterfallende Leistung. Überzeugend hat das [X.]darauf verwiesen, dass Anhang 1 des [X.](Verzeichnis der nicht gesondert berechnungsfähigen Leistungen) das Anlegen einer Finger- oder Zehennagelspange als ärztliche Leistung beschreibt, die in der Versichertenpauschale enthalten oder möglicher Bestandteil der Grundpauschale ist. Welche Leistungen die [X.]allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben, bemisst sich grundsätzlich nach dem Zusammenspiel von Leistungs- und Leistungserbringungsrecht. Versicherte haben aus § 27 SG[X.]V einen konkreten Individualanspruch, dessen Reichweite und Gestalt sich aus dem Zusammenspiel mit weiteren gesetzlichen und untergesetzlichen Rechtsnormen ergibt (zum [X.]Versicherter vgl B[X.]Beschluss vom 7.11.2006 - [X.]K[X.]32/04 [X.]- Rd[X.]54, [X.]2007, 276; [X.]113, 241 = [X.]4-2500 § 13 [X.]29, Rd[X.]11; [X.]117, 1 = [X.]4-2500 § 28 [X.]8, Rd[X.]14 mwN; [X.]in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, 19. Aufl, Stand 1.4.2018, § 13 SG[X.]V Rd[X.]53 f). Die Krankenbehandlung umfasst ua ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung (§ 27 Abs 1 [X.][X.]V).

Die Regelung des § 28 Abs 1 [X.]bis 3 [X.](idF des Art 1 [X.]Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung <GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG> vom 22.12.2011, [X.]2983, mW vom 1.1.2012) konkretisiert den Begriff der ärztlichen Behandlung einschließlich Psychotherapie (§ 27 Abs 1 [X.][X.]V) abschließend dahin, dass die ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes umfasst, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist (S 1). Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die Hilfeleistung anderer Personen, die von dem Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten ist (S 2). Die Partner der [X.]legen bis zum 30.6.2012 für die ambulante Versorgung beispielhaft fest, bei welchen Tätigkeiten Personen nach [X.]ärztliche Leistungen erbringen können und welche Anforderungen an die Erbringung zu stellen sind (S 3; vgl dazu auch Begründung des Entwurfs des GKV-VStG, BT-Drucks 17/6906 S 54). In Umsetzung des Satzes 3 haben die [X.]und der [X.]die Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 28 Abs 1 [X.][X.](vom 1.10.2013) als Anlage 24 zum [X.]geschlossen, die in ihrem Anhang einen nicht abschließenden Beispielskatalog enthält.

Zwingende Voraussetzung ärztlicher Krankenbehandlung als ein zentraler Bestandteil des [X.]ist, dass der Behandler Arzt im berufsrechtlichen Sinne ist. Ärztlicher Behandler ist nur, wer über eine staatliche [X.]verfügt. Die Anknüpfung an die [X.]als von anderen staatlichen Stellen durchgeführte Prüfung und Bestätigung der berufsrechtlichen Mindestqualifikation bei Krankenbehandlung durch Behandler in eigener Verantwortung ist ein prägendes Merkmal der [X.]von Anbeginn. So sah die [X.]schon im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens für alle Versicherungszweige in ihrem § 122 vor, dass ärztliche Behandlung iS der [X.]nur durch approbierte Ärzte geleistet werden darf. Denn bei ihnen ist in [X.]Betrachtungsweise - ohne dass im Einzelfall ein Gegenbeweis geführt werden kann - davon auszugehen, dass sie aufgrund ihrer langjährigen theoretischen und praktischen Ausbildung und der Ablegung staatlicher Prüfungen den Anforderungen entsprechen, die für eine effektive, den [X.]der [X.]entsprechende Krankenbehandlung erforderlich sind. Diese Vorschrift ist zwar mit Inkrafttreten des [X.]aufgehoben worden. Das [X.]erwähnt in § 15 und § 27 die [X.]als Voraussetzung nicht ausdrücklich. Die Rechtslage hat sich mit Inkrafttreten des [X.]jedoch nicht geändert, weil der in den §§ 15 Abs 1, 27 Abs 1 [X.]geregelte [X.]mit der Bezugnahme auf den Arzt nur den approbierten Heilbehandler meint. Der in §§ 15 Abs 1 und 27 Abs 1 [X.]geregelte [X.]beinhaltet einen generellen Ausschluss nichtärztlicher Heilbehandler von der nicht ärztlich angeleiteten selbstständigen und eigenverantwortlichen Behandlung der Versicherten der [X.](vgl zum Ganzen B[X.]Urteil vom 13.12.2016 - [X.]K[X.]4/16 [X.]- Juris Rd[X.]16).

Um dem [X.]zu genügen, muss der Arzt die Leistung nicht völlig allein erbringen. Er darf sich bei der Erbringung seiner Leistungen erforderlicher unselbstständiger Hilfeleistungen anderer Personen, auch Podologen, aber nur bedienen, wenn er die unselbstständige Hilfeleistung anordnet und verantwortet. Der [X.]lässt es zu, dass Ärzte sich der Hilfeleistungen anderer Personen bedienen (§ 15 Abs 1 S 2, § 27 Abs 1 [X.]SG[X.]V). Anders als noch unter Geltung der [X.]erfasst die Hilfeleistung anderer Personen nach § 15 Abs 1 S 2, § 28 Abs 1 [X.][X.]sowohl unselbstständig tätige Hilfspersonen als auch selbstständig tätige Leistungserbringer, insbesondere auch im Bereich der Heilmittel (vgl stRspr, vgl z[X.]B[X.][X.]3-2500 § 33 [X.]25 S 148; [X.]80, 181, 183 = [X.]3-2500 § 13 [X.]f; [X.]109, 116 = [X.]4-2500 § 125 [X.]7, Rd[X.]13; [X.]109, 122 = [X.]4-2500 § 42 [X.]1, Rd[X.]21; ausführlich dazu [X.]in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, 19. Aufl, Stand 90. Lieferung 2019, im Erscheinen begriffen, § 15 Rd[X.]50 ff). Auch [X.]als ärztliche Leistung unter Mithilfe unselbstständiger Hilfeleistungen anderer Personen gehört zum GKV-Leistungskatalog. Dem steht der Anhang zur Anlage 24 zum [X.]nicht entgegen, da er nicht abschließend ist. Nach diesen Grundsätzen darf ein Vertragsarzt [X.]unter Mithilfe unselbstständig tätiger - auch podologischer Hilfspersonen - erbringen, soweit er sie anordnet und verantwortet.

Der Antrag der Klägerin war nicht darauf gerichtet, dass ein Vertragsarzt in diesem Sinne durch die Podologin [X.]eine ärztliche [X.]erbringen sollte. Die Beklagte wies zu Recht darauf hin, dass in einem solchen Fall lediglich der Vertragsarzt mit seiner [X.]abrechnet. Die unselbstständige Hilfsperson ist nicht zur eigenständigen Abrechnung befugt. Wäre etwa die Podologin [X.]als unselbstständige Hilfsperson der Fachärztin für Allgemeinmedizin W tätig geworden, hätte die Beklagte den Leistungsanspruch der Klägerin als Sachleistung erfüllt. Eine gleichwohl von [X.]erstellte und von der Klägerin beglichene Rechnung würde keinen Kostenerstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte begründen, sondern allenfalls einen Bereicherungsanspruch der Klägerin gegen [X.]zur Folge haben.

b) Die Beklagte lehnte rechtmäßig einen Anspruch der Klägerin auf podologische Behandlung als vertragsärztlich verordnetes Heilmittel ab. Nach § 2 Abs 1 [X.]und 2 [X.]sind Heilmittel persönlich zu erbringende medizinische Leistungen. Hierzu zählen auch die einzelnen Maßnahmen der podologischen Therapie nach § 28 Abs 4 [X.]bis 4 [X.]als verordnungsfähige Heilmittel. Als Voraussetzung bestimmt aber § 27 Abs 1 [X.]HeilM-RL, dass Maßnahmen der podologischen Therapie nur dann verordnungsfähige Heilmittel sind, wenn sie zur Behandlung krankhafter Schädigungen am Fuß infolge Diabetes mellitus (diabetisches Fußsyndrom) dienen.

Die Klägerin beantragte aber nicht podologische Behandlung wegen eines diabetischen Fußsyndroms, an dem sie nicht leidet. Im Übrigen ist gerade die Behandlung von eingewachsenen Nägeln auch beim diabetischen Fußsyndrom der ärztlichen Behandlung vorbehalten (§ 27 Abs 3 [X.]HeilM-RL). Ungeachtet der Frage, ob die [X.]im Hinblick auf die Begrenzung podologischer Leistungen wirksam ist, kann der Klägerin nicht schon aus einer eventuellen Nichtigkeit der Regelung ein Anspruch auf Verordnung einer [X.]als Heilmittel nach § 32 SG[X.]V erwachsen.

c) Die Beklagte lehnte rechtmäßig einen Anspruch der Klägerin auf selbstständige podologische Behandlung durch [X.]im Ergebnis auch insoweit ab, als diese kein Leistungsgegenstand im Rahmen von Modellvorhaben sein kann. Eine [X.]kann nicht ausnahmsweise nach der [X.]nach § 63 Abs 3c SG[X.]V als eine ärztliche Leistungen substituierende Leistung [X.]der [X.]zur selbstständigen Ausübung von Heilkunde zu Lasten der [X.]erbracht werden. Die [X.]ist im Teil [X.]der [X.]nach § 63 Abs 3c SG[X.]V nicht als eine übertragbare ärztliche Tätigkeit zur selbstständigen Ausübung von Heilkunde durch Berufsangehörige der [X.]ausgewiesen.

d) Die Beklagte lehnte rechtmäßig einen Anspruch der Klägerin auf selbstständige podologische Behandlung durch [X.]im Ergebnis auch insoweit ab, als diese kein Leistungsgegenstand zur Schließung einer Lücke in der vertragsärztlichen Versorgung sein kann. Die Beklagte wäre nicht befugt gewesen, die Klägerin unter dem Gesichtspunkt eines richtlinienbezogenen Systemversagens mit der Leistung zu versorgen, die die Klägerin selbst beschafft hat. Der [X.]hat es nicht pflichtwidrig unterlassen, die [X.]in die [X.]aufzunehmen. Auch die Qualifikation von Podologen als Heilpraktiker ist ohne Belang.

aa) Eine Leistungspflicht der [X.]wegen Systemversagens kann nach der Rspr des erkennenden Senats ausnahmsweise ungeachtet des in § 138 SG[X.]V aufgestellten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung eines neuen Heilmittels darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem [X.]trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. Dafür, dass diese Voraussetzungen erfüllt waren, hat weder das [X.]etwas festgestellt noch ist sonst etwas vorgetragen. Im Übrigen war die gesamte [X.]einschließlich Regulierung der Nagelspange im hier maßgeblichen Zeitraum 2014 und 2015 - wie dargelegt - Bestandteil des [X.](vgl Verzeichnis der nicht gesondert berechnungsfähigen Leistungen: Anlegen einer Finger- oder Zehennagelspange, enthalten in der [X.]bzw 4 und möglicher Bestandteil der Grundpauschale<n>).

bb) Ein Systemversagen, das sich daraus ergibt, dass die Klägerin keine Vertragsärzte findet, die eine [X.]erbringen können und wollen, und die Beklagte sowie die Beigeladene der Klägerin auch keine leistungsbereiten Vertragsärzte benennen können, begründet keinen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf die Verschaffung einer als ärztliche Leistung gebotenen Behandlung durch einen Nichtarzt. Es handelt sich bei dem Erfordernis, im berufsrechtlichen Sinn Arzt zu sein, nicht bloß um eine spezifisch leistungserbringungsrechtliche Voraussetzung, die im Falle eines Systemversagens verzichtbar wäre, sondern um eine vom [X.]als zwingende berufliche Mindestqualifikation aufgestellte Tatbestandsvoraussetzung für den Behandlungsanspruch (vgl zu einer als Heilpraktikerin tätigen Diplompsychologin B[X.]Urteil vom 13.12.2016 - [X.]K[X.]4/16 [X.]- Juris Rd[X.]17).

Hingegen wäre es der Klägerin unbenommen gewesen, in der Situation eines durch Rückfragen bei der Beklagten abgesicherten vertragsärztlichen Systemversagens einen Privatarzt aufzusuchen und sich von ihm behandeln zulassen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.]ergibt sich nicht, dass auch kein Privatarzt bereit war, eine [X.]durchzuführen. In der [X.]der Anlage Gebührenverzeichnis für ärztliche Leistungen zur GOÄ ist das Anlegen einer Finger- oder Zehennagelspange aufgeführt und mit der Punktzahl 45 ausgewiesen. Allerdings ist es nicht auszuschließen, dass die Klägerin wegen der maximal vereinbarungsfähigen (§ 2 Abs 1 [X.]GOÄ) geringen Gebührenhöhe auch keinen Arzt findet, der bereit ist, die Leistung privatärztlich zu erbringen. Selbst wenn das Anlegen der Nagelspange deren Regulierung nicht erfassen würde, griffe § 6 Abs 2 GOÄ ein, wonach selbstständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, (nur) entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden können.

Die Beigeladene ist jedoch verpflichtet, entsprechend ihrem Sicherstellungsauftrag (§ 72, § 75 Abs 1 SG[X.]V) zu gewährleisten, dass Vertragsärzte [X.]erbringen. Gegebenenfalls sind disziplinarische Maßnahmen zu ergreifen (§ 81 Abs 5 SG[X.]V). Kommt die Beigeladene ihren Verpflichtungen nicht nach, sind auch aufsichtsrechtliche Maßnahmen gegen die Beigeladene in Betracht zu ziehen. Seit 2016 umfasst der Sicherstellungsauftrag ausdrücklich auch die angemessene und zeitnahe Zurverfügungstellung der fachärztlichen Versorgung. Hierzu haben die Kassenärztlichen Vereinigungen Terminservicestellen einzurichten; die Terminservicestellen können in Kooperation mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den [X.]betrieben werden. Die Terminservicestelle hat Versicherten bei Vorliegen einer Überweisung zu einem Facharzt innerhalb einer Woche einen Behandlungstermin bei einem Leistungserbringer nach § 95 Abs 1 [X.][X.]zu vermitteln (vgl näher § 75 Abs 1a SG[X.]V). Behandelt ein Vertragsarzt einen Versicherten mit eingewachsenen Zehennägeln nicht und erleidet der Versicherte dadurch einen Gesundheitsschaden, haftet der Vertragsarzt insbesondere auch dann, wenn das Unterlassen der Behandlung einen chirurgischen Eingriff erfordert, der durch die [X.]vermeidbar gewesen wäre. Insoweit kommt aus der Garantenstellung des Vertragsarztes ein zivilrechtlicher Schmerzensgeldanspruch des Versicherten gegen den Vertragsarzt auch dann in Betracht, wenn der chirurgische Eingriff erfolgreich ist (vgl aber [X.]Urteil vom 25.3.2015 - I-5 U 100/14, 5 U 100/14 - Juris Rd[X.]28 = [X.]2015/26; Garantenstellung bei Nichtbehandlung nur bei einer Notlage).

Soweit Versicherte sich privatärztlich behandeln lassen müssen, kann die [X.]die den Versicherten zu erstattenden Kosten als Schadensersatz wegen pflichtwidriger Verletzung des [X.]bei der zuständigen [X.]einfordern (§ 54 Abs 3 BMV-Ä; vgl auch [X.]122, 112 = [X.]4-2500 § 75 [X.]18, Rd[X.]54, dort zur konzertierten Praxisschließung - "Ärztestreik").

cc) Die Beklagte lehnte rechtmäßig einen Anspruch der Klägerin auf selbstständige podologische Behandlung im Ergebnis auch insoweit ab, als die behandelnde Podologin "Heilpraktikerin HPG (beschränkt auf das Gebiet der Podologie)" ist. Der Ausschluss der Heilpraktiker von der selbstständigen Leistungserbringung in der [X.]ist mit Art 12 Abs 1 GG vereinbar und verstößt auch nicht gegen Art 3 Abs 1 GG ([X.]78, 155 = [X.]2200 § 368 [X.]11). Das [X.]hat bezogen auf eine Heilpraktikerbehandlung zudem entschieden, dass sich aus Art 2 Abs 2 [X.]GG kein verfassungsrechtlicher Anspruch Versicherter darauf ergibt, dass ein bestimmter, im [X.]nicht vorgesehener Leistungserbringer im Rahmen der [X.]tätig werden darf ([X.]<Kammer> Beschluss vom 15.12.1997 - 1 Bv[X.]1953/97 - NJW 1998, 1775). Auch das B[X.]hat sich mit der Problematik der Erstattungsfähigkeit von Kosten für die Behandlung durch einen Heilpraktiker bereits mehrfach befasst und entschieden, dass der im Recht der [X.]geregelte [X.]einen generellen Ausschluss nichtärztlicher Heilbehandler von der selbstständigen und eigenverantwortlichen Behandlung der Versicherten beinhaltet und dies verfassungsgemäß ist ([X.]48, 47 = [X.]2200 § 368 [X.]4; [X.]72, 227 = [X.]3-2500 § 15 [X.]2; B[X.]Urteil vom 11.10.1994 - 1 RK 26/92 - Juris = USK 94128; B[X.]Urteil vom 13.12.2016 - [X.]K[X.]4/16 [X.]- Juris Rd[X.]18). Hieran hält der erkennende Senat fest.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Meta

B 1 KR 34/17 R

18.12.2018

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Berlin, 11. Mai 2016, Az: S 111 KR 2103/13, Urteil

§ 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB 5, § 15 Abs 1 S 1 SGB 5, § 15 Abs 1 S 2 SGB 5, § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 5, § 28 Abs 1 S 1 SGB 5, § 28 Abs 1 S 2 SGB 5, § 28 Abs 1 S 3 SGB 5 vom 22.12.2011, § 32 SGB 5, § 63 Abs 3c SGB 5, § 72 SGB 5, § 75 Abs 1 SGB 5, § 75 Abs 1a SGB 5, § 82 Abs 1 SGB 5, § 87 Abs 1 SGB 5, § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB 5, § 95 Abs 1 S 1 SGB 5, § 138 SGB 5, Anl 24 BMV-Ä, § 54 Abs 3 BMV-Ä, § 2 Abs 1 S 1 HeilMRL, § 2 Abs 1 S 2 HeilMRL, § 27 Abs 3 S 2 HeilMRL, § 28 Abs 4 HeilMRL, Teil B SGBV§63RL, Kap 3 EBM-Ä 2008, Kap 4 EBM-Ä 2008, Anh 1 EBM-Ä 2008, § 2 Abs 1 S 1 GOÄ 1982, § 6 Abs 2 GOÄ 1982, Nr 2036 GOÄ 1982, § 122 RVO, Art 2 Abs 2 S 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 18.12.2018, Az. B 1 KR 34/17 R (REWIS RS 2018, 274)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 274

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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