Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.10.2021, Az. 5 AZR 545/20

5. Senat | REWIS RS 2021, 1907

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Gegenstand

Auslegung TV-L (Vergütung für Wegezeiten)


Tenor

1. Auf die Revision des beklagten [X.] wird das Urteil des [X.]arbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. Oktober 2020 - 13 Sa 1593/19 - teilweise aufgehoben, soweit es eine Verpflichtung des beklagten [X.] zur Vergütung von innerbetrieblichen Wegezeiten festgestellt hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 27. März 2019 - 60 Ca 15365/17 - zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision über die Verpflichtung des beklagten [X.], Wegezeiten zum dienstlichen [X.] zu vergüten.

2

Der Kläger ist beim beklagten Land als Wachpolizist im Zentralen Objektschutz tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet [X.] der TV-L Anwendung. Der Kläger war in der [X.] vom 25. Juni 2015 bis zum 31. Dezember 2018 an der [X.]otschaft, U, [X.] eingesetzt. Ab Januar 2019 wurde der Kläger zunächst nur in den Monaten Januar, März, Mai und Juli 2019 im mobilen Objektschutz mit Dienstantritt auf dem [X.], [X.], [X.] eingesetzt. Seit dem 1. September 2019 wird er dauerhaft im mobilen Objektschutz mit Dienstantritt auf der [X.], [X.] eingesetzt.

3

Die [X.] müssen den Dienst in angelegter Uniform nebst persönlicher Schutzausrüstung (iF [X.]) und [X.] Dienstwaffe antreten. Auf der dunklen Oberbekleidung der Uniform ist in weißer Schrift der Schriftzug „[X.]“ aufgebracht. Es ist den [X.] freigestellt, ob sie den Weg zum und vom Dienst in Uniform zurücklegen. Die Dienstwaffe ist nach einer Geschäftsanweisung des beklagten [X.] über den Umgang mit Faustfeuerwaffen im streifenfertigen Zustand zu führen. [X.] ist es gestattet, die Dienstwaffe mit nach Hause zu nehmen, sofern dort eine geeignete Aufbewahrungsmöglichkeit besteht. Auf dem Weg zum und vom Dienst ist es den [X.] freigestellt, die Dienstwaffe mit oder ohne Dienstkleidung zu tragen.

4

Dem Kläger steht an der [X.]otschaft kein [X.] und kein Umkleideraum zur Verfügung. Auf dem [X.] befindet sich ein dem Kläger zugewiesener Spind, jedoch steht ihm dort kein [X.] zur Verfügung. [X.] und Spinde finden sich auf der [X.]. Die [X.] befand sich bis zum 30. April 2017 in der [X.], [X.], seit dem 1. Mai 2017 befindet sie sich in der [X.], [X.]. Der Kläger verwahrt seine Dienstwaffe - mit Ausnahme der Monate Januar, März, Mai und Juli 2019 - im [X.] in der [X.]. Dort rüstet er sich, kleidet sich um und legt den Weg zum Schutzobjekt [X.]otschaft zu Fuß zurück.

5

Mit seiner Klage hat der Kläger - soweit diese in die Revision gelangt ist - die Feststellung der Vergütungspflicht für die von ihm aufgewandten Wegezeiten zwischen den [X.]n und der [X.]otschaft verlangt. Er hat gemeint, diese Wegezeiten seien zu vergütende Arbeitszeit.

6

Der Kläger hat - soweit für die Revision von [X.]edeutung - zuletzt sinngemäß beantragt

        

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die vom Kläger in der [X.] vom 1. April 2016 bis zum 30. April 2017 zusätzlich erbrachte Arbeitszeit im Umfang von drei Minuten je einfacher Wegstrecke an den Tagen, an denen er tatsächlich gearbeitet hat, durch Zurücklegen der Wegezeiten zwischen der [X.] in der Dstraße, [X.] und der [X.]otschaft, U, [X.]

        

sowie die vom Kläger in der [X.] vom 1. Mai 2017 bis zum 31. Dezember 2018 sowie in den Monaten Februar, April, Juni und August 2019 zusätzlich erbrachte Arbeitszeit im Umfang von drei Minuten je einfacher Wegstrecke an den Tagen, an denen er tatsächlich gearbeitet hat, durch Zurücklegen der Wegezeiten zwischen der [X.] in der Fstraße, [X.] und der [X.]otschaft, U, [X.], zu vergüten.

7

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.

8

Das Arbeitsgericht hat das beklagte Land zu einer [X.]gutschrift auf dem für den Kläger geführten Arbeitszeitkonto verurteilt, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das erstinstanzliche Urteil vom 27. März 2019 wurde vom Vorsitzenden der Kammer am 6. September 2019 der Geschäftsstelle übergeben. Dem Prozessbevollmächtigten des [X.] wurde das Urteil am 11. September 2019 zugestellt.

9

Soweit für die Revision von [X.]edeutung, hat das [X.]arbeitsgericht auf die [X.]erufung des [X.] eine Vergütungspflicht des beklagten [X.] für Wegezeiten des [X.] zwischen der [X.] in der [X.] und der [X.]otschaft in der [X.] vom 1. April 2016 bis zum 30. April 2017 und zwischen der [X.] in der [X.] und der [X.]otschaft in der [X.] vom 1. Mai 2017 bis zum 31. Dezember 2018 sowie in den Monaten Februar, April, Juni und August 2019 jeweils im Umfang von drei Minuten je einfacher Wegstrecke für die Tage, an denen er tatsächlich gearbeitet hat, festgestellt. Das beklagte Land begehrt mit seiner Revision weiterhin die Abweisung der Klage in [X.]ezug auf die Feststellung dieser Vergütungspflichten.

Entscheidungsgründe

Die Revision des beklagten [X.] ist begründet. [X.] hat das [X.]arbeitsgericht eine Vergütungspflicht für die [X.] des Zurücklegens des Weges zwischen den [X.] und der Botschaft angenommen. Insoweit ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Berufung des [X.] gegen das erstinstanzliche Urteil in diesem Umfang zurückzuweisen.

I. Die Revision des beklagten [X.] ist nicht bereits deshalb begründet, weil die Berufung des [X.] unzulässig gewesen wäre. Das [X.]arbeitsgericht ist zu Recht von der Zulässigkeit der Berufung des [X.] ausgegangen. Zwar ist die Berufungsschrift bereits vor Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils des Arbeitsgerichts eingelegt und begründet worden. Dennoch entspricht die Berufungsbegründung den gesetzlichen Anforderungen iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Ausreichend ist die vom Kläger erhobene Rüge der Verletzung der Fünfmonatsfrist, denn das mit Gründen versehene erstinstanzliche Urteil ist erst nach Ablauf von fünf Monaten vom Vorsitzenden der Kammer der Geschäftsstelle übergeben worden. Dies hat der Senat in einem Parallelverfahren entschieden, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird ([X.] 13. Oktober 2021 - 5 [X.] - Rn. 15 - 17). Der vorliegende Sachverhalt entspricht insoweit demjenigen des vorgenannten Verfahrens.

II. Der Antrag auf Feststellung der Vergütungspflicht von [X.] ist in der zuletzt gestellten Fassung nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Dies hat der Senat in einem Parallelverfahren entschieden, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird ([X.] 13. Oktober 2021 - 5 [X.] - Rn. 12). Der vorliegende Sachverhalt entspricht insoweit demjenigen des vorgenannten Verfahrens. Ob aufgrund der Umstellung der Anträge eine Klageänderung im Berufungsverfahren vorgelegen hat und die Voraussetzungen des § 533 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG erfüllt waren, ist vom Revisionsgericht analog § 268 ZPO nicht zu überprüfen. Das [X.]arbeitsgericht hat über die Streitgegenstände sachlich entschieden (vgl. [X.] 27. Mai 2015 - 5 [X.] - Rn. 24, [X.]E 152, 1).

III. Der Antrag auf Feststellung der Vergütungspflicht von [X.] zwischen den [X.] und der Botschaft ist unbegründet. [X.] hat das [X.]arbeitsgericht angenommen, dass diese [X.]en vergütungspflichtige Arbeitszeiten iSv. § 611 Abs. 1 BGB bzw. seit dem 1. April 2017 iSv. § 611a Abs. 2 BGB sind.

1. Die [X.] zwischen den jeweiligen [X.], in denen sich die vom Kläger genutzten dienstlichen [X.] befinden, und dem [X.] sind keine vergütungspflichtigen Arbeitszeiten nach § 611 Abs. 1 BGB bzw. seit dem 1. April 2017 nach § 611a Abs. 2 BGB. Zwar können dienstlich veranlasste Umwegezeiten vergütungspflichtig sein, wenn sich der direkte Weg zum Arbeitsort aufgrund des Aufsuchens des dienstlichen [X.] verlängert (vgl. hierzu das Parallelverfahren [X.] 13. Oktober 2021 - 5 [X.] - Rn. 18 ff.). Der Kläger hat jedoch keinen schlüssigen Vortrag zum Vorliegen solcher Umwegezeiten geleistet. Er trägt nicht - wie erforderlich - vor, dass sich sein Arbeitsweg, dh. der Weg vom Wohnsitz zum Einsatzort aufgrund des Aufsuchens der dienstlichen [X.] in den [X.] verlängert, mithin ein Umweg vorliegt.

2. Der Senat kann in der Sache selbst endentscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Eines richterlichen Hinweises an den Kläger zur fehlenden Schlüssigkeit bedurfte es nicht. Bereits am 31. März 2021 hat der Senat in einem Parallelverfahren entschieden, dass die für das Aufsuchen des [X.] aufgewendete [X.] nicht insgesamt vergütungspflichtig ist, weil zu berücksichtigen ist, dass der Weg zur Arbeit nicht zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehört. Daher ist nur die [X.], um die sich der direkte Weg zum Arbeitsort verlängert, zu vergüten (vgl. [X.] 31. März 2021 - 5 [X.] - Rn. 27). Der Kläger hat in der Revisionsinstanz keine Gegenrüge in Bezug auf einen insoweit von der Tatsacheninstanz unterlassenen Hinweis erhoben.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

        

    Linck    

        

    Bubach    

        

    Volk    

        

        

        

    Jungbluth    

        

    Zorn    

                 

Meta

5 AZR 545/20

13.10.2021

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Berlin, 27. März 2019, Az: 60 Ca 15365/17, Urteil

§ 611 Abs 1 BGB, § 611a Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.10.2021, Az. 5 AZR 545/20 (REWIS RS 2021, 1907)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1907

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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