Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2010, Az. AnwZ (B) 1/10

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2010, 1190

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BUNDESGERICHTSHOF [X.](B) 1/10 vom 22. Novem[X.]2010 in dem Verfahren wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft - 2 - Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch [X.]Ernemann, die Richterinnen [X.]und Dr. Fetzer, den Rechts-anwalt Dr. [X.]sowie die Rechtsanwältin [X.] nach mündlicher Verhandlung am 22. Novem[X.]2010 beschlossen: Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des [X.]Senats des Anwaltsgerichtshofs [X.]vom 21. Novem[X.]2009 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstande-nen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 • festgesetzt. Gründe: [X.]Der Antragsteller ist seit Juni 1994 im Bezirk der Antragsgegnerin als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Bescheid vom 26. Mai 2009 widerrief die An-tragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls. Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Ent-scheidung hat der [X.]zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde. 1 - 3 - I[X.]2 Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 215 Abs. 3 BRAO, § 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 [X.]a.F.), hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. 3 1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwalt-schaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, die Interessen der Rechtsuchenden sind hierdurch nicht gefährdet. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind das Erwirken von Schuldtiteln und Vollstre-ckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbe-schluss vom 31. Mai 2010 - [X.](B) 27/09, Z[X.]2010, 1380 Rn. 4 m.w.N.). Zudem besteht nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO eine gesetzliche Vermutung für den Eintritt eines Vermögensverfalls, wenn der Rechtsanwalt in dem vom [X.]oder vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 915 ZPO) eingetragen ist. 2. Diese Voraussetzungen lagen bei Erlass des [X.]vor. 4 a) Zu diesem Zeitpunkt war der gesetzliche Vermutungstatbestand erfüllt. Die Antragsgegnerin und die Landesoberkasse Me.

erwirkten beim Amtsgericht Ma. gegen den Antragsteller am 2. März 2009 und am 8. Mai 2009 Haftbefehle zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versi-cherung. Seit diesem Zeitpunkt ist der Antragsteller in das dortige [X.]eingetragen (§ 915 ZPO). Die dadurch begründete Vermutung für seinen Vermögensverfall hat der Antragsteller nicht widerlegt. Das Gegenteil ist der Fall. Denn die gesetzliche Vermutung wird durch Beweisanzeichen unter-mauert. Gegen den Antragsteller wurden schon seit mehreren Jahren immer 5 - 4 - wieder Klage- und Zwangsvollstreckungsverfahren betrieben. Ausweislich der von der Antragsgegnerin erstellten Übersicht waren bis Mai 2009 27 gegen den Antragsteller allein in den Jahren 2008 und 2009 angestrengte Verfahren [X.]geworden, darunter neun Vollstreckungsaufträge. Die teilweise auch we-gen verhältnismäßig geringfügiger Forderungen gegen den Antragsteller einge-leiteten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zeigen, dass dessen finanzielle Verhältnisse zu beengt waren, um noch ein geordnetes Wirtschaften zu ermög-lichen. b) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsan-walts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ver-bunden. Diese Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubi-gern gerechtfertigt (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 5. Dezem[X.]2005 - [X.](B) 13/05, NJW-RR 2006, 559 Rn. 8, und vom 25. Juni 2007 - [X.](B) 101/05, NJW 2007, 2924 Rn. 8 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass eine Gefährdung von Mandanteninteressen ausnahmsweise nicht bestand (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Okto[X.]2004 - [X.](B) 43/03, NJW 2005, 511 unter II 2 c; vom 25. Juni 2007 - [X.](B) 101/05, aaO Rn. 9 ff.; vom 15. Sep-tem[X.]2008 - [X.](B) 67/07, AnwBl. 2009, 64 Rn. 5; vom 31. Mai 2010 - [X.](B) 27/09, aaO Rn. 16 ff.), sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Bei Erlass des [X.]hatte sich die Gefahr im Gegenteil bereits in mehreren Fällen verwirklicht. So hatten die Gläubiger [X.] , [X.]

, [X.] und R. beim Amtsgericht Ma.

und Landgericht Ma.

Klage wegen unterbliebener Auskehrung von [X.]erhoben. In zwei Verfahren erließ das Amtsgericht Ma.

am 13. Januar 2009 ([X.]

) beziehungs-weise am 5. März 2009 (W. ) Versäumnisurteile gegen den Antragsteller. Au-ßerdem wickelt der Antragsteller nach den unangegriffenen Feststellungen des 6 - 5 - Anwaltsgerichtshofs eingehende [X.]ü[X.]sein gewöhnliches Ge-schäftskonto ab und setzt diese so verstärkt dem Zugriff von Gläubigern aus. 7 3. Die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung sind auch nicht nachträglich entfallen. 8 a) Zwar scheidet nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Wider-ruf der Zulassung aus, wenn der [X.]im Verlauf des Verfahrens ent-fallen ist (BGH, Beschlüsse vom 12. Novem[X.]1979 - [X.](B) 16/79, BGHZ 75, 356, 357, und vom 17. Mai 1982 - [X.](B) 5/82, BGHZ 84, 149, 150). Dies setzt a[X.]voraus, dass der Fortfall des Widerrufsgrunds, hier des Vermögens-verfalls, von dem Rechtsanwalt zweifelsfrei nachgewiesen wird (Senatsbe-schluss vom 31. Mai 2010 - [X.](B) 27/09, aaO Rn. 10 m.w.N.). Die [X.]und Beweislast dafür, dass es ihm gelungen ist, den Vermögensverfall zu beseitigen, trifft den Rechtsanwalt (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Mai 2010 - [X.](B) 27/09, aaO m.w.N.), dem eine entsprechende Mitwirkungspflicht nach § 215 Abs. 3 [X.]in Verbindung mit § 36a [X.]a.F. obliegt. Dieser Nachweis ist nicht geführt. b) Die Vermögensverhältnisse des Antragstellers haben sich nicht nach-träglich konsolidiert. Er ist nach wie vor im Schuldnerverzeichnis des Amtsge-richts Ma.
eingetragen. Zwar hat der Antragsteller den in der Vollstre-ckung befindlichen Beitragsrückstand der Antragsgegnerin zwischenzeitlich ausgeglichen, so dass der in dieser Sache erwirkte Haftbefehl zu löschen ist. Jedoch sind - wie das Amtsgericht Ma.

mit Schreiben vom 27. Mai 2010 und 3. August 2010 mitgeteilt hat - nach Erlass des [X.]acht weitere Haftbefehle im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts Ma. ein-getragen worden. Nach der im Verlauf der heutigen mündlichen Verhandlung eingeholten Auskunft des Amtsgerichts Ma.
sind aktuell sogar neun 9 - 6 - Haftbefehle im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Die damit fortbestehende gesetzliche Vermutung für seinen Vermögensverfall hat der Antragsteller nicht entkräften können, denn er hat nicht den Nachweis erbracht, dass der [X.](nachhaltig) beseitigt ist. 10 Hierfür ist zunächst erforderlich, dass der betroffene Rechtsanwalt seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend dartut und belegt. [X.]muss er eine Aufstellung sämtlicher gegen ihn erhobener Forderungen vorlegen und im Einzelnen konkret und nachvollziehbar vortragen, ob [X.]zwischenzeitlich getilgt worden sind oder in welcher Weise er die beste-henden Verbindlichkeiten zu tilgen gedenkt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. De-zem[X.]1991 - [X.](B) 40/91, juris Rn. 6; vom 10. August 2009 - [X.](B) 40/08, juris Rn. 10). Zudem setzt eine nachträgliche Konsolidierung voraus, dass der Rechtsanwalt ü[X.]die Begleichung der aufgelaufenen Schulden oder ihre geordnete Rückführung hinaus erreicht, dass dauerhaft keine neuen Schulden entstehen, deren ordnungsgemäße Begleichung nicht sichergestellt ist, etwa durch entsprechende Geldmittel oder eingehaltene Zahlungsvereinba-rungen mit den jeweiligen Gläubigern (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Juli 2010 - [X.](B) 113/09, Rn. 10, abrufbar ü[X.]die Homepage des Bundesgerichts-hofs). c) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist eine nachträgliche Konsolidie-rung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers nicht eingetreten. 11 aa) Er hat zwar im Vorfeld zur mündlichen Verhandlung zu der von der Antragsgegnerin erstellten Übersicht offener Forderungen (Stand Mai 2009) und zu einer - von ihm zwischenzeitlich vorlegten - Aufstellung der [X.] vom 8. August 2010 Stellung genommen. Seinen An-gaben im Schriftsatz vom 14. April 2010 ist zu entnehmen, dass er nachweislich 12 - 7 - Anstrengungen unternommen hat, die bestehenden Verbindlichkeiten zu tilgen. Jedoch hat er keine vollständige Tilgung erreichen können. Nach der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten aktualisierten Aufstellung der Oberge-richtsvollzieherin U. sind bei dieser derzeit noch zwei [X.]offen (Forderung der [X.]

ü[X.]802,65 • und Forderung der Wü.

Rechtsschutz ü[X.]4.612,16 •). In Höhe der letztge-nannten Forderung hat der Antragsteller seinem Verfahrensbevollmächtigten einen Bargeldbetrag mit der Weisung ausgehändigt, diesen an die Gerichtsvoll-zieherin weiterzuleiten. bb) Der Antragsteller hat damit belegt, dass er seine Verbindlichkeiten in erheblichem Umfang zurückführen konnte. Auch hat er durch Vorlage von - dem jeweiligen Gläubiger erteilter - Haftbefehlsausfertigungen nachgewiesen, dass mit Ausnahme der in den Verfahren M 7

(M.

AG),

M 5

(Versorgungswerk der Rechtsanwälte) und

M
4 ([X.] Me.

) erwirkten Haftbefehle die Voraussetzungen für die Löschung der eingetragenen Haftbefehle vorliegen. Dieses Vorbringen genügt jedoch nicht für einen zweifelsfreien Nachweis einer nachträglichen Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers. Denn auch wenn der Antragsteller seine Verbindlichkeiten in erheblichem Umfang tilgen konnte, ändert dies nichts daran, dass er keine geordnete Aufstellung seiner finanziellen Verhältnisse [X.]hat. Er hat sich bis zum Schluss nur auf punktuelle Angaben zu einzel-nen Verbindlichkeiten beschränkt und nicht - wie geboten - zu sämtlichen For-derungspositionen unter Vorlage aussagekräftiger Unterlagen präzise Stellung bezogen. Hinsichtlich des Umfangs der noch offenen Forderungen hat er sich schriftsätzlich mit einer unbestätigten Schätzung begnügt. Danach beliefen sich seine Verbindlichkeiten zum 14. April 2010 auf etwa 21.000 •. Belegt hat er diese Angaben jedoch nicht. In der mündlichen Verhandlung hat er keine weite-ren Unterlagen vorgelegt, die einen belegbaren Aufschluss ü[X.]seine Gesamt-13 - 8 - verbindlichkeiten geben könnten. Die Aufstellung der [X.] reicht hierfür nicht aus. Auch hat der Antragsteller den Inhalt der [X.]nicht ausreichend nachgewiesen. Damit fehlt es an einem ausreichenden Beleg für eine gesicherte Tilgung aller derzeit bestehenden Schulden. 14 cc) Der Antragsteller hat a[X.]nicht nur den Stand seiner Verbindlichkei-ten unzureichend dargetan und belegt, sondern auch zum Umfang seiner [X.]nur pauschale, nicht nachprüfbare Angaben gemacht. Insoweit hat er im Vorfeld der mündlichen Verhandlung lediglich die auf keine belastbaren Fakten gestützte Erwartung geäußert, seine wirtschaftlichen Verhältnisse aufgrund von Einnahmen aus "größeren Mandaten" zukünftig ordnen zu können. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat er die - nicht durch Unterlagen belegte - Erklä-rung abgegeben, seine [X.]habe sich soweit verbessert, dass er hiervon seinen Lebensunterhalt bestreiten und bestehende Schulden zurück-führen könne. Angesichts dieser nach wie vor lückenhaften Angaben ist a[X.]nicht der erforderliche Nachweis geführt, dass der Antragsteller auch in Zukunft dauerhaft keine neuen Schulden anhäuft, deren ordnungsgemäße Begleichung nicht sichergestellt ist. d) Die Interessen der Rechtsuchenden sind im Hinblick auf den nicht ausgeräumten Vermögensverfall und das berufliche Fehlverhalten des [X.]weiterhin gefährdet. Der Antragsteller hat nicht dargetan, auf welche Weise er sicherstellen will, dass künftig [X.]unverzüglich und un-gekürzt an diese ausgezahlt werden. Dass er zwischenzeitlich ein Anderkonto eingerichtet hat, ist nicht ersichtlich. Zudem läuft gegen den Antragsteller der-zeit ein Strafverfahren, nachdem die Staatsanwaltschaft Ma.

im Septem- 15 - 9 - [X.]2009 Anklage gegen den Antragsteller wegen des Verdachts der Untreue zum Nachteil der Mandanten [X.], [X.] und [X.] erhoben hat. Ernemann [X.] Fetzer [X.] Hauger Vorinstanz: [X.]Stuttgart, Entscheidung vom [X.]- [X.]29/09 (I) -

Meta

AnwZ (B) 1/10

22.11.2010

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2010, Az. AnwZ (B) 1/10 (REWIS RS 2010, 1190)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1190

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