Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.04.2012, Az. 1 AZR 119/11

1. Senat | REWIS RS 2012, 7237

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Gegenstand

Sozialplanabfindung - unternehmenseinheitlicher vorsorglicher Sozialplan


Leitsatz

Ein zwischen dem Arbeitgeber und dem Gesamtbetriebsrat vereinbarter vorsorglicher Sozialplan, der für eine Vielzahl künftig möglicher, noch nicht geplanter Betriebsänderungen den Ausgleich oder die Milderung wirtschaftlicher Nachteile vorsieht, begründet normative Ansprüche zugunsten von Arbeitnehmern typischerweise für den Fall, dass aus Anlass einer konkreten Betriebsänderung auf betrieblicher Ebene der Abschluss eines Sozialplans unterbleibt.

Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 14. Dezember 2010 - 16 [X.]/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Sozialplanabfindung.

2

Der 1948 geborene Kläger war seit 1975 bei der [X.] und ihren [X.] beschäftigt. Er war zuletzt im Bereich Consumer Imaging eingesetzt. Diesen Betriebsteil übertrug die Beklagte zum 1. November 2004 auf die [X.] [X.]uch im [X.] daran arbeitete der Kläger auf seinem bisherigen [X.]rbeitsplatz weiter.

3

Mit Schreiben vom 14. November 2005 widersprach der Kläger - ebenso wie eine Reihe weiterer [X.]rbeitnehmer - dem Übergang des [X.]rbeitsverhältnisses auf die [X.] Über deren Vermögen wurde am 22. Dezember 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet.

4

Nachdem die Beklagte die [X.]uffassung vertreten hatte, der Widerspruch des [X.] gegen den [X.] sei verspätet erfolgt, hat dieser gerichtlich die Feststellung begehrt, dass zwischen ihm und der [X.] ein [X.]rbeitsverhältnis bestehe. Das [X.] hat dem mit Urteil vom 2. [X.]pril 2009 (- 8 [X.] -) mit der Begründung entsprochen, der Kläger habe dem [X.] wegen nicht ordnungsgemäßer Belehrung nach § 613a [X.]bs. 5 BGB noch wirksam widersprochen.

5

Bei der [X.] besteht eine Gesamtbetriebsvereinbarung „zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen durch personelle Maßnahmen infolge von Effektivitäts- und Effizienzuntersuchungen bzw. Betriebsänderungen“ vom 4. September 1997 ([X.] 1997). Danach erhalten alle [X.]rbeitnehmer, die in einem unbefristeten und ungekündigten [X.]rbeitsverhältnis stehen und die von betriebsbedingten personellen Maßnahmen betroffen sind, im Einzelnen geregelte [X.]bfindungszahlungen. Nach Nr. I 5 [X.] 1997 gilt dies allerdings nicht, wenn ein [X.]rbeitnehmer einen ihm angebotenen und in den wesentlichen [X.]rbeitsbedingungen gleichwertigen und zumutbaren [X.]rbeitsplatz ohne stichhaltige Begründung ablehnt.

6

In einer zwischen der [X.], ihrem Betriebsrat und der Erwerberin anlässlich des [X.]s auf die [X.] vom 1. November 2004 abgeschlossenen „Überleitungsvereinbarung“ vom 28. September 2004 ([X.] 2004) ist zu Nr. 6.3 bestimmt, dass die [X.] 1997 mit der Maßgabe gilt, dass der bisherige [X.]rbeitsplatz am selben Ort bei der Erwerberin als in den wesentlichen [X.]rbeitsbedingungen gleichwertig und zumutbar iSd. Regelung unter Nr. I 5 [X.] 1997 gilt und ein Widerspruch gegen den Übergang den [X.]bfindungsanspruch bei anschließender Kündigung ausschließt.

7

[X.]us [X.]nlass der beabsichtigten vorsorglichen betriebsbedingten Kündigung der dem [X.] auf die [X.] nachträglich widersprechenden 25 [X.]rbeitnehmer vereinbarte die Beklagte mit dem Betriebsrat am 31. Januar 2008 einen „Interessenausgleich und Sozialplan“ ([X.]/[X.] 2008). Darin ist bestimmt:

        

„...   

        

§ 1 Betriebsänderung, Information und Beratung mit dem Betriebsrat

        

1. Die Betriebspartner gehen übereinstimmend davon aus, dass es sich bei dem [X.]usspruch von 25 Kündigungen um eine Betriebsänderung gem. § 111 [X.]bs. 1 Nr. 1 BetrVG in Verbindung mit § 17 [X.]bs. 1 Nr. 2 KSchG handelt, weil in einem Betrieb mit in der Regel 171 [X.]rbeitnehmern (einschließlich der 25 zur Kündigung vorgesehenen [X.]rbeitnehmer) mehr als 10 % entlassen werden sollen.

        

...     

        

§ 2 Gegenstand und Geltungsbereich der Vereinbarung

        

1. ... Die Betriebspartner ergänzen mit dieser Betriebsvereinbarung die zwischen ihnen am [X.] abgeschlossene Überleitungsvereinbarung.

        

Rechtsfolgen und [X.]nsprüche von Mitarbeitern, die unter den Geltungsbereich gem. § 2 Ziffer 2 dieser Betriebsvereinbarung f[X.], richten sich ausschließlich nach Maßgabe dieser Betriebsvereinbarung.

        

2. Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Mitarbeiter mit einem bis zum 15.01.2008 erhobenen nachträglichen Widerspruch gegen den Übergang ihres [X.]rbeitsverhältnisses, mit denen eine abschließende Vereinbarung über die Rechtsfolgen ihres Widerspruchs bisher nicht getroffen ist.

        

...     

        

§ 5 Entschädigungsleistungen, Sozialplan

        

Für [X.]usgleich und Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die [X.]rbeitnehmern durch die Betriebsänderung oder durch eine bereits nach einem Widerspruch ausgesprochene Kündigung entstehen oder entstanden sind, gelten die Regelungen der Überleitungsvereinbarung vom [X.] mit folgender Maßgabe:

        

1.    

Mitarbeiter, die bis zum [X.] eine Vereinbarung gemäß nachfolgender Ziffer 2 abschließen, erhalten eine Entschädigungsleistung in Höhe von 67.000 € brutto.

        

2.    

[X.] verpflichtet sich, [X.] unter den persönlichen Geltungsbereich gemäß § 2 Ziffer 2 f[X.]den Mitarbeitern zeitgleich mit dem [X.]usspruch der betriebsbedingten Kündigung, spätestens jedoch bis zum 15.2.2008, eine Vereinbarung anzubieten, wonach der nachträgliche Widerspruch gegenstandslos ist, das [X.]rbeitsverhältnis also am 1. 11. 2004 auf [X.] übergegangen ist, daher die vorsorgliche Kündigung ebenfalls gegenstandslos ist und einschließlich eventueller [X.]nsprüche aus betrieblicher [X.]ltersversorgung keine weiteren [X.]nsprüche gegen [X.] oder verbundene Unternehmen der Firmengruppe [X.] bestehen.

        

3.    

Der [X.]nspruch auf die Entschädigungsleistung entsteht mit Unterzeichnung der angebotenen Vereinbarung. ...

                 

Entgeltzahlungen, die als Folge eines nachträglichen Widerspruchs ... geleistet worden sind, mit denen eine Vereinbarung gemäß § 5 Ziffer 2 dieser Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird, werden bei der [X.]uszahlung der Entschädigungsleistung angerechnet.

        

4.    

Für Mitarbeiter, die ohne [X.]bschluss der angebotenen Vereinbarung als Folge ihres nachträglichen Widerspruchs durch betriebsbedingte Beendigungskündigung aus dem [X.]rbeitsverhältnis bei [X.] ausscheiden, ist ein [X.]bfindungsanspruch aus dem Sozialplan ausgeschlossen, wie dies auch in Ziffer 6.3 der Überleitungsvereinbarung vereinbart worden ist.

                 

...“   

8

Die ihm nach § 5 [X.]/[X.] 2008 angebotene Vereinbarung hat der Kläger nicht unterzeichnet.

9

Mit Schreiben vom 14. Februar 2008 kündigte die Beklagte das [X.]rbeitsverhältnis des [X.] aus betriebsbedingten Gründen zum 30. September 2008. Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage rechtskräftig abgewiesen.

Der Kläger hat von der [X.] zuletzt die Zahlung einer [X.]bfindung in Höhe von 61.355,00 Euro verlangt. Der [X.]nspruch hierauf ergebe sich aus der [X.] 1997, auf die sowohl der [X.]/[X.] 2008 als auch die [X.] 2004 verwiesen. Der im Sozialplan enthaltene [X.]nspruchsausschluss sei unwirksam. Es sei ihm kein zumutbarer [X.]rbeitsplatz angeboten worden, weil die Erwerberin nicht mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet worden und deshalb insolvent geworden sei.

Der Kläger hat in der Revision zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 61.355,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2008 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das [X.]rbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt dieser sein Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Kläger hat keinen Abfindungsanspruch aus der [X.] 1997. Ein solcher bestimmt sich ausschließlich nach dem [X.] 2008. Hiernach steht dem Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes kein Abfindungsanspruch zu.

1. Die Betriebsparteien haben in dem [X.] 2008 die Ansprüche der Arbeitnehmer, die infolge des nachträglichen Widerspruchs gegen den Betriebsübergang im Februar 2008 gekündigt wurden, abschließend geregelt.

a) Dem [X.] 2008 liegt eine Betriebsänderung nach § 111 Satz 3 Nr. 1 [X.] iVm. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] zugrunde. Die Beklagte beabsichtigte, in dem Betrieb mit in der Regel 171 Arbeitnehmern 25 Beschäftigte und damit mehr als 10 % der Belegschaft zu entlassen (§ 1 Nr. 1 [X.] 2008). Die Sozialplanregelungen waren nicht erzwingbar. Sie sind freiwillig erfolgt, da die Betriebsänderung allein in der Entlassung von Arbeitnehmern bestand und der Schwellenwert des § 112a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] - 20 % der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder mindestens 37 Arbeitnehmer - nicht erreicht wurde.

b) Nach Wortlaut und Systematik des [X.] 2008 ist die Regelung der Rechtsfolgen für die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer abschließend. So heißt es in § 2 Nr. 1 [X.] 2008, dass mit dieser Betriebsvereinbarung die Rechte aus §§ 111, 112 [X.] abschließend wahrgenommen werden. Nach § 6 [X.] 2008 sind sich die Betriebsparteien darüber einig, dass mit den vorstehenden Bestimmungen Interessenausgleich und Sozialplan gemäß §§ 111, 112 [X.] aus Anlass der beabsichtigten Personalreduzierung abschließend geregelt sind.

c) Die Betriebsparteien haben in den [X.] 2008 die Regelungen der [X.] 2004 aufgenommen, teilweise abgeändert und so zum Gegenstand dieser Vereinbarung gemacht. So heißt es in § 5 Einleitungssatz [X.] 2008, dass in Bezug auf den Ausgleich und die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen, die Regelungen der [X.] 2004 mit den in dieser Bestimmung im Einzelnen enthaltenen Maßgaben gelten. Der [X.] 2008 tritt damit nicht an die Stelle der [X.] 2004, sondern inkorporiert diese Vereinbarung und regelt mit einzelnen Änderungen und Ergänzungen selbst die Ansprüche der Arbeitnehmer, die infolge des Widerspruchs gegen den Betriebsteilübergang auf die [X.] gekündigt werden. Diese erhalten bei Abschluss der in § 5 Nr. 2 [X.] 2008 bezeichneten Vereinbarung eine pauschale Entschädigung in Höhe von 67.000,00 Euro. Für Mitarbeiter, die ohne Abschluss der angebotenen Vereinbarung ausscheiden, ist dagegen nach § 5 Nr. 4 [X.] 2008 iVm. Nr. 6.3 [X.] 2004 ein Abfindungsanspruch dann ausgeschlossen, wenn sie ihren bisherigen Arbeitsplatz am selben Ort bei der [X.] behalten haben.

2. Mit diesem Inhalt regelt allein der [X.] 2008 den Ausgleich oder die Milderung von Nachteilen der auf den Betrieb der [X.] beschränkten Betriebsänderung durch Kündigung von 25 Arbeitnehmern. Die [X.] 1997 beansprucht für diese Betriebsänderung keine Geltung.

a) Für die Vereinbarung eines Interessenausgleichs aus Anlass der Betriebsänderung war der örtliche Betriebsrat zuständig. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass von dem geplanten Personalabbau im Umfang von 25 Arbeitnehmern andere Betriebe der [X.] derart betroffen worden sind, dass diese Maßnahme notwendigerweise nur unternehmenseinheitlich mit dem Gesamtbetriebsrat geregelt werden konnte.

b) Für die Verhandlungen über den Abschluss eines Sozialplans aus Anlass dieser Betriebsänderung war gleichfalls der örtliche Betriebsrat zuständig. Es ist nicht ersichtlich, dass die Regelung des Ausgleichs oder der Abmilderung der durch die Betriebsänderung entstehenden Nachteile zwingend unternehmenseinheitlich oder betriebsübergreifend erfolgen musste (dazu [X.] 3. Mai 2006 - 1 [X.] - Rn. 28, [X.]E 118, 131). Die Vereinbarung eines Sozialplans aus Anlass dieser im Jahre 2008 erfolgten Entlassungen konnte allerdings nur freiwillig erfolgen, weil hierdurch die in § 112a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] geregelten Mindestzahlen nicht erreicht wurden.

c) Die [X.] 1997 regelt ebenso wie der in dem [X.] 2008 enthaltene Sozialplan eine Angelegenheit, die nicht der zwingenden Mitbestimmung unterliegt. Der Sache nach handelt es sich um einen unternehmenseinheitlichen vorsorglichen Sozialplan. Ein solcher bestimmt für eine Vielzahl künftig möglicher, noch nicht geplanter Betriebsänderungen den Ausgleich oder die Milderung potentieller wirtschaftlicher Nachteile. Sinn und Zweck einer solchen unternehmensbezogenen Vereinbarung sind typischerweise, für mögliche künftige Betriebsänderungen [X.] zur Verfügung zu stellen, die dem Arbeitgeber Planungssicherheit eröffnen und den Arbeitnehmern für den Fall einer ausbleibenden Regelung auf [X.] normative Ansprüche gewähren. Derartige Regelungen sind nach § 88 [X.] nur freiwillig möglich. [X.] sind sie nicht ([X.] 11. Dezember 2007 - 1 [X.] - Rn. 34, EzA [X.] 2001 § 77 Nr. 21). Sie beschränken nicht die betriebsverfassungsrechtlichen Handlungsmöglichkeiten der örtlichen Betriebsräte und nehmen diesen nicht die Befugnis, anlässlich einer konkreten Betriebsänderung nach § 88 [X.] iVm. § 112a [X.] mit dem Arbeitgeber in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung Sozialplanregelungen zu treffen (vgl. Fitting 26. Aufl. § 112a Rn. 99; [X.] 13. Aufl. §§ 112, 112a Rn. 195). Das folgt aus der den jeweiligen Betriebsverfassungsorganen zugewiesenen Regelungszuständigkeit. Diese kann durch den Abschluss freiwilliger Vereinbarungen nicht aufgehoben werden (Fitting § 50 Rn. 10).

d) Danach stehen der [X.] 2008 und die ungekündigte [X.] 1997 grundsätzlich nebeneinander.

Zur Abänderung oder Ablösung einer Betriebsvereinbarung oder einer Gesamtbetriebsvereinbarung bedarf der Arbeitgeber der Mitwirkung des jeweiligen [X.] ([X.] 11. Dezember 2001 - 1 [X.] - zu II 2 a der Gründe, [X.]E 100, 60; Fitting § 50 Rn. 11). Das gilt unabhängig davon, ob es sich um einen Gegenstand der zwingenden oder der freiwilligen Mitbestimmung handelt. Deshalb kann eine mit dem Gesamtbetriebsrat getroffene Vereinbarung grundsätzlich nicht durch eine mit dem örtlichen Betriebsrat geschlossene abgelöst werden. Auch das ist Folge der den jeweiligen Betriebsverfassungsorganen gesetzlich zugewiesenen Regelungskompetenz. Hat der Arbeitgeber mit dem Gesamtbetriebsrat in einer Angelegenheit, die nicht der zwingenden Mitbestimmung unterliegt, eine Betriebsvereinbarung geschlossen, muss er sich wegen deren Aufhebung oder Änderung durch eine neue freiwillige Vereinbarung an den Gesamtbetriebsrat wenden oder sie einseitig durch Kündigung beenden.

e) Aus dem Nebeneinander des [X.] 2008 und der ungekündigten [X.] 1997 folgt jedoch keine Kumulation der Ansprüche der von der Betriebsänderung des Jahres 2008 betroffenen Arbeitnehmer.

Der [X.] 1997 ist als vorsorglichem Sozialplan nicht zu entnehmen, dass sie einem örtlichen Betriebsrat die aus Anlass einer konkreten beteiligungspflichtigen Betriebsänderung zustehende Befugnis zum Abschluss eines wegen der Ausnahmevorschrift des § 112a [X.] nur freiwillig möglichen Sozialplans verschließen wollte. Als Ausgleichsregelung für eine Vielzahl denkbarer Betriebsänderungen beansprucht sie wegen ihrer typischen [X.] nur in solchen Fällen Geltung, in denen die örtlichen Betriebsparteien im Falle einer konkreten Betriebsänderung, die in ihren Zuständigkeitsbereich fällt, von einer eigenen Ausgleichsregelung absehen und keinen Sozialplan vereinbaren. Vorliegend haben die Betriebsparteien aus Anlass eines [X.] interessenausgleichspflichtigen Personalabbaus iSd. § 111 Satz 3 Nr. 1 [X.] eine Ausgleichsregelung getroffen, die allein wegen der Ausnahmevorschrift des § 112a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] nur freiwillig erfolgen konnte. Anhaltspunkte dafür, dass die [X.] 1997 im Falle des Abschlusses eines Sozialplans infolge einer bestimmten Betriebsänderung zusätzliche Ansprüche zugunsten von Arbeitnehmern begründen wollte, finden sich nicht.

3. Die Betriebsparteien haben aus Anlass der im Jahre 2008 geplanten Betriebsänderung im [X.] 2008 einen Abfindungsausschlusstatbestand vereinbart, der von dem in der [X.] 1997 abweicht. Dieser geht der allgemeinen Rahmenregelung in der Gesamtbetriebsvereinbarung vor und bestimmt, dass ein Widerspruch gegen den Betriebsübergang einen Abfindungsanspruch ausschließt, wenn derselbe Arbeitsplatz am selben Ort bei der [X.] oder einer Schwester- oder Tochtergesellschaft weiterhin besteht. Die Betriebsparteien sind dabei ersichtlich davon ausgegangen, dass den Arbeitnehmern in diesen Fällen keine ausgleichsbedürftigen wirtschaftlichen Nachteile entstehen. Diese Annahme hält sich im Rahmen des ihnen zustehenden [X.]. Soweit der Kläger hiergegen einwendet, die Beklagte habe die Belegschaft über die wirtschaftliche Ausstattung der [X.] getäuscht, weil diese Gesellschaft im Zuge der Ausgliederung von vornherein finanziell unzureichend ausgestattet worden sei, ist dies nicht geeignet, einen Abfindungsanspruch aus der [X.] 1997 zu begründen. Sollte dieser Vortrag zutreffen, hätte allenfalls der Betriebsrat unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage einen Anspruch gegen die Beklagte auf Nachverhandlung des Sozialplans, weil dessen Annahme, die Fortsetzung der Arbeitsverhältnisse bei der [X.] sei zumutbar und deshalb bestünden keine ausgleichsbedürftigen Nachteile, unzutreffend gewesen wäre. Von dieser Möglichkeit hat der Betriebsrat aber ersichtlich keinen Gebrauch gemacht, sondern stattdessen den [X.] 2008 vereinbart.

4. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Abfindungsausschluss nach § 5 Nr. 4 [X.] 2008 iVm. Nr. 6.3 [X.] 2004 sind erfüllt. Der Kläger hatte nach dem Betriebsübergang auf die [X.] seinen bisherigen Arbeitsplatz am selben Ort behalten. Aufgrund der sich aus § 613a Abs. 1 BGB ergebenden Verpflichtungen des Erwerbers waren die dort geltenden Arbeitsbedingungen im Wesentlichen gleichwertig mit den zuvor bei der [X.] geltenden.

5. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 [X.]) kein Abfindungsanspruch des Klägers. Da der Abfindungsausschluss nach § 5 Nr. 4 [X.] 2008 iVm. Nr. 6.3 [X.] 2004 für alle dem Betriebsübergang nachträglich widersprechende Arbeitnehmer gilt, fehlt es an einer den Kläger benachteiligenden Gruppenbildung. Eine solche ist von ihm weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Ob der Kläger mit den Arbeitnehmern, die eine Vereinbarung nach § 5 Nr. 2 [X.] 2008 geschlossen haben, vergleichbar ist und ob diese Vereinbarungen wirksam sind, bedarf keiner Entscheidung. Der Kläger hat eine solche Vereinbarung nicht unterzeichnet und verlangt in der Revision auch nicht mehr die Zahlung einer Entschädigung nach dieser Vorschrift.

6. Aus unionsrechtlichen Gründen steht dem Kläger gleichfalls kein Abfindungsanspruch zu. Art. 4 Abs. 2 Richtlinie 2001/23/[X.] sieht nicht vor, dass die Betriebsparteien im Falle betriebsbedingter Kündigungen Abfindungszahlungen regeln müssen.

a) Nach dieser Bestimmung ist davon auszugehen, dass die Beendigung des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber erfolgt ist, wenn es zu einer Beendigung des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses kommt, weil der Betriebsübergang eine wesentliche Änderung der Arbeitsbedingungen zum Nachteil des Arbeitnehmers zur Folge hat. Die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen sind in dieser Norm jedoch nicht regelt. Art. 4 Abs. 2 Richtlinie 2001/23/[X.] begründet nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Arbeitnehmern eine bestimmte Entschädigungsregelung zu garantieren. Der betroffene Arbeitnehmer soll vielmehr nach dem Zweck dieser Regelung in seinen Rechtsbeziehungen zum Erwerber in gleicher Weise geschützt sein, wie er es nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats in seinen Beziehungen zum Veräußerer war. Abfindungen oder Schadensersatz richten sich deshalb nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten ([X.] 27. November 2008 - [X.]/07 - [[X.]] Rn. 22 bis 24, Slg. 2008, [X.]). Da es nach [X.] Arbeitsrecht im Falle betriebsbedingter Kündigungen keinen gesetzlich geregelten individualrechtlichen Abfindungsanspruch gibt, sondern derartige Ansprüche nur dann bestehen, wenn sie in einer Kollektivvereinbarung oder zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart sind, und die Betriebsparteien vorliegend von einer Abfindungsregelung abgesehen haben, verhilft auch das Unionsrecht dem Kläger nicht zu der begehrten Zahlung.

b) Diese Rechtslage ist aufgrund der Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] vom 27. November 2008 (- [X.]/07 - [[X.]] Slg. 2008, [X.]) geklärt, so dass es keines [X.] nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    [X.]    

        

        

        

    Wisskirchen    

        

    M. Seyboth    

                 

Meta

1 AZR 119/11

17.04.2012

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Solingen, 24. Februar 2010, Az: 3 Ca 1672/09 lev, Urteil

§ 112 BetrVG, § 112a Abs 1 BetrVG, § 613a BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.04.2012, Az. 1 AZR 119/11 (REWIS RS 2012, 7237)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7237

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