Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.11.2013, Az. 2 StR 477/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2013, 921

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Gegenstand

Strafbarkeit wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung: Prüfung der Schuldfähigkeit eines unter einer krankhaften seelischen Störung leidenden Täters


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. April 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den [X.] im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des [X.] als Schwurgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden [X.]ällen sowie wegen "dazu tateinheitlich begangenen Verstoßes gegen das Waffengesetz in vier tateinheitlich zusammentreffenden [X.]ällen (Besitz und [X.]ühren einer halbautomatischen Kurzwaffe, Besitz und [X.]ühren von zwei Schusswaffen sowie Besitz von Munition)" zu einer [X.]reiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

2

1. Die Annahme des [X.]s, die Schuldfähigkeit des Angeklagten sei zur Tatzeit nicht im Sinne von § 20 StGB aufgehoben gewesen, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

3

a) Nach den durch die sachverständig beratene [X.] getroffenen [X.]eststellungen litt der Angeklagte unter einer krankhaften seelischen Störung in [X.]orm einer schizoaffektiven Störung ([X.] 10: [X.] 25.0), aufgrund derer - bei erhaltener Einsichtsfähigkeit - seine Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit erheblich vermindert war. Zur Begründung hat das [X.] ausgeführt, der Angeklagte sei wahnhaft auf die Nebenkläger als Verantwortliche seiner Lage fixiert gewesen und habe keine andere Möglichkeit gesehen, als durch die Tat eine Änderung herbeizuführen. Andere objektiv bestehende Möglichkeiten habe er störungsbedingt nicht mehr im Blick gehabt ([X.], 34).

4

Eine vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit hat das [X.] indes ausgeschlossen, denn der wahnbedingte Hass des Angeklagten auf die Nebenkläger habe ihn nicht gehindert, seinen ursprünglichen Plan, die Nebenkläger zu töten, aufzugeben und stattdessen nur die [X.]enster im [X.] zu beschießen, während sich diese dort aufhielten. Auch während der Tatausführung habe er - trotz einer sich ihm bietenden Gelegenheit - von einer Tötung der Nebenkläger abgesehen. Dies belege, dass der Angeklagte noch über eine Restfähigkeit verfügt habe, alternativ zu handeln (UA S. 34).

5

b) Diese Erwägungen des [X.]s belegen zwar, dass der Angeklagte seine Tat im Zustand - zumindest - sicher erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen hat. Eine mögliche Schuldunfähigkeit des Angeklagten hat das [X.] jedoch nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.

6

Die [X.]ähigkeit eines Täters, entsprechend seiner vorhandenen Einsicht zu handeln (§ 20 StGB), ist auf die jeweilige Tathandlung bezogen zu prüfen. Entscheidend ist daher die [X.]rage, ob und inwieweit der Angeklagte bezogen auf das der versuchten gefährlichen Körperverletzung zugrunde liegende Tatgeschehen zu Handlungsalternativen imstande gewesen war. Damit hat sich die [X.] nicht auseinandergesetzt und lediglich auf den bereits im Vorfeld der eigentlichen Tathandlung verworfenen Plan des Angeklagten, die Nebenkläger zu töten, abgestellt. Es fehlt die Erörterung der [X.]rage, ob und inwieweit der Angeklagte zum Tatzeitpunkt noch in der Lage war, anders zu handeln, als die [X.]enster der Wohnung der Nebenkläger zu beschießen.

7

Soweit die [X.] im Ergebnis festgestellt hat, der Angeklagte habe noch über eine Restfähigkeit verfügt, alternativ zu handeln, steht dies zudem in einem nicht auflösbaren Widerspruch zu der im Rahmen der Prüfung des Vorliegens des § 21 StGB getroffenen [X.]eststellung des [X.]s, der Angeklagte habe störungsbedingt andere objektiv bestehende Handlungsmöglichkeiten nicht mehr im Blick gehabt (UA S. 34).

8

2. Schuld- und Strafausspruch haben daher keinen Bestand. Da die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) rechtlich untrennbar auf der Beurteilung seiner Schuldfähigkeit beruht, war auch sie aufzuheben (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Juli 2010 - 5 [X.]; Senat, Beschluss vom 9. März 2011 - 2 StR 629/10).

9

3. Sollte das neu entscheidende Tatgericht den Angeklagten wiederum wegen eines Verstoßes gegen das [X.] verurteilen, wird es die Anforderungen an die rechtliche Bezeichnung der Tat (§ 260 Abs. 4 Satz 1 StPO) zu berücksichtigen haben. Die [X.]ormulierung "wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz" ist nicht in die Urteilsformel aufzunehmen, sondern nur das [X.] genau zu bezeichnen (vgl. auch [X.], Beschluss vom 15. März 2011 - 4 StR 40/11, NJW 2011, 1979, 1981; Beschluss vom 14. Dezember 2011 - 5 [X.], [X.], 221, 222).

Appl                        Krehl                         Eschelbach

               Ott                           Zeng

Meta

2 StR 477/13

21.11.2013

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bonn, 19. April 2013, Az: 24 Ks 16/12

§ 20 StGB, § 21 StGB, § 22 StGB, § 23 StGB, § 212 StGB, § 224 StGB, § 261 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.11.2013, Az. 2 StR 477/13 (REWIS RS 2013, 921)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 921

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Referenzen
Wird zitiert von

2 StR 477/13

Zitiert

4 StR 40/11

5 StR 434/11

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