Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.11.2016, Az. XII ZB 385/16

12. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 1940

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Betreuungssache: Qualifikation des mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragten Sachverständigen


Leitsatz

Der mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Sachverständige soll Arzt für Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein. Ergibt sich die Qualifikation nicht ohne Weiteres aus der Fachbezeichnung des Arztes, ist seine Sachkunde vom Gericht zu prüfen und in der Entscheidung darzulegen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2015, XII ZB 381/15, FamRZ 2016, 456).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 1. Februar 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

[X.]: 5.000 €

Gründe

I.

1

Der Betroffene wendet sich gegen die Verlängerung der für ihn eingerichteten Betreuung und des für ihn angeordneten Einwilligungsvorbehalts.

2

Erstmals im Jahr 1998 richtete das Amtsgericht für den Betroffenen wegen einer [X.] Schizophrenie sowie einer deutlichen Sehbehinderung eine Betreuung ein.

3

Nachdem die Betreuung zwischenzeitlich mehrfach verlängert und der Betroffene zeitweise geschlossen untergebracht worden war, hat das Amtsgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens einer Fachärztin für Innere Medizin und Anhörung des Betroffenen die Betreuung und den Einwilligungsvorbehalt wiederum verlängert und beschlossen, dass spätestens bis zum 18. Mai 2017 über die Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung zu entscheiden sei. Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

5

1. Das [X.] hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

6

Der Betroffene leide nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen an einer [X.] Schizophrenie sowie an einer deutlichen Sehbehinderung. Die Ausführungen der Sachverständigen seien in sich schlüssig und nachvollziehbar. Ihre Einschätzung, der Betroffene benötige krankheitsbedingt die Hilfe eines Betreuers, sei richtig. Die Notwendigkeit der Betreuung bestehe ausweislich des überzeugenden Gutachtens der Sachverständigen auch für die vom Amtsgericht bestimmten [X.]. Zu Recht habe das Amtsgericht einen Einwilligungsvorbehalt für die Vermögenssorge angeordnet. Dass dieser zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für das Vermögen des Betroffenen erforderlich sei, ergebe sich aus der ergänzenden Stellungnahme der Sachverständigen. Sie habe zudem überzeugend ausgeführt, der Betroffene sei krankheitsbedingt nicht in der Lage, seinen Willen frei und unbeeinflusst von der vorliegenden Beeinträchtigung zu bilden und nach gewonnenen Erkenntnissen zu handeln. Die Überprüfungsfrist bis zum 18. Mai 2017 sei ebenfalls nicht zu beanstanden, da sie dem Gutachten der Sachverständigen folge, die eine Nachbegutachtung nach spätestens zwei Jahren empfohlen habe.

7

2. Dies hält den [X.] der Rechtsbeschwerde nicht stand. Zu Recht beanstandet die Rechtsbeschwerde, dass die notwendige Sachkunde der Gutachterin nicht festgestellt ist.

8

a) Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 FamFG soll der - in einem Betreuungsverfahren mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte - Sachverständige Arzt für Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein. Ergibt sich die Qualifikation nicht ohne Weiteres aus der Fachbezeichnung des Arztes, ist seine Sachkunde vom Gericht zu prüfen und in der Entscheidung darzulegen (st. Rspr. des Senats, siehe etwa Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2015 - [X.] 381/15 - FamRZ 2016, 456 Rn. 14 mwN).

9

b) Diesen Anforderungen wird die angegriffene Entscheidung nicht gerecht.

Zutreffend weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass die Sachverständige ausweislich der in ihrem Gutachten angeführten Berufsbezeichnung lediglich "Fachärztin für Innere Medizin" ist. Gesonderte Feststellungen zur Sachkunde der Gutachterin auf dem Gebiet der Psychiatrie enthält weder der amtsgerichtliche noch der landgerichtliche Beschluss.

Der Umstand, dass die Sachverständige in ihrem Gutachten neben der psychischen Erkrankung bei dem Betroffenen auch eine deutliche Sehbehinderung festgestellt hat, macht den entsprechenden Sachkundenachweis nicht entbehrlich. Zwar bedarf es hierfür keiner Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie. Unabhängig davon, dass die Einrichtung einer Betreuung wegen einer körperlichen Behinderung grundsätzlich nur auf Antrag erfolgen kann (vgl. § 1896 Abs. 1 Satz 3 [X.]), hat das [X.] seine Entscheidung zur Verlängerung der Betreuung und des Einwilligungsvorbehaltes maßgeblich auf die Ausführungen der Sachverständigen zur psychischen Erkrankung des Betroffenen gestützt. Diese waren für das [X.] auch für die Feststellung von Bedeutung, dass der Betroffene keinen freien Willen im Sinne von § 1896 Abs. 1a [X.] bilden kann, was ebenfalls durch ein Sachverständigengutachten belegt sein muss (Senatsbeschluss vom 16. März 2016 - [X.] 455/15 - FamRZ 2016, 970 Rn. 7 mwN).

3. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 74 Abs. 5, Abs. 6 Satz 1 und 2 FamFG). Dieses wird zunächst festzustellen haben, ob die Gutachterin die erforderliche Sachkunde besitzt.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

[X.]                             Schilling

                   Botur                                       [X.]

Meta

XII ZB 385/16

23.11.2016

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BGH, 8. August 2016, Az: XII ZA 9/16, Prozesskostenhilfebeschluss

§ 280 Abs 1 S 2 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.11.2016, Az. XII ZB 385/16 (REWIS RS 2016, 1940)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1940

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 385/16 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 46/15 (Bundesgerichtshof)

Betreuungssache: Prüfung der Qualifikation des Sachverständigen durch das Gericht


XII ZB 256/10 (Bundesgerichtshof)

Betreuungsverfahren: Anforderungen an den Inhalt eines Sachverständigengutachtens


XII ZB 188/13 (Bundesgerichtshof)

Betreuungsverfahren: Gerichtliche Überprüfungspflicht hinsichtlich der Sachkunde des hinzugezogenen Sachverständigen; erneute Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren


XII ZB 256/10 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.