Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.07.2013, Az. V B 21/12

5. Senat | REWIS RS 2013, 3822

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Gegenstand

Unberechtigter Vorsteuerabzug: Kein Erlass von Umsatzsteuer bei fehlender Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens - Beurteilung von Umsätzen in einer Lieferkette


Leitsatz

NV: Es ist geklärt, dass ein Erlass von Umsatzsteuer nach § 163 AO über die in § 14c Abs. 2 Sätze 3 und 4 UStG geregelten Fälle hinaus nicht in Betracht kommt, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens in Form eines unberechtigten Vorsteuerabzugs nicht rechtzeitig und vollständig beseitigt wird, weil der Rechnungsempfänger den Vorsteuerabzug wegen Zahlungsunfähigkeit nicht rückgängig machen kann .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Insolvenzverwalter der [X.], die mit Computerchips ([X.]) handelte. Nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) bindenden Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) stellte die [X.] im Streitjahr 2001 verschiedenen Firmen Ausgangsrechnungen mit offenem Umsatzsteuerausweis, obwohl die Lieferungen tatsächlich nicht erbracht wurden ([X.]). Das [X.] bestätigte die Festsetzung von Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG). Eine Berichtigung der Steuerfestsetzungen nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] --EuGH-- (Urteil vom 19. September 2000 [X.]/98, [X.], Slg. 2000, [X.]) lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) ab, da die [X.] die Gefährdung des Steueraufkommens nicht beseitigt habe, weil die Leistungsempfänger die geltend gemachten Vorsteuern wegen Insolvenz nicht zurückzahlen konnten. Das [X.] bestätigte das [X.] zum überwiegenden Teil. Die Ablehnung eines am 11. April 2011 beantragten [X.] gemäß § 227 der Abgabenordnung ([X.]) sei nicht ermessensfehlerhaft, weil die Gefährdung des Steueraufkommens nicht rechtzeitig und vollständig beseitigt worden sei. Entgegen der Rechtsauffassung des [X.] komme es für die Beseitigung des [X.] in einem Umsatzsteuerkarussell nicht darauf an, ob bei sämtlichen Warenbewegungen im Karussell ein Steuerschaden entstanden sei. Maßgeblich seien insoweit die Leistungsbeziehungen im Verhältnis des [X.] zum Leistungsempfänger.

Entscheidungsgründe

2

II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet.

3

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der vorgelegten Rechtsfragen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O) oder wegen eines "gravierenden Rechtsanwendungsfehlers" (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O) zuzulassen. Denn die Rechtsfrage, ob bei einer Steuerfestsetzung wegen unberechtigten Steuerausweises nach § 14 Abs. 3 UStG über die nunmehr in § 14c Abs. 2 Sätze 3 und 4 UStG geregelten Fälle hinaus durch Rechnungsberichtigung ein Erlass der Steuer nach § 163 AO möglich ist, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens nicht durch Rechnungsberichtigung beseitigt worden ist, ist geklärt. Hat der Steuerpflichtige eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis erteilt, obwohl er tatsächlich keine Leistung erbracht hat, besteht die Gefahr eines unberechtigten Vorsteuerabzugs beim Rechnungsempfänger. Aus dem Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer hat der [X.] gefolgert, dass die Mitgliedsstaaten verpflichtet sind, eine Korrekturmöglichkeit für diejenigen Fälle zu schaffen, in denen die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt wurde ([X.]-Urteil [X.] in [X.]. 2000, [X.], und Nachfolgeentscheidung des [X.] --[X.]-- vom 8. März 2001 V R 61/97, [X.], 517, [X.], 373).

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Ist die Beseitigung der Gefährdungslage --wie im [X.] nicht gelungen, weil der Rechnungsempfänger zahlungsunfähig geworden ist, sind die Voraussetzungen einer Rechnungsberichtigung nicht gegeben. Es ist nicht klärungsbedürftig, dass bei Umsätzen in einer Lieferkette Umstände vorausgehender oder nachfolgender Lieferungen grundsätzlich unbeachtlich sind. Da das [X.] den Grundsätzen der [X.]- und [X.]-Rechtsprechung entspricht, besteht auch kein "gravierender Rechtsanwendungsfehler", der geeignet wäre, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu gefährden.

5

2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O) zuzulassen.

6

a) Ein angeblich divergierender Rechtssatz, wonach das [X.] ausgeführt habe, bei Prüfung eines Erlasses nach § 163 AO seien die "Rechtsgrundsätze wie das Übermaßverbot und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit" nicht zu prüfen (Beschwerdeschrift S. 10), lässt sich dem [X.] (S. 25) nicht entnehmen. Das [X.] hat vielmehr ausgeführt, dass eine Besteuerung nach § 14 Abs. 3 UStG vorliegend den Wertungen des Gesetzgebers nicht zuwider laufe, weil tatsächlich ein Vermögensschaden für den Fiskus entstanden sei.

7

b) Auch eine "nachträgliche Divergenz" zum Verfahren des [X.] besteht schon deshalb nicht, weil es an einer Entscheidung des [X.] in dieser Rechtssache noch fehlt und im Übrigen Gegenstand dieser Entscheidung andere Rechtsfragen sind (Erlass von Umsatzsteuer nicht wegen Rechnungsberichtigung, sondern wegen des zeitlichen Auseinanderfallens von Umsatzsteuer und Vorsteuerabzug je nach dem Zeitpunkt der Rechnungserteilung).

8

3. Schließlich ist die Revision auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) zuzulassen, weil das [X.] nicht aufgeklärt habe, ob die anderen am [X.] beteiligten Firmen ihren steuerlichen Pflichten nachgekommen sind und ob dem Fiskus ein Gesamtschaden entstanden ist, denn für das Vorliegen eines Verfahrensfehlers kommt es nach ständiger Rechtsprechung des [X.] (vgl. z.B. Beschluss vom 6. Februar 2013 X B 108/12, [X.]/NV 2013, 710) auf die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des [X.] an. Danach kam es jedoch für eine Rechnungsberichtigung und einen Erlass nach § 163 AO nur auf die steuerlichen Verhältnisse zwischen Rechnungsgeber und Rechnungsempfänger, nicht aber bei weiteren Beteiligten des Karussells an.

Meta

V B 21/12

26.07.2013

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 22. Dezember 2011, Az: 14 K 4173/07, Urteil

§ 14c Abs 2 UStG 1999 vom 15.12.2003, § 14 Abs 3 UStG 1999, § 163 AO, § 15 UStG 1999, § 227 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.07.2013, Az. V B 21/12 (REWIS RS 2013, 3822)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3822

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