Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.11.2023, Az. III R 40/22

3. Senat | REWIS RS 2023, 9636

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Gegenstand

Kindergeld - zum Koordinierungsverfahren bei möglichem Bezug von Familienleistungen im Vereinigten Königreich vor dem Brexit


Leitsatz

1. NV: Zur Feststellung, ob und in welchem Umfang in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ein Anspruch auf Familienleistungen bestand, der nach Art. 68 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 einen Kindergeldanspruch nach deutschem Recht ganz oder teilweise ausschließen kann, ist grundsätzlich vorrangig das Koordinierungsverfahren durchzuführen (Bestätigung der Senatsrechtsprechung).

2. NV: Der Entscheidung der zuständigen ausländischen Stelle über das Bestehen eines solchen Anspruchs ist zu folgen. Gleiches gilt für die rechtliche Bewertung des Verhältnisses zwischen dem Anspruch auf die Familienleistung ("Child Benefit") und einer möglicherweise gegenläufigen steuerlichen Regelung ("High Income Child Benefit Charge").

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 29.03.2021 - 7 K 7307/16 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin und [X.] (Klägerin) auf ungekürztes Kindergeld für die Monate November 2015 bis November 2016 (Streitzeitraum).

2

Die Klägerin war Ende 2016 Mutter von drei im … 2009, … 2011 und … 2014 geborenen Kindern. Sie wohnt seit August 2009 in der [X.] ([X.]) und war im Streitzeitraum nicht berufstätig.

3

Die Klägerin ist mit dem Vater der Kinder verheiratet. Dieser war zunächst im [X.] ([X.]) und von August 2010 bis Oktober 2013 im [X.] erwerbstätig. Im August 2013 verlegte er seinen (melderechtlichen) Wohnsitz zur Klägerin nach [X.], wo die Eheleute einen gemeinsamen Haushalt führen, zu dem die Kinder gehören. Ab November 2013 und auch im Streitzeitraum war der Ehemann der Klägerin im [X.] angestellt und erzielte jeweils ein jährliches Bruttoeinkommen von mehr als 60.000 [X.] ([X.]). Der Ehemann der Klägerin hatte für das erstgeborene Kind zunächst Familienleistungen im [X.] ("Child Benefit") bezogen. Seit dem 23.08.2010 wurden gemäß Auskunft des zuständigen Trägers vom 21.12.2015 keine [X.] Familienleistungen mehr gezahlt. Seit August 2010 ist der Ehemann der Klägerin ausweislich einer weiteren, von der Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse) eingeholten Auskunft der [X.] nicht als im [X.] lebend erfasst.

4

Die Familienkasse hatte mit Bescheid vom 08.12.2014 --antragsgemäß und mit dem Einverständnis des Ehemannes der [X.] zugunsten der Klägerin für die Kinder Kindergeld ab November 2013 festgesetzt, ohne ausländische Familienleistungen anzurechnen.

5

Mit Bescheid vom 17.05.2016 setzte die Familienkasse das Kindergeld für die drei Kinder ab November 2015 vorläufig fest (§ 165 Abs. 1 der Abgabenordnung) und rechnete dabei [X.] Familienleistungen ("Child Benefit") in Höhe von (umgerechnet) … € pro Monat an. Sie führte aus, eine endgültige Festsetzung werde erfolgen, sobald die Bescheinigung über die im [X.] zustehenden Familienleistungen vorliege, die im Zusammenhang mit der nächsten Überprüfung des [X.] angefordert werde. Sie empfahl, einen Antrag auf "Child Benefit" zu stellen, weil der Anspruch auch bei Überschreiten der Einkommensgrenze grundsätzlich bestehe und auf das [X.] Kindergeld anzurechnen sei. Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.

6

Das Finanzgericht ([X.]) gab der auf Festsetzung von ungekürztem Kindergeld gerichteten Klage statt und setzte das Kindergeld abweichend von dem Bescheid vom 17.05.2016 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 09.11.2016 für die Monate November und Dezember 2015 in Höhe von 570 € und für Januar bis November 2016 in Höhe von 576 € fest. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2023, 686 veröffentlicht.

7

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Bundesrechts.

8

Die Familienkasse beantragt,
das Urteil des [X.] Berlin-Brandenburg vom 29.03.2021 - 7 K 7307/16 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Familienkasse ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und [X.]ntscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Das [X.] ist im ersten Rechtsgang davon ausgegangen, dass die Klägerin in den Monaten November 2015 bis November 2016 die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Kindergeld gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 und § 64 Abs. 2 Satz 2 des [X.]inkommensteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung für ihre drei leiblichen, im gemeinsamen Haushalt der Klägerin und ihres [X.]hemannes in [X.] lebenden minderjährigen Kinder erfüllt. Dies ist auf der Grundlage der Feststellungen des [X.], an die der [X.] im Revisionsverfahren gebunden ist (§ 118 Abs. 2 [X.]O), im Grundsatz nicht zu beanstanden.

2. Das [X.] hat allerdings auf Grundlage seiner bisher getroffenen Feststellungen zu Unrecht entschieden, dass der Klägerin im Streitzeitraum ein Anspruch auf Kindergeld in Höhe der vollen gesetzlich vorgesehenen Beträge zusteht.

a) Das [X.] hat zwar zutreffend angenommen, dass der Anwendungsbereich der Verordnung ([X.]) Nr. 883/2004 des [X.] und des [X.] ([X.] [X.]-- 2004, Nr. L 166, 1) in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung ([X.] 883/2004) eröffnet ist. [X.]s ist aber zu dem [X.]rgebnis gekommen, dass der Anspruch der Klägerin auf Kindergeld nicht teilweise durch einen --wegen der [X.]rwerbstätigkeit im [X.] vorrangigen-- Anspruch ihres [X.]hemannes auf [X.] Familienleistungen ausgeschlossen ist (Art. 68 Abs. 2 der [X.] 883/2004). Dabei hat das [X.] nicht festgestellt, dass dem [X.]hemann der Klägerin ein Anspruch auf "[X.]" nach den [X.]n Regelungen zustand. Vielmehr ist es davon ausgegangen, dass ein solcher Anspruch, selbst wenn er dem Grunde nach bestünde, mit null [X.] zu beziffern wäre. Das [X.] hat dabei darauf abgestellt, dass ein etwaiger Anspruch des [X.]hemannes der Klägerin auf "[X.]" aufgrund der Höhe seines [X.]inkommens durch eine gegenläufige [X.] Steuer vollständig kompensiert würde. Das [X.] war der Ansicht, dass es sich bei dieser Steuer der Sache nach ebenfalls um die Regelung einer Familienleistung handele. [X.]ntscheidend sei, dass die Anordnung der Steuerzahlung den Anspruch des Berechtigten auf "[X.]" in gleicher Weise reduziere, wie wenn schon das Bestehen des Anspruchs vom [X.]inkommen des Berechtigten abhängig gemacht oder eine Rückzahlungspflicht beim Überschreiten bestimmter [X.]inkommensgrenzen angeordnet worden wäre.

b) Diese Überlegungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Der [X.] kann auf der Grundlage der vom [X.] getroffenen Feststellungen nicht selbst in der Sache entscheiden.

Art. 68 Abs. 2 der [X.] 883/2004 schließt einen Kindergeldanspruch nach [X.] Recht unter Umständen ganz oder teilweise aus, wenn in einem anderen Mitgliedstaat (konkurrierende) Ansprüche auf Familienleistungen bestehen (vgl. z.B. [X.]surteile vom 18.02.2021 - III R 27/19, [X.], 60, [X.] 2022, 183; vom 18.02.2021 - III R 60/19, [X.], 942; vom [X.] - III R 10/20, [X.], 536, [X.] 2022, 186; vom 19.05.2022 - III R 32/20, [X.], 1180 und vom 01.06.2022 - III R 31/20, [X.], 288, [X.] 2023, 348, Rz 14). Art. 68 Abs. 2 Satz 1 und 3 der [X.] 883/2004 sind dagegen nicht anwendbar --können also einen Kindergeldanspruch in [X.] nicht ausschließen--, wenn in keinem anderen Mitgliedstaat Ansprüche auf Familienleistungen bestehen; es fehlt dann an zu koordinierenden Ansprüchen ([X.]surteil vom 01.06.2022 - III R 31/20, [X.], 288, [X.] 2023, 348, Rz 14).

Daher muss spätestens das [X.] im Klageverfahren feststellen, ob solche Ansprüche --im Streitfall des [X.]hemannes der Klägerin oder der Klägerin auf "[X.]"-- bestehen.

aa) Dazu ist grundsätzlich vorrangig das auf dem Prinzip der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten basierende Koordinierungsverfahren (vgl. insbesondere Art. 68 Abs. 3 der [X.] 883/2004 und Art. 60 der Verordnung ([X.]) Nr. 987/2009 des [X.] und des Rates vom 16.09.2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung ([X.]) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der [X.] Sicherheit [X.] 2009, Nr. L 284, 1-- in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung --[X.] 987/2009--) zwischen den jeweils zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten durchzuführen. Dies bedeutet, dass im Regelfall mittels eines Auskunftsersuchens gegenüber der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats zu klären ist, ob und in welchem Umfang dort ein Anspruch auf Familienleistungen bestand (vgl. [X.]surteile vom 22.02.2018 - III R 10/17, [X.], 214, [X.] 2018, 717, Rz 25; vom 01.06.2022 - III R 31/20, [X.], 288, [X.] 2023, 348, Rz 16 und vom [X.], [X.]NV 2023, 953, Rz 19).

Der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 des Vertrags über die [X.] verpflichtet den um Auskunft ersuchten Träger, den Sachverhalt, der für den Inhalt seiner [X.]rklärung nach seinen eigenen Rechtsvorschriften maßgebend ist, ordnungsgemäß zu beurteilen und damit die Richtigkeit der in der Bescheinigung aufgeführten Angaben zu gewährleisten (vgl. Urteile des Gerichtshofs der [X.] --[X.]uGH-- [X.] vom [X.], [X.]:[X.], Rz 22 und Kommission/[X.] vom 11.07.2018 - [X.]/15, [X.]:[X.], Rz 89, m.w.N.). Die entsprechenden Vordrucke verfolgen auch den Zweck, die Träger der Mitgliedstaaten, die die Anwendbarkeit der in Art. 68 der [X.] 883/2004 getroffenen Koordinierungsregelung überprüfen, von der Verpflichtung und Berechtigung zu entheben, die Frage nach dem tatsächlichen Bestehen eines materiellen Anspruchs im anderen Mitgliedstaat zu beantworten. Insoweit hat die [X.]ntscheidung einer ausländischen Behörde über das Bestehen eines Anspruchs auf Familienleistungen nach nationalem Recht Bindungswirkung mit der Folge, dass sie ohne eine weitere Überprüfung bei der Kindergeldfestsetzung und -aufhebung zu berücksichtigen ist ([X.]surteile vom 26.07.2017 - III R 18/16, [X.], 98, [X.] 2017, 1237, Rz 20 f. und vom 25.07.2019 - III R 34/18, [X.], 487, [X.] 2021, 20, Rz 43). Dies gilt, solange eine derartige Bescheinigung (in der Vergangenheit zum Beispiel [X.] 411) nicht zurückgezogen oder für ungültig erklärt wird (vgl. Art. 5 Abs. 2 bis 4 der [X.] 987/2009; [X.]surteil vom 26.07.2017 - III R 18/16, [X.], 98, [X.] 2017, 1237, Rz 20, m.w.N.).

bb) Vom [X.] zugelassene Ausnahmen vom Vorrang des [X.] betreffen namentlich Fälle, in denen das (Nicht-)Bestehen eines Anspruchs auf Familienleistungen des anderen Mitgliedstaats unbestritten oder zweifelsfrei war ([X.]surteil vom 01.06.2022 - III R 31/20, [X.], 288, [X.] 2023, 348, Rz 17, m.w.N.).

cc) Der Austritt des [X.]s aus der [X.] schließt Auskunftsersuchen der für die Familienleistungen zuständigen Träger der Mitgliedstaaten an die des [X.]s und umgekehrt nicht aus.

Denn auch im Anwendungsbereich des am 01.02.2020 in [X.] getretenen Abkommens über den Austritt des [X.]s Großbritannien und Nordirland aus der [X.] und der [X.] --Austrittsabkommen-- (ABl[X.] 2020, Nr. L 29, 7) ist bei der Koordinierung von Sozialleistungen ein Datenaustausch zwischen den [X.] vorgesehen und nimmt das [X.] am elektronischen Austausch von Sozialversicherungsdaten ([X.]) teil (Art. 34 Abs. 2 des Austrittsabkommens).

dd) Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall zur Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Ansprüchen auf [X.] Familienleistungen das Koordinierungsverfahren durchzuführen. Der Streitzeitraum umfasst die Monate November 2015 bis November 2016, sodass die Verordnungen Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 unmittelbar, das heißt ohne Rückgriff auf das Austrittsabkommen, gelten.

(1) Der Anspruch der Klägerin auf Kindergeld wäre daher mit einem Anspruch auf [X.] Familienleistungen zu koordinieren, wenn ein solcher bestünde.

Dabei steht der Umstand, dass die Kinder der Klägerin in [X.] wohnen, einem solchen Anspruch nicht entgegen. Das folgt aus Art. 67 Satz 1 der [X.] 883/2004 und Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der [X.] 987/2009. Nach Art. 67 Satz 1 der [X.] 883/2004 hat eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Der zur Anwendung dieser Vorschrift erlassene Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der [X.] 987/2009 enthält eine Familienbetrachtung, nach der die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen ist, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen (vgl. [X.]surteil vom 18.02.2021 - III R 71/18, [X.], 53, [X.] 2022, 180, Rz 23). Die in den Normen enthaltene Wohnsitzfiktion führt dazu, dass eine Person Anspruch auf Familienleistungen auch für Familienangehörige erheben kann, die in einem anderen als dem für ihre Gewährung zuständigen Mitgliedstaat wohnen ([X.]uGH-Urteil [X.] vom 22.10.2015 - [X.]/14, [X.]:C:2015:720, Leitsatz 1 und Rz 38 und 41).

(2) Das Koordinierungsverfahren ist nicht ausnahmsweise entbehrlich.

[X.]in etwaiger Anspruch des [X.]hemannes der Klägerin oder der Klägerin auf [X.] Familienleistungen ist weder unbestritten noch zweifelsfrei. Das [X.] hat offen gelassen, ob ein solcher Anspruch des [X.]hemannes der Klägerin besteht.

[X.]s hat zudem ohne nähere Prüfung angenommen, dass eine gegenläufige Steuer angefallen wäre, die das "[X.]" vollständig aufgezehrt hätte. Da ein "High Income [X.] Charge" --ausweislich der amtlichen Informationsseite (www.gov.uk/child-benefit-tax-charge)-- ein "taxable income" von mehr als 50.000 [X.] voraussetzt, hätte unter anderem festgestellt werden müssen, ob und in welcher Höhe das [X.]inkommen des [X.]hemannes der Klägerin, der nach den Feststellungen des [X.] im Streitzeitraum seinen Wohnsitz in [X.] hatte, im [X.] als "taxable income" berücksichtigt worden wäre (vgl. [X.]surteil vom 01.06.2022 - III R 31/20, [X.], 288, [X.] 2023, 348, Rz 20). Falls der [X.]hemann der Klägerin dem "High Income [X.] Charge" unterlegen hätte, wäre in rechtlicher Hinsicht zu entscheiden, ob durch diese Abgabe der Anspruch auf "[X.]" im Sinne des Art. 68 Abs. 2 der [X.] 883/2004 entfiel oder ob es sich um einen insoweit unerheblichen anderweitigen Nachteil handelte (vgl. [X.]surteil vom 01.06.2022 - III R 31/20, [X.], 288, [X.] 2023, 348, Rz 21).

Auch die bereits vorliegenden Mitteilungen des [X.]n Trägers vom 21.12.2015 und 07.04.2017 lassen die [X.]inholung einer Auskunft nicht als überflüssig erscheinen. Der Bescheinigung [X.] 411 vom 21.12.2015 ist lediglich zu entnehmen, dass seit 23.08.2010 dort kein Antrag auf "[X.]" gestellt und keine Leistung erbracht wurde. In der unmittelbar an den [X.]hemann der Klägerin adressierten und nicht im Rahmen des [X.] eingeholten Mitteilung vom 07.04.2017 wird nur bescheinigt, dass der [X.]hemann der Klägerin keine Familienleistungen im [X.] erhalten habe. Den Angaben des [X.]n Trägers ist jedoch nicht zu entnehmen, ob die Klägerin oder ihr [X.]hemann im Streitzeitraum einen Anspruch auf [X.] Familienleistungen gehabt hätten, wenn sie oder er einen Antrag gestellt hätte beziehungsweise wenn der in [X.] gestellte Kindergeldantrag der Klägerin nach Art. 68 Abs. 3 der [X.] 883/2004 und Art. 60 Abs. 3 der [X.] 987/2009 im [X.] berücksichtigt worden wäre. Sie gehen auch nicht darauf ein, ob bereits ein Anspruch auf "[X.]" ausgeschlossen ist, wenn der Berechtigte der gegenläufigen Abgabe ("High Income [X.] Charge") unterliegt.

Die von der Familienkasse im Revisionsverfahren erwähnte Bescheinigung vom 31.05.2019 hat das [X.] im angefochtenen Urteil nicht in Bezug genommen. Da die Familienkasse Verfahrensrügen nicht erhoben hat, kann ihr insoweit neuer Vortrag im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden (§ 118 Abs. 2 [X.]O). Auch diese Bescheinigung würde am [X.]rgebnis jedoch nichts ändern, da sie sich auf die Monate Dezember 2016 bis Mai 2019 (Ziffer 2.5) bezieht und damit nicht den Streitzeitraum betrifft.

3. Im zweiten Rechtsgang ist erneut über den Kindergeldanspruch der Klägerin zu entscheiden.

Wenn die zuständige ausländische Stelle im Rahmen des dabei durchzuführenden [X.] zum Verhältnis zwischen dem Anspruch auf die Familienleistung ("[X.]") und deren Besteuerung ("High Income [X.] Charge") Stellung nehmen sollte, wäre deren rechtlicher Bewertung zu folgen. Der [X.] weist dazu auf die [X.]surteile vom 22.02.2018 - III R 10/17 ([X.], 214, [X.] 2018, 717, Rz 25) und vom 01.06.2022 - III R 31/20 ([X.], 288, [X.] 2023, 348, Rz 22) hin; in den diesen [X.]ntscheidungen zugrunde liegenden Verfahren lag eine Mitteilung der [X.] vor, dass das "High Income [X.] Charge" den "[X.]" nicht aufhebe ("... has no effect on UK [X.] [X.]ntitlement"). [X.]in entsprechendes Schreiben hat die Familienkasse auch zur Akte des vorliegenden Verfahrens mit dem Aktenzeichen III R 40/22 gereicht.

Führt der zweite Rechtsgang zu dem [X.]rgebnis, dass ein Anspruch der Klägerin oder ihres [X.]hemannes auf Familienleistungen im Streitzeitraum auch im [X.] besteht, ist die Anspruchskumulierung nach Art. 68 der [X.] 883/2004 aufzulösen (vgl. [X.]surteile vom 26.07.2017 - III R 18/16, [X.], 98, [X.] 2017, 1237, Rz 24 und vom 01.06.2022 - III R 31/20, [X.], 288, [X.] 2023, 348, Rz 27). Führt er dagegen zu dem [X.]rgebnis, dass der Klägerin oder ihrem [X.]hemann kein solcher Anspruch zusteht, stehen Art. 68 Abs. 2 Satz 1 und 3 der [X.] 883/2004 dem vollen Kindergeldanspruch nicht entgegen (vgl. [X.]surteil vom 01.06.2022 - III R 31/20, [X.], 288, [X.] 2023, 348, Rz 14 und 26, m.w.N.).

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] folgt aus § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

III R 40/22

30.11.2023

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 29. März 2021, Az: 7 K 7307/16, Urteil

Art 67 EGV 883/2004, Art 68 EGV 883/2004, Art 60 EGV 987/2009, §§ 62ff EStG 2009, § 62 EStG 2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.11.2023, Az. III R 40/22 (REWIS RS 2023, 9636)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9636

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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