Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.01.2018, Az. XI ZR 359/16

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 15258

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:230118UXIZR359.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM
NAMEN
[X.]S
VOLKES
URTEIL
XI ZR 359/16
Verkündet am:
23.
Januar 2018
Herrwerth
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 495 Abs. 1, § 355 (Fassung bis zum 10. Juni 2010)
a)
Passen die Parteien im Rahmen einer unechten Abschnittsfinanzierung die [X.] eines bestehenden [X.]ehensvertrags an und gewährt der [X.]ehensgeber zugleich für einen [X.] ein neues Kapitalnutzungsrecht, bietet er nach der gebotenen objektiven Auslegung dem [X.]ehensnehmer für die Konditi-onenanpassung die Vereinbarung eines vertraglichen Widerrufsrechts auch dann nicht an, wenn er eine einheitliche Widerrufsbelehrung erteilt (Fortführung von [X.] vom 28.
Mai 2013
XI
ZR 6/12, [X.], 1314 Rn.
19
ff.).
b)
Der Widerruf der die Vereinbarung über das neue Kapitalnutzungsrecht betreffen-den Willenserklärung führt in solchen Fällen regelmäßig nicht dazu, dass auch die Konditionenanpassung rückabzuwickeln ist.
[X.], Urteil vom 23. Januar 2018 -
XI ZR 359/16 -
OLG Frankfurt am Main

[X.]

-
2
-
Der XI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 23.
Januar 2018 durch
den Vizepräsidenten Prof.
Dr.
Ellenberger, die Richter Dr.
Joeres und Dr.
Matthias sowie
die Richterinnen Dr.
Menges und Dr.
Dauber

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 19.
Zivilsenats des [X.] vom 13.
Juli 2016 auf-gehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

-
3
-
Tatbestand:
Die
Klägerin
nimmt die Beklagte auf Feststellung nach Widerruf ihrer auf Abschluss eines [X.]ehensvertrags gerichteten
Willenserklärung in Anspruch.
Die Parteien schlossen zum Zwecke der Umschuldung im März 2006 ei-nen Verbraucherdarlehensvertrag über 60.649,54

30.
September 2007
festen Nominalzinssatz von 6,35%
p.a. Unter 1.2 des [X.] bezeichneten die Parteien den "Nettodarlehensbetrag"
mit 20.488,69

"Besondere Vereinbarungen"
hielten sie fest:
"Aufstockung des [X.]ehens von EUR
40.160,85 um EUR
20.488,69 auf EUR
60.649,54 (Zusammenfassung mit [X.]. Nr.

verliert der [X.]ehensvertrag vom 02.10.1997 seine Gültigkeit. Zinssatz ab 01.10.2007: 4,38%, fest bis 30.09.2017

siehe gesonderte Anlage ".
Zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten dienten Grundpfandrechte. Die Beklagte belehrte die Klägerin über ihr Widerrufsrecht wie folgt:
1
2
3
-
4
-

-
5
-
Die
Klägerin
erbrachte Zins-
und Tilgungsleistungen. Am
18.
Februar 2015
widerrief ihr vorinstanzlicher Prozessbevollmächtigter
ihre
auf Abschluss des [X.]ehensvertrags gerichtete Willenserklärung.
Ihre Klage auf Feststellung, sie habe
ihre auf Abschluss des [X.]ehens-vertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen
"und der [X.]ehensver-trag"
sei
unwirksam
geworden, außerdem auf Feststellung, sie schulde
der [X.] aus dem [X.]ehen nur noch 20.942,59

Februar 2015, hat das [X.] abgewiesen. Über eine nur in erster Instanz verfolgte [X.] der Beklagten hat es nicht entschieden. Die Berufung der Klägerin, mit der sie
ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt, den mit der
negativen Feststel-lungsklage zugestandenen Betrag allerdings auf 15.247,24

und hilfsweise zum
ersten Feststellungsantrag beantragt
hat festzustellen, der [X.]
sei
durch den Widerruf in ein Rückgewährschuldverhältnis um-gewandelt worden, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie ihr
Berufungsbegehren weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der
Sache an das Berufungsgericht.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung

soweit für
das Revisionsverfahren von Bedeutung

ausgeführt:
4
5
6
7
-
6
-
Die begehrten Feststellungen seien nicht zu treffen, weil der Widerruf der Klägerin nicht wirksam geworden sei. Zwar habe die Beklagte die [X.] über das der Klägerin zukommende Widerrufsrecht belehrt, ohne dass der Beklagten die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung zugutekomme. Die Klägerin habe ihr Widerrufsrecht indessen rechtsmiss-bräuchlich ausgeübt. Sie habe sich lediglich einer
formalen
Rechtsposition [X.], ohne ein vom
Schutzzweck des Widerrufsrechts

Schutz vor Übereilung

gedecktes Anliegen zu verfolgen.

II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht von der Zulässigkeit der Feststel-lungsklage ausgegangen.
Der Antrag festzustellen, der zwischen den Parteien geschlossene [X.] sei "wirksam widerrufen", ist als auf die Klärung einer nicht fest-stellungsfähigen bloßen Vorfrage gerichtet unzulässig ([X.]surteile vom 21.
Februar 2017 -
XI
ZR
467/15, WM
2017, 906 Rn.
12, vom 10.
Oktober 2017

XI
ZR
457/16, WM
2017, 2256 Rn.
18 und vom 7.
November 2017

XI
ZR
369/16, WM
2018, 45
Rn.
14).
Für den Antrag
festzustellen, der [X.]ehensvertrag
sei aufgrund des Wi-derrufs "unwirksam"
geworden, fehlt, wie der [X.] nach Erlass des Beru-fungsurteils näher ausgeführt hat ([X.]surteile vom 24.
Januar 2017

XI
ZR 183/15, WM
2017, 766 Rn.
11
ff., vom 21.
Februar 2017

XI
ZR
467/15, WM
2017, 906 Rn.
13
ff., vom 14.
März 2017

XI
ZR
442/16, WM
2017, 849 Rn.
19, 8
9
10
11
12
-
7
-
vom 16.
Mai 2017

XI
ZR
586/15, WM
2017, 1258 Rn.
16 und vom 4.
Juli 2017

XI
ZR
741/16, WM
2017, 1602 Rn.
16
f.), das Feststellungsinteresse. Die Feststellungsklage ist auch nicht nach den Maßgaben des [X.] vom 24.
Januar 2017 (aaO, Rn.
16) abweichend von der Regel ausnahmsweise zu-lässig, weil hier nicht feststeht, dass der Rechtsstreit die [X.] der Parteien endgültig bereinigt.
Unzulässig ist schließlich
der Antrag der Klägerin festzustellen, sie
schulde der Beklagten zum 18.
Februar 2015 "aus dem [X.]ehen"
nur noch 15.247,24

. Bei einer negativen Feststellungsklage entsteht das Feststellungs-interesse des Klägers regelmäßig aus einer vom Beklagten (nicht notwendig ausdrücklich) aufgestellten Bestandsbehauptung ("[X.]") der vom Kläger verneinten Rechtslage. Da die
Beklagte die Wirksamkeit des Widerrufs und damit das Zustandekommen eines [X.] bestreitet, berühmt sie sich keines Anspruchs aus §
357 Abs.
1 Satz
1 [X.] in der bis zum 12.
Juni 2014
geltenden Fassung in Verbindung mit §§
346
ff. [X.] ([X.] vom 16.
Mai 2017

XI
ZR
586/15, WM
2017, 1258 Rn.
13).
2. Außerdem weisen die Ausführungen des Berufungsgerichts zu einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts revisionsrechtlich er-hebliche Rechtsfehler auf.
a) Im Ausgangspunkt
und
auf der Grundlage des revisionsrechtlich zu-gunsten der Klägerin zu unterstellenden Sachverhalts
zutreffend
ist allerdings die Annahme
des Berufungsgerichts, die Klägerin habe ihre auf Abschluss des [X.]ehensvertrags gerichtete Willenserklärung gemäß dem nach Art.
229 §
9 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2, §
22 Abs.
2, §
32 Abs.
1, §
38 Abs.
1 EG[X.] maßgebli-chen Recht
nach §
495 Abs.
1 [X.] auch noch im Februar 2015 widerrufen können, weil die Beklagte sie unzureichend deutlich über die Voraussetzungen 13
14
15
-
8
-
des Widerrufsrechts belehrt habe ([X.]surteil vom 12.
Juli 2016

XI
ZR
564/15, [X.]Z
211, 123 Rn.
17
ff., 20
ff.).
b) Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu § 242 [X.] weisen indes-sen revisionsrechtlich erhebliche Rechtsfehler auf. Wie der [X.] inzwischen wiederholt entschieden und näher ausgeführt hat, ist die Ausübung des [X.] nicht allein deshalb rechtsmissbräuchlich, weil sie nicht durch den Schutzzweck des Widerrufsrechts motiviert ist ([X.]surteile vom 12.
Juli 2016

XI
ZR
501/15, [X.]Z
211, 105 Rn.
20
ff. und

XI
ZR
564/15, [X.]Z
211, 123 Rn.
45
ff. sowie vom 7.
November 2017

XI
ZR
369/16, WM
2018, 45 Rn.
16). Demgegenüber hat das Berufungsgericht bei der Anwendung des §
242 [X.] maßgeblich darauf abgestellt, der Widerruf habe nicht dem Schutz vor Überei-lung gedient.

III.
Das Berufungsurteil unterliegt mithin der Aufhebung (§
562 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§
561 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, verweist sie der [X.] an das [X.] zurück (§
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO), das der Klägerin
Gelegenheit zu geben haben wird, einen zulässigen Antrag zu stellen ([X.]surteil vom 4.
Juli 2017

XI
ZR
741/16, WM
2017, 1602 Rn.
34). Außerdem wird sich das Berufungsgericht nach Maßgabe der vom [X.] näher ausgeführten
Grund-sätze mit dem Einwand auseinanderzusetzen haben, der Ausübung des [X.] habe §
242 [X.] entgegen gestanden (vgl. [X.]surteile vom 12.
Juli 2016

XI
ZR
501/15, [X.]Z
211, 105 Rn.
17
ff., 39
ff. und

XI
ZR
564/15, [X.]Z
211, 123 Rn.
34
ff., 42
ff., vom 11.
Oktober 2016

XI
ZR
482/15, [X.]Z
16
17
-
9
-
212, 207 Rn.
29
ff. sowie vom 7.
November 2017

XI
ZR
369/16, WM
2018, 45 Rn.
15
ff., 30).
Sollte das Berufungsgericht den Widerruf für wirksam erachten, wird es sich mit dem Einwand der Beklagten zu befassen haben, der Klägerin sei im März 2006 lediglich in Höhe von 20.488,69

eingeräumt worden.
[X.] dies zu, erfasste
das gesetzliche Widerrufsrecht nach §
495 Abs.
1 [X.] nur die diesen Teilbetrag betreffende Vereinbarung der Parteien (vgl. [X.], Urteile vom 19.
Februar 1986

VIII
ZR
113/85, [X.]Z
97, 127, 131
ff., vom 16.
April 1986

VIII
ZR
79/85, [X.]Z
97, 351, 360, vom 8.
Oktober 1990

VIII
ZR
176/89, [X.]Z
112, 288, 293
f., vom 26.
Oktober 1990

V
ZR
22/89, [X.]Z
112, 376, 377
f., vom 25. Mai 1983

VIII
ZR
51/82, WM
1983, 788, 789 und vom 3.
Juli 1991

VIII
ZR
201/90, WM
1991, 1675, 1677; [X.]/
[X.], [X.], Neubearb.
2012, §
355 Rn.
28; [X.]/[X.], 7.
Aufl., §
355 Rn.
26; [X.], MMR
2004, 127, 128
f.; [X.], ZIP
2000, 1273, 1283 Fn.
94). Für eine
Konditionenanpassung
im Rahmen der unechten Abschnittsfinanzierung

hier nach dem Vortrag der Beklagten für einen Teilbe-trag von 40.160,85

bestünde kein gesetzliches Widerrufsrecht (vgl. [X.]s-urteil vom 28.
Mai 2013

XI
ZR
6/12, WM
2013, 1314 Rn.
19
ff.).
Insoweit bestünde auch kein vertragliches Widerrufsrecht. Passen die Parteien im Rahmen einer unechten Abschnittsfinanzierung die Konditionen eines bestehenden [X.]ehensvertrags an und gewährt der [X.]ehensgeber zu-gleich für einen [X.] ein neues Kapitalnutzungsrecht, bietet er nach der gebotenen objektiven Auslegung dem [X.]ehensnehmer für die [X.]anpassung die Vereinbarung eines vertraglichen Widerrufsrechts auch dann nicht an, wenn er eine einheitliche Widerrufsbelehrung erteilt.
18
19
20
-
10
-
Der Widerruf der die Vereinbarung über das neue Kapitalnutzungsrecht betreffenden
Willenserklärung
führt
in solchen Fällen regelmäßig nicht dazu, dass auch die Konditionenanpassung
rückabzuwickeln ist
([X.]/[X.], [X.], Neubearb.
2012, §
355
Rn.
28; die von [X.]/[X.], 7.
Aufl., §
355 Rn.
26 zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung zur Anwen-dung der §§
812
ff. [X.] betraf die Rechtslage vor dem 30.
Juni 2000).

Ellenberger
Joeres
Matthias

Menges
Dauber
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.07.2015 -
3 O 142/15 -

OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 13.07.2016 -
19 [X.] -

21

Meta

XI ZR 359/16

23.01.2018

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.01.2018, Az. XI ZR 359/16 (REWIS RS 2018, 15258)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15258

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XI ZR 359/16

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