Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.01.2013, Az. IV ZB 32/12

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8991

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 32/12
vom

16.
Januar 2013

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

[X.] §
43a Abs.
4; [X.] §
3 Abs.
1; ZPO §
121

Ein Rechtsanwalt, der anlässlich desselben [X.] Pflichtteilsberechtigte bei der Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen und deren Mutter bei der Abwehr von [X.] vertritt, verstößt ohne die Interessenkollision auflö-sende Mandatsbeschränkungen gegen das Vertretungsverbot gemäß §
43a Abs.
4 [X.], §
3 Abs.
1 [X.].

Ein solcher Verstoß kann die rückwirkende Aufhebung seiner Beiordnung ge-mäß §
121 ZPO rechtfertigen.

[X.], Beschluss vom 16. Januar 2013 -
IV ZB 32/12 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzen-de Richterin [X.], [X.], [X.], die Richterin
[X.] und [X.]

am 16. Januar 2013

beschlossen:

Die [X.] gegen den Beschluss des 11. Zi-vilsenats des [X.] vom 8.
August 2012 werden auf Kosten der Rechtsbeschwerdeführer zu-rückgewiesen.

Gründe:

[X.] Die Rechtsbeschwerdeführer wenden sich gegen die [X.] Aufhebung der Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten der [X.] wegen Vertretung widerstreitender Interessen.

Die Klägerin macht als Alleinerbin ihrer Mutter eine [X.] aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Witwe ihres vorver-storbenen [X.]
Beklagte und Rechtsbeschwerdeführerin zu
1

gel-tend.

Der Beklagten wurde unter Beiordnung des von ihr mandatierten [X.] zu
2 als Verfahrensbevollmächtigtem
Pro-zesskostenhilfe bewilligt. Nach Hinweis der Klägerin, dass der Rechtsbe-1
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3
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3
-

schwerdeführer zu
2 die Kinder der Beklagten bei der Durchsetzung ihrer Pflichtteilsansprüche gegen die Klägerin in dem inzwischen rechtskräftig abgeschlossenen Parallelverfahren vertrat, hob das [X.] dessen Beiordnung rückwirkend auf.

Die hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerden der Beklagten und des [X.] zu
2 sind vor dem [X.] erfolglos geblieben. Dagegen wenden sie sich mit ihren vom [X.].

I[X.] Die [X.] sind gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 ZPO statthaft; an ihre Zulassung ist der Senat gemäß §
574 Abs.
3 Satz
2 ZPO gebunden. Sie sind auch im Übrigen zulässig, jedoch in der Sache unbegründet.

1. Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass der Rechtsbeschwerdeführer zu
2 mit der Wahrnehmung der Interessen der Kinder der Beklagten bei der Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen gegen die Klägerin (Erstmandat) einerseits und der Interessen der [X.] bei der Abwehr von [X.] der Klägerin ([X.]) andererseits gegen das Vertretungsverbot gemäß §
43a Abs.
4 [X.], §
3 [X.] verstößt und deswegen seine Beiordnung rückwirkend aufzuheben war.

Beide Mandate betreffen dieselbe Rechtssache (§
3 Abs.
1 [X.]), die jeweils wahrzunehmenden Interessen widersprechen einander (§
43a
Abs.
4 [X.]) und dieser Interessenkonflikt ist im Streitfall nicht nur [X.] gegeben, sondern er besteht auch konkret. Die dafür herangezoge-4
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-
4
-

nen maßgeblichen Rechtsgrundsätze sind höchstrichterlich geklärt ([X.], Urteil
vom 23.
April 2012
[X.]([X.]) 35/11, BeckRS 2012, 15772
= NJW 2012, 3039; vgl. ferner [X.], Urteile vom 25.
Juni 2008
5 [X.], [X.]St 52, 307; vom 7.
Oktober 1986
1 [X.], [X.]St 34, 190; vom 16.
November 1962
4 StR 344/62, [X.]St 18, 192; [X.], [X.] vom 25.
August 2004
7 ABR 60/03, [X.]E 111, 371; [X.], Beschlüsse
vom 20.
Juni 2006
1 BvR 594/06, [X.] 2006, 413; vom 3.
Juli 2003
1 BvR 238/01, [X.]E 108, 150; BayObLG, Urteil vom 26.
Juli 1989
[X.], BayObLGSt 1989, 120).
Diese [X.] sind vom Beschwerdegericht beanstandungsfrei angewandt worden; gegen seine Feststellung, es seien keine Anhaltspunkte für eine den In-teressenwiderstreit etwa entschärfende oder gar ausschließende Be-schränkung bei der Erteilung des [X.] vorgetragen oder sonst ersichtlich, ist nichts zu erinnern. Zur weiteren Begründung verweist der erkennende Senat, auch um bloße Wiederholungen zu vermeiden, auf die überzeugenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung.

2. Weiterer abstrakt-genereller höchstrichterlicher Klärungsbedarf ist nicht auszumachen und wird auch von den [X.] nicht dargelegt. Insoweit ist lediglich Folgendes ergänzend anzumerken:

a) Der Annahme, bei den beiden Mandaten handele es sich um dieselbe Rechtssache i.S. von §
3 Abs.
1 [X.], steht nicht entgegen

wie die Rechtsbeschwerdeführer an dieser Stelle
meinen
, dass es an der erforderlichen Sachverhaltsidentität fehlt.
Insoweit reicht es, wenn sich die übernommenen Mandate zumindest teilweise sachlich-rechtlich decken ([X.], Urteil vom 23.
April 2012 aaO Rn.
8 m.w.N.).
Daran be-stehen allein schon wegen der Klammerwirkung des vom Erbfall be-stimmten [X.] keine Zweifel, aus dem sich die gegenläu-8
9
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figen Beratungspflichten gegenüber Pflichtteilsberechtigtem
und in An-spruch genommenem
Nachlassschuldner ergeben. Insoweit sind insbe-sondere mit Blick auf Gegenstände und Wert des Nachlasses die glei-chen tatsächlichen Umstände von Bedeutung für die von den [X.] bezogenen unterschiedlichen Rechtspositionen (vgl. BayObLG aaO unter 1
m.w.N.).

b) Dabei hat das Berufungsgericht entgegen den Rechtsbeschwer-den auch nicht die Interessenlage anhand des konkreten Auftrags ver-nachlässigt. Diese Rüge betrifft zunächst schon nicht die Tatbestandsvo-raussetzung für das in Rede stehende Vertretungsverbot,
"dieselbe Rechtssache", sondern den [X.] und ob dieser im konkreten Falle festzustellen ist. Abgesehen davon hat sich das Be-schwerdegericht
wie vor
allem die Beschlussgründe S.
9 und S.
11 be-legen

ausdrücklich mit den Interessen befasst, die mit der [X.] verfolgt werden. Das wird auch von den [X.] nachfolgend anerkannt, wenn sie hervorheben, das Beschwerdegericht halte zutreffend fest, "dass die Mandatspflichten eines Anwalts wesent-lich durch den ihm erteilten Auftrag bestimmt werden".

c) Bei der Festlegung des konkreten Interessenwiderstreits halten die Rechtsbeschwerdeführer
zu Unrecht dem Beschwerdegericht vor, rechtsfehlerhaft die Frage offengelassen zu haben, inwieweit ein solcher Interessenkonflikt im Streitfall allein "mit einer
grundsätzlich
fehlenden Dispositionsbefugnis der Parteien
über das Verbot der Doppelvertretung zu begründen"
sei.
Die spätere Einverständniserklärung der Beklagten und ihrer Kinder schließt diesen konkreten Interessengegensatz bei der Vertretung durch denselben Prozessbevollmächtigten offensichtlich nicht aus. Zu Recht hat das Beschwerdegericht dieser
Erklärung eine konflikt-10
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lösende Wirkung bei Mandatserteilung nicht entnommen. Auch das Ver-ständnis der [X.], dass "die weitere Verfolgung (weite-rer) Pflichtteilsansprüche vom Bestand der behaupteten [X.] abhängig gemacht wird und dieser im vorliegenden Rechtsstreit ge-klärt werden soll", lässt den Konflikt konkret bestehen.

Der Rechtsbeschwerdeführer zu
2 ist gehalten, die Durchsetzung der Nachlassforderung, zu der die Klägerin verpflichtet ist (§
2313 Abs.
2 BGB, vgl. [X.]/[X.], 5.
Aufl. §
2313 Rn.
14),
zu
verhin-dern, was den Interessen der Pflichtteilsberechtigten nach wie vor [X.], auch wenn sie letztlich bereit sind, den Ausgang des [X.] hinzunehmen.
Die Gesamtumstände führen insoweit gerade nicht über eine etwaige Mandatsbeschränkung zu
einem nur noch latent vor-handenen Interessenkonflikt (anders insoweit die Sachlage in [X.], Ur-teil vom 23.
April 2012 aaO Rn.
14 und 15).

d) Damit ist schließlich zugleich den Bedenken der [X.] gegen die rückwirkende Aufhebung der Beiordnung die Grundlage entzogen (vgl. insoweit [X.], 510
f. = juris Rn.
20
ff.; OLG Celle FamRZ 1983, 1045).
Der Rechtsbeschwerdeführer zu
2 hätte diesen Konflikt von Anfang an unschwer erkennen können, zumal er in dem Parallelverfahren von der Klägerin (dortige Beklagte) frühzeitig darauf hingewiesen worden ist. Das rechtfertigt
wie das Be-schwerdegericht zutreffend ausgeführt hat

angesichts der gleichwohl vorgenommenen anwaltlichen Beratung der Beklagten und ihrer Kinder den

auch rückwirkenden

Entzug der Beiordnung
ohne Rücksicht auf
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den Willen der Beteiligten (vgl. Musielak/[X.], ZPO 9.
Aufl. §
121 Rn.
27). Dem etwa entgegenstehende Vertrauensschutzgesichtspunkte sind nicht dargetan oder sonst ersichtlich.

[X.]

[X.] [X.]

[X.] Dr.
Karczewski
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 26.03.2012 -
6 O 504/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 08.08.2012 -
I-11 W 47/12 -

Meta

IV ZB 32/12

16.01.2013

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.01.2013, Az. IV ZB 32/12 (REWIS RS 2013, 8991)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8991

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZB 32/12

5 StR 109/07

1 BvR 238/01

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