Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.08.2005, Az. 2 StR 195/05

2. Strafsenat | REWIS RS 2005, 2254

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[X.] vom 5. August 2005 in der Strafsache gegen

wegen Mordes u.a.
- 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 5. August 2005 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. Dezember 2004 aufgehoben, soweit die
besondere Schwere der Schuld festgestellt worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe: Das [X.] hatte den Angeklagten durch Urteil vom 16. August 2002 wegen Totschlags in Tateinheit mit Führen einer halbautoma-tischen Selbstladekurzwaffe sowie wegen Erwerbs einer solchen Waffe zu [X.] verurteilt und die Einziehung der [X.] angeordnet. Vom Vorwurf eines weiteren Tötungsdelikts hatte das Land-gericht den Angeklagten freigesprochen. Dieses Urteil hat der Senat auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des [X.] durch Urteil vom 6. August 2003 - 2 [X.]/03 - mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben; ausgenommen die Verurteilung wegen Erwerbs einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe und deren Ein-- 3 - ziehung. Die äußeren Feststellungen zur Tötung der Ehefrau des Angeklagten wurden aufrecht erhalten. Durch Urteil vom 23. Dezember 2004 hat das [X.] den Angeklag-ten nun wegen Mordes in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe, und wegen des rechtskräftig festge-stellten Erwerbs dieser Waffe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Ge-samtstrafe verurteilt. Es hat die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Die auf eine Verfahrensrüge und die allgemeine Sachrüge gestützte Re-vision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg, soweit die besondere Schwere der Schuld (§ 57 a Abs. 1 Nr. 2 StGB) festgestellt wurde; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. 1. Die Zurückweisung des Antrags, der Entscheidung nicht diejenigen Feststellungen zu Grunde zu legen, deren Aufrechterhaltung der Senat im Ur-teil vom 6. August 2003 angeordnet hatte, und das Absehen von einer erneu-ten Beweisaufnahme zu diesen Tatsachen verstieß entgegen der Auffassung der Revision nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG; es sind auch weder die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) noch § 353 Abs. 2 StPO verletzt. Die Aufrechterhaltung rechtsfehlerfrei getroffener tatrichterlicher Feststellungen entspricht ständiger Rechtsprechung des [X.] (BGHSt 14, 30, 34 f.; 33, 378, 382; vgl. [X.] in [X.]. § 353 Rdn. 24 ff.; [X.] StPO 48. Aufl. § 353 Rdn. 15; [X.] in Löwe/[X.], [X.]., § 353 Rdn. 18 ff., jeweils m.w.N.). Ihr steht im vorliegenden Fall auch nicht entgegen, dass die beiden angeklagten Tötungshandlungen in unmittel-barem zeitlichem und örtlichem Zusammenhang standen und dass die rechts-kräftigen Feststellungen zur Tötung der Ehefrau des Angeklagten Indizwirkung auch für die Tötung des weiteren [X.] haben konnten. Die äußeren - 4 - Umstände waren daher in dem durch Senatsurteil vom 6. August 2003 be-zeichneten Umfang, wie der [X.] zutreffend ausgeführt hat, auch insoweit rechtskräftig festgestellt, als sie Grundlagen für Feststellungen zur Tötung des [X.] enthielten. 2. Auf dieser verfahrensrechtlich zutreffenden Grundlage begegnet die Beweiswürdigung des [X.] zur Täterschaft und zum Schuldspruch we-gen Mordes auch hinsichtlich des [X.] unter [X.] im Ergebnis keinen durchgreifenden Bedenken. Nicht rechtsfehlerfrei ist allerdings die Auflistung von lediglich drei mög-lichen Varianten des Tathergangs ([X.]) und ihre Kombination mit als möglich angesehenen Varianten eines denkbaren Motivs für die Tötung des [X.] entweder durch die Ehefrau des Angeklagten oder durch diesen selbst ([X.] f.). Als mögliche Tatvarianten hat das [X.] zum Ersten angenom-men, der Angeklagte könne von vornherein entschlossen gewesen sein, seine Ehefrau und den [X.] zu töten; er könne daher nach dem Zusammentreffen in der Wohnung sofort auf den völlig überraschten [X.] geschossen haben. Zum [X.] sei es möglich, dass es zunächst zu einer Aussprache über das Gerücht eines außerehelichen Verhältnisses des [X.] mit der Ehefrau des Angeklagten gekommen sei. Im Verlaufe dieser Aussprache, die nicht zu einer Entkräftung des Gerüchts geführt haben könne, habe sich der Angeklagte möglicherweise spontan entschlossen, seine Pistole zu ziehen und den hiervon überraschten [X.] zu erschießen. Zum [X.] sei es möglich, dass der Angeklagte den [X.] zu-nächst mit vorgehaltener Waffe zu einer Aussprache gezwungen habe, jedoch von vornherein und schon beim überraschenden Ziehen der Pistole zur Tötung entschlossen war, gleichgültig, was der [X.] erklärte. - 5 - Diese Aufzählung denkbarer Tatvarianten hat das [X.] ersicht-lich als denkgesetzlich abschließend behandelt; die weitere Beweiswürdigung nimmt hierauf in teilweise schematisch wirkender Weise Bezug. Das ist unzu-treffend, denn es ist eine weitere Variante denkbar: Der Angeklagte könnte den [X.] und seine Ehefrau mit vorgehaltener Waffe zu einer "Aussprache" gezwun-gen haben, ohne zu diesem Zeitpunkt bereits zur Tötung entschlossen gewe-sen zu sein. Die Aussprache könnte - was das [X.] ausdrücklich für möglich hält ([X.]) - ergeben haben, dass das Gerücht über ein außerehe-liches Verhältnis entweder zutraf oder jedenfalls nicht widerlegt wurde. Der An-geklagte könnte sich nunmehr, als Reaktion auf das Ergebnis der erzwungenen Aussprache, zur Tötung entschlossen haben. Diese Tatvariante ist nicht nur theoretisch denkbar, sondern erscheint auch jedenfalls lebensnäher als die dritte vom [X.] erwogene Variante. Auch unter Berücksichtigung dieser rechtsfehlerhaften Verengung und der teilweise missverständlichen Formulierungen der Urteilsgründe ist die Be-weiswürdigung zur Tötung des [X.] durch den Angeklagten aber im Ergebnis rechtsfehlerfrei. Zwar könnten einzelne Formulierungen der Urteilsgründe dar-auf hindeuten, das [X.] habe die Beweiswürdigung als schematische, denkgesetzlich zwingende Ableitung angesehen. Der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe belegt aber, dass der Tatrichter seine Überzeugung auf eine Gesamtwürdigung aller - gravierenden - Indizien für die Täterschaft des Ange-klagten gestützt hat. Der Schuldspruch wegen zweifachen Mordes ist nicht zu beanstanden. Die Annahme des [X.] niedriger Beweggründe bei beiden Tötungen begegnet keinen Bedenken. Die Annahme des weiteren [X.] der Verdeckungsabsicht bei der Tötung der Ehefrau des Angeklagten hat das - 6 - [X.] zwar nicht im Einzelnen begründet. Es drängt sich aber nach den Feststellungen auf, wonach der Angeklagte die Tatwaffe nach der Tötung [X.] Ehefrau abwischte und in die Hand der Toten schob, um seine Einlassung zu stützen, seine Ehefrau habe zunächst den [X.] und dann sich selbst erschos-sen. Auch der Strafausspruch ist rechtsfehlerfrei. 3. Keinen Bestand hat aber die Feststellung besonders schwerer Schuld gemäß § 57 a Abs. 1 Nr. 2 StGB. Das [X.] hat dieser Feststellung als einen von drei "wesentlichen Gesichtspunkten" zu Grunde gelegt, "dass gleich bei beiden Mordtaten jeweils zwei Mordmerkmale erfüllt waren" ([X.]); hin-sichtlich der Tötung des [X.] hat es den eigenständigen schweren Unrechtsge-halt der Heimtücke neben dem Merkmal der niedrigen Beweggründe ausdrück-lich hervorgehoben ([X.] f.). Diese Wertung beruht nicht auf tragfähigen Grundlagen. Wie oben unter 2. ausgeführt, hat das [X.] eine mögliche, nach den Umständen nicht fern liegende Tatvariante nicht gesehen, bei welcher die Annahme von [X.] nicht gerechtfertigt wäre, weil [X.] zum Zeitpunkt des [X.] nicht arglos gewesen wäre. Wenn diese Möglichkeit aber nicht auszuschließen war, musste sie als dem Angeklagten Günstigste der Bewertung der [X.] zu Grunde gelegt werden; diese durfte daher nicht auf das Vorliegen von zwei Mordmerkmalen gestützt werden. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Feststellung besonders schwerer Schuld. Die tatsächlichen Feststellungen hierzu können aber aufrecht erhalten werden, da es sich um einen Wertungsfehler auf einer unzureichen-den Tatsachengrundlage handelt, die aber insoweit vom Senat abschließend - 7 - beurteilt werden kann. Der neue Tatrichter wird die Möglichkeit einer auf nied-rigen Beweggründen beruhenden, aber nicht heimtückischen Tötung des [X.] zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen und einer erneuten umfassenden Gesamtwürdigung zur Frage der besonderen Schuldschwere zu Grunde zu legen haben. [X.]Otten

Fischer

Roggenbuck

Meta

2 StR 195/05

05.08.2005

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.08.2005, Az. 2 StR 195/05 (REWIS RS 2005, 2254)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 2254

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