Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.08.2003, Az. 2 StR 180/03

2. Strafsenat | REWIS RS 2003, 1959

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[X.] DES VOLKESURTEIL2 StR 180/03vom6. August 2003in der Strafsachegegenwegen Totschlags u.a.- 2 -Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom [X.], an der teilgenommen haben:[X.] am [X.]. [X.]als Vorsitzenderund [X.] am [X.]. h.c. Detter,[X.]in am [X.]. [X.],[X.] am [X.]. Dr. Fischer,[X.]in am [X.],als beisitzende [X.]Oberstaatsanwalt beim [X.]als Vertreter der [X.],Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger,Rechtsanwältin als Vertreterin des [X.],[X.]und Justizangestellte (bei [X.]) als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,- 3 -für Recht [X.] Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil [X.] vom 16. August 2002, ausgenommen [X.] wegen Erwerbs einer halbautomatischen Selbstla-dekurzwaffe sowie die Einziehungsanordnung, mit den zugehö-rigen Feststellungen aufgehoben. Aufrechterhalten bleiben [X.] die äußeren Feststellungen zur Tötung der Ehefrau desAngeklagten.2. Auf die Revision des [X.] wird das vorgenannte Urteilmit den Feststellungen aufgehoben, soweit der [X.] worden i[X.]3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel,an eine andere [X.] des [X.] zu-rückverwiesen.Von Rechts wegenGründe:[X.] -Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags in Tateinheitmit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe sowiewegen unerlaubten Erwerbs einer solchen Waffe zu einer Gesamtfreiheits-strafe von elf Jahren verurteilt, die halbautomatische Selbstladepistole hat eseingezogen. Vom Vorwurf eines weiteren Tötungsdelikts (Tötung des [X.]) hat die [X.] den Angeklagten aus [X.] freigesprochen.Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte im Jahre 1998 von [X.] unbekannten Person eine halbautomatische Selbstladepistole. Die [X.] er auf einem Betriebsgelände im [X.] in [X.]. Im [X.] erhielt er Kenntnis von dem Gerücht, seine Ehefrau [X.], dasspätere [X.], habe ein außereheliches Verhältnis mit [X.], demzweiten [X.]. Am 28. August 2000 traf sich [X.]mit dem Ange-klagten auf dem Betriebsgelände. Dem Angeklagten gelang es dann auch, sei-ne Ehefrau unter einem Vorwand dorthin zu locken. In einer über den [X.] Wohnung kam es zu einem Zusammentreffen dieser drei Personen.Während seines Aufenthalts in dieser Wohnung wurde [X.] mitzwei Schüssen aus der Pistole entweder vom Angeklagten oder seiner Ehefraugetötet. Anschließend erschoß der Angeklagte seine Ehefrau mit dieser Waffe.Gegenüber den von ihm verständigten Polizeibeamten und gegenüber [X.] erklärte er, seine Ehefrau habe zunächst [X.] erschossenund dann Selbstmord begangen. Entsprechende Angaben machte er auch inder Hauptverhandlung.Das [X.] sieht es demgegenüber als erwiesen an, daß die Ehe-frau des Angeklagten keinen Selbstmord begangen hat, sondern von diesem- 5 -erschossen worden i[X.] Ob [X.]vom Angeklagten oder seiner Ehe-frau getötet worden ist, hält die [X.] aber entgegen der [X.], die auch diese Tat dem Angeklagten anlastet, für ungeklärt und hat ihninsoweit freigesprochen.Gegen diese Entscheidung wenden sich, soweit der Angeklagte hin-sichtlich des Vorwurfs der Tötung des [X.] freigesprochen wordenist, die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger mit ihren auf die Verletzungsachlichen und formellen Rechts gestützten Revisionen. Die [X.] erstrebt darüber hinaus eine Verurteilung des Angeklagten wegen [X.] hinsichtlich der Tötung seiner Ehefrau.[X.] Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg, einer Erörterung [X.] bedarf es daher nicht.1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an [X.] Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisions-gericht in der Regel hinzunehmen. Dieses hat insoweit nur zu beurteilen, obdem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das istdann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lücken-haft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. [X.] zu beanstanden sind die Beweiserwägungen auch dann, wenn sie erken-nen lassen, daß das Gericht überspannte Anforderungen an die zur [X.] erforderliche Überzeugungsbildung gestellt und dabei nicht beachtet hat,daß eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und von- 6 -niemandem anzweifelbare Gewißheit nicht erforderlich ist, vielmehr ein nachder Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit genügt, das vernünfti-ge und nicht bloß auf denktheoretische Möglichkeiten gegründete Zweifel nichtzuläßt ([X.] [X.] der Beweiswürdigung selbst muß der Tatrichter sich mit allen festge-stellten Indizien auseinandersetzen, die geeignet sind, das Beweisergebnis zuGunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen. Dabei muß sichaus den Urteilsgründen ergeben, daß die einzelnen Beweisergebnisse nichtnur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung einbezo-gen wurden. Denn die Indizien können in ihrer Gesamtheit dem Gericht dieentsprechende Überzeugung vermitteln, auch wenn eine Mehrzahl von [X.] jeweils für sich allein nicht zum Nachweis der Täterschaft [X.] ausreicht (vgl. u.a. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11;Beweiswürdigung, unzureichende 1; [X.], 491, 492; 2002, 48).2. Diesen Anforderungen wird das Urteil, soweit der Angeklagte freige-sprochen worden ist, nicht gerecht.a) Die Urteilsgründe lassen eine Überspannung der Anforderungen aneine Verurteilung besorgen. Die Annahme, auch die Ehefrau des [X.] als Täterin hinsichtlich der Tötung des [X.] in Betracht, [X.] der Widerlegung der Einlassung des Angeklagten, seine Ehefrau [X.] begangen, äußerst unwahrscheinlich und fernliegend. Das [X.] hätte sich damit auseinandersetzen müssen, ob nicht die wenigen für eineTäterschaft der Ehefrau des Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte schondadurch relativiert worden sind, daß der Angeklagte nach den [X.] -versucht hat, deren Selbstmord vorzutäuschen. Zwar kann grundsätzlich einewiderlegte Einlassung allein nicht zur Grundlage einer dem Angeklagten [X.] Sachverhaltsfeststellung gemacht werden (vgl. [X.], 96),etwas anderes muß aber gelten, wenn sich bei einem komplexen [X.] solche Teile der Einlassung als unrichtig erwiesen, die für die [X.] gesamten Geschehens von wesentlicher Bedeutung sind und nicht losge-löst von dem anderen Teil beurteilt werden können. In einem solchen Fall darfbei der Beweiswürdigung die Widerlegung der Einlassung nicht außer achtbleiben (vgl. auch BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33). Der [X.] im Rahmen einer Gesamtwürdigung nachvollziehbar darlegen müssen,daß hinreichende Anhaltspunkte für die Richtigkeit der lebensfremd erschei-nenden Einlassung zur Tötung des [X.] bestehen. Dazu kommt,daß die Angaben des Angeklagten zum Tathergang ganz erheblich an Glaub-haftigkeit verloren, weil dieser seine Einlassung zum Tatgeschehen jeweilsdem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere den [X.], [X.] (vgl. [X.], 94), wobei die [X.] sich auch nicht damit auseinandersetzt, ob und welche Angaben der An-geklagte zu den Vorfällen früher gemacht hat.b) Soweit das [X.] eine Verurteilung ablehnt, weil "nach Würdi-gung aller in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise Zweifel verbleiben", obder Angeklagte auch [X.] getötet hat und dabei die Indizien, diegegen eine Täterschaft des Angeklagten sprechen, nur aufzählt ([X.] ff.),deutet dies auf eine fehlerhafte Anwendung des "[X.]" hin. [X.] Grundsatz gilt nicht für entlastende Indiztatsachen, aus denen lediglichein Schluß auf eine unmittelbar entscheidungsrelevante Tatsache gezogenwerden kann, sondern nur für die abschließende zusammenfassende Würdi-- 8 -gung aller Indiztatsachen (vgl. im einzelnen [X.], 609 = [X.] § 261 Beweiswürdigung 24 m. w. N.).c) Diese Gesamtwürdigung fehlt jedoch. Die [X.] hatdie für und gegen eine Täterschaft des Angeklagten sprechenden Gründe [X.] und isoliert gewürdigt, eine Gesamtprüfung und -würdigung aller [X.] jedoch nicht vorgenommen. Die erheblichen für eine Täter-schaft des Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte hätten jedoch in eineGesamtabwägung mit den wenigen gegen seine Täterschaft sprechenden [X.] einbezogen werden müssen. Die lediglich summarische Fest-stellung der Indizien ohne eine Bewertung wird den Anforderungen an einesachgerechte Beweiswürdigung nicht gerecht. [X.] werden mußte in-soweit unter anderem, daß den auf eine Berührung der Tatwaffe durch [X.] hindeutenden DNA-Spuren an der Pistole ([X.]) und den anihren Händen gesicherten Schmauchspuren ([X.]) keine Beweisbe-deutung für ihre Täterschaft zukam, wenn der Angeklagte einen [X.] Ehefrau vorgetäuscht hat, wovon das [X.] rechtsfehlerfrei aus-geht. Ein Berühren der Tatwaffe war in diesem Zusammenhang unbedingt er-forderlich, um Kontaktspuren des [X.]s zu verursachen. Wichtig für [X.] wäre auch gewesen, daß ein Motiv für eine Tötung des [X.] durch [X.] fern lag, nachdem der Angeklagte seine Ehefraunur unter einem Vorwand dazu gebracht hatte, ihn zum Anwesen [X.]zu begleiten ([X.]), wo sich [X.] mit Wissen des Ange-klagten befand.Die fehlerhafte Beweiswürdigung führt zur Aufhebung des Urteils, soweitder Angeklagte vom Vorwurf der Tötung des [X.] freigesprochen- 9 -worden i[X.]3. Keinen Bestand haben kann das Urteil des [X.] auch, soweitder Angeklagte hinsichtlich der Tötung seiner Ehefrau nur wegen Totschlags(§ 212 StGB), nicht aber wegen Mordes (§ 211 StGB) verurteilt worden i[X.]Denn eine mögliche Verurteilung des Angeklagten wegen der Tötung des [X.] kann Auswirkungen auf die rechtliche Einordnung der Tat zumNachteil der Ehefrau des Angeklagten haben. Zumindest die Annahme niedri-ger Beweggründe oder die Verdeckung einer anderen Straftat liegt dann nichtfern. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren [X.] der Tötung von [X.] können jedoch aufrechterhalten bleiben.[X.] Detter [X.] Fischer Roggenbuck

Meta

2 StR 180/03

06.08.2003

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.08.2003, Az. 2 StR 180/03 (REWIS RS 2003, 1959)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 1959

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